Sigmund von Birken (auchSigismund von Birken; *25. April1626 inWildstein,Elbogener Kreis; †12. Juni1681 inNürnberg,Fränkischer Reichskreis) war einprotestantischer deutscherDichter,Schriftsteller undÜbersetzer desBarock, Mitglied unter anderem desPegnesischen Blumenordens zu Nürnberg und derFruchtbringenden Gesellschaft, des sogenannten Palmenordens.
Sigmund Birken wuchs in einemPfarrhaus auf. Er war der Sohn von Daniel Betulius, dem Ortspfarrer vonWildstein beiEger inBöhmen. 1629 wurde die protestantische Familie von dort aus Glaubensgründen vertrieben und flüchtete nach Nürnberg, der Heimatstadt der Mutter. Bis zu seinerNobilitierung 1654 trug der Dichter den Namen Sigmund (oder Sigismundus) Betulius.
Nach dem Besuch der Lateinschule des Heilig-Geist-Spitals und ab 1632 derEgidienschule[1] in Nürnberg studierte Birken von 1643 bis 1644 die Rechtswissenschaften inJena. Zur Jahreswende 1644/45 brach er sein Studium ohne Abschluss ab und ging nach Nürnberg zurück. Dort verfasste er im Frühjahr 1645 sein erstes größeres Werk, dieFortsetzung der Pegnitzschäferei, und wurde unter dem Pseudonym „Floridan“ Mitglied desPegnesischen Blumenordens. Vom Ende des Jahres bis Oktober 1646 wirkte er als Hofmeister (Lehrer und Erzieher) der PrinzenAnton Ulrich undFerdinand Albrecht sowie von deren SchwesternSibylle Ursula, Clara Augusta und Maria Elisabeth am Hof inWolfenbüttel. Nachdem er dort – wohl unfreiwillig – entlassen worden war, folgte eine zweijährige Wanderung durch Norddeutschland, auf der er u. a.Johann Rist kennenlernte und die ihn bis nachRostock führte.
Sein Geld verdiente Birken erneut als Hofmeister. Im November 1648 kehrte er nach Nürnberg zurück. In den folgenden beiden Jahren wurde er über die Grenzen seiner Heimat hinaus als Dichter bekannt: 1649 und 1650 tagten dort Gesandte aus ganz Deutschland und Schweden, die auf demNürnberger Exekutionstag über die Bestimmungen zur Ausführung desWestfälischen Friedens verhandelten. Birken machte sich als Poet mit Lobesversen auf den Leiter der kaiserlichen Delegation,Ottavio Piccolomini, einen Namen und führte auf dem abschließenden Friedensfest am 14. Juli 1650 mit Nürnberger Schülern sein FriedensspielTeutscher Kriegs Ab- und Friedens-Einzug auf.
Auch in den folgenden Jahren wirkte Birken als Dichter und Erzieher. Er versuchte, sich als freier Schriftsteller zu etablieren, konnte aber von dieser Tätigkeit nicht leben. InGottlieb Amadeus von Windisch-Graetz, mit dem er in Nürnberg Freundschaft geschlossen hatte, fand er einen einflussreichen Förderer am Hof inWien. Im Mai 1654 wurde er mit dessen Unterstützung von KaiserFerdinand III. in den Adelsstand erhoben und zum kaiserlichenHofpfalzgrafen ernannt. Seitdem nannte er sich „von Birken“.
Die Bekanntschaft mit Windischgrätz führte 1658 dahin, dass Birken durch HerzogWilhelm IV. von Sachsen-Weimar in dieFruchtbringende Gesellschaft aufgenommen wurde. Birken wurde der Gesellschaftsname „der Erwachsene“ und das Motto „zu größern Ehren“ verliehen. Als Emblem ist ihm das „Weiße duppelte Veilchen“ zugedacht worden. Im Köthener Gesellschaftsbuch der Fruchtbringenden Gesellschaft findet sich Birken als 681. Mitglied eingetragen. Schon 1644 war Birken vonPhilipp von Zesen in dieDeutschgesinnte Genossenschaft aufgenommen worden – wahrscheinlich ohne dass er davon etwas wusste.
1662 wurde er Präsident des „Pegnesischen Blumenordens“. Die Dichtergesellschaft war 1644 vonGeorg Philipp Harsdörffer undJohann Klaj ins Leben gerufen worden, beide waren in der Zwischenzeit verstorben. Unter Birken als dem „Oberhirten“ vermehrte sich die Mitgliederzahl um ein Vielfaches. Sein Verdienst ist es, als erster auch Frauen in eine Dichtergruppe aufgenommen zu haben. Bis zu Birkens Tod verfassten die Ordensmitglieder gemeinsam unter seiner Federführung Hunderte vonSchäfergedichten zu Geburten, Hochzeiten und Todesfällen, die in kleinen Schriften als so genannteGelegenheitsdichtung veröffentlicht wurden.
Birken, einer der vielfältigsten und produktivsten Autoren des 17. Jahrhunderts, trat außer als Schäferdichter auch als Verfasser vonAndachtsliedern, Geschichtsschriften und Historiendramen hervor.
Mit demDonaustrand, einer 1664 anlässlich derTürkenkriege veröffentlichten Beschreibung historischer Stätten amDonaulauf, landete er einen echtenBestseller auf dem Buchmarkt: Alle 2.000 Exemplare des Werks waren innerhalb weniger Wochen ausverkauft, es folgten über 20 weitere Auflagen.
Seine umfangreichste Schrift ist der mit Hunderten vonKupferstichen bebilderteSpiegel der Ehren des Erzhauses Österreich von 1668, in dem auf 1.500 Seiten die Geschichte derHabsburger vomMittelalter bis zu KaiserMaximilian I. nacherzählt wird. In ähnlichen Schriften verherrlichte Birken dasWelfenhaus (Guelfis, 1669) und diesächsischenKurfürsten (Sächsischer Heldensaal, 1677).
In seinem Vorwort zurAramena Anton Ulrichs von Braunschweig-Wolfenbüttel setzte er sich als erster Autor in deutscher Sprache theoretisch mit der Literaturgattung desRomans auseinander.
Weniger bekannt ist Birken als Übersetzer lateinischer und französischer Texte und anonymer „Ghostwriter“ für andere Autoren und Verleger. Ein gutes Beispiel für diese Tätigkeit ist derOrbis sensualium pictus vonJohann Amos Comenius, ein bis in das 19. Jahrhundert gebrauchtes Schulbuch zum Erlernen von Fremdsprachen, das Birken nicht nur bearbeitet, sondern vollständig neu konzipiert hat. Der deutscheWortschatz wurde so maßgeblich durch Birken geprägt.
Birken spannte im Lauf der Jahre ein engmaschiges Netz von Kontakten und hatte Verbindungen zu prominenten Schriftstellern des Barock wieJohann Wilhelm von Stubenberg,Catharina Regina von Greiffenberg,Georg Neumark undJustus Georg Schottel. Er wirkte als Anlaufstelle für alle möglichen literarischen Dienstleistungen und wurde dafür von den Zeitgenossen hoch geachtet. Gemeinsam mit dem Nürnberger TheologenJohann Michael Dilherr schuf er einigeemblematischeErbauungsbücher, gemeinsam mit Komponisten wieJohann Erasmus Kindermann viele geistliche Lieder. Außerdem arbeitete Birken mit den besten Künstlern seiner Zeit zusammen, so mitJacob undJoachim von Sandrart. Diesen unterstützte er als im Hintergrund wirkender Autor bei dessen kunsttheoretischem WerkTeutsche Akademie der edlen Bau-, Bild- und Malereikünste (1675 und 1679) und bei dessen Bearbeitung vonVincenzo CartarisLe imagini colla sposizione degli dei degli antichi (Deutscher Titel:Iconologia Deorum oder Abbildung der Götter welche von den Alten verehret wurden) (1680).
Gegen Ende seines Lebens veröffentlichte Birken als Summe seiner Erfahrungen dieTeutsche Rede-bind- und Dicht-Kunst. In diesem Werk, einer der letzten typischen Barock-Poetiken, zitiert er hunderte seiner eigenen Gedichte als vorbildlich für den Schüler der Dichtkunst. Diese wurde im 17. Jahrhundert nicht wie heute als Sache derGenies betrachtet, sondern als erlernbares Handwerk. Dementsprechend werden Hunderte von Regeln vorgeführt, die der Schüler der Poesie erlernen soll, um „gute“ Gedichte schreiben zu können.
Sigmund von Birken verstarb am 12. Juni 1681 in Nürnberg und wurde auf demJohannisfriedhof beigesetzt (Grabnummer IB, 054b). Nach seinem Tod ging es mit demPegnesischen Blumenorden bald bergab. Er existiert heute noch als Verein von Nürnberger Bürgern, die stolz auf ihre literarische Vergangenheit verweisen.
Von großem Wert für die weitere Erforschung derBarockliteratur ist das Erbe Birkens: Er hat der Nachwelt ca. 10.000 Manuskriptseiten und ca. 2.000 Briefe von 400 Korrespondenten hinterlassen. Sie werden heute imHistorischen Archiv des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg aufbewahrt. An den Manuskripten kann man studieren, dass Birken auch ein begabter Zeichner war und komponieren konnte. Auf dieser bislang noch nicht ausgeschöpften Grundlage wird man zu einer Neubewertung von Birkens zentraler Rolle in der Literatur des 17. Jahrhunderts kommen müssen.
Von seinen zahlreichen geistlichen Liedern sind heute noch zwei imEvangelischen Gesangbuch zu finden: dasPassionsliedJesu, deine Passion will ich jetzt bedenken (EG 88, auch vonJohann Sebastian Bach inBWV 5 und in einer Version derJohannespassion verwendet) sowieLasset uns mit Jesus ziehen (EG 384).
Werk- und Literaturverzeichnisse
Personendaten | |
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NAME | Birken, Sigmund von |
ALTERNATIVNAMEN | Betulius, Sigmund |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Dichter des Pegnesischen Blumenordens |
GEBURTSDATUM | 25. April 1626 |
GEBURTSORT | Wildstein,Elbogener Kreis |
STERBEDATUM | 12. Juni 1681 |
STERBEORT | Nürnberg,Fränkischer Reichskreis |