Einpolitischer Gefangener, auchpolitischer Häftling, ist eine Person, die auspolitischen oderweltanschaulichen Gründen inHaft ist. Dies erstreckt sich nicht nur auf Personen, die wegen Meinungsdelikten oder im jeweiligenStaat verbotener politischer Aktivitäten festgehalten werden, sondern auf alle Fälle, bei denen politische Einstellung oder politische Aktivitäten des Gefangenen maßgeblichen Einfluss auf die Strafzumessung hatten. Die Unterscheidung zwischen politischen und legitimen Gefangenen ist aufrechtspositivistischer Basis nicht eindeutig.
Stefan Trechsel, Professor für Strafrecht an derUniversität Zürich und ehemaliger Präsident derEuropäischen Menschenrechtskommission, definiert politische Gefangenschaft unter anderem damit, dass siesich beispielsweise auf Personen [bezieht], bei denen das Strafmaß, gemessen an der begangenen Straftat, aus politischen Gründen unverhältnismäßig hoch ausgefallen ist. Oder aber auf Gefangene, die aus politischen Gründen misshandelt wurden oder keinen entsprechenden rechtlichen Beistand erhalten haben.[1]
DerEuroparat sieht eine um ihre Freiheit gebrachte Person als politischen Gefangenen an, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
die Verhängung der Haftstrafe erfolgte aus rein politischen Gründen, ohne Verbindung zu einer strafbaren Handlung
die Länge oder die Umstände der Inhaftierung sind aus politischen Motiven offensichtlichunverhältnismäßig in Bezug auf das Vergehen, dessen die Person verdächtig ist oder schuldig befunden wurde
die Person wird aus politischen Motiven im Vergleich zu anderen Inhaftierten auf diskriminierende Weise behandelt
die Inhaftierung ist Resultat eines offensichtlich unfairen Verfahrens, bei dem politische Motive der Staatsgewalt angenommen werden können[2]
Die Einschätzung, ob eine konkrete Person als politischer Gefangener einzustufen ist, ist häufig umstritten und variiert je nach politischem Standpunkt. Auswestlich-demokratischer Sicht werden in der Regel solche Häftlinge als politische Gefangene begriffen, die wegen ihrerOpposition gegen eindiktatorisches Regime inhaftiert sind (Dissidenten). Nach diesem Verständnis werden Personen, die aufgrund von ideologisch begründeten Gewalttaten (Terrorismus) in Haft sind, nicht als politische Gefangene betrachtet.
DerUN-Zivilpakt schließt in Art. 19 und 26 eine Verurteilung aufgrund politischer Ansichten aus und sichert allen Menschen das Recht auf freie Meinungsäußerung zu[3]. Demzufolge verstößt eine politische Inhaftierung gegeninternationales Recht, weswegen sich die Bezeichnung zu einem politischen Kampfbegriff entwickelt hat. Im Zusammenhang mit der Verurteilung von Mitgliedern derRote Armee Fraktion wegenMitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung wurde in den 1970er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland von RAF-Sympathisanten von „politischer Gefangenschaft“ der in derJVA Stammheim Inhaftierten gesprochen.
Die Unterscheidung zwischen politischen und legitimen Gefangenen ist aufrechtspositivistischer Basis nicht eindeutig, da fast alle Staaten die Inhaftierungen, die von außen als politisch kritisiert werden, durch entsprechendeStraftatbestände abgedeckt haben. Ob ein Gefangener ein politischer ist, kann daher meist nur dadurch beurteilt werden, dass die Legitimität des der Inhaftierung zugrundeliegenden Gesetzes anhandüberpositiver Maßstäbe bewertet wird.
In vielen Ländern hatten politische Gefangene historisch einen privilegierten Status gegenüber „gewöhnlichen“ Kriminellen.
In Deutschland wurden bis zum Ende der Weimarer Republik wegen politischer Vergehen Verurteilte in der Regel nicht zurKerkerhaft oderZuchthaus, sondern zurFestungshaft verurteilt, die als weniger ehrenrührig galt und allgemein auch bessere Haftbedingungen aufzuweisen hatte.
Viele Länder begehen den 18. März als Tag der politischen Gefangenen vor allem mit Veranstaltungen, Demonstrationen, Sonderausgaben von Zeitungen und Zeitschriften, Vorträgen und Filmvorführungen.
„Politische“ als Häftlinge in Konzentrationslagern
ImNationalsozialismus waren politische Gefangene massiven Repressionen ausgesetzt. ImNS-Staat kam eine steigende Anzahl an Personen wegen des Vorwurfs politischer Delikte, der Zugehörigkeit zu Parteien und parteinahen Organisationen oder auch nur aufgrund ihrer Herkunft in dieKonzentrationslager. Der BegriffSchutzhaft war dazu ein vielfach verwendeterEuphemismus. Besonders mit Beginn[8] desZweiten Weltkriegs stieg daneben die Anzahl der Todesurteile von Sondergerichten (Volksgerichtshof) aus solchen Gründen, der oft nur vermuteten Widerständigkeit stetig.
Kategorisierung und Kennzeichnung von Häftlingen in Konzentrationslagern
Der dreieckigeRote Winkel auf derKZ-Häftlingskleidung diente in der Lagersprache ebenfalls oft als Bezeichnung der Zugehörigkeit zu dieser Gefangenenkategorie.
Zur Verfolgung vermuteter „politischer Straftaten“ wurde dieGestapo alspolitische Polizei bereits am Anfang der NS-Herrschaft getrennt von übrigen Aufgaben eingerichtet und ausgebaut.
↑Klaus-Dieter Müller (Hrsg.):Die Vergangenheit läßt uns nicht los. Haftbedingungen politischer Gefangener in der SBZ/DDR und deren gesundheitliche Folgen. 2. Auflage. Berlin-Verlag Spitz, Berlin 1998.ISBN 3-87061-812-4.
↑Simone Brunner: Von der Sprinterin zur Staatsfeindin.Die Zeit, 2. August 2021, abgerufen am 3. August 2021: „Die Menschenrechtsorganisation Wesna zählt inzwischen bereits mehr als 600 politische Gefangene, Zehntausende Menschen wurden inhaftiert, Tausende haben das Land verlassen“