Philipp Lenard wurde 1862 als Sohn eines Tiroler Weinhändlers inPressburg geboren. Der Familie war 1722 der erbliche Adelstitel verliehen worden, den die Nachkommen ab Ende des 19. Jahrhunderts aber nicht mehr verwendeten. Philipp Lenard besuchte das Königlich-ungarische Gymnasium in Pressburg, wo er in Ungarisch unterrichtet wurde. In seiner Jugend war Lenard ein ungarischer Nationalist. Seine bevorzugte Sprache war Ungarisch, und er weigerte sich vehement, die deutschen geographischen Bezeichnungen für die mehrheitlich ungarische Provinz, in der er lebte, zu verwenden. Seinen Namen schrieb er meist Fülöp Lenard oder auch Lenardi. Er studierte 1880 zunächst inBudapest undWien zwei Semester Naturwissenschaften, zog dann aber die Arbeit in der väterlichen Weinhandlung in Pressburg vor. 1883 setzte er seine Studien inHeidelberg beiGeorg Hermann Quincke undRobert Bunsen fort. Nach einem Studiensemester beiHermann von Helmholtz inBerlin wurde er 1886 schließlich in Heidelberg bei Georg Quincke mit einer Arbeit „Ueber die Schwingung fallender Tropfen“ promoviert. Danach war er bis 1889 Assistent bei Quincke im physikalischen Institut derRuprecht-Karls-Universität Heidelberg, wo er seine Untersuchungen überPhosphoreszenz weiterführte. In den folgenden Jahrzehnten entstanden dabei wegweisende Arbeiten über die Leuchtmechanismen sogenannterLenard-Phosphore.
Nach kurzen Zwischenstationen inLondon undBreslau begann er im April 1891 als Assistent vonHeinrich Hertz inBonn zu arbeiten, wo er sich 1892 mit seiner ArbeitÜber die Elektricität der Wasserfällehabilitierte. DerWasserfallelektrizität und der Gewitterelektrizität widmete er in den folgenden Jahren zahlreiche Veröffentlichungen. Nach dem frühen Tod von Hertz 1894 gab er dessen gesammelte Werke, darunter die bekannten „Prinzipien der Mechanik“, heraus. In Bonn beschäftigte Lenard sich auch mitKathodenstrahlen, insbesondere mit deren Durchgang durch dünne Metallschichten. Lenard schrieb darüber eine viel beachtete Abhandlung „Ueber Katodenstrahlen in Gasen von atmosphärischem Druck und im äussersten Vacuum“, die er 1893 einreichte und die 1894 inPoggendorf’s Annalen der Physik erschien.[2] Auf Anraten von Hertz benutzte er als Austrittsfenster seiner Röhre nicht mehrGlimmer, sondern Aluminiumfolie, die allerdings 8 mal so dick war wie gewöhnliche. Er untersuchte nahezu alle Materialien, die das Labor aufwies, auf ihr Verhalten unter Einwirkung der austretenden Strahlen. Besonders hervorzuheben sind seine Beobachtungen unter Abs. 9 „Kathodenstrahlen sind photographisch wirksam“, worin er beschrieb, dass auch abgedunkelte photographische Schichten von diesen Strahlen geschwärzt wurden und im Strahl eingebrachte Objekte auf der Photoplatte abgebildet wurden. Die magnetische Ablenkbarkeit der Strahlen ist ebenso beschrieben wie die Tatsache, dass sich in restlos evakuierten Röhren diese Strahlen nicht erzeugen ließen. Ein Restdruck sei erforderlich, was sich später auch beim Betrieb vonRöntgenröhren bestätigte. Mit der Entwicklung der nach ihm benanntenEntladungsröhre 1892 sowie des „Lenard-Fensters“ ergab sich zum ersten Mal die Möglichkeit, Kathodenstrahlen unabhängig vomEntladungsvorgang zu untersuchen. Seine Experimente trugen zur Klärung der korpuskularen Natur der Kathodenstrahlen bei, wobei die Priorität der Entdeckung des Elektrons zu seiner Verbitterung 1897 beiJoseph John Thomson lag. Lenard schuf mit der Fortsetzung der von Hertz durchgeführten Kathodenstrahl-Experimente die Grundlage für die Entdeckung vonBremsstrahlen durchWilhelm Conrad Röntgen im Jahr 1895.[3] Zudem beschaffte er Röntgen eine Entladungsröhre und ein Lenard-Fenster aus seinen eigenen Beständen, die für die Entdeckung derX-Strahlen ebenfalls unentbehrlich waren. Nachdem Röntgen für die Entdeckung der X-Strahlen berühmt wurde, beschuldigte Lenard ihn, ihm die Entdeckung geraubt zu haben.[4] Die Auseinandersetzung darüber schwelte noch Jahrzehnte und flammte Ende der 30er Jahre erneut auf. So sahen sich E. Brüche und A.Recknagel als Herausgeber der SchriftElektronengeräte,[5] die der Lenardröhre neben der Röntgenröhre gebührend Raum einräumte, zu Anmerkungen veranlasst: „Trotzdem wollen wir der grundsätzlichen Verwandtschaft zwischen Lenard- und Röntgenröhre durch gemeinsame Behandlung beider Geräte und die Unterstreichung einheitlicher Gesichtspunkte Rechnung tragen, ohne uns damit in den Streit einmischen zu wollen, der leider kürzlich über Röntgen’s große Entdeckung geführt wurde“ (S. 189). Darin aber auch: „[…]In dieser Hinsicht könnte man die Röntgenröhre als Spezialfall der Lenardröhre auffassen.“ (S. 190)
Nach weiteren Zwischenstationen inBreslau,Aachen und Heidelberg wurde er 1898 Ordinarius an derChristian-Albrechts-Universität zu Kiel. Hier standen ihm erstmals uneingeschränkte experimentelle Arbeitsmöglichkeiten zur Verfügung.
1900 führte er dort die durchHeinrich Hertz (1886) undWilhelm Hallwachs (1887Hallwachs-Effekt) begonnenen Untersuchungen deslichtelektrischen Effekts fort. Im gleichen Jahr fand er aufgrund quantitativer Untersuchungen heraus, dass (1) die Zahl der austretenden Elektronen bei wachsender Lichtintensität bestrahlter blanker Metalle wächst. Nicht wächst damit jedoch (2) ihre Energie, die ausschließlich von der Frequenz des eingestrahlten Lichts abhängig ist. (3) Der lichtelektrische Effekt setzt auch bei schwächster Lichtintensität sofort in seiner vollen und endgültigen Stärke ein. (4) Bei wachsender Frequenz des Lichts setzt der Photoeffekt bei einer scharfen Grenzwellenlänge ein, die bei jedem Metall verschieden ist. - Die Deutung dieser Fakten gelang erst 1905 durchAlbert Einstein mit seinerLichtquantenhypothese. Einstein stützte sich dabei auch auf dieQuantentheorie (1900) vonMax Planck.[6]
Aus Absorptionsmessungen von Kathodenstrahlen entwickelte er 1903 sein „Dynamidenmodell“ desAtoms, wonach das Atom letztlich gewichtslos sein musste und die Wirkungszentren sich nur auf einen Bruchteil des Raumes konzentrierten. Damit brach Lenard erstmals mit der damaligen Vorstellung vom Atom als einem massiven Gebilde und lieferte ein wichtiges Vorläufermodell des 1910/1911 vonErnest Rutherford durchStreuversuche mitAlphateilchen entwickeltenAtommodells.
Die Jahre in Kiel waren die produktivsten und kreativsten in Lenards Leben. 1905 erhielt Lenard für seine Arbeiten über dieKathodenstrahlen denNobelpreis für Physik. Er beschäftigte sich außerdem mit der Ionisierung der Luft durch ultraviolettes Licht (Lenard-Effekt), dessen Grundlagen seine früheren Arbeiten über Wasserfall- und Gewitterelektrizität waren, sowie mit Bogen- und Metallspektren und meteorologischen Themen.
1907 übernahm er nach einer langen, schweren Krankheit die Nachfolge seines LehrersQuincke in Heidelberg als Ordinarius der Physik und Direktor des physikalischen Instituts. 1913 baute er dort mit dem Radiologischen Institut eines der zur damaligen Zeit modernsten und größten physikalischen Institute in Deutschland auf; er leitete es bis zu seiner Emeritierung 1932. In Heidelberg verlagerte sich jedoch der Schwerpunkt seiner wissenschaftlichen Aktivität zunehmend von der experimentellen Forschung auf das Erstellen zusammenfassender Darstellungen. In den Kriegsjahren 1914–1918 verfasste er zahlreiche Artikel für dasHandbuch der Physik.
Während seiner Amtszeit in Heidelberg entstand ein Großteil seiner antisemitischen Zeugnisse.[7]
Unter dem Eindruck desErsten Weltkriegs, desVersailler Vertrags und derWeimarer Republik wandte sich der überzeugte Monarchist, der im September 1914 dasManifest der 93 unterzeichnet hatte, zunehmend antisemitischen Ansichten zu. DieRelativitätstheorie und dieQuantenmechanik verstand er nicht. Er lehnte sie als abstrakt und wirklichkeitsfremd ab. Aufgrund einer verbreitetenAntirelativismus-Diskussion stand er mit dieser Haltung allerdings nicht allein. Lenard arbeitete an einerÄther-Theorie, die dasMichelson-Morley-Experiment oder diePeriheldrehung des Merkur, die damals mithilfe der Relativitätstheorie gedeutet wurden, im Rahmen der klassischen Physik zu deuten versuchte.[8] Er griff mit heftiger Polemik auch die PersonAlbert Einsteins in Zeitungsartikeln und Vorträgen an. Höhepunkt war dabei die öffentliche Auseinandersetzung mit Einstein am 23. September 1920 über die Allgemeine Relativitätstheorie auf der renommierten Tagung derNaturforscher und Ärzte inBad Nauheim, der Nauheimer Diskussion. Fortan bezeichnete Lenard die Allgemeine Relativitätstheorie als „Judenbetrug“.[9]Lenards Heidelberger SchülerEmil Rupp, der 1920 bei ihm summa cum laude promoviert wurde, wandte sich der Relativitätstheorie zu und habilitierte 1926 mit einer hinter Lenards Rücken verfassten Arbeit überKanalstrahlen, die angeblich Einsteins Theorie desWelle-Teilchen-Dualismus experimentell bestätigte. In einem Brief anWilhelm Wien 1927[10] bezweifelte Lenard, dass dieses Experiment in seinem Labor überhaupt gemacht worden sei. Rupp wurde 1935 als Fälscher entlarvt.
Nach der ErmordungWalther Rathenaus am 24. Juni 1922 weigerte sich Lenard, die vom LandBaden angeordnete Staatstrauer und die vom Rektorat der Universität verordnete Schließung zu befolgen. Am Physikalischen Institut ließ er keine Trauerbeflaggung vornehmen, ignorierte den öffentlichen Ruhetag und hielt demonstrativ ein Seminar ab: Wegen eines toten Juden, hatte der Professor geäußert, lasse er seine Studenten nicht müßig gehen.[11] Als dieses in der Stadt bekannt wurde, protestierte am 27. Juni eine aufgebrachte Menschenmenge vor dem Institut. Sie wurde aus dem Gebäude heraus mit Wasser aus Feuerwehrschläuchen angegriffen. Unter den Demonstranten befand sich auch der SozialdemokratCarlo Mierendorff, der nach Zuckmayer mit einem Arbeitertrupp in Lenards Institut eindrang und den Professor in Schutzhaft nahm. „Das Institut wurde der Verordnung gemäß geschlossen, ohne daß sich dabei irgendeine Gewalttat ereignete, der Professor nach einigen Stunden wieder freigelassen. Außer dieser kurzen Sistierung war ihm nichts geschehen.“[11]
Gegen Mierendorff wurde danach eine gerichtliche Anklage wegen Hausfriedensbruchs erhoben, und ihm drohte kurz vor seiner Promotion die Relegation durch die Universität. „In beiden Fällen erzielte er durch seine brillante Verteidigung und die positive Stellungnahme aller freiheitlichen Professoren einen bedingungslosen Freispruch.“[11][12] Lenard dagegen wurde vom zuständigen MinisterWilly Hellpach vom Dienst suspendiert. Er reagierte mit einem Entlassungsgesuch. Nach Interventionen von Kollegen und Studenten wurden Suspendierung und Rücktritt zurückgenommen.[13]Im gleichen Jahr verlor Lenard infolge derInflation sein gesamtes Vermögen und sein einziger Sohn starb. Auch der Wissenschaftsbetrieb hielt eine Enttäuschung für ihn bereit, als Albert Einstein der Nobelpreis für die quantentheoretische Deutung des lichtelektrischen Effekts zugesprochen wurde, zu der Lenard selbst auf experimenteller Ebene einen Beitrag geleistet hatte. Begeistert nahm Lenard jedochHans F. K. Günthers „Rassenkunde des deutschen Volkes“ auf und wandte sich demNationalsozialismus zu.
MitAdolf Hitler nahm Lenard erstmals in einem Brief vom 27. September 1923 Kontakt auf. Darin bot er Hitler an, Kontakte zumAlldeutschen Verband zu vermitteln. Dieser Brief wurde vonJohannes Stark an Hitler weitergereicht.[14]
Johannes Stark und Lenard waren die ersten namhaften Wissenschaftler, die öffentlich für dieNSDAP eintraten. In ihrem gemeinsamen Aufruf „Hitlergeist und Wissenschaft“, der am 8. Mai 1924 in der „Großdeutschen Zeitung“ erschien, bekannten sie sich zumParteiprogramm der NSDAP und zu den Anführern des sechs Monate zurückliegendenPutschversuches vom 9. November 1923: Hitler,Erich Ludendorff undErnst Pöhner.
1926 kam es zu einem persönlichen Zusammentreffen mit Hitler in Heidelberg. 1928 wurde Lenard ein öffentlicher Förderer dervölkisch gesinnten,antisemitischenNationalsozialistischen Gesellschaft für Deutsche Kultur, die 1931 alsKampfbund für deutsche Kultur neu gegründet wurde und zu dessen Gründungsmitgliedern auch Lenard gehörte.[15] 1929 wurde Lenard Ehrenmitglied imBund völkischer Lehrer.[15] Nach seiner Emeritierung 1932 erhielt Lenard imnationalsozialistischen Regime zahlreiche Ehrungen als führender Vertreter der Physik, darunter bereits 1933 denAdlerschild des Deutschen Reiches.[15] Allerdings nahm sein Einfluss im Zweiten Weltkrieg ab. 1935 wurde das Physikalische Institut der Universität Heidelberg in „Philipp-Lenard-Institut“ umbenannt.[16] Von 1933 bis 1946 war er Mitglied des Senats derKaiser-Wilhelm-Gesellschaft.
Lenard wurde Mitglied desReichsinstituts für Geschichte des Neuen Deutschlands, wobei er als Beirat in der sogenannten „ForschungsabteilungJudenfrage“ tätig wurde.[15] Er übernahm dort 1936 die Leitung des ReferatsDas Judentum in der Naturwissenschaft.[17] Nach Aufhebung der Aufnahmesperre trat Lenard zum 1. Mai 1937 derNSDAP bei (Mitgliedsnummer 4.130.000)[18] und wurde mit demGoldenen Parteiabzeichen geehrt. Die gleichgeschaltetePreußische Akademie der Wissenschaften, deren korrespondierendes Mitglied er seit 1909 war, ernannte Lenard 1942 zum Ehrenmitglied. Diese Auszeichnung wurde ihm am 30. Juni 1946 aberkannt. Bereits 1909 war er zum ordentlichen Mitglied derHeidelberger Akademie der Wissenschaften gewählt worden, aus der er 1934 wieder ausgetreten war.[19]
In den folgenden Jahren vertrat neben ihm undJohannes Stark eine Gruppe von etwa 30 Physikern die „Deutsche Physik“. Sie lehnten Teile der modernen theoretischen Physik als „dogmatisch-dialektische“ Hervorbringung ab. Nach Lenards Auffassung war Naturerkenntnis rassisch bedingt, und die arische Rasse habe hierfür die besten Voraussetzungen. In der Geschichte der Naturwissenschaften hatte gemeinhin Italien als das Geburtsland der modernen Physik gegolten.[20] Gefordert wurde die Anschaulichkeit der Modelle, und im Zentrum der Physik sollte das Experiment stehen. Theoretische Überlegungen sollten „auf dem festen Boden der klassischen Physik“ aufbauen. Die Quantentheorie wurde zwar von Lenard abgelehnt, aber von anderen Vertretern der „Deutschen Physik“ akzeptiert,[21] die von Albert Einstein entwickelte Relativitätstheorie dagegen weitgehend ignoriert. Die Lorentz-Kontraktion wurde jedoch von einigen Anhängern der Deutschen Physik als Erklärungsmöglichkeit für den negativen Ausgang des Michelson-Experiments in Erwägung gezogen.[22]
1936 erschien Lenards LehrwerkDeutsche Physik in vier Bänden. Es beschreibt nur Gebiete derklassischen Physik und behandelt weder Relativitätstheorie noch Quantenmechanik. Entdeckungen der modernen Physik werden stattdessen durch dieÄthertheorie und ein Atommodell Johannes Starks erklärt. Im Vorwort seines Lehrbuchs befindet sich die folgende Passage, die als das informelle Programm der deutschen Physik aufgefasst wird:„Deutsche Physik?“ wird man fragen. Ich hätte auch arische Physik oder Physik der nordisch gearteten Menschen sagen können, Physik der Wirklichkeits-Ergründer, der Wahrheits-Suchenden, Physik derjenigen, die Naturforschung begründet haben. […] In Wirklichkeit ist die Wissenschaft, wie alles was Menschen hervorbringen, rassisch, blutmäßig bedingt.[1] Innerhalb der Bewegung derDeutschen Physik blieb er – im Unterschied zuJohannes Stark – der intellektuelle Part und beteiligte sich kaum an politischen Aktivitäten.
1936[23] wurde Lenard von Adolf Hitler mit demPreis der NSDAP für Kunst und Wissenschaft ausgezeichnet.[24]
Im November 1940 kam es zu einer heute als „Münchner Religionsgespräch“ bezeichneten Aussprache zwischen Vertretern derDeutschen Physik (Rudolf Tomaschek, der Experimentalphysiker[25] Alfons Bühl, Ludwig Wesch undWilhelm Müller) und der modernen Physik (unter anderemCarl Ramsauer,Georg Joos,Hans Kopfermann undCarl Friedrich von Weizsäcker). Darin sollten die Vertreter derDeutschen Physik wissenschaftlich unverrückbare Tatsachen der modernen Physik öffentlich anerkennen und die politischen Angriffe dagegen einstellen. Die schriftliche Vereinbarung hielt folgendes fest:[26]
Dietheoretische Physik mit allen mathematischen Hilfsmitteln ist ein notwendiger Bestandteil der Gesamtphysik.
Die in der speziellen Relativitätstheorie zusammengefassten Erfahrungstatsachen gehören zum festen Bestandteil der Physik. Die Sicherheit der Anwendung der speziellen Relativitätstheorie ist jedoch nicht so groß, dass eine weitere Nachprüfung unnötig wäre.
Die vierdimensionale Darstellung von Naturvorgängen ist ein brauchbares mathematisches Hilfsmittel; sie bedeutet aber nicht die Einführung einer neuen Raum- und Zeitanschauung.
Jede Verknüpfung der Relativitätstheorie mit einem allgemeinen Relativismus wird abgelehnt.
Die Quanten- und Wellenmechanik ist das einzige zurzeit bekannte Hilfsmittel zur quantitativen Erfassung der Atomvorgänge. Es ist erwünscht, über den Formalismus und seine Deutungsvorschriften hinaus zu einem tieferen Verständnis der Atome vorzudringen.
Mit dieser Erklärung verlor dieDeutsche Physik an Einfluss und hatte zuletzt keine Bedeutung mehr. Lenard selbst sah seine Vorstellungen nicht hinreichend vertreten und wertete die Erklärung als Verrat. Die Vertreter der modernen Physik hingegen konnten mit dieser Auflistung von Selbstverständlichkeiten leben.
1944 wurde ein Teil seines physikalischen Instituts nachMesselhausen in Baden verlagert. Lenards Bindung an das Institut war so stark, dass er mitzog. 1945 verschonten ihn die Amerikaner wegen seines hohen Alters mitEntnazifizierungsmaßnahmen. Er starb 1947 in Messelhausen. Sein Nachlass lagert heute imDeutschen Museum in München.
Straßen, die nach ihm benannt waren, wurden später umbenannt, so z. B. 1966 die Lenardstraße in der Münchener SiedlungAlte Heide inDomagkstraße, 2006 die Philipp-Lenard-Straße inLemgo inJames-Franck-Straße, 2008 die Philipp-Lenard-Gasse inKlagenfurt inKarl-Landsteiner-Gasse. 2015 benannte die StadtGatineau in der kanadischen Provinz Quebec eine Rue Philipp Lenard in Rue Albert Einstein um.[27] InLübeck beschloss dieBürgerschaft im Januar 2019 die Umbenennung der dortigen Lenardstraße.[28] Am 16. November 2020 wurde die Straße offiziell inRosalind-Franklin-Straße umbenannt.[29] Eine nach Lenard benannte Straße (Lenardova ulica) gibt es in Lenards Geburtsstadt Pressburg (Bratislava) im StadtteilPetržalka.
Die Namensträgerschaft für den MondkraterLenard wurde 2020 aberkannt.[30]
Ideelle Kontinentalsperre.Eher, München 1940 (parteipolitisch motivierter Nachdruck seiner 1914 veröffentlichten BroschüreEngland und Deutschland zur Zeit des großen Krieges).
Wissenschaftliche Abhandlungen aus den Jahren 1886–1932. 3 Bände. Hirzel, Leipzig 1942–44.
Wissenschaftliche Abhandlungen. Band 4. Hrsg. und kommentiert von Charlotte Schönbeck. GNT-Verlag, Diepholz/ Berlin 2003,ISBN 3-928186-35-3.
Andreas Kleinert, Charlotte Schönbeck:Lenard und Einstein: Ihr Briefwechsel und ihr Verhältnis vor der Nauheimer Diskussion von 1920. In:Gesnerus. Band 35, Nr. 3/4, 1973, S. 318–333.
Ernst Brüche, Hugo Marx:Der Fall Philipp Lenard: Mensch und „Politiker“. In:Physikalische Blätter. Band 23, Heft 6, 1967, S. 262–267.
Arne Schirrmacher:Philipp Lenard: Erinnerungen eines Naturforschers, Erinnerungen eines Naturforschers, der Kaiserreich, Judenherrschaft und Hitler erlebt hat. Kritische annotierte Ausgabe des Originaltyposkriptes von 1931/1943. Springer, Berlin 2010,ISBN 978-3-540-89047-8.
Rudolf Tomaschek:Philipp Lenard: Zu seinem 80. Geburtstag am 7. Juni 1942. In:Völkischer Beobachter. 6./7. Juni 1942, Nr. 157/158, S. 5.
Christian Peters, Arno Weckbecker:Auf dem Weg zur Macht. Zur Geschichte der NS-Bewegung in Heidelberg 1920–1934. Dokumente und Analysen. Mit einem Vorwort vonHartmut Soell. Zeitsprung, Heidelberg 1983,ISBN 3-924085-00-5.
Andreas Kleinert:Von Preßburg nach Heidelberg: Philipp Lenard und die Schwierigkeiten einer Biographie. In: Peter Zigmann (Hrsg.):Die biographische Spur in der Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. Jena 2006,ISBN 978-3-938203-45-3, S. 195–203.
Klaus-Peter Schroeder:Philipp Lenard: „Zudem sehe ich mit Hitler auch wieder Menschen kommen, die mir ähnlich sind“. In: ders.:Die Universität Heidelberg auf dem Weg in das „Dritte Reich“. Arnold Paul Ruge, Philipp Lenard – Emil Julius Gumbel, Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberg 2021,ISBN 978-3-948083-37-3, S. 59–83.
↑abPhilipp Lenard:Deutsche Physik in vier Bänden, München 1936, Bd. I, Vorwort S. IX; gleichzeitig u. a. auch veröffentlicht in der Zeitschrift „Volk im Werden“, Heft 7 von 1936, S. 414, Sonderheft der Heidelberger Studentenschaft zum 550-jährigen Universitätsjubiläum; vollständig wiedergegeben in Joseph Braunbeck:Der andere Physiker - Das Leben von Felix Ehrenhaft, Technisches Museum Wien 2003,S. 66 f.
„Deutsche Physik“? wird man fragen. – Ich hätte auch arische Physik oder Physik der nordisch gearteten Menschen sagen können, Physik der Wirklichkeits-Ergründer, der Wahrheit-Suchenden, Physik derjenigen, die Naturforschung begründet haben. – „Die Wissenschaft ist und bleibt international!“ wird man mir einwenden wollen.
Dem liegt aber ein Irrtum zugrunde. In Wirklichkeit ist die Wissenschaft, wie alles, was Menschen hervorbringen, rassisch, blutmäßig bedingt. Ein Anschein von Internationalität kann entstehen, wenn aus der Allgemeingültigkeit der Ereignisse der Naturwissenschaft zu Unrecht auf allgemeinen Ursprung geschlossen wird oder wenn übersehen wird, dass die Völker verschiedener Länder, die Wissenschaft gleicher oder verwandter Art geliefert haben wie das deutsche Volk, dies nur deshalb und insofern konnten, weil sie ebenfalls vorwiegend nordischer Rassenmischung sind oder waren.
↑ Ph. Lenard:Ueber Katodenstrahlen in Gasen von atmosphärischem Druck und im äussersten Vacuum. In: G. und E. Wiedemann (Hrsg.):Annalen der Physik und Chemie. Begründert von Poggendorf. Bd. 51, Heft 2, S. 225–267, Leipzig 1894, Vlg. Joh. Ambrosius Barth
↑Gundolf Keil:Robert Koch (1843–1910). Ein Essai. In:Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 36/37, 2017/2018 (2021), S. 73–109, hier: S. 98.
↑E. Brüche, A. Recknagel:Elektronengeräte, Springer Vlg., 1941, S. 188 ff.
↑Wilhelm H. Westphal: [1948]Kleines Lehrbuch der Physik. 2. Auflage, Springer Heidelberg 1953; S. 223 ff. (§§ 232–234) zu Stw. „Versagen des Wellenmodells des Lichts“.
↑Jörg Willer:Fachdidaktik im Dritten Reich am Beispiel der Physik. In:Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015,ISBN 978-3-86888-118-9, S. 105–121, hier: S. 105.
↑Philipp Lenard:Über Äther und Uräther. 2. Auflage, mit einem Mahnwort an deutsche Naturforscher. Leipzig 1922.
↑Sören Flachowsky:Lenard Philipp. In: Wolfgang Benz (Hrsg.):Handbuch des Antisemitismus - Judenfeindschaft in Geschichte und Gegenwart. Band 2/1, de Gruyter, Berlin 2009,ISBN 978-3-598-24072-0, S. 468f.
↑abcCarl Zuckmayer:Als wär's ein Stück von mir, Lizenzausgabe für die Bertelsmann-Gruppe, Gütersloh, 1966, S. 302–303
↑Schriftliche Urteilsbegründung in der Disziplinarstrafsache gegen Carl Mierendorff aus Grossenhain wegen Störung der Sitte und Ordnung des akademischen Lebens, Heidelberg, den 13. August 1923 (Universitätsarchiv Heidelberg, B-8910 Mierendorff). Abgedruckt in: Peters/Weckbecker S. 70–72.
↑siehe hierzu auch Wilhelm Güde, Das Verfahren vor dem Disziplinargericht der Universität Heidelberg gegen Carlo Mierendorff wegen seiner Beteiligung an der Erstürmung des Physikalischen Instituts der Universität. In: Rechtshistorische und andere Rundgänge. Festschrift für Detlev Fischer. Herausgegeben von Ulrich Falk, Markus Gehrlein, Gerhard Kreft und Markus Obert. Karlsruhe 2018, S. 207–218.
↑Georg Franz-Willing:Putsch und Verbotszeit der Hitlerbewegung, November 1923 – Februar 1925.K.W.Schütz-Verlag, Preußisch Oldendorf 1977,ISBN 3-87725-085-8.
↑abcdErnst Klee:Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. 2., aktualisierte Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005,ISBN 3-596-16048-0, S. 366.
↑Woldemar Voigt:Physikalische Forschung und Lehre in Deutschland während der letzten hundert Jahre, Festrede im Namen der Georg-August-Universität zur Jahresfeier der Universität am 5. Juni 1912, Göttingen 1912.
↑Grimsehl-Tomaschek:Lehrbuch der Physik (Grimsehls Lehrbuch der Physik neu bearbeitet von Rudolf Tomaschek), Band II, Teil 2:Materie und Äther, Leipzig/Berlin 1938, 8. Auflage, S. 229 ff.
↑Grimsehl-Tomaschek:Lehrbuch der Physik (Grimsehls Lehrbuch der Physik neu herausgegeben von Rudolf Tomaschek), Band II, Teil 2:Materie und Äther, Leipzig/Berlin 1938, 8. Auflage, S. 430.
↑Arne Schirrmacher:Philipp Lenard: Erinnerungen eines Naturforschers. Kritische annotierte Ausgabe des Originaltyposkriptes von 1931/1943. 2010, S. 8.
↑Jörg Willer:Fachdidaktik im Dritten Reich am Beispiel der Physik. In:Medizinhistorische Mitteilungen. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte und Fachprosaforschung. Band 34, 2015 (2016),ISBN 978-3-86888-118-9, S. 105–121, hier: S. 105.
↑Jörg Willer:Fachdidaktik im Dritten Reich am Beispiel der Physik. 2015 (2016), S. 108.