DieRegionalanästhesie (oderregionale Schmerztherapie) bezeichnet als Überbegriff eine Reihe vonAnästhesie-Verfahren, die eine Schmerzausschaltung bestimmter Körperregionen (regionale Schmerzbekämpfung) zum Ziel haben, ohne das Bewusstsein zu beeinträchtigen. Diese Regionalanästhesie-Verfahren bewirken durch gezielte Applikation vonAnästhetika, meistLokalanästhetika, die zeitweilige, umkehrbare Funktionshemmung vonNerven und führen dabei zu Empfindungslosigkeit und Schmerzfreiheit, teilweise auch zur Hemmung der aktiven Beweglichkeit in Teilbereichen des Körpers. Die Durchführung einer solchen „Teilnarkose“ erfolgt als einmalige Injektion oder durch Platzierung eines Schmerzkatheters, über den auch nach dem operativen Eingriff eine effektive Schmerztherapie weitergeführt werden kann. Die Kombination von Regional- und Allgemeinanästhesie (Narkose) wird alsKombinationsanästhesie bezeichnet.[1]
Der Begriff der Regionalanästhesie wird aus historischen und pharmakologischen Gründen meist derLokalanästhesie untergeordnet.[1] Die Nomenklatur der Einteilung ist jedoch nicht einheitlich, manchmal wird die Regionalanästhesie getrennt geführt. Es werden periphere, rückenmarksnahe, intravenöse und infiltrierende Regionalanästhesien unterschieden.[1]
AlsLeitungsanästhesie bezeichnet man ein Verfahren, das durch die Injektion von Anästhetika in die unmittelbare Nähe von Nerven die Weiterleitung von Schmerzimpulsen inafferenten Nervenfasern hemmt. Leitungsanästhesien werden weiter in periphere Leitungsanästhesie und rückenmarksnahe Leitungsanästhesie unterteilt.
Beiperipheren Regionalanästhesieverfahren wird die gezielte Blockade von einzelnenNerven oder vonNervenplexus bezeichnet, die ein bestimmtes Gebiet des Körpers versorgen. Diese werden mit Hilfe der an anatomischen Landmarken orientierten Technik, eines Nervenstimulators oder unterUltraschallkontrolle[2] aufgesucht und durch das Einspritzen eines Lokalanästhetikums durch eine Kanüle betäubt. Durch die ultraschallgesteuerte Technik, die sich seit einigen Jahren als Standard etabliert, lassen sich die Versageraten der Blockaden vermindern, die Wirkdauer verlängern, und das Risiko, ein Blutgefäß zu verletzen, verringern.[3] Häufige Verfahren sind am Arm (der oberen Extremität) Blockaden desPlexus brachialis (Supraklavikuläre Plexusblockade nach Kulenkampff,[4]Interskalenäre Blockade,Infraklavikuläre Plexusblockade,Axilläre Blockade), genannt auchPlexus-brachialis-Anästhesie,[5] sowie Blockaden einzelner Nerven des Armes oder der Finger (Oberst-Block). Am Bein werden Blockaden desPlexus lumbalis (Psoas-Kompartment-Blockade,Blockaden des Nervus femoralis,Blockaden des Nervus obturatorius) und desPlexus sacralis (Nervus-ischiadicus-Blockaden) neben der Blockade von Einzelnerven (Fußblock u. a.) eingesetzt. In derAugenheilkunde sind Peri- und Retrobulbäranästhesien, insbesondere bei intraokularenEingriffen, verbreitet, teils in Kombination mit einem sogenanntenFazialisblock zur temporären Lähmung desMusculus orbicularis oculi.[6] Am häufigsten wird dieLeitungsanästhesie in der Zahnmedizin, meist zur Blockade desNervus mandibularis, aber auch anderer peripherer Nerven, eingesetzt.
Um den Nerven oder das Nervenbündel effektiv zu betäuben, ist es notwendig, mit der Nadelspitze das Betäubungsmittel möglichst nah an den Nerven zu spritzen, damit es sich dort um den Nerven verteilen kann. Dabei darf die Nadel keine inneren Verletzungen wie beispielsweise derLunge verursachen und die Nadelspitze sollte nicht inGefäße gelangen, um eine lebensbedrohliche Vergiftung (systemischeLokalanästhetikaintoxikation) zu vermeiden. Zu nah darf die Nadel dem Nerven dabei jedoch nicht kommen, um ein Einspritzen in den Nerven und dadurch einhergehende Nervenschädigung zu vermeiden. Gemäß Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie und Intensivmedizin kann für das Aufsuchen des Nerven Ultraschall oder Nervenstimulation oder beides gleichzeitig eingesetzt werden. Bei Verwendung von Ultraschall sollte dabei die Lage der Nadelspitze immer sicher darstellbar sein. Um dies zu erleichtern, sind Nadeln erhältlich, die sich dank einer angerauhten oder eingekerbten Oberfläche im Ultraschallbild besser darstellen. Wird der Nerv mit elektrischer Nervenstimulation aufgesucht, sollen Stromimpulse mit 2 Hz, 0,1 ms Impulsbreite und einer Stromstärke von 2,0 bis 0,5 mA genutzt werden, damit die Nadelspitze in der Nähe des Nerven eine Muskelaktivität auslösen kann. Lässt sich unter 0,5 mA eine Muskelaktivität auslösen, ist die Nadel möglicherweise zu nah am Nerven, so dass die Nadelspitze in diesem Fall etwas zurückgezogen werden sollte. Bei rein sensiblen Nerven sollte ein breiterer Impuls (1,0 ms) genutzt werden, um eine sensible Reaktion zu erhalten. Ebenso kann durch Diabetes, Polyneuropathie oder Niereninsuffizienz die Erregbarkeit von Nerven reduziert sein. Entweder kann dann die Impulsbreite auf 1,0 ms erhöht werden oder die Stromstärke erhöht werden.[7]
Alsrückenmarksnahe,zentrale oderneuroaxiale Regionalanästhesieverfahren (im Österreichischen, insbesondere in der Geburtshilfe, auchKreuzstich genannt) werden dieSpinalanästhesie und dieEpiduralanästhesie (synonymPeriduralanästhesie) zusammengefasst. Bei diesen wirken die Lokalanästhetika auf dieNervenwurzeln, die vom Rückenmark ausgehen, ein. Bei der um 1900 eingeführten[8] Spinalanästhesie wird derLiquorraum auf der Höhe der Lendenwirbelsäule punktiert und durch das Einspritzen der Medikamente (in erster Linie Lokalanästhetika) eine rasch einsetzende, komplette Anästhesie der unteren Körperhälfte bewirkt. In der Regel wird eine Einmalinjektion vorgenommen. Bei der Periduralanästhesie hingegen kommt der zumeist eingebrachte Katheter imPeriduralraum zu liegen, so dass das Lokalanästhetikum hauptsächlich außerhalb der Hirnhäute auf die vom Rückenmark abgehenden Spinalnerven einwirkt. Während bei der Spinalanästhesie durch die Verteilung der Medikamente alle Nervenfasern unterhalb der Punktionsstelle und dadurch die gesamte untere Körperhälfte betäubt sind, wird bei der Periduralanästhesie eine Betonung der Anästhesie in der Punktionshöhe erreicht. Diekombinierte Spinal- und Epiduralanästhesie vereinigt beide Verfahren in sich, wobei der schnelle und komplette Wirkeintritt der Spinalanästhesie mit der lange anhaltenden Wirksamkeit des Epiduralkatheters zusammenspielt.
Bei derintravenösen Regionalanästhesie nachBier werden die Lokalanästhetika hingegen nicht in die Nähe von Nerven, sondern in zuvor entleerte Venen einer zuvor abgebundenen Extremität, meist des Armes, eingespritzt. Von dort diffundieren die Wirkstoffe in die sensiblen Nervenenden und Nervenbahnen.
Bei derInfiltrationsanästhesie, einer nicht zur Regionalanästhesie gehörenden Form der Lokalanästhesie,[9] wird das Lokalanästhetikum ins Gewebe des zu anästhetisierenden Zielgebiets infiltriert. Eine häufige Anwendung findet dieInfiltrationsanästhesie in der Zahnmedizin bei allen Eingriffen, bei denen keine Leitungsanästhesie durchgeführt wird. Zur Verringerung derToxizität (durch Verzögerung derResorption) und zur Verlängerung der Wirkungsdauer wird ein Lokalanästhetikum verwendet, dem ein Vasokonstriktor (Adrenalin,Noradrenalin) in geringen Dosen hinzugesetzt ist.
Vom Altertum bis zum Mittelalter wurde lokale bzw. regionale Schmerzlinderung unter anderem durch Umschläge, Pflaster und Salben, etwa mitMandragora,Hyoscyamus,Akonitum,Mohnsaft oderindischem Hanf, erreicht, wenn auch nicht ausreichend für chirurgische Eingriffe. Die Kühlung der Haut zuKälteanästhesie war eine wohl schon in der Antike genutzte Methode zur Schmerzlinderung von Körperstellen. Beim vonCajus Plinius Secundus (Historia naturalis. Buch 36) im 1. Jahrhundert n. Chr. erwähntenStein von Memphis, der kleingerieben und mit Essig vermischt auf eine zu operierende Stelle gelegt wurde, soll eine schmerzlindernde (analgetische) Wirkung erzielt worden sein – möglicherweise durch eine örtlich begrenzte Abkühlung durch Kohlendioxid, das durch die chemische Reaktion von im Steinpulver enthaltenen Carbonaten mit Essigsäure freigesetzt wird.[10] Eine frühneuzeitliche und wirksamere Form der regionalen Schmerzbekämpfung war die Kompression von Nervenstämmen, wie sie der französische ChirurgAmbroise Paré 1550 beschrieb. Er verwendete ein Band, mit dem er vor einer Amputation Extremitäten durch Abschnürung unempfindlich machte. Diese Methode mit Kompression von Nerven und Gefäßen benutzte im 17. Jahrhundert in Italien auch Valverdi[11] alsligatura fortis. Im Jahr 1784 hatte der englische Chirurg James Moore[12] eine Kompressionsanästhesie an den Extremitäten für die Versorgungsgebiete desNervus ischiadicus oder die desNervus cruralis beschrieben, bei der ein Eisenring mit zwei Druckpelotten auf den jeweiligen Nerven drückt, wobei die Anwendung allerdings selbst schmerzhaft war.[13] Im Jahr 1884, noch vor dem Aufkommen der Infiltrationsanästhesie im Jahr 1892, begann die Entwicklung der Leitungsanästhesie mitWilliam Stewart Halsted und Richard L. Hall, die eine Kokainlösung[14] in die Nähe der betreffenden Nervenstämme zur Schmerzausschaltung bei Operationen am Unterarm und Unterkiefer injizierten. Im Jahr 1897 führte George Washington Crile[15] in Cleveland eine Oberschenkelamputation durch, die ihm durch Anwendung der Leitungsanästhesie schmerzlos gelang. Die Methode wurde vonHarvey Cushing[16] dann weiter ausgebaut und bei der operativen Behandlung von Leistenhernien und vergrößerten Schilddrüsen eingesetzt.[17] 1889/1890 bauteMax Oberst die nach ihm benannte perineurale Leitungsanästhesie methodisch aus.[18] Als erste moderne Regionalanästhesieverfahren führte der Kieler ChirurgAugust Bier (1861–1949) 1898 dieSpinalanästhesie als Lumbalanästhesie[19] und 1908 die intravenöse Regionalanästhesie ein.[20] 1901 veröffentlichten die französischen Ärzte Fernand Cathelin (1873–1945) und Jean Athanase Sicard (1872–1929) unabhängig voneinander erste Erfahrungen mit der Periduralanästhesie.
Regionalanästhetische Verfahren werden häufig eingesetzt. Vor allem die gute Wirksamkeit gegen postoperative Schmerzen im Verhältnis zu geringen Nebenwirkungen und die daraus resultierende kürzere Verweildauer im Aufwachraum und im Krankenhaus überhaupt sprechen für diese Verfahren. Zudem gibt es eine geringere Belastung desHerz-Kreislauf-Systems und dadurch auch eine geringereMorbidität.[21]
Häufig durchgeführt werden regionalanästhetische Verfahren für:
Die Verfahren dürfen nicht angewendet werden bei: