Rajasthan oderRadschastan (Hindiराजस्थानIASTRājasthān [ˈrɑːʤʌstʰɑːn], deutsch‚Land der Könige‘) ist ein nordwestlicherindischerBundesstaat mit einer Fläche von 342.239 km² und 68,5 Millionen Einwohnern (Volkszählung 2011). Die Hauptstadt Rajasthans istJaipur und die Amtssprache ist Hindi.
Der Nordwesten Rajasthans ist durch dieThar-Wüste gekennzeichnet, die in die Cholistan inPakistan übergeht. Zwischen der Wüste und den fruchtbareren Ebenen im Osten und Südosten liegt dasAravalligebirge, das als Klima- und Wasserscheide fungiert. Der Südosten Rajasthans geht allmählich in das Hochland vonDekkan über.
Rajasthan ist in den Sommermonaten regelmäßig von starker Hitze betroffen. In den letzten Jahren häufen sich jedoch Extremtemperaturen, die 45 °C überschreiten. Im Sommer 2019 wurden am Rande der Wüste in Rajasthan 51 °C gemessen[3] und am 17. Mai 2020 in der StadtChuru 50 °C.[4]
Eine Gruppe von Rajasthani-FrauenEin Rajasthani aus JodhpurEine junge Muslimin in der Thar-Wüste nahe Jaisalmer, 2009
Nach der indischen Volkszählung 2011 hat Rajasthan 68.621.012 Einwohner. Gemessen an der Einwohnerzahl ist Rajasthan Indiens siebtgrößter Bundesstaat. Die Bevölkerungsentwicklung ist stark ansteigend: Zwischen 2001 und 2011 wuchs die Einwohnerzahl um 21 Prozent und damit schneller als im Landesmittel (18 Prozent). Verglichen mit dem Rest Indiens ist Rajasthan wegen der ausgedehnten Wüstenflächen relativ dünn besiedelt: Die Bevölkerungsdichte liegt mit 200 Einwohnern pro Quadratkilometer deutlich unter dem Landesdurchschnitt (382 Einwohner pro Quadratkilometer), entspricht aber immer noch der Bevölkerungsdichte Deutschlands. Ein großer Teil der Bevölkerung konzentriert sich auf die ländlichen Gebiete: Nur 25 Prozent der Einwohner Rajasthans leben in Städten. Der Urbanisierungsgrad liegt damit unter dem gesamtindischen Durchschnitt von 31 Prozent. Das Geschlechterverhältnis ist unausgeglichen: Auf 1000 Männer kommen nur 928 Frauen (der indische Durchschnitt beträgt 943). Unter den 0- bis 6-Jährigen sind es sogar nur 888 Mädchen auf 1.000 Jungen (Gesamtindien: 919).[5]
66 Prozent der Einwohner Rajasthans können lesen und schreiben (Männer 79 Prozent, Frauen 52 Prozent). Die Alphabetisierungsrate gehört zu den niedrigsten Indiens und liegt deutlich unter dem Landesdurchschnitt von 73 Prozent (Stand jeweils Volkszählung 2011).[6] Im Zeitraum von 2010 bis 2014 betrug die durchschnittliche Lebenserwartung 67,7 Jahre (der indische Durchschnitt betrug 67,9 Jahre).[7] DieFertilitätsrate betrug 2,34 Kinder pro Frau (Stand: 2016) während der indische Durchschnitt im selben Jahr bei 2,23 Kindern lag.[8]
Die Einwohner Rajasthans bezeichnen sich alsRajasthani. Außerhalb Rajasthans wird häufig der BegriffMarwari, der eigentlich für die Bewohner derMarwar-Region steht, kollektiv für alle Rajasthanis benutzt. Eine Minderheit unter der Bevölkerung des Bundesstaates stellen dieAdivasi (Angehörige der indigenen Stammesbevölkerung). 9,2 Millionen Einwohner Rajasthans (14 Prozent der Bevölkerung) werden als Angehörige der Stammesbevölkerung (Scheduled Tribes) klassifiziert.[9] Die Adivasi-Bevölkerung konzentriert sich auf die Berggegenden desAravalligebirges. In den DistriktenBanswara,Dungarpur undPratapgarh stellen sie die Bevölkerungsmehrheit. Die beiden mit Abstand größten Adivasi-Gruppen Rajasthans sind dieMina und dieBhil, die zusammen über 90 Prozent der Stammesbevölkerung des Bundesstaates ausmachen.[10]
Die Amtssprache Rajasthans istHindi. Nach der indischen Volkszählung 2001 ist es die Sprache von 91 Prozent der Bevölkerung des Bundesstaates. Die meisten Menschen in Rajasthan sprechen im Alltag einen der Dialekte, die unter dem OberbegriffRajasthani zusammengefasst werden. Die Beziehung zwischen dem Rajasthani und dem Hindi ist komplex: Das Rajasthani unterscheidet sich sprachlich hinreichend stark vom Standard-Hindi, dass es als eigenständige Sprache klassifiziert werden könnte, und verfügt über eine eigenständige Literaturtradition. Gleichzeitig gewinnt das Standard-Hindi in Rajasthan als Amts- und Bildungssprache an Raum und entwickelt sich mehr und mehr zurDachsprache für die Rajasthani-Dialekte. In offiziellen Statistiken wird das Rajasthani zum Hindi gezählt. Tatsächlich hatten bei der Volkszählung 32 Prozent der Bevölkerung Rajasthani als Muttersprache angegeben, 27 Prozent Hindi und 33 Prozent einen spezifischen Rajasthani-Dialekt (darunter 11 ProzentMarwari, 9 ProzentMewari, 4 ProzentHarauti, 3 ProzentDhundhari und 3 ProzentBagri).[12]
Weitere in Rajasthan gesprochene Sprachen sind dasBhili (knapp 5 Prozent), das in Form desWagdi-Dialektes unter dem Adivasi-Volk der Bhil verbreitet ist, dasPanjabi (2 Prozent) sowie unter den Muslimen dasUrdu (1,2 Prozent).Englisch ist wie in ganz Indien als Verkehrs- und Bildungssprache präsent.
Die große Mehrheit der Einwohner Rajasthans sindHindus. Nach der Volkszählung 2011 stellen sie 89 Prozent der Bevölkerung. ZumIslam bekennen sich 9 Prozent der Bevölkerung. Kleinere Minderheiten stellen mit jeweils rund 1 Prozent dieSikhs, die sich vor allem auf die Distrikte an der Grenze zumPunjab konzentrieren, sowie dieJainas, die trotz ihres geringen Bevölkerungsanteils wichtige Beiträge zur Kulturgeschichte Rajasthans geleistet haben.
Rajasthan zur Zeit der britischen HerrschaftVerwaltungsgliederung Rajasthans
InBritisch-Indien wurde RajasthanRajputana (Land der Rajputen) genannt und stand ganz überwiegend unter der Herrschaft einheimischer Fürsten. Eine Ausnahme bildete lediglich die DoppelenklaveAjmer-Merwara, die schon 1818 an dieBritische Ostindien-Kompanie gekommen war und seither unter direkter britischer Verwaltung stand. Die Fürstenstaaten waren in derRajputana Agency organisiert.
In den Jahren 1899 bis 1902 gehörte Rajputana zu den am stärksten von einer großenHungersnot betroffenen Gebieten.
Im Jahr 1947, dem Jahr der Unabhängigkeit Indiens, waren in derRajputana Agency 19 Fürstenstaaten zusammengeschlossen:
Hinzu kamen noch die drei kleinen Herrschaften vonKushalgarh,Lawa undNeemrana mit nur wenigen Tausend Einwohnern.[14]
Die Fürstenstaaten schlossen sich in der Folgezeit zu Unionen zusammen, deren Vorsitz alsRajpramukh jeweils ein regierender Fürst hatte.Alwar, Bharatpur, Dholpur und Kaurauli bildeten am 17. März 1948 dieMatsayas Union (Matsya Sangha). Banswara, Kushalgarh, Bundi, Kota, Tonk, Jhalawar, Partabgarh, Shahpura, Kishangarh und Dungarpur schlossen sich am 25. März 1948 zurRajasthan Union (Rajasthan Sangh) mit dem Rajpramukh Maharao von Kota zusammen. Am 18. April 1948 trat Mewar (Udaipur) diesem Bund bei, der inUnited State of Rajasthan (Sanyukta Rajasthan Sangha) umbenannt wurde. Rajpramukh war dann derMaharadscha von Udaipur. Jaipur, Marwar (Jodhpur), Jaisalmer und Bikaner, sowie Lawa und Nimrana schlossen sich am 30. März 1949 der Konföderation an, die sichGreater Rajasthan nannte und unter dem Rajpramukh Maharadscha von Jaipur stand. Am 7. April 1949 schlossen sich 15 Rajputenstaaten formell an Indien an. Matsya Sangha und Greater Rajasthan vereinigten sich am 15. Mai 1949 zuUnited Greater Rajasthan. Als letzter Fürstenstaat schloss sich am 26. Januar 1950 SirohiUnited Greater Rajasthan an, das danach den NamenUnited Rajasthan führte.[15] Mit dem Inkrafttreten der Verfassung der Republik Indien am 26. Januar 1950 wurde Rajasthan ein Bundesstaat Indiens.
ImStates Reorganisation Act im November 1956 erfolgte eine Arrondierung der Grenzen Rajasthans. Ajmer-Merwara und ein kleines Grenzgebiet im heutigen DistriktBanaskantha kamen an Rajasthan und dafür wurde die Exklave umSironj anMadhya Pradesh abgetreten. Seitdem sind die Grenzen Rajasthans unverändert geblieben.
DieLegislative des Bundesstaates Rajasthan besteht aus einemEinkammernparlament, derRajasthan Legislative Assembly oderRajasthan Vidhan Sabha. Die 200 Abgeordneten werden alle fünf Jahre durchDirektwahl bestimmt. Sitz des Parlaments istJaipur. Imgesamtindischen Parlament ist Rajasthan mit 25 Abgeordneten in derLok Sabha, dem Unterhaus, und mit zehn Sitzen in derRajya Sabha, dem Oberhaus, vertreten.
DerChief Minister (Regierungschef) des Bundesstaates Rajasthan wird vom Parlament gewählt. An der Spitze des Bundesstaats steht jedoch der vom indischen Präsidenten ernannte Gouverneur (Governor). Seine Hauptaufgaben sind die Ernennung des Chief Ministers und dessen Beauftragung mit der Regierungsbildung.
Höchster Gerichtshof Rajasthans ist derRajasthan High Court mit Sitz inJodhpur. Eine Zweigstelle des High Courts besteht seit 1976 in Jaipur.[16]
Anmerkung: Die Wahl imWahlkreis67-Ramgarh musste verschoben werden, weil der BSP-Kandidat am 30. November 2018 an einem Herzinfarkt verstorben war.[18] Die Nachwahl am 28. Januar 2019 gewann die Kongresspartei-Kandidatin.[19]
Die Parteipolitik Rajasthans wird von zwei überregionalen Parteien, demIndischen Nationalkongress (INC) und derBharatiya Janata Party (BJP) dominiert. In den Jahrzehnten nach der Unabhängigkeit stellte die Kongresspartei sämtliche Regierungen Rajasthans, seit den 1990er Jahren wechselt sie sich regelmäßig mit derhindunationalistischen BJP an der Macht ab. Bei der letzten Parlamentswahl im Dezember 2013 wurde die Kongressregierung abgewählt, während die BJP einen deutlichen Wahlsieg errang: Die BJP konnte 162 von 199 Wahlkreisen für sich entscheiden. Die Kongresspartei fiel deutlich abgeschlagen auf den zweiten Platz zurück und zog nur mit 21 Abgeordneten im Parlament ein. Ebenfalls im Parlament vertreten waren drei kleinere Parteien: DieNational People’s Party (NPP), die sich als Interessenvertretung derAdivasi (Stammesvölker) versteht, und erstmals in Rajasthan zur Wahl antrat, aber mit nur vier gewonnenen Wahlkreisen hinter ihren Erwartungen zurückblieb. DieBahujan Samaj Party (BSP), welche ihre Anhängerschaft unter denDalit (Kastenlosen) hat, konnte mit drei Sitzen im Parlament in Rajasthan nicht an ihre Erfolge im NachbarbundesstaatUttar Pradesh anknüpfen. Mit zwei Abgeordneten zog die neugegründeteNational Unionist Zamindara Party (NUZP), eine Interessenvertretung vonGuar-Bauern, ins Parlament ein. Ferner schafften noch sieben unabhängige Kandidaten den Einzug ins Parlament.[20] Als Ergebnis der Wahl wurde am 13. Dezember 2013 die BJP-PolitikerinVasundhara Raje als Chief Ministerin von Rajasthan im Amt vereidigt. Raje hatte bereits von 2003 bis 2008 als erste Frau das Amt ausgeübt.
Die Wahl zum Bundesstaatsparlament am 7. Dezember 2018 wurde von der Kongresspartei gewonnen, die mit 99 Mandaten nur knapp die absolute Mehrheit verfehlte.[17] Später kam im Rahmen einer Nachwahl noch ein weiteres Mandat hinzu.[19] Die BJP kam auf 73 Mandate und die BSP auf 6. Neben 13 parteilosen Abgeordneten schafften es noch eine Reihe von Abgeordneten von Kleinstparteien ins Parlament: ein Abgeordneter derRashtriya Lok Dal (RLD), einer Regionalpartei aus dem benachbartenUttar Pradesh, zwei Abgeordnete derBharatiya Tribal Party (BTP), einer im Vorjahr von demAdivasi-Politiker und ehemaligenJD(U)-Abgeordneten Chhotubhai Vasava im benachbartenGujarat gegründeten Interessenpartei,[21] zwei Abgeordnete derKommunisten-Marxisten CPI(M) und drei Abgeordnete der kurz vor der Wahl vom BJP-Dissidenten Hanuman Beniwal gegründetenRashtriya Loktantrik Party (RLP).[22]
Am 17. Dezember 2018 wurdeAshok Gehlot als neuer Chief Minister vereidigt.[23] Er hatte dieses Amt bereits 1998 bis 2003 und 2008 bis 2013 innegehabt.
Mit einem Pro-KopfBruttoinlandsprodukt von 65.974Rupien (1.433US-Dollar) im Jahre 2015 lag Rajasthan auf Platz 19 von 29 indischen Bundesstaaten und damit unterhalb des indischen Durchschnitts.[25] 31,6 % der Bevölkerung waren 2005unterernährt, was die dritthöchste Rate unter den Bundesstaaten von Indien war.[26]
Mit einem Wert von 0,601 erreicht Rajasthan 2015 den 22. Platz unter den 29 Bundesstaaten Indiens imIndex der menschlichen Entwicklung und ist damit unterdurchschnittlich entwickelt.[27]
Rajasthan ist in den 2020er Jahren zu einem Zentrum der Solarindustrie in Indien geworden, wobei der Staat sich aufgrund seiner großen Wüstenflächen hervorragend für die Erzeugung vonSonnenenergie eignet. 2020 wurde derSolarpark Bhadla in der Wüste Thar zum zu diesem Zeitpunkt größte Solarpark der Welt.[28] 2024 hatte die Solarenergie einen Anteil von 51 % amEnergiemix, gefolgt vonWärmekraft (32 %),Windenergie (12 %),Wasserkraft (4 %) undKernenergie (1 %).[29]
Jahrhundertelang war der sommerliche Regen in Indien der direkte Wasserlieferant. Die Menschen sammelten das kostbare Nass in großen Becken und Wassertanks, um auch in der trockenen Jahreszeit genug Wasser für ihre Felder zu haben. Dazu legten sie künstliche Seen an, die ihr Wasser aus zuführenden Kanälen erhielten. Die Wüste Thar gilt aus diesem Grund als die bevölkerungsreichste Wüste der Welt.
Die Wüstenstadt Jaisalmer im Westen Rajasthans war über Jahrhunderte eine blühende Handelsstadt. Und der „Tanka“ vor den Toren der Stadt hat dabei eine entscheidende Rolle gespielt. Im 14. Jahrhundert wurde dieser künstliche See mit Namen Gadisar angelegt. Jedes Jahr vor der Regenzeit wurden das Seebett und alle Zuflüsse gereinigt. Die Menschen hielten ihren See sauber. Er sollte das ganze Jahr Trinkwasser liefern. Waschen und Baden im See waren verboten. In der Regel überstand der See sogar dieTrockenzeit. Wenn dasWasser doch verdunstete, betrieben die Menschen im feuchten Bett Ackerbau.
Khejri-Baum
Trinkwasser lieferten dann die zahlreichen Brunnen in der Stadt rund um den See. Das im See angestaute Regenwasser hatte Zeit, langsam im Boden zu versickern und das Grundwasser anzufüllen. In den trockenen Monaten lieferten die Brunnen dann noch genug Wasser für die Bewässerung der Felder.
Wichtigste Pflanze in den Wüstengebieten Rajasthans ist der zu denHülsenfrüchtlern zählende immergrüne Khejri-Baum (Prosopis cineraria), dessen Zweige und Blätter in Trockenzeiten als Tierfutter dienten; seine Nutzung ist schon seit langem durch Dorfgesetze geregelt.
In den letzten Jahren hat der See Gadisar extrem leiden müssen. Die traditionellen Regenwassersammelsysteme – nicht nur in Jaisalmer, auch in vielen anderen Orten Rajasthans – sind zusammengebrochen. Die Ursache sehen viele Experten in den modernen Bewässerungssystemen.Die Briten brachten einst das Wasserwirtschafts-Know-how ausEuropa nach Indien. Nach der Unabhängigkeit wollte der erste indische PremierministerJawaharlal Nehru in Indien eine moderne zentrale Wasserversorgung aufbauen. Als „Tempel des Fortschritts“ bezeichnete er die Staudämme.In den letzten 50 Jahren sind in Indien Hunderte riesiger Staudämme gebaut worden. Kilometerlange Kanäle wie der Rajasthankanal versorgen auch trockene Regionen Indiens mit Wasser. Das ganze Jahr über genug Wasser, vor allem zur Bewässerung der Landwirtschaft war das Ziel der staatlichen zentralen Wasserversorgung. Doch die Folgen waren schon nach wenigen Jahren sichtbar. Der Boden versalzte. Die Staudämme gruben den Flüssen das Wasser ab, und es konnte sich kaumGrundwasser neu bilden. In den Trockenperioden können die Stauseen zudem nicht genug Wasser liefern. Besonders die Wüste Thar ist dafür ein typisches Beispiel.So fließt das Wasser im Kanal manchmal nur einmal in der Woche, wenn überhaupt. Trotz staatlich organisierter Bewässerung sind Dürren heute häufiger als vor 40 Jahren. Und den Dürreperioden folgen in der Regel Hungerkatastrophen, weil die Bauern ihre Felder nicht bewässern können. Das Grundwasser ist über Jahre nicht aufgefüllt worden und die Brunnen bleiben leer. Dies seien selbstgemachte Dürren, sagen Umweltaktivisten, denn es gäbe mit dem jährlichen Regen eigentlich genug Wasser, wenn man sich der alten Traditionen besinnen würde.
Umweltorganisationen fördern traditionelles Sammeln von Regenwasser
Umweltorganisationen in Indien, wie dasCentre for Science and Environment (CSE), haben vor über 20 Jahren damit begonnen, die alten traditionellen Methoden des Regenwassersammelns zu dokumentieren und Pilotprojekte aufzubauen. In Rajasthan heißen die einfachsten Lösungen für die BauernJohads.
Ein Johad ist ein halbmondförmiger Teich, der so in der Landschaft liegt, dass er in der Regenzeit viele kleine Bäche und Quellen aus einer größeren Umgebung auffangen kann. Jeder Johad ist anders in Größe und Form, je nach Bodenbeschaffenheit oderTopographie. Dieser kleine See entsteht durch Anhäufen von Erdwällen. Ihre Funktion ist, Wasser zu stauen, das die Menschen nach der Regenzeit nutzen. Noch wichtiger sind sie allerdings für das Grundwasser. Denn die enormen Niederschläge würden sonst weggespült werden und zu Landerosionen führen. Durch das Anstauen hat das Wasser aber genug Zeit, um langsam im Boden zu versickern und zu Grundwasser zu werden. Seit die Farmer wieder Johads bauen, ist der Grundwasserpegel angestiegen. Es lohnt sich auch wieder, Brunnen zu bauen. Schon nach wenigen Jahren machen sich die Johads für die Dorfgemeinschaften bezahlt. Sie können jetzt auch ihre Felder wieder bewässern und haben das ganze Jahr über genug zu essen sowie Futter für ihr Vieh.
In anderen Landesteilen Indiens gibt es noch weitere traditionelle Sammeltechniken. CSE hat sie alle dokumentiert und durch moderne Systeme, die großstadttauglich sind, erweitert. Seit einiger Zeit werden im ganzen Land sogenannte Regencenter aufgebaut, in denen das traditionelle und moderne Regenwasser-Wissen vermittelt wird.
Die Menschen werden jetzt wieder verstärkt in die Wasserversorgung einbezogen. Das gehört zum Konzept des CSE und anderer Hilfsorganisationen in Indien. Die Menschen sollen die Verantwortung für ihr Wasser wieder selbst tragen.
Früher war der größte Teil des Alwar-Distrikts auf der Landkarte als „dunkle Zone“ aufgeführt, als Gebiet, in dem es kaum noch Grundwasser gibt. Heute, 15 Jahre und viele Johads später, ist es wieder eine „weiße Zone“ mit viel Wasser. Seit 1985 wurden in mehr als 850 Dörfern über 5.000 Johads gebaut. Diese Gegenden sind heute wieder grün, eine moderate Landwirtschaft ist möglich, und die Leute kehren aus den Städten in ihre Dörfer zurück. Jedes Jahr werden 400 neue Johads gebaut und viele kahle Hügelketten neu aufgeforstet. Experten sind überzeugt, dass sich diese Methode der Wassergewinnung auch in anderen Teilen der Welt anwenden ließe, zum Beispiel in den Dürregebieten im Süden Indiens oder in der Sahelzone von Afrika.
Tänzerinnen mitGauri-Figuren beim Frühlingsfest Gangaur inUdaipur
Die Herrscher der einstigen Fürstenstaaten waren die wesentlichen Förderer der höfischenindischen Musik. Viele muslimische und hinduistische Musiker lebten in deren Umkreis und traten regelmäßig in den Palästen auf. Als die größten Förderer von Musik und Tanz traten die Rajas von Jaipur hervor. Bei den Hofmusikern von Jaipur liegen die Wurzeln der Dagar-Musikerfamilie, die ihre Tradition des strengen klassischen GesangsstilsDhrupad bis in das 16. Jahrhundert zurückführen. In Jaipur entstanden weitere Musiktraditionen (Gharanas), in denen vokale und instrumentale Formen des Dhrupad und des weniger strengenKhyal gepflegt werden.
Charakteristischer für Rajasthan als die Formen der klassische Musik sind zahlreiche regionale Volksmusikstile, vor allem die an Tempeln und Schreinen gesungenen religiösen Lieder (bhajan undkirtan). Die Musikkultur wird wesentlich von professionellen Musikern geprägt, die unterschiedlichen Musikerkasten angehören. Die Musiker stehen in einer alten Tradition, die in den Familien vererbt wird, wobei sich wie anderswo die Musik der Frauen und Männer unterscheidet. Einige dieser Musikgruppen sind sesshaft und erhalten regelmäßige Zuwendungen von Angehörigen der lokalen Oberschicht, andere Gruppen reisen zu Festen in entfernte Regionen und suchen neue Auftrittsmöglichkeiten. Die Langas und Manganiyars sind muslimische Musikerkasten, die in der Wüste Thar im Westen leben (DistrikteJaisalmer,Barmer undJodhpur). Beide Gruppen nahmen früher am Jajmani-System teil, dem traditionellen Abhängigkeitsverhältnis der Musiker/Darsteller von einem wohlhabenden Unterstützer, an dessen Ernteertrag sie beteiligt waren und von dem sie darüber hinaus zu bestimmten Anlässen Geschenke erhielten.[30] Eine Untergruppe der Langas spielt zwei Varianten der bundlosen Streichlautesarangi und die Streichlautesurinda zur Gesangsbegleitung, die andere Untergruppe singt nicht, sondern spielt die Kegeloboesurnai, dieMaultrommelmorchang oder die Doppel-Schnabelflötesantara (entspricht etwa deralghoza). Die kleine zweifellige Zylindertrommeldholak haben die Langas in jüngster Zeit von den Manganiyars übernommen. Die Manganiyars spielen, auch wenn sie Muslime sind, für ihre Auftraggeber religiöse Musik in Hindutempeln. Ihr hauptsächliches Streichinstrument ist diekamaica (kamaicha) mit einem runden Korpus.[31] An die Stelle derkamaica tritt heute häufig ein indisches Harmonium; für den Rhythmus sorgen die zweifelligen Trommelndhol, dholak und die hölzernen Handklappernkartal. Manche Manganiyar-Sänger spielen nebenbei die Kastenzitherswarmandal. In ganz Rajasthan wird die vier- bis fünfsaitige Langhalslautetandura zur Begleitung religiöser Gesänge eingesetzt.
Eine endgeblasene Rohrflöte, die auch im südlichen Pakistan vorkommt, ist dienarh. Im südlichen Rajasthan dient in den Dörfern der Mina-Kaste dieSanduhrtrommeldhak (namensverwandt mit derdhadd) zur Durchführung von Besessenheitsritualen.[32] Eine weitere Musikerkaste von niedriger sozialer Stellung sind die hinduistischen Dholis, benannt nach ihrer großen Trommel. Sie ziehen als Tanz- und Musiklehrer in ganz Nordindien umher. Die Dholis bevorzugen „Kathak“ als Eigenbezeichnung, weil sie sich als Urheber des klassischen nordindischen TanzstilsKathak verstehen. Neben derdhol spielen sie das kleine Kesseltrommelpaarnaqqara, die zweifelligedhumsa (nicht zu verwechseln mit der namensgleichen Kesseltrommeldhamsa) und die Kegeloboeshehnai. Diese Musikinstrumente gehören zur Tradition des indo-islamischen Zeremonialorchestersnaubat und sind in die hinduistische religiöse Musik übergegangen.[33] Einzelne Straßenmusiker begleiten ihre Gesänge mit der gestrichenen Langhalslauteravanahattha.
Traditionelle professionelle Musikerinnen stammen unter anderem aus den Musikerkasten Dholi und Mirasi oder stehen in der Nachfolge der im 18./19. Jahrhundert angesehenen, denKurtisanen vergleichbaren Unterhalterinnen (tawaif) an der Fürstenhäusern. Weiter verbreitet sind die von nichtprofessionellen Frauengruppen bei Festen und Familienfeiern gesungenen Lieder. Diese Lieder sind Bestandteil des Tempeldienstes oder sollen den Kontakt mit Verstorbenen oder Geistern (Bhutas) aufnehmen. Daneben kennen Frauen Unterhaltungslieder zu allen gesellschaftlichen Themen des Alltags, die wie der klassische Gesangsstilkhyal genannt werden. Im ganzen Bundesstaat ist der Kreistanzghumar beliebt, der hauptsächlich zum Frühlingsfest Gangaur gehört, das von den Frauen im März–April zur Verehrung vonGauri gefeiert wird. Bunt gekleidete Tänzerinnen, die klingelnde Fußschellen (ghungru) tragen, drehen sich dabei schnell im Kreis, begleitet von der Fasstrommeldhol.[34] Der Männertanzkacchi ghori,[35] bei dem der Tänzer wie ein Bräutigam gekleidet wild mit einer Pferdeattrappe agiert, wurzelt in der kriegerischen Tradition. Er wird von Trommeln (dhol) und Naturtrompeten (bankia) begleitet bei Hochzeiten und anderen sozialen Ereignissen aufgeführt.
Die Sozialgruppe der Kalbelia in der WüsteThar, traditionell alsSchlangenbeschwörer bekannt, führen spezielle Volkstänze und Lieder mit mythologischen Inhalten auf. Frauen der Kalbelia in bunten Kleidern imitieren in ihren Tänzen die Bewegungen der Schlangen, während sie von Männern auf einerkhanjari (kleineRahmentrommel mit einemZimbelpaar) und einerpungi (Rohrblattinstrument mit Windkapsel der Schlangenbeschwörer) begleitet werden. 2010 wurden „Volkslieder und Tänze der Kalbelia“ in dieUNESCO-Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.[36]
↑History. Webseite des Rajasthan High Courts, abgerufen am 19. Dezember 2020 (englisch).
↑abRajasthan Result Status. Election Commission of India (Indische Wahlkommission), archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 18. Dezember 2014; abgerufen am 1. Januar 2019 (englisch).Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/eciresults.nic.in
↑abElection Results – Full Statistical Reports. Indian Election Commission (Indische Wahlkommission), abgerufen am 16. März 2017 (englisch, Wahlergebnisse sämtlicher indischer Wahlen zur Lok Sabha und zu den Parlamenten der Bundesstaaten seit der Unabhängigkeit).
↑International Institute for Population Sciences – IIPS/India, Macro International (Hrsg.):India National Family Health Survey (NFHS-3) 2005-06. 2007 (dhsprogram.com [abgerufen am 18. März 2018]).
↑Sub-national HDI. In: Area Database – Global Data Lab. Abgerufen am 12. August 2018 (englisch).
↑Nazir A. Jairazbhoy:Music in Western Rajasthan: Stability and Change. In:Yearbook of the International Folk Music Council. Vol. 9, 1977, S. 50–66, hier S. 50.
↑David Roche:The “Dḩāk”, Devi Amba’s Hourglass Drum in Tribal Southern Rajasthan, India. In:Asian Music. Vol. 32, No. 1, Tribal Music of India. Herbst 2000 – Winter 2001, S. 59–99.
↑Richard Wolf:Music in Seasonal and Life Cycle Rituals. (Memento vom 26. Juni 2015 imInternet Archive) In: Alison Arnold (Hrsg.):The Garland Encyclopedia of World Music. South Asia: The Indian subcontinent. Band 5. Routledge, London 1999, S. 272–287, hier S. 280.
↑Mekhala Devi Natavar:Rajasthan. In: Alison Arnold (Hrsg.):The Garland Encyclopedia of World Music. South Asia: The Indian subcontinent. Band 5. Routledge, London 1999, S. 640–647.