Der Rheinfall gehört mit dem gleich hohenSarpsfossen inNorwegen und dem doppelt so hohenDettifoss aufIsland zu den drei grössten Wasserfällen in Europa. Dabei ist der Sarpsfossen mit durchschnittlich 577 m³/s wasserreicher, jedoch komplett durch Kraftwerksbauten verstellt. Der Dettifoss führt nur etwa halb so viel Wasser, ist aber als Einziger der drei Fälle vollkommen unberührt.
Auf dem Weg vomBodensee nachBasel stellen sich demHochrhein mehrfach widerstandsfähige Gesteine in den Weg, die das Flussbett verengen und die der Fluss in Stromschnellen und einem Wasserfall, dem Rheinfall, überwindet. Früher wurde der Rheinfall auch alsGrosser Laufen bezeichnet, zur Unterscheidung vom einstigenKleinen Laufen und dem noch bestehendenMittleren Lauffen.
Der Rheinfall hat eine Höhe von 23 Metern und eine Breite von 150 Metern. DerKolk in der Prallzone hat eine Tiefe von 13 Metern. Bei mittlerer Wasserführung des Rheins stürzen im Rheinfall 373 Kubikmeter Wasser pro Sekunde über die Felsen (mittlerer Sommerabfluss: etwa 600 m³/s). Die höchste Abflussmenge wurde im Jahr 1965 mit 1250 Kubikmetern, die geringste Abflussmenge im Jahr 1921 mit 95 Kubikmetern pro Sekunde gemessen. Auch in den Jahren 1880, 1913 und 1953 war der Abfluss ähnlich gering.
Der Rheinfall ist von Fischen aufwärts nicht zu überwinden, ausser vomAal.[1] Dieser schlängelt sich seitwärts (ausserhalb des Flussbettes auf dem Land) über die Felsen hinauf.
Der Felsuntergrund, der viel älter ist als der Rheinfall selbst, wie auch die bedeutend jüngeren geologischen Vorgänge während des gegenwärtigenEiszeitalters führten zur Entstehung des Rheinfalls. Durch die allgemeinen Temperatursenkungen setzten vor rund 500 000 Jahren die ersten Gletschervorstösse insMittelland ein und gestalteten die heutige Landschaft. Bis zum Ende derRiss-Kaltzeit vor rund 200 000 Jahren floss derUr-Rhein von Schaffhausen westlich durch denKlettgau. Dieses frühere Flussbett wurde wieder mit Alpenschotter (Molasse) aufgefüllt.
Vor etwa 120 000 Jahren wurde der Fluss bei Schaffhausen nach Süden abgelenkt und bildete die risszeitliche Rheinrinne. Der Rheinlauf unterhalb des Fallbeckens heute entspricht dieser Rinne, die wieder mit Schotter aufgefüllt wurde.
Während der letzten Eiszeit, der sogenanntenWürmeiszeit, wurde der Rhein dann in weitem Bogen gegen Süden abgedrängt und erreichte oberhalb des Falles sein heutiges Bett auf hartemMalmkalk (Weissjura, ObererJura). Beim Übergang von den harten Malmkalken zur leicht abtragbaren risszeitlichen Schotterrinne entstand so vor rund 14 000 bis 17 000 Jahren der Rheinfall in seiner heutigen Form. Die Rheinfallfelsen (Grosser, besteigbarer Felsen und der Sage nachSeelentanzstein)[2] bilden die Überreste der ursprünglich steil abfallenden Kalksteinflanke der einstigen Abflussrinne. Die sehr geringe bisherigeerosive Überformung der Fallstrecke erklärt sich durch die geringe Schleppfracht (Flussgeschiebe) des Rheins unterhalb desBodensees.
Auf der linken Seite befindet sich die rechtsufrige GemeindeNeuhausen am Rheinfall (Kanton Schaffhausen), auf der rechten Seite die linksufrige GemeindeLaufen-Uhwiesen (Kanton Zürich).
Auf ausgebauten Wegen erreicht man auf beiden Rheinseiten Aussichtsplattformen. Diese ragen teilweise weit über den Rhein hinaus. Am Rheinfallbecken inNeuhausen am Rheinfall liegt dasSchlösschen Wörth. Von hier aus kann man mit Ausflugsbooten dicht an den Rheinfall heranfahren und sich auch am mittleren Felsen absetzen lassen. Die Besteigung der Aussichtsplattform mit naher Sicht auf den Fall erfolgt über schmale und steile Treppen. Ausserdem werden kleine[3] und grosse[4] Rheinfallrundfahrten sowie die Übersetzung zumSchloss Laufen angeboten, das in Laufen auf der Zürcher Seite über dem Rheinfall thront und u. a. von einer Jugendherberge genutzt wird. Auf der südlichen Seite beim Schloss Laufen sind die Wege im Jahr 2008 saniert worden, und es wurde ein Glaslift installiert. Teile der Wege – der sogenannte Erlebnispfad, darunter die Aussichtsplattformen und der Lift – sind nun kostenpflichtig. Der Rheinfall wird regelmässig abends, jedoch nicht ganzjährig, durch eine Lichtanlage illuminiert. Im Jahr 2013 wurde er von 1 300 000 Besuchern besichtigt.[5]
Am Rheinfall gibt es mehrere Restaurants und Verpflegungsstände aller Preisklassen. Einen besonderen Blick auf den Rheinfall bietet derSeilparkAdventure Park Rheinfall oberhalb des Schlösschens Wörth.[6] Den Rheinfall sowie weitere Schweizer Sehenswürdigkeiten und Landschaften im Massstab 1:87 (Spur H0) zeigtSmilestones, die grössteMiniaturwelt der Schweiz in einer ehemaligen Fabrikhalle derSIG beim Bahnhof Neuhausen am Rheinfall.[7]
Der Rheinfall ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln, per Auto undVelo (Fahrrad) gut erreichbar.
Ab dem Schaffhauser Bahnhof gelangt man mit demTrolleybus derLinie 1 Richtung Herbstäcker bis zur HaltestelleNeuhausen Zentrum (ebenfalls erreichbar mit der Autobus-Linie 6 RichtungNeuhausen SBB). Von dort aus folgt man zu Fuss den gelben Markierungen. Besuchern, die mit derHochrheinbahn anreisen, empfiehlt sich derDB-BahnhofNeuhausen Bad Bf. Dieser ist nur wenige Gehminuten vom Rheinfall entfernt (etwa 15 Minuten Fussweg). Seit 2016 befindet sich nördlich oberhalb des Rheinfalls die HaltestelleNeuhausen Rheinfall derBahnstrecke Eglisau–Neuhausen. Sie wird bedient von derSBB S-Bahn S-9 Schaffhausen–Neuhausen Rheinfall–Zürich–Uster und S-22 Singen–Schaffhausen–Neuhausen Rheinfall–Jestetten. Zwei Personen-Aufzüge an der Haltestelle fahren direkt zum Rhein, unterhalb des Rheinfalls. Beim Schloss Laufen auf der anderen Seite des Rheins befindet sich zudem die SBB-StationSchloss Laufen am Rheinfall derRheinfallbahn Schaffhausen–Winterthur.
Historische Fotografie vonLeo Wehrli, 1894Der Rheinfall flussabwärts gesehenWassermühle am Rheinfall
Seit alters her wurden besonders auf der Nordseite Mühlen am Rheinfall betrieben, die kleine Teile der Wasserkraft nutzten. Im 17. Jahrhundert wurde auf der rechten Seite des Falles ein Hochofen zur Verhüttung vonBohnerzen gebaut und etwa ein Jahrhundert lang und dann noch einmal in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts betrieben. Anfang des 19. Jahrhunderts bekamJohann Georg Neher Rechte zur Nutzung derWasserkräfte am Rheinfall, die lange in dessen Familie verblieben. Das Kraftwerk versorgte dieSchweizerische Waggons-Fabrik und ab 1889 das erste europäische Aluminiumwerk derAluminium-Industrie-Aktien-Gesellschaft mit Energie. 1947 folgte eine Umfirmierung in Rheinkraftwerk Neuhausen AG.
Die Nutzwassermenge des Kraftwerks beträgt 25 m³/s, was sich auf die verbleibende Wassermenge des Rheinfalls wenig auswirkt. Bei 23 Meter Gefälle verfügt das Kraftwerk Neuhausen mit einer Turbine über 4,4 MW installierte Leistung. Im Vergleich dazu leistet das wenige Kilometer stromaufwärts gelegeneKraftwerk Schaffhausen mit zwei Turbinen 25,5 MW bei einem Durchfluss von 425 m³/s. Die Betriebsführung erfolgt durch dasKraftwerk Reckingen, die Geschäftsleitung liegt bei der EnAlpin AG, einer Tochtergesellschaft derEnergiedienst Holding.[10]
Auf der südlichen Zürcher Seite erhielt der Fabrikant Joachim Stauder 1862 und nochmals 1866 eine Konzession zur Nutzung des Wassers. Der Bau eines Wasserwerks, das eine mechanische Spinnerei und Werkstätte hätte betreiben sollen, wurde begonnen mit einem Zuleitungskanal. Als Überbleibsel dieses Baubeginns existiert südöstlich des Schlosses Laufen ein gemauerter Kanal und ein Inselchen von 140 Metern Länge und bis 20 Metern Breite. Die geplanten Turbinenkammern wurden nie gebaut und im Jahr 1872 verlor er die Wasserrechte. Auch andere Industrielle bemühten sich um die Nutzung der Wasserkraft auf der Zürcher Seite und bekämpften sich gegenseitig mit Einsprachen.[11] Der Kanal befindet sich ungefähr dort, wo die Wasserentnahme für das 2024 vorgeschlagene[12] Laufkraftwerk zu liegen käme.
Ein Konzessionsantrag der Firma J. G. Nehers Söhne & Cie. (Eisenwerk Laufen) im Jahr 1887, den Durchfluss im Kraftwerk auf 75 m³/s zu erhöhen, wurde von den Kantonen Zürich und Schaffhausen nicht genehmigt. Dagegen hatten sich im BesonderenHermann Freuler, dieSchweizerische Naturforschende Gesellschaft, derSchweizer Alpen-Club sowie wissenschaftliche Vereinigungen in der Schweiz gewehrt.
1913 wurde ein internationaler Wettbewerb zur Planung eines Schifffahrtswegs von Basel bis zum Bodensee ausgeschrieben. Gemäss dem Projektentwurf aus dem Anfang der 1960er-Jahre sollte der Rheinfall als Naturdenkmal mittels eines 552 Meter langen Schifffahrtstunnels und einer Schleuse hinter dem Schloss Laufen umgangen werden. 1919 wurde vom Baudirektor derNordschweizerischen Kraftwerke erklärt, dass der Bau eines Rheinfall-Kraftwerks «den wirtschaftlichen Interessen der Allgemeinheit dienstbar gemacht werden müsse».[13]
Da das Landschaftsbild am Rheinfall unberührt bleiben sollte, entstand am Rheinfall selbst kein grosses Wasserkraftwerk. 1944 bewilligte aber der Schweizerische Bundesrat die Konzession zum Bau desKraftwerks Rheinau, das unterhalb des Rheinfalls liegt und den Rhein bis zum Rheinfallbecken aufstaut. Der Baubeginn erfolgte 1952. 1951 wurde eineVolksinitiative gegen die Schiffbarmachung des Hochrheins von über 150 000 Schweizer Bürgern eingereicht, 1952 von derNeuen Helvetischen Gesellschaft unter Federführung von Emil Egli eine Volksinitiative gegen den Bau eines weiteren Kraftwerkes, die von 49 angesehenen Schweizer Bürgern, darunterHermann Hesse undCarl Jacob Burckhardt, unterzeichnet wurde. Über die Eingabe von 1952 fand 1954 eine Abstimmung statt, die mit 69 % der Stimmen abgelehnt wurde.[14] Die Planungen für die Schiffbarmachung des Hochrheins wurden später eingestellt.
Am 10. April 2013 berichtete das Nachrichtenmagazin10 vor 10 des Schweizer Fernsehens über ein neues Kraftwerksprojekt der Schaffhauser Kraftwerke am Rheinfall, welches den Fluss oberhalb des Rheinfalls anzapfen und so die Wassermenge in der Nacht erheblich reduzieren würde. DieEidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission und der Kanton Schaffhausen signalisierten ihre Zustimmung, derRheinaubund seine strikte Ablehnung.[15] Eine Änderung des kantonalen Wasserwirtschaftsgesetzes, das ein weiteres Kraftwerk oberhalb des Rheinfalls ermöglicht hätte, wurde am 18. Mai 2014 vom Volk abgelehnt.[16]
Im Jahr 2022 stimmte das Schaffhauser Parlament einer Gesetzesänderung zu, welche die Planung von Kraftwerksbauten am Rheinfall erlaubt. Im Juli 2024 wollte die Zürcher Regierung ein unterirdisches Kraftwerk auf der Zürcher Seite im Kantonalen Richtplan eintragen.[17] Das entnommene Wasser würde durch einen 330 Meter langen Stollen geleitet und beiDachsen turbiniert. Die maximale Entnahme würde 125 Kubikmeter pro Sekunde betragen.[12]
Ein Boot hat am Landesteg des Mittelfelsens angelegt.
Die Befahrung des Rheinfalls galt lange Zeit als unmöglich. Dennoch wurde der Rheinfall mehrmals mitKajaks befahren. 1999 wurde die Bootsfahrt zwischen Flurlinger Brücke und Rheinfall offiziell verboten. Es erfolgen jedoch weiterhin vereinzelt Befahrungen mit Kajaks, mindestens einmal mitHandpaddel (April 2007), oder selten auch imKanadier (Januar 1997). Die Bilder und Videos werden zum Teil im Internet veröffentlicht.[18] Wenn die Paddler von der Polizei gefasst werden, drohen ihnen bis zu 5000 Franken Strafe.[19]
Eine irrtümliche Befahrung mit einem Boot, die beinahe in einer Katastrophe endet, kommt in der FilmkomödieDrei Mann in einem Boot aus dem Jahr 1961 vor.
Der Mittelfelsen des Rheinfalls, auf dem die Schweizer Flagge gehisst ist, kann durch einen Bootsverkehr mit kleinen Booten erreicht werden.
Seit den 1970er-Jahren wird unterhalb des Rheinfalls im Sommer eine starke Schaumbildung beobachtet, die Schaumfahnen sind auch kilometerweit unterhalb noch zu sehen. Untersuchungen der kantonalen Ämter haben gezeigt, dass es sich dabei nicht um befürchtete Wasserverschmutzung durch Waschmittelrückstände oder andere Abwässer handelt. Christian Wegner von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena hat in seiner Doktorarbeit nachgewiesen, dass die Ursache des Schaums beimFlutenden Wasserhahnenfuss (Ranunculus fluitans) zu suchen ist.[20]
Zahlreiche – auch berühmte – Schriftsteller besuchten den Rheinfall und beschrieben ihn, soGoethe,Wilhelm Heinse,Mörike und weitere.
1797 besuchteJohann Wolfgang von Goethe den Rheinfall und war von diesem Naturschauspiel derart begeistert, dass er das literarische Motiv des Wasserfalls in seinemFaust II aufnahm.[23]
Eduard Mörike schrieb über den Wasserfall: «Halte dein Herz, o Wanderer, fest in gewaltigen Händen! Mir entstürzte vor Lust zitternd das meinige fast. Rastlos donnernde Massen auf donnernde Massen geworfen, Ohr und Auge, wohin retten sie sich im Tumult?»[24]
Claudia Heitmann (Hrsg.):Der Rheinfall: Erhabene Natur und touristische Vermarktung. Schnell & Steiner, Regensburg 2015,ISBN 978-3-7954-2978-2. (Ausstellung:Der Rheinfall – Erhabene Natur und Touristische Vermarktung: 7. März bis 7. Juni 2015 inMittelrhein-Museum Koblenz.)
Heinrich Gebhard Butz (Hrsg.):Sie waren am Rheinfall: der Rheinfall in der europäischen Literatur. Texte vom Mittelalter bis in die Gegenwart.Anthologie. Chronos, Zürich 2009,ISBN 978-3-0340-0918-8.
Christian Wegner:Ranunculus fluitans und Rheinfallschaum: Zusammenhänge, Analytik und ökotoxikologische Bedeutung. EchinoMeida, Bürgel 2002,ISBN 3-9807629-2-0 (ZugleichDissertationUni Jena 2001 unter dem Titel:Ranunculus fluitans Lamk. und Rheinfallschaum.)[25]