Rudolf Noelte (*20. März1921 inBerlin; †8. November2002 inGarmisch-Partenkirchen) war einer der bedeutendsten deutschsprachigenTheaterregisseure in den 1960er bis 1980er Jahren. Er inszenierte auchOpern und führte Regie inFilmen undHörspielen. Rudolf Noelte zeichnete sich durch eine akribische Regieauffassung aus, die das jeweilige Werk intensiv auszuloten suchte. Sein Umgang mit Schauspielern und anderen Akteuren war schwierig, für viele aber dennoch anregend.
1948 gelang ihm mit seiner ersten Inszenierung vonWolfgang Borcherts bekannten KriegsheimkehrerdramaDraußen vor der Tür seine Anerkennung als Regisseur im Alter von 27 Jahren.
Ab 1952 war Rudolf Noelte Regisseur am Schiller- und Schloßparktheater in Berlin und hatte außerdem Gastspiele inMünchen,Zürich und in weiteren Orten. Danach wurde er Spielleiter der Städtischen Bühnen in Berlin.
Rudolf Noelte war nie für längere Zeit Intendant eines Theaters. 1959 übernahm er die Leitung derFreien Volksbühne in Berlin (auf Empfehlung vonHans Knudsen), wurde jedoch sechs Monate später bereits wieder entlassen. Ein Arbeitsgerichtsprozess und ein Untersuchungsausschuss unter Vorsitz vonWerner Stein schlossen sich an. Im Ergebnis wurde dem Arbeitgeber Noeltes, dem Verein Freie Volksbühne und dessen VorsitzendemSiegfried Nestriepke, zwar unangemessenes und rechtswidriges Verhalten bescheinigt, die Entlassung blieb aber bestehen.
Danach war er als freier Regisseur an verschiedenen Theatern tätig, außerdem inszenierte er einige Opern und führte Regie in Filmen, meist für das Fernsehen. sowie in vielen Hörspielen. 1967 scheiterte die geplante Uraufführung vonMax FrischsBiografie. Ein Spiel in Zürich an übermäßigen Eingriffen Noeltes in den Text und eine von ihm geplante Vorverlegung des Aufführungstermines, die der Autor nicht akzeptieren wollte.[1]
Von 1976 bis 1980 war Rudolf Noelte Leiter der Sektion Darstellende Kunst der Akademie der Künste in West-Berlin.
1991 leitete Rudolf Noelte seine letzten Theater- und Operninszenierungen.Danach erkrankte er an derAlzheimerschen Krankheit und verbrachte die letzten Lebensjahre verarmt in einem Pflegeheim in Garmisch-Partenkirchen. Dort starb er 2002 an einerLungenentzündung.
Rudolf Noelte war ein Einzelgänger und konzentriert auf die akribische Vorbereitung seiner Inszenierungen. Proben wurden von ihm fast mathematisch bis ins kleinste Detail vorbereitet; dabei ging es ihm um ein Theater, das der Literatur diente. Auch wenn er eigene Textfassungen der von ihm inszenierten Stücke erstellte, so blieb er dabei immer dem Autor und dessen Intention verpflichtet. Theaterspektakel lehnte er ab.
Seine bevorzugten Autoren waren jene, bei denen die psychische Verfassung und die psychologische Motivation der Figuren im Vordergrund standen, die herauszuarbeiten er sich zur Aufgabe machte. So wie etwa beiCarl Sternheim: Noeltes Inszenierung derKassette mitTheo Lingen in der Hauptrolle gilt bis heute als Musterinszenierung des Stücks. Auch Inszenierungen der Stücke vonHenrik Ibsen,August Strindberg undEugene O’Neill waren exemplarisch für seine Sichtweise. Mit seinen Inszenierungen von StückenAnton P. Tschechows eröffnete Noelte ab den 1960er Jahren eine neue Sichtweise auf den Autor und läutete damit eine Renaissance von dessen Stücken an westdeutschen Bühnen ein. Er trug damit auch zu einer weiter gefassten Tschechow-Rezeption bei.
Die Genauigkeit seiner Sichtweise den Stückvorlagen gegenüber entsprach seiner minutiösen Inszenierungsarbeit, die keine Nachlässigkeiten duldete und Schauspielern darstellerisch nur wenige interpretatorische Freiräume ließ, sodass er als Regisseur so respektiert wie gefürchtet war. Dennoch bildete sich ein Stamm von Schauspielern, mit denen er immer wieder zusammenarbeitete. Künstler wieMarianne Hoppe,Therese Giehse undCordula Trantow arbeiteten häufig mit ihm. InWill Quadflieg fand er als Darsteller einen idealen Widerpart für seine konzeptionellen Vorstellungen.
Rudolf Noelte führte Regie in Stücken an verschiedenen Theatern in Berlin, München, Stuttgart, Hamburg, Wien, Zürich und weiteren Orten.[2] Neun Inszenierungen wurden zuBerliner Theatertreffen zwischen 1964 und 1984 eingeladen.[3]
„Sein Thema ist der Mensch in seinem Weh. Die Einsamen, die Verzweifelten. Die Geschlagenen. Immer Wahrhaftigkeit suchend auf der Bühne. Maßlos, schonungslos in seinen Ansprüchen an sich selbst und seine Mitarbeiter.“
Amadeus Gerlach (Hrsg.):Inszenierungen in Moll. Der Regisseur Rudolf Noelte. Edition Hentrich, Berlin 1996,ISBN 3-89468-210-8.
Zeitungsartikel
Bernhard Stadelmaier:Ein Noelte täte uns gut. In:Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20. März 2021Text
Der grosse Schwierige. Zum Tod von Rudolf Noelte. In:Neue Zürcher Zeitung, 11. November 2002.Text
Verschollen für Sekunden. Der Theatermagier, der das Theater verachtete.Zum Tod des Regisseurs Rudolf Noelte. In:Die Zeit, Nr. 47/2002.Text (beschränkter Zugang)
Peter Iden:Theater als Widerspruch Plädoyer für die zeitgenössische Bühne am Beispiel neuerer Aufführungen d. Regisseure Luc Bondy, Klaus Michael Grüber, Hansgünther Heyme, Uwe Jens Jensen, David Mouchtar-Samorai, Hans Neuenfels, Rudolf Noelte, Claus Peymann, Peter Stein, Dieter Sturm, Ernst Wendt. Kindler, München 1984,ISBN 3-463-00878-5.
Heiko R. Blum, unter Mitarbeit von Sigrid Schmitt:Götz George. Beruf Schauspieler. Zur Erinnerung an Theodor Kotulla und Rudolf Noelte. Henschel Verlag, Berlin 2003,ISBN 3-89487-457-0.
↑Biografie. Ein Spiel ETH Zürich, detailliert über die geplante Aufführung; Noelte wollte den Aufführungstermin wegen eines weiteren Engagements in Hamburg vorverlegen lassen, was Frisch zu früh erschien
↑Rudolf Noelte Akademie der Künste, mit Inszenierungen in Auswahl
↑Rudolf Noelte Berliner Theatertreffen, mit einzelnen Inszenierungen und Schauspielern
↑Rudolf Noelte Deutsches Filmhaus, mit Beschreibungen einiger Filme