Russell Dana „Russ“ Feingold (*2. März1953 inJanesville,Wisconsin) ist einamerikanischerPolitiker (Demokratische Partei). Von 1993 bis 2011 vertrat er denBundesstaat Wisconsin imUS-Senat und bewarb sich bei derWahl im November 2016 – ohne Erfolg – wieder um dieses Mandat.
Feingold erarbeitete denBipartisan Campaign Reform Act („McCain-Feingold-Act“ zur Reform der Wahlkampffinanzierung) mit und stimmte 2001 als einziger Senator gegen die Einführung desUSA PATRIOT Act. Er wurde als möglicherPräsidentschaftskandidat 2008 gehandelt. 2013 bis 2015 war Feingold Sondergesandter der Vereinigten Staaten für dieRegion der Großen Seen in Afrika.
Feingold ist eines von vier Kindern einerjüdischen Einwandererfamilie, die sich 1917 in Janesville niederließ. Seine Eltern stammen ausRussland undGalizien. In seiner Jugend bewunderte erJohn F. undRobert F. Kennedy sowieMartin Luther King.
Nach dem Besuch derJoseph A. CraigHigh School studierte Feingold an derUniversität von Wisconsin-Madison und schloss 1975 alsBachelor of Artscum laude ab. Er war Mitglied derPhi-Beta-Kappa-Studentenverbindung. 1977 ging er mit einemRhodes-Stipendium nach Oxford, wo er einen weiteren Bachelor of Arts erwarb. InHarvard machte Feingold 1979 einen Abschluss inRechtswissenschaft und arbeitete von 1979 bis 1985 bei den privaten AnwaltsfirmenFoley & Lardner undLa Follette & Sinykin.
Feingold heiratete 1977 Sue Levine und hat zwei Kinder mit ihr (Jessica und Ellen); neun Jahre später scheiterte die Ehe. Danach heiratete er die ebenfalls geschiedene Mary Speerschneider, die zwei Söhne (Sam und Ted) mit in die Ehe brachte. Am 11. April 2005 kündigten sie gemeinsam an, sich scheiden lassen zu wollen. Im August 2013 heiratete er die Bibliothekarin Christine Ferdinand.[1]
Ab 1982 saß Feingold imSenat von Wisconsin, bis er 1992 in den Senat der Vereinigten Staaten gewählt wurde.
Russ Feingolds Karriere als Senator begann bei derWahl zum US-Senat 1992 mit einem überraschenden Sieg über denrepublikanischen AmtsinhaberBob Kasten. Bemerkenswert waren die fünf Wahlversprechen, die er in Vertragsform auf sein Garagentor schrieb:
Auch Feingolds Wahlkampagne erhielt Beachtung, da sie der siegreichen SenatskampagnePaul Wellstones inMinnesota 1990 ähnelte. Er machte Werbung in Form kurzer „Home Movies“, Amateurfilme, in denen er als Außenseiter („underdog“) porträtiert wurde. Er wurde als volksnah und nicht abgehoben dargestellt und präsentierte sein Heim und seine Kinder, die auf eine öffentliche Schule (also keine Privatschule) gingen. Einer seiner humorvollen Wahlwerbespots zeigte, wie Feingold all seine Wandschränke öffnete, um zu zeigen, dass er keine Skelette darin versteckt hat (in Anspielung auf eine Redensart, die der deutschen „keine Leichen im Keller haben“ entspricht).[3]
Während der Kampagne stellte Feingold einen 82-Punkte-Plan vor, der das Haushaltsdefizit durch Steuererhöhungen und Einschnitte im Verteidigungsetat ausgleichen sollte. Er wurde dafür von den Republikanern als „Extremist“ und von seinen demokratischen Konkurrenten als „zuliberal“ kritisiert. Für die Amtsperiode kündigte Feingold eine umfangreiche Finanz- und Gesundheitsreform an und stimmte gegen neue Steuersenkungen.
In der Vorwahl der Demokraten setzte sich Feingold gegen die beiden lange führenden Kandidaten Joe Checota undJim Moody durch, weil er den Wählern eine Alternative zu deren Programmen bot und nicht wie diese einen schmutzigen Wahlkampf führte. Diese Schlammschlacht ließ er in einem seiner Wahlwerbespots mit seinen Gegnern aus Pappe, die einander mit Schlamm bewerfen, bildhaft darstellen.[3] Die eigentliche Wahl gewann er gegen Kasten mit 53 % zu 46 %.
Während seiner Anfangszeit imKongress stand ihm SenatorPaul M. Simon alsMentor zur Seite. Feingold hielt in der Folge regelmäßig seine Sprechstunden in allen 72 Countys ab, seit seiner Wahl 1992 über 850.
Während der Kampagne für seineWiederwahl 1998 vermied Feingold wieder einen kostspieligen Wahlkampf. Er lehnte es ab, mehr als einen Dollar für jeden Bürger von Wisconsin (3,8 Mio.) auszugeben. Zusätzlich setzte er sich für die Beschaffung des Geldes die gleichen Grenzen, denen er auch unter dem McCain-Feingold-Gesetz ausgesetzt gewesen wäre und ließ sich auch nicht von seiner Partei mit sogenanntem „Soft Money“ (Geld, das nicht direkt gespendet wird, sondern z. B. über den Umweg der Partei) helfen. Sein republikanischer GegnerMark Neumann begrenzte seine Wahlkampfausgaben daraufhin auch auf 3,8 Mio. Dollar, finanzierte sich aber weitergehend über Soft Money. Feingold wurde von vielen Parteifreunden kritisiert, dass er durch seine finanzielle Beschränkung leichtfertig die politische Karriere aufs Spiel setze. Am Wahltag gewann Feingold dank der starkenWahlbeteiligung in den DemokratenhochburgenMilwaukee undMadison mit etwa zwei Prozentpunkten Vorsprung.
Feingold erhielt nach denTerroranschlägen am 11. September 2001 politische Prominenz auch über die Vereinigten Staaten hinaus, weil er im Oktober 2001 als einziger Senator seine Stimme für denUSA PATRIOT Act, eine Bürgerrechte beschränkende Sicherheitsgesetzgebung, verweigerte und auch die Ermächtigung der US-Regierung zumIrakkrieg 2002 nicht mittrug.[4] Auch gegenüber den demokratischen US-Senatoren blieb Feingold auf Distanz und verärgerte diese beispielsweise, als er den Antrag, alle Vorwürfe gegen Präsident Clinton in derLewinsky-Affäre fallenzulassen, nicht unterstützte. Vor allem auch seine parteiübergreifende Initiative für eine Reform der Politikfinanzierung, die er sieben Jahre lang vorbereitet hatte[5] und 2002 mit dem republikanischen SenatorJohn McCain imBipartisan Campaign Reform Act in Gesetzesform brachte, wurde parteiintern kritisiert, weil dadurch der Vorsprung der Republikaner im Spendenaufkommen noch größer zu werden drohe.[6]
Bei derSenatswahl 2004 besiegte Feingold seinen republikanischen Gegner, den BaulöwenTim Michaels, mit zwölf Prozentpunkten Vorsprung. Er begrenzte wieder seine Wahlkampfkosten, hob die Grenze aber an und gab schließlich fast 11 Millionen Dollar aus. Als die Republikaner Feingolds Geldbegrenzungen als Heuchlerei bezeichneten, trat er dem entgegen, indem er nachwies, dass 90 % des Geldes von Privatleuten aus Wisconsin (im Durchschnitt 60 Dollar) kamen. Feingolds hoher Wahlsieg wurde von vielen als allgemeine Zustimmung zu den kontroversen Standpunkten, die er während seiner zweiten Amtszeit eingenommen hatte, gesehen. Feingold gewann auch in Countys, die bei der zeitgleichenPräsidentschaftswahl mehrheitlich den RepublikanerGeorge W. Bush unterstützen.
Gegen Weihnachten 2004 wurde Feingold zu einem von vier stellvertretendenWhips (Fraktionsgeschäftsführer) der Demokraten im Senat ernannt. Feingold versicherte, dass die neue Rolle seine Unabhängigkeit in der Partei oder der Kammer nicht beeinträchtige. Nachdem er zum Verdruss einiger Demokraten 2005 die Nominierung des konservativenJohn Roberts zumChief Justice of the United States mitgetragen hatte, machte er sich 2006 bei den Republikanern unbeliebt, indem er als erster US-Senator einen Zeitplan für den Rückzug der US-Truppen aus dem Irak forderte und sich für eine offizielle Rüge des US-PräsidentenGeorge W. Bush durch den Kongress einsetzte, weil dessen Regierung Kommunikationsüberwachung ohne richterliche Genehmigung durchführen ließ.[6]
Im Januar 2005 kündigte Feingold an, die Möglichkeiten einer Kandidatur zur Präsidentschaft 2008 auszuloten, aber erst durchs Land zu reisen, bevor er eine Entscheidung fälle. Im März 2005 registrierten seine Mitarbeiter Websites für seine potentielle Kampagne. Nach dem Sieg der Demokraten bei denWahlen im November 2006 gab er allerdings bekannt, dass er nicht antreten werde, da dies „sein berufliches (als Senator) und persönliches Leben zerlegen würde“.[7]
Im Zuge derweltweiten Finanzkrise lehnte Feingold im US-Senat diestaatliche Rettung von Finanzunternehmen 2008 („Bail-out“) und (als einziger Demokrat[8]) dieRegulierung der Finanzmärkte 2010 ab, weil diese ihm nicht weit genug ging. Außerdem stimmte Feingold bei derAufstockung des Truppenkontingents im Afghanistan-Krieg Anfang 2009 gegen die Regierung Obama.[9]
Bei derSenatswahl 2010 unterlag Feingold seinem republikanischen Herausforderer, dem bisherigen Manager und politischen NeueinsteigerRon Johnson, der 51,9 % der Stimmen auf sich vereinigte. Feingolds schwaches Ergebnis von 47 % lässt sich auf die wirtschaftlich schwierige Lage Wisconsins in derFinanzkrise ab 2007 zurückführen, für die die auf Bundesebene regierenden Demokraten verantwortlich gemacht wurden; bei vier von zehn Wählern in Wisconsin hatte sich lautexit polls in den vergangenen beiden Jahren die persönliche Situation verschlechtert.[10] Feingold hatte sich, auch wenn er gegen einige Vorhaben Obamas gestimmt hatte, für dessen unbeliebteGesundheitsreform und dasumfassende Konjunkturprogramm starkgemacht, was Feingold viele als unabhängig registrierte Wähler, die einerestriktive Fiskalpolitik fordern, kostete; die Zustimmung zu Obamas Politik war in diesem Bundesstaat stärker und schneller zurückgegangen als in den meisten anderen. In diesem mit insgesamt 35 Millionen US-Dollar teuersten Senatswahlkampf bisher in Wisconsin gab Feingold über 16 Millionen US-Dollar aus. Nachdem sein Versuch, die politischen Spenden zu begrenzen und transparenter zu machen, im Frühjahr des Jahres durch einen Richterspruch endgültig fehlgeschlagen war, sah er sich Wahlkampf-Angriffen ausgesetzt, die durch nicht offengelegte Spenden in Höhe von etwa 4 Millionen US-Dollar finanziert waren.[9] Bei der Wahl stimmten etwa 2,2 Millionen Einwohner Wisconsins ab, deutlich weniger als bei den Präsidentschaftswahlen2008 und2012 mit je etwa 3 Millionen Wählern, was Demokraten die Bedingungen erschwert.[3]
Kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Senat im Januar 2011 gründete Feingold im Februar dasPolitical Action CommitteeProgressives United, das sich zum Ziel gesetzt hat, politische Spenden nur noch von Privatleuten zuzulassen, denLobbyismus einzudämmen und die Korruption zu bekämpfen, nachdem derUS-Supreme Court im Januar 2010 unbegrenzte Wahlkampfspenden von Konzernen zugelassen und damit den McCain-Feingold-Act von 2002 zur Begrenzung der Spenden ausgehöhlt hatte.[11] Feingold schrieb das BuchWhile America Sleeps: A Wake-up Call for the Post-9/11 Era, das 2012 erschien und einen persönlichen Rückblick und Reflexionen auf die Senatszeit seit9/11 enthielt,[12] und lehrte Recht an den UniversitätenMarquette,Lawrence undStanford.[13] Vor ObamasWiederwahl 2012 war Feingold einer der 35 Co-Vorsitzenden des Wahlkampfteams („co-chair“).[14]
Im Juni 2013 ernannte US-AußenministerJohn Kerry Feingold zum Sondergesandten für dieRegion der Großen Afrikanischen Seen, nachdem im März des Jahres eineUN-Eingreiftruppe mit aggressivem Mandat im Kongo eingesetzt worden war. Kerry wollte mit der Berufung Feingolds die Aufmerksamkeit der US-Außenpolitik stärker auf den dortigen langwierigen, aber kaum wahrgenommenen Konflikt lenken. Feingold hatte im US-Senat dem Unterausschuss für Afrika vorgestanden und gilt als einer der besten Kenner des Kontinents in der US-Politik.[15] Im Februar 2015 zog er sich von dieser Position zurück.[16]
Russ Feingold kündigte am 14. Mai 2015 an, sich für dieSenatswahl im November 2016 wieder um seinen früheren Sitz zu bewerben, trat also – nach einem Sieg in der demokratischenVorwahl – wieder gegen den Mandatsinhaber Ron Johnson an. Die Ankündigung wurde improgressiven Lager der Demokraten (etwa beiElizabeth Warren) begrüßt, da er als Repräsentant der politischen Linken gilt. Seine früher extremen Positionen (wie etwa die Unterstützung derHomoehe oder die Ablehnung scharfer Sicherheitsgesetze) waren inzwischen im Mainstream der Demokraten angekommen, sodass auch das Partei-Establishment seine Kandidatur begrüßte.[8] Feingold versprach, sich im Sinne überparteilicher Unabhängigkeit zu engagieren, während sein republikanischer Kontrahent das Bild eines Washington-Insiders zeichnete, der nur den Politikbetrieb kenne.[13] Zuletzt hatte 1934 ein US-Senator es geschafft, für einen Sitz wiedergewählt zu werden, von dem er zuvor abgewählt worden ist.[8] In den ersten Umfragen führte Feingold deutlich vor Johnson.[3] Aufgrund der guten Umfragewerte galt Feingold für die meiste Zeit des Wahlkampfs als Favorit. Daher fokussierte sich dasKampagnenkomitee der Demokraten für den US-Senat auf andere Bundesstaaten. In den Wochen vor der Wahl konnte Amtsinhaber Johnson sein Image durch eine intensive Werbekampagne nachhaltig verbessern und die Lücke in den Umfragen zunehmend schließen.[17]
Bei der Wahl unterlag Feingold mit 46,85 % der Wählerstimmen gegen Johnsons 50,2 %.[18]
Personendaten | |
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NAME | Feingold, Russ |
ALTERNATIVNAMEN | Feingold, Russell Dana (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Politiker |
GEBURTSDATUM | 2. März 1953 |
GEBURTSORT | Janesville, Wisconsin |