Sojus (russischСоюз, international auchSoyuz, deutsch übersetzt alsUnion,Vereinigung oderEinheit; auchTrasse Orenburg-Westgrenze Sowjetunion genannt) ist eineErdgastrasse, also eine Strecke von parallelenFerngastransportrohrleitungen (Pipelines), die vonOrenburg inRussland (an der Grenze zuKasachstan) bis nachUschhorod in derUkraine verläuft.
Die Trasse dient der Durchleitung von Gas aus den reichenVorkommen der südlichenUral-Region undZentralasien nachOsteuropa und von dort über die westlich anschließendeTransgas-Pipeline nachMittel- undWesteuropa.[1][2]
Im Jahr 1966 wurde beiBohrungen imWolga-Ural-Basin etwa 30 Kilometer südlich von Orenburg eines der größten zu diesem Zeitpunkt bekannten Erdgasvorkommen der Welt entdeckt.[3][4] Neben Gas kommen auchGaskondensat undErdöl in bauwürdigen Mengen vor. Das Gas ist besonders reich anHelium, was den Bau einer Abscheidungsanlage zur Gewinnung des kostbaren Edelgases lohnend machte.[4] Ab 1971 wurde das Gasfeld Orenburg von der staatlich-sowjetischen Gasindustrie, der späterenGazprom, erschlossen. Bis 1974 erreichten Förderung und Aufbereitung in der Aufbereitungsanlage Orenburg ihre volle Leistung.[5]
Der Bau der Sojus-Pipeline erfolgte in den Jahren 1975 bis 1979 als Gemeinschaftsprojekt derRGW-Staaten[6] mit dem Ziel, die „sozialistischen Bruderländer“ derSowjetunion imWarschauer Pakt (DDR,ČSSR,VR Polen,VR Bulgarien,VR Ungarn) sowie die westlichen Sowjetrepubliken (insbesondere dieUkrainische SSR) mit Erdgas zu versorgen.[7][1] Im Gegenzug für die sowjetische Erdgaslieferung verpflichteten sich die fünf vorgenannten RGW-Staaten, sich am Bau der Trasse zu beteiligen und jeweils etwa ein Fünftel der Gesamtstrecke, also je 550 Kilometer, einschließlich der dazugehörigenVerdichterstationen unter eigener Regie zu errichten. Der Streckenabschnitt, der von deutschen Arbeitern aus der damaligen DDR erstellt wurde und der unter dem NamenDruschba („Freundschaft“) bekannt ist, liegt im Zentrum der Ukraine.[8] Besonders verdiente Arbeiter erhielten als Anerkennung eineVerdienstmedaille, die von Exekutivkomitee der RGW-Staaten vergeben und vomLeningraderMünzhof (LMD) geprägt wurde.[9]
Nach der Fertigstellung diente die Sojus-Trasse in Kombination mit der westlich anschließenden, wenige Jahre zuvor fertiggestelltenTransgas-Trasse durch dieTschechoslowakei auch zur Lieferung von Gas nach Westeuropa. Dies wurde möglich, da die Sowjetunion in den späten 1960er-Jahren, als derOst-West-Konflikt in eine Phase der Entspannung eintrat, Verhandlungen mit westeuropäischen Ländern (Italien, Österreich, Bundesrepublik Deutschland) über zukünftige Gaslieferungen aufgenommen hatte. Im Gegenzug beteiligten sich diese Länder an der Finanzierung und/oder lieferten im Voraus dringend benötigtes Material und Ausrüstung für den Bau der Pipelines. Das größte Geschäft dieser Art wurde mit dendeutsch-sowjetischen Erdgas-Röhren-Verträgen vereinbart.[2]
Mit derAuflösung der Sowjetunion im Jahre 1991, durch die die Ukraine und Kasachstan politisch von Russland unabhängig wurde, wurde die Pipeline zwischen den Ländern aufgeteilt: Der russische Teil blieb in den Händen des bisherigen Betreibers Gazprom, der ukrainische fiel unter die Kontrolle des staatlich-ukrainischen GaskonzernsNaftohas. Das kasachische GasunternehmenKazMunayGas bzw. dessen TochterKazTransGas erhielt von Gazprom eine Beteiligung an den Pipelines und Anlagen im russisch-kasachischen Grenzgebiet.
Ab der Jahrtausendwende entwickelten sich zwischen Russland und der Ukraine zunehmende Streitigkeiten bezüglich des Preises und der angemessenen Vergütung, die die Ukraine für die Lieferung bzw. Durchleitung des russischen Gases erhalten sollte. Derrussisch-ukrainische Gasstreit gipfelte ab 2005 mehrfach darin, dass die ukrainische und/oder die russische Seite die Lieferung und Durchleitung von Gas reduzierte oder unterbrach. In der Folge bemühte sich Russland, neue Alternativtrassen zu entwickeln, um weniger von der Durchleitung durch die Ukraine abhängig zu sein, was insbesondere mit den PipelinesNord Stream undSouth Stream gelingen sollte.
Mit Stand 2012 waren mehr als die Hälfte der Vorräte in der Lagerstätte Orenburg ausgebeutet; die Produktion ist dort seit den 1990er-Jahren rückläufig.[4] Da zur Kompensation aber neue Vorkommen an anderer Stelle erschlossen wurden und werden, deren Gas ebenfalls über die Sojus-Trasse geleitet wird, ist kein Ende des Betriebes der Pipeline in Sicht.[10] Ab dem Jahr 2012 wird die Pipeline unter Beteiligung deutscher Geldgeber und Anlagenbauunternehmen modernisiert.[11][12]
Im Verlauf desRussischen Überfalls auf die Ukraine hat das Vorrücken der russischen Truppen imOblast Luhansk dazu geführt, dass sie die Kontrolle über die VerdichterstationNowopskow eingenommen haben. Dies veranlasste den ukrainischen GasnetzbetreiberGTSOU am 10. Mai 2022 den Transit mit bis zu 32,6 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag dort und damit nach Westeuropa einzustellen.[13]
Verlauf der TrasseSojus mit einigen Stationen |
Die Strecke hat eine Gesamtlänge von etwa 2.750 km, wovon etwa 300 km durch kasachisches, 1.600 km durch ukrainisches und der Rest durch russisches Staatsgebiet verläuft. Entlang der Strecke liegen im Abstand von jeweils etwa 100 bis 150 kmVerdichterstationen zur Druckerhöhung. Insgesamt sind es 21 Stationen, davon 12 in der Ukraine[12][14] und zwei in Kasachstan.
Die Sojus-Trasse beginnt an der Aufbereitungsanlage bei Orenburg. Hier erfolgt die Einspeisung von Gas aus dem nahegelegenen Gasfeld (etwa 30 km südlich von Orenburg) und dem FeldKaratschaganak (etwa 100 km südwestlich von Orenburg, in Kasachstan) sowie die Weiterleitung von Gas aus einem Feld beiDombarowski (etwa 400 km östlich von Orenburg).[15]
Von Orenburg folgt die Trasse dem FlussUral in westlicher Richtung und überschreitet hinter der Verdichterstation Alexejewka die kasachische Grenze. Ab hier verläuft die Trasse an der StadtUralsk vorbei etwa 300 km durch Kasachstan.
BeiAlexandrow Gai in derOblast Saratow tritt die Trasse wieder in russisches Gebiet ein. Hier vereinigt sich die Trasse mit der PipelineZentralasien – Zentrum (CAC), die Gas aus den zentralasiatischen, ehemaligen SowjetrepublikenTurkmenistan,Usbekistan und Kasachstan in Richtung des russischen Wirtschaftszentrums heranführt.[16][15][17] Es folgt nochmals eine Strecke von etwa 50 km ohne Station durch kasachisches Gebiet, bevor die Trasse östlich vonPallassowka erneut die Grenze nach Russland quert. Über sechs Verdichterstationen und eine Strecke von etwa 600 km geht es von hier, anAntipowka undFrolowo vorbei, bis zur russisch-ukrainischen Grenze.
In der östlichen Ukraine, beiNowopskow und beiSchebelinka, erfolgt die Einspeisung von weiterem Gas aus dortigen Gasvorkommen sowie die Zusammenführung mit kleineren Nebenzweigen der Trasse„Bruderschaft“ aus Nordwestsibirien. Westlich davon schließt sich hinterKrementschuk der oben erwähnte, von DDR-Arbeitern erbaute Abschnitt „Druschba“ mit Verdichterstationen beiOleksandriwka,Talne undHajssyn bis nachBar an.
Nachdem sich die Sojus-Trasse in der RegionDolyna mit der HaupttrasseBruderschaft und der dem südlichen Zweig der TrasseJamal–Europa vereinigt hat,[18] erreicht die gemeinsame Leitung bei Uschhorod an der ukrainisch-slowakischen Grenze ihr Ziel. Hier erfolgt die Übergabe an dieTransgas-Pipeline, die das Gas über die Slowakei und Tschechien nach Österreich, Deutschland und von dort weiter an andere westeuropäische Länder leitet.