EinPsalm (PluralPsalmen) (vonaltgriechischψαλμόςpsalmós „Saitenspiel, Lied“) ist imJudentum undChristentum ein poetischer religiöser Text, oft mitliturgischer Funktion. Die Bezeichnung wird vor allem verwendet für die 150 Gedichte, Lieder und Gebete desBuches der Psalmen derhebräischen Bibel bzw. desAlten Testaments (auchPsalter genannt). Daneben existieren weitere Texte in derbiblischen wie in der außerbiblischen Literatur, in Überlieferung und Gebetspraxis, die als Psalmen bezeichnet werden.
Das griechische Wortψαλμόςpsalmós stammt vom Verbψάλλεινpsallein ab, was „die Saiten schlagen“ bedeutet. Es bezeichnet einen Gesang mit Saitenbegleitung und kann wörtlich übersetzt werden als „gezupftes Lied“.[1] Die griechische Bezeichnung gibt dashebräische Wortמִזְמורmizmor wieder, was als „kantilierenderSprechgesang mit Saitenbegleitung“ umschrieben wird.[2]
In der deutschen Sprache ist das Wort Psalm auch demkirchenlateinischenpsalmus entlehnt. Unter Erleichterung des Anlautes hat sich daraus das dialektale WortSalm gebildet,[3] das umgangssprachlich auch für „langweiliges Gerede, Geschwätz“ steht.[4] Die Wörter Psalm und Psalter gehören zu den wenigen Fremdwörtern in derLutherbibel.[5]
Die Nummerierung der Psalmen in den Hebräischen (Masoretischen) und den griechischen (Septuaginta) unterscheidet sich bei vielen Psalmen in der letzten Ziffer.
Masoretischer Text | Septuaginta (LXX) | Anmerkung |
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Ps 1–8 | Zählung gleich | |
Ps 9–10 | Ps 9 | LXX zähltPss. 9 und 10 als einen Psalm |
Ps 11–113 | Ps 10–112 | hebräische Zählung geht um 1 voraus |
Ps 114–115 | Ps 113 | LXX zählt 114 und 115 als einen Psalm |
Ps 116 | Ps 114–115 | griech. als zwei Psalmen gezählt; Einschnitt nach 9 Versen |
Ps 117–146 | Ps 116–145 | hebräische Zählung geht um 1 voraus |
Ps 147 | Ps 146–147 | griech. als zwei Psalmen gezählt; Einschnitt nach 11 Versen |
Ps 148–150 | Zählung gleich | |
Ps 151 | apokryph |
Die hebräische Zählung wird in der jüdischen und der protestantischen Tradition verwendet. Außerdem auch in modernen katholischen Bibelausgaben und in Wikipedia. Die griechische Zählung wird in der Vulgata und allen darauf aufbauenden liturgischen Büchern verwendet. In moderneren Ausgaben finden sich oft beide Angaben, wobei die griechische in Klammern gesetzt wird, z. B. Ps.46(45).
Die Psalmen haben Vorbilder in deraltorientalischen Literatur, sind jedoch in ihrer Dramatik und persönlich-geschichtlichen Aussage ohne Parallele. Herkunft, Entstehungszeit und „Sitz im Leben“ der einzelnen Psalmen sind je nach Anlass sehr unterschiedlich. Die ältesten Psalmen der Bibel stammen wohl aus der Zeit vor dembabylonischen Exil und aus derisraelitischen Königszeit.
Die Psalmen zeigen die typische Technik der hebräischen Versdichtung, denparallelismus membrorum („parallel gestaltete Glieder“). Dabei werden zwei (oder selten drei) aufeinander folgende Zeilen als zusammengehörig gestaltet, indem die Aussage der ersten Verszeile in den nachfolgenden unter anderer Perspektive dargestellt wird. Dies kann als Wiederholung („synonymer Parallelismus“), als Gegensatz („antithetischer Parallelismus“) oder als Weiterführung („synthetischer Parallelismus“) der Aussage geschehen.[6]
Ihrem Inhalt und ihrer Form nach werden Psalmen in verschiedene Gattungen unterteilt. Diese Kategorisierung geht zurück auf die gattungsgeschichtlichen UntersuchungenHermann Gunkels undJoachim Begrichs,[7] wobei Übergänge zwischen den Formen häufig sind und jeder Psalm „eine spezifische Gestalt und eine individuelle Biografie“ hat,[8] die ihn als Gebet einzigartig macht:
Daneben werden auch mehrere Psalmen (etwaPsalm 58,Psalm 83 undPsalm 109) traditionell alsFluchpsalmen oder neuerdings als Vergeltungspsalmen bezeichnet.
Etwa die Hälfte der Psalmen innerhalb des Psalters verweisen in ihrer Überschrift auf KönigDavid und werden daherDavidpsalmen genannt, einzelne verweisen auf einen anderen Urheber, etwaAsaf oderKorach.
Klage-, Dank- und Bittpsalmen werden weiterhin unterschieden nach der Zahl der Betenden in Psalmen des Einzelnen (z. B.Jes 38,10–20 EU) oder des Volkes (z. B.Ri 5 EU).
Die Klage führt nicht selten zu einem „Wendepunkt“, mit dem sich das Gebet nach göttlichem Rettungshandeln in Lob und Dank wandelt.
Die meisten Psalmen finden sich im Buch der Psalmen, aber es finden sich einzelne Psalmen auch außerhalb dieses Buches. In derTora sind etwa das Siegeslied am Schilfmeer (Ex 15,1–18 EU) oder das Lied des Mose (Dtn 32,1–43 EU) zu nennen. Hymnen und Danklieder sind dasDeboralied und das „Magnificat der Hanna“ (1 Sam 2,1–11 EU). Dazu kommen Psalmen aus demHohenlied, dem BuchIjob und denProphetenbüchern (z. B.Jer 17–18 EU,Jes 12,1–6 EU). Besonders bekannt ist auch derPsalm des Jona aus dem Bauch des Walfisches (Jona 2,3–10 EU). Auch dieKlagelieder Jeremias kann man zu den Psalmen rechnen. Daneben zu nennen sind auch Davids Gebete im 2. Buch Samuel (2Sam 1,7; 22 = Ps 18; 2Sam 23,1ff).
Unter denSchriftrollen vom Toten Meer der Gemeinde vonQumran finden sich 120 Psalmen, die in den Höhlen 1, 4 und 11 gefunden wurden,[9] die teilweise mit den in der hebräischen Bibel kanonisierten übereinstimmen.
Nicht Bestandteil einesbiblischen Kanons ist die alsPsalmen Salomos bezeichnete Sammlung von 18 Dichtungen vermutlich aus dem 1. vorchristlichen Jahrhundert, die KönigSalomo zugeschrieben wurden. DieSeptuaginta hat einen 151. Psalm, der nicht im hebräischen Psalmenbuch vorhanden ist.
Diskutiert werden kann die Einordnung der Gattung als ein Danklied des/der Einzelnen oder als Hymnus.
Die Bezeichnung „Magnifikat der Hanna“ legt sich nahe, da Lk 1,46–55 (Magnifikat der Maria) 1Sam 2,1–10 zu rezipieren scheint. Belege hierfür wären einige übereinstimmende Schlüsselbegriffe (σωτηρία/σωτήρ, δυνατος, θρόνος, …).
Häufige Wortfelder in 1Sam 2,1–10 sind einerseits hoch sein/erhöhen und andererseits fallen/erniedrigen. Es scheint sich eine konzentrische Struktur um V. 6f (JHWH – Herr über Tod + Leben) zu bilden, worin auch die theologische Kernaussage zu besteht. Schlüsselthemen sind darüber hinaus:
Einige Texte aus demNeuen Testament werden der Gattung „Psalm“ zugeordnet, da sie diese Texttradition voraussetzen und aufnehmen oder sogar auf jüdische Vorlagen zurückgehen. Daher werden dasMagnificat (Lk 1,46–55 EU), dasBenedictus (Lk 1,68–79 EU) und dasNunc dimittis (Lk 2,29–32 EU) manchmal auch explizit als Psalmen bezeichnet (meist alsCantica). Auch derPhilipperhymnus (Phil 2,5–11 EU) gehört in diese Reihe.
Nach denPassionsberichten derEvangelien stammen zwei der von Jesus während seines Todeskampfes am Kreuz gesprochenenSieben letzten Worte aus den Psalmen (Ps 22 EU undPs 31 EU).
Das aus dem Judentum entstehende Christentum übernahm die Psalmen – insbesondere das vollständige Buch der Psalmen des Alten Testaments – als Grundstock der eigenenGebetssprache. Dabei wurden viele Psalmen so gedeutet, dass sie aufJesus Christus verweisen bzw. dieser selbst in ihnen spreche. Als einer der bekanntesten Psalmen gilt der Psalm 23 mit dem Titel „Der Herr ist mein Hirte“. Dieser thematisiert den Schutz und die Sicherheit im „Haus des Herrn“.
In den christlichenKirchen gehen die meistenliturgischen Gesangsformen auf die Psalmen zurück. Das Singen von Psalmen auf verschiedene melodische Modelle wirdPsalmodie genannt. Vor allem bilden die (gesungenen oder gesprochenen) Psalmen den Hauptinhalt desStundengebets. Dort werden sie regelmäßig mit dertrinitarischenDoxologieGloria Patri abgeschlossen. Daneben nimmt seitaltkirchlicher Zeit der Gesang von frei gedichtetenHymnen in allen Liturgietraditionen breiten Raum ein. Die deutscheReformation schuf die Gattung des volkssprachlichenKirchenlieds, für das häufig Psalmen in eine Reim- und Strophenform gebracht wurden. In derreformierten Tradition galt das Psalmlied im Anschluss anCalvin lange als einzig legitimer gottesdienstlicher Gesang (Genfer Psalter). Nahezu alle geistlichen Dichtungen sind bis heute geprägt von Psalmenmotiven und Psalmensprache.