UnterRaumordnung ist die planmäßige Ordnung, Entwicklung und Sicherung von größeren Gebietseinheiten (Regionen,Länder,Bundesgebiet) zur Gewährleistung der dauerhaften Nutzung des Lebensraumes zu verstehen. Dabei sind unterschiedliche Ansprüche an den Raum abzustimmen, Konflikte auszugleichen und langfristige Entwicklungsoptionen offen zu halten.Raumplanung dient der Raumordnung im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen. Zwischen Raumordnung und Raumplanung bestehen jedoch viele inhaltliche und historische Querverbindungen.
Der Begriff Raumordnung wurde in Deutschland ab 1927[1] von dem RegierungsbaumeisterGustav Langen benutzt[2] und als Raumstruktur verstanden, die durchquerschnittsorientierte, raumbezogene Planung (Landesplanung) angestrebt wird.[3] Der BauingenieurWaldemar Nöldechen übernahm den Begriff 1931 in die praktische Tätigkeit als Landesplaner in Sachsen, Oberschlesien, der Rheinpfalz und der Saarpfalz. Mit dem „Gesetz über die Regelung des Landbedarfs der öffentlichen Hand“ vom 29. März 1935 fand der Terminus auch Eingang in das öffentliche Recht des Deutschen Reichs, um eineReichsstelle für Raumordnung zu begründen und ihr eine Tätigkeitsgrundlage zu verschaffen.[4]
Leitvorstellung der Raumordnung ist in Deutschland seit 2009 einenachhaltige Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führen soll[5].
Raumordnung umfasst:
zusammenfassende, überfachliche und überörtliche räumliche Pläne[6],
die Zusammenarbeit zwischen Körperschaften, die für benachbarte Räume zuständig sind und
die Abstimmung raumbedeutsamer Planungen und Maßnahmen.
Die Staaten des Europarates verpflichteten sich zu den sogenanntenCEMAT-Leitlinien (Leitlinien für eine nachhaltige räumliche Entwicklung auf dem europäischen Kontinent).
Gesetzlich geregelt ist die Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland imRaumordnungsgesetz (ROG) und den Landesplanungsgesetzen der Länder. Anstelle des traditionellen Begriffs der Raumordnung wird häufig der BegriffRaumentwicklung gebraucht.[7] Zur Unterstützung der Raumordnungspolitik des Bundes und der Länder führt dasBundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) bundesweite Analysen zur Raumentwicklung durch und erstellt Prognosen zur künftigen Raumentwicklung.[8] Es erstellt auch die gemäß § 22 ROG vorgeschriebenen regelmäßigenRaumordnungsberichte. Daneben berät derBeirat für Raumentwicklung das zuständige Bundesministerium in Grundsatzfragen der räumlichen Entwicklung, insbesondere zur zukünftigen Raumentwicklung und der Raumordnungspolitik sowie deren Einflussgrößen.[9]
Um diese Leitvorstellung zu erreichen, sind raumbedeutsame Planungen und Maßnahmen abzustimmen, widersprüchliche Ansprüche an den Raum abzuwägen und die auftretenden Konflikte auszugleichen. Gleichzeitig soll Vorsorge für einzelne Raumfunktionen und Raumnutzungen getroffen werden. Die Aufgabe der Raumordnung fällt den Ländern zu. Sie setzen diese durch landesweite Pläne (Landespläne, Landesentwicklungspläne) und regionale Raumordnungspläne (Regionalplanung) um. Der Bund hat im Wesentlichen die Kompetenz zur Aufstellung von Raumordnungsplänen für dieausschließliche Wirtschaftszone und derRaumbeobachtung. Zusammen mit den Ländern wirkt er in derRaumentwicklungsministerkonferenz (RMK) auch an denLeitbildern der Raumentwicklung mit.[10]
Neben den Raumordnungsplänen gehören auchRaumordnungsverfahren und die Möglichkeit derUntersagung raumbedeutsamer Maßnahmen zu den Instrumenten der Raumordnung.
Wesentliche Planungsinhalte der Raumordnungspläne sind u. a.:
Die stärkste Bindungswirkung raumordnerischer Festlegungen haben dieZiele der Raumordnung. Sie sind nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung in § 3 Nr. 2Raumordnungsgesetz „verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlichbestimmten oder bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums“. Vorgaben mit diesen Merkmalen sindZiele der Raumordnung, an die alle öffentlichen Stellen, private Planungsträger und die kommunaleBauleitplanung strikt gebunden sind. Abweichungen hiervon bedürfen der Durchführung einesAbweichungsverfahrens. Daneben enthalten Raumordnungspläne auchGrundsätze der Raumordnung. Diese sind zu berücksichtigen, ihre Bindungswirkung ist also nicht strikt. Abweichungen vonGrundsätzen der Raumordnung können mit genügend gewichtigen Gründen durchAbwägung ermöglicht werden.
Das Merkmal der Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit ist notwendig, damit die gebundenen Stellen überhaupt erkennen bzw. bestimmen können, was das jeweilige Ziel von ihnen verlangt (Normklarheit für denNormadressaten).
Das Merkmal der abschließenden Abgewogenheit des Ziels der Raumordnung ist notwendig, weil andere Planungsträger an die Ziele gebunden sind. Die Raumordnung muss daher alle potenziell betroffenen räumlichen Aspekte in ihrer Entscheidung berücksichtigen und (bei den Zielen) ein endgültiges Urteil fällen („abschließend abwägen“, Abwägungspflicht für die Träger der Landes- oderRegionalplanung). Dies bedeutet, dass alle Erfordernisse und Gegebenheiten zur Beurteilung der Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Gesamtraums und seiner Teilräume vom Träger der Landes- oder Regionalplanung erfasst und planerisch nach dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt werden. Dies schließt auch die Pflicht zu einer angemessenen Berücksichtigung der teilräumlichen Gegebenheiten und Erfordernisse ein (Gegenstromprinzip). Eine nicht abschließend abgewogene Vorgabe der Raumordnung ist kein Ziel der Raumordnung, sondern höchstens ein der anschließenden Abwägung durch die Bauleitplanung noch zugänglicherGrundsatz der Raumordnung.
Das Merkmal der textlichen und zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen bezieht sich auf Rechtsquelle und Modus von Zielen der Raumordnung: Sie können erstens nur in Raumordnungsplänen und zweitens dort nur in textlicher bzw. zeichnerischer Form festgelegt werden. Raumordnungspläne sind ausschließlich Pläne nach § 8 und § 9 des Raumordnungsgesetzes.
Das Merkmal der Festlegung zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums bezieht sich auf den gesetzlich nur zulässigen Inhalt von Zielen der Raumordnung (Pflicht zur Wahrung eines hinreichenden raumordnerischen Bezuges). Vorgaben, die nicht der Entwicklung, Ordnung oder Sicherung des Raumes (vgl. § 1 Abs. 1 Raumordnungsgesetz) dienen, entziehen sich einer Festlegung als Ziel der Raumordnung.
Die eigentliche Raumordnung – im Sinne einer Planung – wird von den Ländern durchgeführt. IhreLandesplanungsbehörden erarbeiten und beschließen – oft zusammen mit dem jeweiligen Kabinett oder zuständigen Landtagsausschuss bzw. dem gesamten Parlament – die Landespläne (oft auch: Landesentwicklungspläne, Landesentwicklungsprogramme o. ä.). Diese Pläne werden von den Trägern der Regionalplanung weiter konkretisiert.
In Österreich findet die Raumordnung in Kompetenz derLänder statt.[11][12][13] Mit derÖsterreichischen Raumordnungskonferenz (ÖROK)[14] steht eine länderübergreifende Plattform unter Patronanz des Bundeskanzlers zur Verfügung, die auch die Koordination mit den Agenden der Europäischen Union betreut.
Struktur der Österreichischen Raumplanung, -ordnung, Landes- und Regionalentwicklung:[11]
Akademie für Raumforschung und Landesplanung – ARL (Hrsg.):Handwörterbuch der Stadt- und Raumentwicklung. Hannover 2018,ISBN 978-3-88838-560-5.
Akademie für Raumforschung und Landesplanung – ARL (Hrsg.):Grundriss der Raumordnung und Raumentwicklung. Hannover 2011,ISBN 978-3-88838-554-4 (ARL-net.de).
Gerhard Bahrenberg:Zwecke und Methoden der Raumgliederung. In:Raumforschung und Raumordnung – RuR. Jg. 46,Nr.1/2, 1988,ISSN0034-0111 (baufachinformation.de, Fraunhofer IRB).
Nico Nolte:Nutzungsansprüche und Raumordnung auf dem Meer. In:Hansa. Heft 9/2010, S. 79–93. Schiffahrts-Verlag Hansa, Hamburg 2010,ISSN0017-7504.
Alexander Petschulat:Die Regelungskompetenzen der Länder für die Raumordnung nach der Föderalismusreform. Probleme der Abweichungsgesetzgebung. Lexxion, 2014,ISBN 978-3-86965-268-9.
Klaus-Achim Boesler:Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland. In:Geowissenschaften in unserer Zeit. 2, 2, 1984, S. 52–58.doi:10.2312/geowissenschaften.1984.2.52.
↑Bereits 1925 benutzte er den Begriff „Raumwirtschaftsplan“ am Beispiel des Generalsiedlungsplans für denLandkreis Waldenburg – Gustav Langen:Das neuzeitliche Planungswesen und die Siedlungsaufgabe der Gegenwart. In:Deutsche Bauzeitung. Stadt und Siedlung. 59 (1925), Nr. 99 (12. Dezember), S. 199 (Digitalisat); ab 1927 sprach er von „Raumordnung“ und „Raumplanung“ – Gustav Langen:Planungswesen. In:Hubert Ritter (Hrsg.):Wohnung, Wirtschaft, Gestaltung. Ein Querschnitt durch die Leipziger Siedlungswoche März 1927 und den anschließenden Lehrgang über das deutsche Siedlungswesen in Stadt und Land. Hübsch, Berlin 1928, S. 224.
↑Martin Lendi; Karl-Hermann Hübler (Hrsg.):Ethik in der Raumplanung: Zugänge und Reflexionen. ARL, Hannover 2004, S. 80; siehe:Onlinefassung
↑Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat: Beirat für Raumentwicklung. 2020, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 4. Februar 2020; abgerufen am 3. April 2020.Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.bmi.bund.de
↑30 Jahre Raumplanung in Österreich – 30 Jahre ÖGRR 1954–1984 (= Schriftenreihe der Österreichischen Gesellschaft für Raumforschung und Raumplanung.Band29). Wien 1985,ISBN3-900-322-5 (defekt).
↑Peter Haßlacher:Alpine Raumordnung gestern – heute – morgen. Online-Fachzeitschrift des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft. In: Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (Hrsg.):Ländlicher Raum. 2007 (PDF – Erweiterte schriftliche Fassung des gleichnamigen Vortrages, gehalten anlässlich des von Lebensministerium und Umweltdachverband gemeinsam veranstalteten Internationalen Symposiums „klima:wandel >> natur:gefahren“; 10.–12. September 2006 in Neukirchen am Großvenediger/Salzburg).