Die ehemalige BenediktinerabteiSacra di San Michele im Susatal, offizielles Symbol der Region Piemont
DasPiemont ([pi̯eˈmɔnt],italienischPiemonte [pjeˈmon.te], vonlateinischad pedem montium‚am Fuß der Berge‘) ist eineRegion im NordwestenItaliens mit 4.251.623 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2023) und mit 25.399,83 km² flächenmäßig die größte Region des italienischen Festlandes.
Hauptstadt des Piemonts istTurin, andere bekannte Städte sindVercelli,Novara,Biella,Alessandria,Asti undCuneo. Ferner ist das Piemont die westlichste und hinsichtlich der Einwohnerzahl die sechstgrößte Region Italiens.
Die ehemalige BenediktinerabteiSacra di San Michele ist offizielles Symbol der Region.
Das Gebiet, das man heute unter dem Namen „Piemont“ versteht, entstand als Region der Italienischen Republik – infolge der Abtrennung des Aostatals als autonomer Region – erst nach dem Ende desZweiten Weltkriegs. Dieses Gebiet hieß nicht immer so und definiert keineswegs einen von Natur aus einheitlichen Raum, sondern ist das Ergebnis einer langen Reihe politischer Entwicklungen.[2]
Der Begriff „Piemont“ erscheint in den Quellen erstmals 1193, als in einem Vertrag zwischen der Stadt Asti und dem Markgrafen vonSaluzzo der „Burgherr des Piemont“ erwähnt wird.[2] Der Name stammt aus demmittellateinischenPedemontium oderPedemontis, d. h.ad pedem montium, was in Bezug auf die Alpen „am Fuße der Berge“ bedeutet.[3] Die neue Bezeichnung verbreitete sich schnell, und man verband mit ihr meist mehr oder weniger das heute damit gemeinte Gebiet. Im Laufe der Jahrhunderte änderte sich jedoch die Bedeutung, so wurden etwa, nachdemAmadeus VIII. seinem Sohn 1424 den offiziellen Titel eines „Fürsten von Piemont“ verliehen hatte, lange Zeit nur noch die der Herrschaft desHauses Savoyen unterliegenden Gebiete diesseits der Alpen damit bezeichnet.[4]
Monte Rosa-Massiv mit dem höchsten Berg des Piemont
Das Piemont umfasst eineFläche von etwa 25.400 Quadratkilometern und ist damit nachSizilien die flächenmäßig größte der insgesamt 20 Regionen Italiens. DasAostatal im Nordwesten der Region zählt historisch und naturgeographisch zum Piemont, bildet aber alsautonomeRegion mit Sonderstatut eine eigene Verwaltungseinheit. Im Aostatal leben 122.877 Menschen auf einer Fläche von 3263 Quadratkilometern.
Naturgeographisch gliedert sich die Region in drei Teile: Die Alpenregion, die Po-Ebene und dieHügellandschaften im Südosten des Piemont.
In derPo-Ebene befinden sich die großen Städte des Piemont; hier leben auch die meisten Menschen. Im Piemont gibt es zahlreiche Flüsse und Bäche, die fast alle in denPo fließen, der amPian del Re imValle Po unterhalb des Monviso entspringt. Die Poebene ist mit 26,4 % des Gesamtgebiets die drittgrößte geographische Teilregion.
Das Hügelland im Südosten der Region (Monferrato,Langhe,Roero) wird in erster Linie landwirtschaftlich und touristisch genutzt und nimmt 30,3 % der Fläche des Piemont ein; hier wachsen die berühmtenWeine (Barolo,Barbera,Barbaresco) des Piemont. Das Hügelland befindet sich in einer Höhe zwischen 150 m und 750 m.
Haupt- und Amtssprache istItalienisch. Weiterhin wird von vielen Einwohnern die RegionalsprachePiemontesisch verwendet. In den abgelegeneren Winkeln der Westalpentäler spricht man außerdemOkzitanisch undFrankoprovenzalisch. Eine weitere Minderheitensprache des Piemont istWalserdeutsch – ein alemannischer Dialekt, der im oberen Tal derSesia gesprochen wird.
Im nordwestlich angrenzendenAostatal sind Italienisch und Französisch Amtssprachen, wobei Frankoprovenzalisch in dieser autonomen Region die einheimische Varietät ist.[5] In drei Ortschaften wird auch hier Walserdeutsch gesprochen.
Die Menschheitsgeschichte im Piemont beginnt in derAltsteinzeit und unterscheidet sich in einigen Punkten, nicht zuletzt wegen der besonderen Lage der Region, von der Geschichte des übrigen Oberitalien. So war die Zäsur, die diedunklen Jahrhunderte nach demUntergang des Römischen Reiches bedeuteten, im Piemont besonders stark ausgeprägt. Als Eingang nach Italien war die Region nicht selten von mehreren Mächten besetzt und unter diesen hart umkämpft. Im Sinne einer Geschichte, die sich auch noch heute in der Architektur des Landes manifestiert, beginnt die Geschichte des Piemont jedoch erst im 10. Jahrhundert, da zuvor fast das ganze Land durch die aus Frankreich eingefallenenSarazenen verwüstet worden war.[6]
Die ersten Spuren derGattungHomo im Piemont gehen auf diefrühe Altsteinzeit zurück. Der wichtigste Fundort von Zeugnissen, die aus dieser Zeit stammen, stellt der Hang von Montarolo in der NäheTrinos dar. Auf dieser Anhöhe hielten sich als Jäger und Sammler lebende Nomaden auf, bei denen es sich vermutlich um Angehörige der SpeziesHomo erectus handelte.[7]
Die frühesten archäologischen Quellen, die eine Anwesenheit desNeandertalers (Homo neanderthalensis) im Piemont bezeugen, wurden auf die Periode derWürm-Kaltzeit datiert und stammen einerseits erneut vom Hang von Montarolo, andererseits vom Monte Fenera in der NäheBorgosesias.[8] Vor etwa 30.000 bis 40.000 Jahren wurde dann der Neandertaler wie überall in Europa auch im Piemont nach und nach durch den anatomisch modernenMenschen (Homo sapiens) ersetzt. In der Grotte vonBoira Fusca am Eingang desValle dell’Orco wurden die eindrucksvollsten Zeugnisse ausmittelsteinzeitlicher Zeit gefunden, darunter Feuerstellen sowie Pfeil- und Lanzenspitzen aus Stein.[9]
Das Gebiet wurde dann in späteren Zeiten von denLigurern bewohnt. Im fünften Jahrhundert vor Christus verdrängten die bis in die Poebene vordringendenEtrusker die Ligurer nach Westen.[10] Um 400 v. Chr. kam es zur großen Invasionkeltischer Stämme und die Ligurer mussten sich in die Seealpen und an die Küste, ins heutige Ligurien, zurückziehen.[10]
Die Stämme, die vor Beginn der römischen Herrschaft im Piemont lebten, betrieben Landwirtschaft und Schafzucht in den Berggebieten, Fischerei in Nähe der großen Flüsse und Seen, und eigneten sich nach und nach handwerkliche Fähigkeiten und die Kunst der Metallbearbeitung an.
In der römischen Antike gehörte das Piemont zur ProvinzGallia cisalpina.Die eigenständige Geschichte des Piemont beginnt mit dem Rückzug der Römer beim Zerfall desRömischen Reiches. Während derVölkerwanderung wurde die fruchtbare Gegend mehrfach von marodierenden Völkern durchzogen.
Im 10. Jahrhundert wurde die Region von Arabern ausFraxinetum überfallen.
Im Laufe der Zeit unterwarf dasHaus Savoyen die Markgrafschaften des Piemont. In wechselnden Bündnissen wurde das Piemont zum Zankapfel zwischenFrankreich undHabsburg.
Für dieWaldenser, eine im 12. Jahrhundert durch den Lyoner KaufmannPetrus Valdes ins Leben gerufene religiöse Minderheitsbewegung, wurden einige Täler in denCottischen Alpen zu wichtigen Rückzugsgebieten. Obwohl sie auch hier verfolgt wurden, konnten die Waldenser durch die günstige strategische Lage der Alpentäler mehrere Angriffe savoyischer Truppen zurückschlagen, sodass sie eine gewisse Zeit lang nur hier überlebten, während sie andernorts, wie z. B. in Süditalien, grausam ausgerottet wurden. 1686 waren die Waldenser jedoch während eines erneuten Religionskrieges gezwungen, auch die Täler der Westalpen zu verlassen. Aus ihrem Schweizer Exil kehrten sie erst drei Jahre später im Zuge des sogenanntenGlorioso Rimpatrio wieder zurück.[11] Noch heute bezeichnet man die TälerChisone,Pellice undGermanasca alsWaldensertäler.
ImFrieden von Utrecht, der 1713 denSpanischen Erbfolgekrieg beendete, mussteSpanien u. a. das KönigreichSizilien an das Haus Savoyen abtreten, woraufhin der Herzog den sizilianischen Königstitel annahm. Schon 1720 tauschten die Savoyer Sizilien gegenSardinien und nannten sich hinfort Könige von Sardinien.
Von der Französischen Revolution bis zur Gründung des Königreichs Italien (1789–1861)
Die erfolgreicheKanonade bei Valmy erlaubte Frankreich seit dem Herbst 1792 ein offensives Vorgehen seiner Armeen imErsten Koalitionskrieg. So rückten französische Truppen in densavoyischen Landesteil des Königreichs Sardinien-Piemont ein, um ihn zu befreien und zu annektieren, nachdem einNationalkonvent das Volk Savoyens für souverän erklärt hatte. Ab 1794 drang Frankreich auch ins Piemont vor, wurde aber vorerst von Österreich zurückgeschlagen. Der siegreiche oberitalienische Feldzug von GeneralNapoleon Bonaparte (Italienfeldzug) 1796 und 1797 zwang denKönig von Sardinien-Piemont zur Abtretung Savoyens und derGrafschaft Nizza an Frankreich. Zwar schlossen die zwei Staaten 1797 noch eine Allianz, doch veranlassten die bleibende Kriegsgefahr in Italien und die unsichere Lage derCisalpinischen undRömischenTochterrepublik Frankreich zu einer Ausdehnung seiner Macht; es zwangSardinien-Piemont imWaffenstillstand von Cherasco zur Aufgabe Piemonts, das unter französische Militärverwaltung kam. Nach der ebenso furiosen wie überraschenden Winterüberquerung desSt.-Bernhard-Passes durch Napoleon Bonaparte 1798 zog sich das Haus Savoyen auf seine Besitzung Sardinien zurück.
Am 10. Dezember 1798 wurde in der HauptstadtTurin diePiemontesische Republik ausgerufen, die gemäß französischem Vorbild eineDirektorialverfassung erhielt. Nach dem Beginn desZweiten Koalitionskriegs im Frühling 1799 führte der französische Zusammenbruch in Italien zu einem schnellen Vormarsch österreichisch-russischer Truppen, die am 20. Juni 1799 Turin besetzten und die Piemontesische Republik auflösten. Der König von Sardinien kehrte zurück.
1800 gelang es der französischen Armee, nun wieder unter dem OberkommandoNapoleons, Italien zurückzuerobern (Alpenübergang beimGrossen St. Bernhard-Pass und Sieg beiMarengo). Am 20. Juni 1800 fiel Turin, der König von Sardinien wurde ein zweites Mal für abgesetzt erklärt und die Republik erneut ausgerufen; diesmal unter dem NamenSubalpinische Republik, die unter französischer Militärverwaltung stand und deren Heer in das Frankreichs eingegliedert wurde. Von April 1801 bis September 1802 regierte den Staat nur noch eine provisorische Regierung, und am 11. September 1802 annektierte Frankreich seineTochterrepublik im Rahmen der Neuordnung Italiens (Wiederherstellung des KönigreichsNeapel und desKirchenstaats, Verwandlung des HerzogtumsToskana insKönigreich Etrurien und derCisalpinischen in dieItalienische Republik). Piemont sowie Savoyen und Nizza wurden erst 1814/1815 nach dem Ende der napoleonischen Herrschaft aus Frankreich herausgelöst und mit dem restauriertenKönigreich Sardinien-Piemont wiedervereinigt.
Vom Wiener Kongress bis zur Revolution von 1848 (1815–1849)
Dem Königreich Sardinien-Piemont kam imRisorgimento, der Epoche des italienischen Einigungsprozesses, eine entscheidende Bedeutung zu.
Im Jahre 1815 stellte derWiener Kongress die volle Herrschaft des Hauses Savoyen über das Piemont, Savoyen und die Grafschaft Nizza wieder her und schloss das Gebiet der ehemals unabhängigenRepublik Genua (Ligurien) an.[12] Das Königreich Sardinien war zunächst eng mit der Habsburgermonarchie verbündet, in der der AußenministerKlemens Wenzel Lothar Fürst von Metternich die Richtlinien der Politik bestimmte. Als ein Jahr nach derSpanischen Revolution von 1820 im Piemont ein Aufstand ausbrach, erließKarl Albert zwar zunächst eine liberale Verfassung, aber nach der Rückkehr des eigentlichen RegentenKarl Felix wurde die Revolte militärisch niedergeschlagen und Karl Albert musste ins Exil gehen.[13]
Sardinien-Piemont, welches im Gegensatz zu anderenitalienischen Staaten von einer angestammten Dynastie regiert wurde, wurde aber bald von einigen Liberalen wieMassimo d’Azeglio undCesare Balbo als Führungsmacht im Kampf für nationale Einheit und Unabhängigkeit angesehen. Der Turiner PriesterVincenzo Gioberti vertrat in seinem 1843 veröffentlichten BuchÜber den moralischen und kulturellen Vorrang der Italiener[14] (italienischer Originaltitel:Del primato morale e civile degli Italiani) die Auffassung, der Papst müsse die Führung in der italienischen Frage übernehmen, und begründete damit und mit bereits vorausgegangenen kleineren Publikationen den sogenanntenNeoguelfismus.[15] Am 24. März 1848 erklärte Karl Albert Österreich den Krieg,[16] seine Armee erlitt jedoch am 25. Juli beiCustozza und auch nach Wiederaufnahme des Kriegs im Folgejahr beiNovara am 23. März eine militärische Niederlage.[17]
Von der Revolution zur nationalen Einigung (1850–1861)
GrafCamillo Benso von Cavour trieb in der zweiten Hälfte des 19. Jh. die italienische Einigung voran.
Wie in fast allen europäischen Staaten scheiterten dieRevolutionen 1848/1849 zunächst auch in Italien. Während der 1850er-Jahre trieb der neue MinisterpräsidentCamillo Benso von Cavour im Piemont eine radikaleSäkularisierung voran.[18]Nach der Teilnahme Piemont-Sardiniens amKrimkrieg und an der anschließenden Friedenskonferenz von Paris[19] gelang es ihm, inPlombières-les-Bains im Juli 1858 einen Vertrag mit Frankreich zu schließen und im Folgejahr Österreich zu einem Krieg zu provozieren.[20] 1859 schlugen die vereinten Piemontesen und Franzosen in derSchlacht von Solferino die österreichischen Truppen.[21]
Nach dem vonGiuseppe Garibaldi angeführtenZug der Tausend wurde der SavoyerViktor Emanuel II. zumKönig von Italien erhoben und das zentralistisch organisierte Verwaltungssystem des Königreichs Sardinien auf ganz Italien ausgedehnt. Das Piemont verschwand als Verwaltungseinheit, denn ganz Italien wurde nach napoleonischem Muster in 60 Provinzen eingeteilt, in denenPräfekte im Auftrag der Zentralregierung die Herrschaft ausübten. Bis heute ist der italienische Nationalstaat in seinen Institutionen zutiefst piemontesisch geprägt. Da sich das zentralistische piemontesische System nicht für alle Landesteile Italiens eignete, entstanden zu dieser Zeit auch zahlreiche Probleme im wirtschaftlich rückständigen Süden Italiens. Diese kamen in einem mehrjährigen, faktischen Bürgerkrieg zum Ausdruck, der in die Geschichte alsBrigantenkrieg eingegangen ist.[22]
Obwohl das italienische Parlament bereits 1861 beschlossen hatte, Rom müsse die Hauptstadt des neuen Staates werden, war Turin bis 1865 die provisorische Hauptstadt des Königreichs Italien. Dann zogen König, Regierung und Parlament nach Florenz um;[23] erst 1871 wurde Rom offiziell vom Königreich Italien annektiert und zur Hauptstadt auserwählt.[24]
Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg und der Faschismus (1919–1945)
Nach Bekanntwerden der italienischen Kapitulation am 8. September 1943 (siehe auchWaffenstillstand von Cassibile) bildete sich im westlichen Piemont eine besonders starkePartisanenbewegung heraus.[26] InBoves in der ProvinzCuneo verübten Einheiten derSS bereits zehn Tage später ein Massaker an der Zivilbevölkerung.[27] InAlba und imOssolatal existierten zeitweise von Partisanen kontrollierte Gebiete, sogenannte Partisanenrepubliken (siehe auchPartisanenrepublik Ossola).
Mit der Entscheidung für die italienischeRepublik im Zuge des Referendums 1946 wurde das Haus Savoyen abgesetzt. Während italienweit 54,3 % der Wähler für die Republik gestimmt hatten, waren es im Piemont 57,1 %.[28] Die italienische Verfassung von 1948 führte erstmals eine umfassendeDezentralisierung ein, die jedoch in den Jahren danach nur zögerlich umgesetzt wurde. 1948 wurde das Aostatal autonom und schied aus dem Piemont aus. Erst 1970 wurde die neue Region Piemontde facto geschaffen. Die 1960er- und 1970er-Jahre waren durch vielfältige politische und soziale Spannungen gekennzeichnet. 1969 kam es in Turin zu blutigen Arbeiteraufständen, in deren Folge dieTerror-GruppeRote Brigaden(Brigate Rosse) entstand. Die wirtschaftliche Entwicklung verlief besonders in den 1980er-Jahren recht gut. Das Jahrzehnt danach war gekennzeichnet durch zum Teil schmerzhafte wirtschaftliche Restrukturierungen und Neuorientierungen, die das von der Industrie geprägte Piemont mehr und mehr zu einem Wirtschaftsstandort für Dienstleistungsunternehmen machte. Auch der Tourismus hat in den letzten Jahren eine immer wichtigere Rolle eingenommen. Der Wirtschaftsboom zog wie in anderen europäischen Ländern auchEinwanderer an, nachdem das Piemont im 19. und frühen 20. Jahrhundert eher Herkunftsland vonAuswanderern gewesen war; so ist Turin ein Zentrum desIslam in Norditalien.
Piemont war Vorreiter des Konstitutionalismus und desLaizismus (Trennung von Staat und Kirche) in Italien. Die Region ist traditionell eher bürgerlich und konservativ-liberal geprägt.Aus einer angestrebten weiteren Dezentralisierung Italiens könnte die Region Piemont in den nächsten Jahren politisch gestärkt hervorgehen. Im Gegensatz zurLombardei und zuVenetien hat die zeitweise separatistischeLega Nord im Piemont nie eine besonders große Rolle gespielt. Das heutige Italien ist ein piemontesischer Abkömmling, und dessen ist man sich im Piemont größtenteils bewusst.
Aus der Regionalwahl am 28./29. März 2010 ging jedoch der Präsidentschaftskandidat des Mitte-rechts-BündnissesRoberto Cota, Mitglied derLega, als Sieger hervor und löste die bisherige PräsidentinMercedes Bresso (Partito Democratico) ab. Im Januar 2014 annullierte das Verwaltungsgericht in Turin jedoch die Wahl. Bei der Regionalwahl am 25. Mai 2014 siegte der ehemalige Bürgermeister Turins,Sergio Chiamparino, von dem Partito Democratico.
Das RegionalparlamentConsiglio Regionale del Piemonte hat 51 Sitze (50 Räte und Präsident der Region). Seit den letzten Wahlen verteilen sich diese wie folgt (Bündnis, Sitze insgesamt, Direktmandate/Sitze über Regionalliste):[29][30]
Sitzverteilung im Regionalparlament von Piemont 2024–2029
Das Piemont zählt zu den reichsten Gegenden Italiens. Im Jahr 2015 lag das regionaleBruttoinlandsprodukt je Einwohner, ausgedrückt inKaufkraftstandards, bei 103 % des Durchschnitts derEU-28.[31] Mit einem Wert von 0,892 erreicht die Region Platz 11 unter den 21 Regionen und autonomen Provinzen Italiens imIndex der menschlichen Entwicklung.[32] Einige der wichtigsten italienischen Unternehmen haben hier ihren Sitz, darunter die AutomobilherstellerFiat undLancia (beide in Turin), daneben der NahrungsmittelherstellerFerrero inAlba und das ElektronikunternehmenOlivetti inIvrea. Neben modernerIndustrie in und um Turin, der Wollverarbeitung in Biella und denDienstleistungsunternehmen hat auch dieLandwirtschaft eine große Bedeutung: in der Po-Ebene wird nebenReis (ein Drittel der europäischen Reisproduktion stammt von hier, Piemont ist das größte europäische Reisanbaugebiet),Obst undGemüse angebaut, die Hügelgebiete liefern Wein (siehe hierzu auch den ArtikelWeinbau im Piemont) undHaselnüsse, im nordwestlich angrenzenden, nicht zum Piemont gehörendenAostatal wirdRinderzucht betrieben.
Im Jahr 2017 betrug dieArbeitslosenquote 9,1 % und lag damit unter dem landesweiten Durchschnitt.[33]
Im Vergleich zu anderen Gegenden Italiens ist das Piemont touristisch noch nicht sehr erschlossen. Schwerpunkte des Tourismus liegen im Norden am Lago Maggiore und in den Langhe, wo gastronomisch Begeisterte Wein (insb. Barolo und Barbaresco) undTrüffel genießen. Die Hauptsaison beginnt mit der Trüffelernte im Oktober.
Der gesamte Alpenbogen des Piemont kann auf dem 55-tägigen WeitwanderwegGrande Traversata delle Alpi (GTA) und derVia Alpina begangen werden. Daneben existieren in der Region viele Rundwege um bekannte Gipfel, wie derGiro di Viso[34] und derGiro delMarguareis sowie Wanderwege, die bestimmte Talregionen erschließen wie diePercorsi Occitani im Mairatal und dieAlta Via[35] im Susatal. Darüber hinaus gibt es in vielen TälernPartisanenwege.[36]
Ein Teil der heutigen Strecke derVia Francigena, die ehemals mittelalterlichen Pilgern aus Frankreich oder England als Weg nach Rom diente, verläuft durch das Piemont. Außerdem können sowohl der historische Weg der Glorioso Rimpatrio,[37] auf dem die Waldenser von Genf in ihre Heimattäler zurückkehrten, als auch der Weg des vorangegangenen Exils[38] beschritten werden.
Palazzo Madama an der Piazza Castello in TurinTuriner DomDie Abtei von Vezzolano
Das Piemont ist reich an Kunst- und Kulturschätzen. Vier Kategorien von Sehenswürdigkeiten der Region gehören zumUNESCO-Welterbe: DieResidenzen des Hauses Savoyen, 1997 in die Liste aufgenommen[39], dieSacri Monti (dt. Heiligen Berge), 2003 aufgenommen[40], dieprähistorischen Pfahlbauten, 2011 aufgenommen,[41] und die Weintraubenlandschaften der Langhe-Roero und des Monferrato, 2014 aufgenommen.[42]
Zu den berühmtesten Bauten zählen diebarocken Repräsentationsgebäude von Turin: DerPalazzo Reale,Palazzo Madama, dasCastello del Valentino, die vonGuarino Guarini entworfene Kirche San Lorenzo mit ihrer architektonisch herausragenden Kuppel sowieFilippo Juvarras auf einem Hügel gelegeneBasilica di Superga. Etwa 10 Kilometer südwestlich von Turin inStupinigi befindet sich das ebenfalls von Juvarra entworfeneLustschlossPalazzina di Caccia, etwa 20 km in südlicher Richtung das Königsschloss vonRacconigi und etwas nördlich von Turin derPalast von Venaria Reale. Ebenfalls bedeutend ist derDom San Giovanni Battista, der einzig erhaltene Renaissance-Bau der Stadt, mit der Capella di S. Sindone, einem weiteren Meisterwerk Guarinis, das jedoch 1997 durch einen Brand beschädigt wurde.[43] Zu den wichtigsten Museen der Stadt zählen dasMuseo Egizio, das nach dem Museum in Kairo die weltweit wichtigste Sammlung ägyptischer Altertümer darstellt, die GemäldegalerieGalleria Sabauda, das im Palazzo Madama befindliche Museo Civico d’Arte Antica mit seiner Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke sowie dasNationale Filmmuseum in derMole Antonelliana, einem 167,5 m hohen, pavillonartigen Bau, der im 19. Jahrhundert nach PlänenAlessandro Antonellis (ursprünglich als Synagoge geplant) entstand. Kennzeichnend für die Hauptstadt der Region sind außerdem die zahlreichen Reiterstatuen, seien es die der unterschiedlichen Savoyer-Herzöge wie dieEmanuele Filibertos auf der Piazza San Carlo, einem der schönsten Plätze der Stadt, oder die derDioskuren auf der großen Piazza Castello. Das barocke Turin entstand im 17. und 18. Jahrhundert nach dem Vorbild Paris, als die Savoyer eine Neuplanung der Stadt – nicht zuletzt zur Repräsentation ihrer Macht – in Auftrag gaben. Daraus resultiert das bis heute einheitliche Stadtbild. BevorEmanuele Filiberto I. 1563 Turin als neue Hauptstadt seines Herzogtums auserkor, handelte es sich jedoch um ein eher unbedeutendes Landstädtchen.[44]
Die Hügellandschaft des Monferrato nördlich vonAsti und östlich von Turin beeindruckt durch zahlreiche kleinereromanischeKlöster und Kirchen wie etwa dieAbtei von Vezzolano oder die Kirchen inMontiglio,Montechiaro undCortazzone. Ferner weisen die ehemaligen Stadtrepubliken Asti (mit seiner gotischen Kathedrale Ss. Maria Assunta e Gottardo) und das in den Langhe gelegeneAlba eine sehenswürdige historische Altstadt auf, undCasale Monferrato verfügt als einstige Residenzstadt der Markgrafen von Saluzzo mit S. Evasio über einen interessanten gotischen Dom.
Weiter nördlich beeindrucktVercelli in der Poebene mit der gewaltigenBasilika Sant’Andrea, einer der ältesten italienischen Kirchen mitgotischem Innenraum, und zahlreichen Geschlechtertürmen, etwa der Torre dell'Angelo bei der Piazza Cavour. In der spätenRenaissance entstand derSacro Monte di Varallo. In dem noch etwas östlicher, nahe der Lombardei gelegenenNovara sind vor allem der mittelalterliche Broletto und die gewaltige Kuppelkirche San Gaudenzio sehenswert, letztere ebenfalls zu einem großen Teil ein Werk Antonellis.
Aus romanischer Zeit blieb das Kloster San Giulio auf der InselSan Giulio imOrtasee erhalten. Am Lago Maggiore zählen dieBorromäischen Inseln zu den größten Attraktionen, hier vor allem dieIsola Bella – ein barocker Inselpalast mit mehrstöckigen Gartenanlagen, der die Reisenden von jeher in Erstaunen versetzt.
In dem nahe der Grenze zum Aostatal gelegenenIvrea sind der Dom S. Maria Assunta und die mit Fresken ausgestattete Kirche San Bernardino kunsthistorisch von besonderem Interesse.
Blick auf Susa
In der Provinz Cuneo (südlich von Turin) befindet sich das einst mächtigeSaluzzo, das sich insbesondere durch seine Kirchen (Dom S. Maria Assunta, S. Giovanni und S. Bernardino) und sein mittelalterliches Stadtbild auszeichnet, das ebenfalls mittelalterlich geprägteSavigliano,Fossano, dieAbtei Staffarda und dieBurg vonManta mit ihren manieristischen Fresken. Etwa 30 km östlich von Cuneo liegt die monumentaleBasilika von Vicoforte. Außerdem können Besucher dieser Provinz in der Pfarrkirche S. Maria Assunta vonElva, einem etwas abgeschieden gelegenen Dorf imMairatal, die dem flämischen MalerHans Clemer zugeschriebenen Chorfresken betrachten.
Westlich von Turin, am Eingang zum bzw. imSusatal, liegen die gotisch-romanische AbteiSant’Antonio di Ranverso mit dem KreuztragungsfreskoGiacomo Jaquerios, das mittelalterlicheAvigliana und die berühmte ehemaligeBenediktinerabteiSacra di San Michele, die als Wahrzeichen des Piemonts gilt. Der kleine OrtChianocco bietet ein Kastell, eine verfallene Kirche und ein romanisches Wehrhaus zur Besichtigung.Susa selbst weist neben einem mittelalterlichen Dom auch einige Reste aus römischer Zeit auf (Augustusbogen und Porta Savoia). In der Nähe desMont Cenis-Passes liegt das romanische KlosterNovalesa. Am Ende des Tals und an der Grenze zu Frankreich steht die Festung vonExilles, die seit 2000 ein Museum beherbergt.
Im Chisone-Tal befindet sich mit derFestung Fenestrelle die größte Festungsanlage Europas.
Weitere einflussreiche Bürger des Piemonts waren der Finanzwissenschaftler und italienische StaatspräsidentLuigi Einaudi sowie sein SohnGiulio Einaudi, Gründer des berühmten VerlagshausesEinaudi. Bekannte Piemonteser sind auch der Turiner JazzmusikerNini Rosso, der in Asti geborene MusikerPaolo Conte, der aus Ivrea stammendeCamillo Olivetti, Ingenieur und Gründer der gleichnamigen Firma, sowie die Angehörigen der FamilieFerrero, bis heute Eigentümer des gleichnamigen Süßwarenherstellers. Die bekanntesten piemontesischen Sportler sind wohl derRadrennfahrer und dreimalige WeltmeisterFausto Coppi sowie der erfolgreicheGeherMaurizio Damilano.
Touring Editore (Hrsg.):Torino e il suo territorio (ReiheGuide Rosse D’Italia). 2009.
Wanderführer
Sabine Bade, Wolfram Mikuteit:Piemont Wanderführer. Michael Müller, 2010,ISBN 978-3-89953-566-2.
Sabine Bade, Wolfram Mikuteit:Partisanenpfade im Piemont. Orte und Wege des Widerstands zwischen Gran Paradiso und Monviso. Ein Wanderlesebuch. Querwege, Konstanz 2012,ISBN 978-3-941585-05-8.
Werner Bätzing:Grande Traversata delle Alpi, Teil 1:Der Norden. Rotpunktverlag, Zürich,ISBN 3-85869-256-5; Teil 2:Der Süden. Rotpunktverlag, Zürich,ISBN 3-85869-257-3.
Iris Kürschner, Dieter Haas:GTA – Grande Traversata delle Alpi. Wanderführer. Bergverlag Rother, München 2015,ISBN 978-3-7633-4402-4.
Alessandro Barbero:Storia del Piemonte. Dalla preistoria alla globalizzazione. Einaudi, Turin 2008.
Valerio Castronovo (Hrsg.):Il Piemonte. Einaudi, Turin 1977 (Ruggiero Romani, Corrado Vivanti (Hrsg.):Storia d’Italia; Geschichte des Piemonts von der Einigung Italiens bis heute).
La grande storia del Piemonte, 5 Bde., Bonechi, Florenz 2006 (reich bebildert).
↑Ida Leinberger, Walter Pippke:Piemont und Aosta-Tal. 4. Auflage. DuMont, Ostfildern 2013, S. 15.
↑Alessandro Barbero:Storia del Piemonte. Dalla preistoria alla globalizzazione. Einaudi, Turin 2008, S. 3.
↑http://www.parks.it/parco.monte.fenera/par.php (aufgerufen am 28. März 2016 um 23:00 Uhr): «Attraverso i secoli, a partire dal Paleolitico Medio fino ai giorni nostri, si ha sul Fenera una continua presenza umana […]» (dt. „Über die Jahrhunderte hinweg hat es von der mittleren Altsteinzeit bis zu den heutigen Tagen eine fortlaufende menschliche Präsenz auf dem Monte Genera gegeben […]“)
↑Alessandro Barbero:Storia del Piemonte. Dalla preistoria alla globalizzazione. Einaudi, Turin 2008, S. 4 f.
↑abIda Leinberger, Walter Pippke:Piemont und Aosta-Tal. 4. Auflage. DuMont, Ostfildern 2013, S. 37.
↑Giorgio Tourn:Geschichte der Waldenser. 4. Auflage. kitab Erlanger Verlag, Klagenfurt / Wien 2013, S. 6, 139, 151.
↑Rudolf Lill:Geschichte Italiens in der Neuzeit. 4. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, S. 95.
↑Dazu ausführlichAlessandro Barbero:Storia del Piemonte. Dalla preistoria alla globalizzazione. Einaudi, Turin 2008, S. 385–387.
↑Übersetzung zitiert nach Gustav Seibt:Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt. Siedler, Berlin 2001, S. 117.
↑Rudolf Lill:Geschichte Italiens in der Neuzeit. 4. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, S. 119, 122.
↑Rudolf Lill:Geschichte Italiens in der Neuzeit. 4. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, S. 133.
↑Dieter Langewiesche:Europa zwischen Restauration und Revolution (Oldenburg Grundriss der Geschichte 13). 5. Auflage. München 2007, S. 92, 105.
↑Gustav Seibt:Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt. Siedler, Berlin 2001, S. 151.
↑Gustav Seibt:Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt. Siedler, Berlin 2001, S. 135.
↑Rudolf Lill:Geschichte Italiens in der Neuzeit. 4. Auflage. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1988, S. 168 f.
↑Wolfgang Altgeld:Das Risorgimento (1815–1876). In: Wolfgang Altgeld,Thomas Frenz, Angelica Gernert u. a. (Hrsg.):Geschichte Italiens. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Stuttgart 2016, S. 273–344, hier S. 335 f.
↑Gustav Seibt:Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt. Siedler, Berlin 2001, S. 20, 34.
↑Gustav Seibt:Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt. Siedler, Berlin 2001, S. 183.
↑Aurelio Lepre:Il prigioniero. Vita di Antonio Gramsci. Laterza, Rom / Bari 1998, S. 26.
↑Lutz Klinkhammer:Zwischen Bündnis und Besatzung. Das nationalsozialistische Deutschland und die Republik von Salò 1943–1945 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts, Band 75). Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1993, S. 424.
↑Lutz Klinkhammer:Zwischen Bündnis und Besatzung. Das nationalsozialistische Deutschland und die Republik von Salò 1943–1945 (Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts, Band 75). Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1993, S. 423.
↑Sabine Bade, Wolfram Mikuteit:Partisanenpfade im Piemont. Orte und Wege des Widerstands zwischen Gran Paradiso und Monviso. Ein Wanderlesebuch. Querwege Konstanz, 2012,ISBN 978-3-941585-05-8.
↑http://www.lestradedeivaldesi.it/it/glorioso-rimpatrio-it.html (aufgerufen am 7. April 2016 um 11:45 Uhr); dazu ausführlich: Riccardo Carnevalini, Roberta Ferraris:Il Glorioso Rimpatrio. 20 giorni a piedi tra Francia e Piemonte ripercorrendo le tappe del ritorno dei valdesi dall'esilio. Terre di Mezzo, Mailand 2007.
↑http://www.lestradedeivaldesi.it/de/das-exil.html (aufgerufen am 7. April 2016 um 11:45 Uhr); dazu ausführlich: Albert de Lange, Samuele Tour Bonceur:Sulle strade dei valdesi. Guida alla via dell'Esilio. Edizioni del Capricorno, Turin 2014.