Rekristallisation ist ein Begriff aus derMetallkunde undKristallographie und beschreibt den Abbau vonGitterfehlern inKristalliten durchGefügeveränderungen in Folge vonKeimbildung undKornwachstum. Er geht mit einerFestigkeitsabnahme und üblicherweise einerKornfeinung einher. Voraussetzung sind durch dieUmformung eingebrachteVersetzungen, als Keime für die Kristallitneubildung.
Wenn die Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur abläuft, kann dynamische Rekristallisation beobachtet werden; nach Abschluss der Umformung läuft statische Rekristallisation ab. Die Rekristallisation schließt sich (insbesondere beikubisch raumzentriertenMetallen) an die dynamische oder statischeErholung an, die durch Umordnung von Gitterfehlern zu einem Festigkeitsabbau führt.
Rekristallisation wird in derRekristallisationsglühung genutzt, die nach einerKaltumformung angewendet wird, um dieVerfestigung abzubauen und das angestrebte Gefüge einzustellen. Dazu wird derWerkstoff oberhalb der Rekristallisationstemperatur erwärmt.
Bei der Rekristallisation bilden sich innerhalb einesKristalls neue Körner. Die Keimbildung dieser neuen Körner geht von den Stellen im Gefüge aus, an denen sich die meisten Versetzungen befinden. Dies ist der Fall anKorngrenzen,Einschlüssen und statischen Versetzungen wie z. B.Kleinwinkelkorngrenzen, wo es beiplastischer Verformung zum Versetzungsstau kommt.[1] Zunächst bilden sich Subkörner, die im Verlauf der Rekristallisation zusammenwachsen und sich in die Umgebung ausdehnen. DieAktivierungsenergie der Rekristallisation setzt sich aus derKristallisationsenthalpie und derOberflächenenergie des Kristallkeimes zusammen.
Die Rekristallisation findet im Gefüge nach einerUmformung statt, die über dem kritischenUmformgrad bzw. dem kritischen Reckgrad liegt. Dieser entspricht bei den meisten Metallen eineDehnung von rund fünf Prozent. Darunter gibt es nicht genügend Versetzungen, aus denen Rekristallisationskeime entstehen könnten; selbst besonders hohe Temperaturen können in diesem Fall keine Rekristallisation bewirken.[2]
Hingegen nimmt die Rekristallisationstemperatur – bis auf Sonderfälle bei besonders kleinem und besonders großem Umformgrad – nur einen vernachlässigbaren Einfluss auf die mittlere Korngröße.[2]
Die Rekristallisationskinetik läuft in drei Stufen ab, derKeimbildung, demKornwachstum und dem Aufeinandertreffen von rekristallisierten Körnern.
Für eine Rekristallisationskeimbildung müssen drei Instabilitäten gleichzeitig überwunden werden:[3]
Mathematisch kann das Kornwachstum in Näherung mit konstanter Kornwachstumsrate beschrieben werden.Kolmogorov beschrieb dieses Modell 1937. Aus einem Punkt wächst nach der Keimbildungszeit mit der Rate über die Zeit eine Kugel mit Radius:
DerVolumenanteil des rekristallisierten Gefüges wird dann zusammen mit der Keimbildungsrate berechnet:
Diese Gleichung gilt in den frühen Stadien der Rekristallisation, wenn ist und die wachsenden Körner nicht aufeinanderstoßen.
Sobald die Körner in Kontakt kommen, verlangsamt sich die Wachstumsrate und wird durch die Johnson-Mehl-Gleichung mit dem Anteil des nicht rekristallisierten Gefüges in Beziehung gesetzt:[4]
Diese Gleichung liefert zwar eine bessere Beschreibung des rekristallisierten Gefügeanteils, setzt aber immer noch voraus, dass die Körner kugelförmig sind, die Keimbildungs- und Wachstumsraten konstant sind, die Keime zufällig verteilt sind und die Keimbildungszeit klein ist. In der Realität sind nur wenige dieser Annahmen tatsächlich gültig, weshalb modifizierte Modelle verwendet werden.
AlsRekristallisationstemperatur wird diejenige Temperatur bezeichnet, bei der ein Werkstoff innerhalb einer Betrachtungszeit vollständig rekristallisiert. Sie wird häufig alsFaustregel mit 40 %[5] oder 50 %[2] der absolutenSchmelztemperatur (s.homologe Temperatur) abgeschätzt.
Ein höherer Umformgrad senkt die Rekristallisationstemperatur. ImStahl kann sie beithermomechanischer Behandlung durch die MikrolegierungselementeTitan undNiob heraufgesetzt werden, die während derWarmumformung als feine Partikelausscheiden. Bsp.: 0,1 % Niob erhöhen die Rekristallisationstemperatur um 300 K.
Findet Umformung oberhalb der Rekristallisationstemperatur statt, so spricht man vonWarmumformung, darunter handelt es sich umKaltumformung bzw.Halbwarmumformung, wenn das Metall angewärmt wird, aber die Rekristallisationstemperatur nicht überschreitet.
Ein Sonderfall liegt bei hohen Rekristallisationstemperaturen und gleichzeitig hohem Umformgrad vor: Hierbei entsteht ein Gefüge aus vielen sehr kleinen Körnern und einzelnen, deutlich größeren Riesenkörnern. Der Grund: Je größer die Anzahl an Rekristallisationskeimen, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass einige nebeneinanderliegende Körner einKristallgitter gleicherOrientierung haben. Diese Körner wachsen zusammen, haben durch ihre Größe einen Wachstumsvorteil und zehren in der Folge kleine, in der Nachbarschaft liegende Körner auf.
Riesenkörner sind technisch unerwünscht, da sie dieZähigkeit eines Werkstoffs verringern. Beim Rekristallisationsglühen wird daher der kritische Bereich, in dem sich Riesenkörner bilden können, gemieden. Für Aluminium liegt dieser Bereich bei Umformgraden oberhalb von etwa 60 Prozent und gleichzeitiger Rekristallisationstemperatur von über 500 °C.[2]
VieleLegierungen von industrieller Bedeutung haben einen gewissen Volumenanteil anAusscheidungen oder weiterenPhasen, sei es durch absichtliche Legierungszusätze oder aufgrund von Verunreinigungen. Abhängig von ihrer Größe und Verteilung können solche Phasen und Partikel die Rekristallisation entweder fördern oder verzögern.
Die Rekristallisation wird bei kleinen, eng beieinander liegenden Teilchen durchZener-Pinning sowohl an Klein- als auch Großwinkelkorngrenzen verhindert oder erheblich verlangsamt. Dieser Druck wirkt direkt gegen die treibende Kraft, die aus derVersetzungsdichte entsteht, und beeinflusst sowohl die Keimbildung als auch die Wachstumskinetik.
Der Effekt kann in Bezug auf das Teilchendispersionsniveau rationalisiert werden, wobei der Volumenanteil der zweiten Phase der Radius ist:
Die Spannungsfelder um nicht verformbare große Partikel (< 1 μm) sind durch hohe Versetzungsdichten und große Orientierungsgradienten gekennzeichnet und damit ideale Orte für die Entwicklung von Rekristallisationskeimen. Dieses Phänomen, das alspartikelstimulierte Keimbildung bezeichnet wird, bietet eine der wenigen Möglichkeiten, die Rekristallisation über die Partikelverteilung zu steuern.