EinRegimentschef war vom 16. bis 18. Jahrhundert der Besitzer/Bewirtschafter einesRegiments derKavallerie oderInfanterie. Die Bezeichnung gebrauchte vor allem diePreußische Armee; in derÖsterreichisch-Ungarischen Armee sowie in derBayerischen Armee war dafür der BegriffRegimentsinhaber üblich. Der Titel „Chef des Regimentes“, auch „Oberstinhaber“ genannt, wurde im frühen 19. Jahrhundert zu einer Ehrenbezeichnung, vergleichbar dem so genanntenColonel-in-Chief bzw. demColonel of the Regiment in derBritischen Armee.
Zur Zeit derLandsknechte, im späten 15. und des 16. Jahrhunderts, war derFeldhauptmann, der seinFähnlein (Kompanie) von etwa 400 Söldnern gegen eine Geldsumme im Auftrag einesFürstengeworben hatte, militärischer Führer und Inhaber (Besitzer). Er war für die Ausrüstung und Bezahlung verantwortlich. Diese Funktion im Rahmen derKompaniewirtschaft behielt der Inhaber einerKompanie bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Dies galt auch für die Wirtschaft des Regiments auf der nächsthöheren Ebene.
Zum Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte sich dasRegiment, zusammengesetzt aus mehreren Kompanien, zum eigentlichenVerbandstyp. Militärischer Führer eines Regiments war anfangs der erfahrenste derHauptleute, zunächst mit dem TitelObristfeldhauptmann, später sprachlich verkürzt aufObrist, von dem sichOberst ableitet. Er blieb aber weiterhin Inhaber seiner Kompanie (Leibkompanie) und war zugleich Inhaber des ganzen Regiments, also „Regimentsinhaber“. Da die Wirtschaft des Regiments analog der Kompaniewirtschaft erfolgte, bezog er so gleichzeitigSold und andere Einkünfte als Inhaber des Regiments und als Inhaber der Leibkompanie.
Nach dem Inhaber wurde auch das Regiment benannt.
Mit dem Übergang zu denstehenden Heeren warben dieLandesherren selbst ihre Regimenter, ernannten die Offiziere und bestimmten den Regimentsinhaber. Dieser führte sein Regiment oft nicht mehr selbst.Regimentskommandeure im heutigen Sinne wurden so die früheren StellvertreterObristlieutenants (Obristleutnant), die dann aufgrund der realen Führungsfunktion für sich den Rang und den Sold des Obristen, also des Regimentsinhabers, durchsetzten.
Setzte einReichskreis einen Obristen als Inhaber eineskreiseigenen Regiments ein, schloss er mit ihm eineKapitulation ab.
Der Landesherr war meist persönlich Inhaber des „Leibregiments“ (oder des „…-Regiments Nr. 1“) mit der Leibkompanie.
Die Regimenter wurden häufig weiterhin nach ihrem Inhaber benannt. Das gleiche Regiment hatte so im Laufe der Zeit verschiedene Namen. Falls ein Name zwei Regimenter bezeichnen konnte, da beispielsweise ein Vater ein Regiment besaß und sein Sohn ein anderes, wurde im deutschen Sprachraum dem Namen ein „Alt-“ bzw. „Jung-“ vorangestellt.[1] (Das galt allerdings auch, wenn der betreffende Militär Inhaber zweier Regimenter war.)
Beispiele imHerzogtum Württemberg für das gleiche Regiment:
Zeit | Name des Regiments | Regimentsinhaber |
---|---|---|
1767–1784 | Grenadier-Regiment v. Augé | Generallieutenant Johann Abraham David von Augé |
1784–1786 | Grenadier-Regiment v. Gabelenz | Generalmajor Christoph Friedrich von Gabelenz |
1786–1788 | Grenadier-Regiment v. Sachsen-Coburg | Generalmajor Prinz Ludwig Karl von Sachsen-Coburg |
1788–1791 | Grenadier-Regiment v. Phull | Generalmajor Lebrecht Friedrich August von Phull |
1791–1794 | Grenadier-Regiment v. Nicolai | GeneralmajorFerdinand Friedrich von Nicolai |
Zeit | Name des Regiments | Regiments-Commandant |
1767 | Grenadier-Regiment v. Augé | Obrist Karl Friederich Eberhard von Reischach |
1767–1774 | Grenadier-Regiment v. Augé | Obrist August Ludwig Graf von Hohenlohe-Kirchberg |
1774–1775 | Grenadier-Regiment v. Augé | Obrist Sigmund Friedrich von Schütz |
1775–1794 | Grenadier-Regiment v. Augé bis Grenadier-Regiment v. Nicolai | Obrist Otto Wilhelm Alexander von Rau von und zu Holzhausen |
Spätestens zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde in den deutschen Ländern mit denSöldnerheeren auch die Inhaberschaft für ein Regiment abgeschafft, inPreußen mit derHeeresreform 1807–1814.
Auch wurden die Regimenter nun nur noch nach der Waffengattung benannt und durchnummeriert, imKönigreich Württemberg z. B. durch eine königliche Ordre vom 26. Mai 1811:[2] „S. K. M. befehlen, daß alle Regimenter der Cavallerie und Infanterie, ausgenommen die, so Prinzen des Königl. Hauses zu Chefs haben, nicht mehr die Namen des Proprietairs führen, sondern nach Nummern folgendermaßen benannt sein sollen
Die Zusätze fielen endgültig weg bei der Neuorganisation deswürttembergischen Heeres 1817.
Im 19. Jahrhundert änderte sich die Funktion und Stellung des Chef eines Regimentes in eine reine Ehrenbezeichnung.
Die Staatsoberhäupter der Bundesstaaten desDeutschen Kaiserreiches (Bundesfürsten) waren Chefs ihrer jeweiligen Leibregimenter. Aber auchausländische Monarchen hatten bis Kriegsbeginn 1914 Chefstellen deutscher Regimenter inne (z. B. der König von England, ZarNikolaus II. von Russland, der König von Italien usw.); diese trugen die Rangabzeichen, die dem Range entsprachen, den sie in ihrer eigenen Armee innehatten. Lediglich Zar Nikolaus II. trug zu allen in- und ausländischen Uniformen immer nur die Abzeichen eines Obersten. Umgekehrt war derDeutsche KaiserWilhelm II. Chef oderEhrenoberst (so die Bezeichnung in einigen Ländern) zahlreicher ausländischer Regimenter. Bei Auslandsaufenthalten oder Besuchen der ausländischen Monarchen in Deutschland trug er dementsprechend dann die Uniform der Truppenteile, deren Chef er war.
Nicht alle Regimenter hatten im Kaiserreich noch einen Regiments-Chef. Dies war nun zu einer besonderen Auszeichnung geworden – gleichermaßen für den Ausgezeichneten wie für das Regiment, welches üblicherweise den (gekrönten)Namenszug (Anfangsbuchstaben/Initial/Monogramm) ihres Chefs auf den Schulterklappen bzw. Schulterstücken/Epauletten (Offiziere) trug (siehe Weblinks).
Dem Regimentschef wurde von „seinem“ Regiment monatlichRapport erstattet, sowie eine Liste über die im Regiment dienenden Offiziere gegeben.[3]
Wilhelm II. war z. B. Chef folgender Regimenter:
In Ausnahmefällen wurden auch selbständige Bataillone mit einem Chef bedacht, so dasLauenburgische Jäger-Bataillon Nr. 9 dessen Chef am 18. Oktober 1916 derGeneral der InfanterieOtto von Below wurde.
In der preußischen Armee sowie imDeutschen Heer (mit Ausnahme vonSachsen undBayern) wurden auch weibliche Angehörige der regierenden Häuser mit Regimentern belehnt. 1914 gab es 21 weibliche Regimentschefs. Sie trugen in dieser Funktion die Uniform des jeweiligen Regimentes, allerdings ohne Seitenwaffe. Mit Ausnahme der Kaiserin trugen sieSchulterstücke bzw.Epauletten einesObersten; zu Epauletten wurde dieSchärpe getragen, zu den Schulterstücken dieFeldbinde.[5]
Mit demKaiserreich endet auch die Zeit der Regimentschefs. In derWehrmacht wurde die Tradition siebenmal wieder aufgegriffen; es wurden Regimenter ausgewählt, bei denen der Inhaber eine persönliche Verbindung mit deren Traditionstruppenteilen hatte.
So wurden
DieBundeswehr kennt keine Chefstellung mehr.
ImVereinigten Königreich und weiterenCommonwealth Realms gibt es bis heute die Positionen desColonel-in-Chief und desColonel of the Regiment (in Deutschland werden beide meist als „Ehrenoberst“ übersetzt). So waren z. B. in Großbritannien PrinzEdward, 2. Duke of Kent Colonel of the Regiment derScots Guards undAnne, Princess Royal Colonel-in-Chief derRoyal Scots; auch andere Mitglieder derbritischen Königsfamilie hatten und haben noch immer „ihre“ Regimenter.