Der BegriffPartizipation (lateinischparticipatio, „Teilhaftigmachung, Mitteilung“, auspars, „Teil“, undcapere, „fangen, ergreifen, sich aneignen, nehmen usw.“[1]) wird übersetzt mit Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme, Mitwirkung, Mitbestimmung, Mitsprache, Einbeziehung usw.
In derSoziologie bedeutet Partizipation die Einbeziehung von Individuen und Organisationen (sogenannteStakeholder) in Entscheidungs- und Willenbildungsprozesse. Aus emanzipatorischen,legitimatorischen oder auch aus Gründen gesteigerter Effektivität gilt Partizipation häufig als wünschenswert. Partizipation kann die unterschiedlichsten Beteiligungsformen annehmen (z. B.Bürgerbeteiligung, betrieblicheMitbestimmung,Interessenverband,politische Partei). Partizipation gilt als gesellschaftlich relevant, weil sie zum Aufbau vonsozialem Kapital führen kann und dannsoziales Vertrauen verstärkt.
In derPädagogik versteht man unter dem Begriff der Partizipation die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen bei allen das Zusammenleben betreffenden Ereignissen und Entscheidungsprozessen. So werden z. B. Hausregeln von Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen gemeinsam ausgehandelt und Kinder bei einer Entscheidung über eine Fremdunterbringung einbezogen.[2] Bei der Wahl von Entscheidungsträgern in der Jugendverbandsarbeit wird das Stimmrecht auch an unter 18-Jährige vergeben, um diese direkt am Entscheidungsprozess partizipieren zu lassen.Klassensprecher nehmen an denSV-Stunden teil und berichten den übrigen Klassenkameraden anschließend davon.
In derKunst bedeutet Partizipation die Mitwirkung des Publikums an einer Aufführung (Darstellende Kunst) oder an einem Kunstwerk (Bildende Kunst). Dabei kann bereits das Zuschauen an sich und Reaktionen wie Klatschen, Lachen und Buhrufe als Partizipation betrachtet werden oder aber das aktive Einbeziehen der Zuschauer in das künstlerische Geschehen durch Aufforderungen zum Handeln. Das Erstere wird nach dem Kunsttheoretiker Max Glauner alsInteraktion, das Zweitere alsKooperation charakterisiert, in der das Publikum an der Entstehung des Kunstwerkes maßgeblich mitwirkt. Die Teilhabe bzw. Partizipation im emphatischen Sinn als koproduktiver Faktor der Werkentstehung bzw. der Aufführungspraxis bezeichnet Glauner alsKollaboration.[3]
In den 1960er Jahren entsteht die Partizipations-Bewegung im Wohnungsbau. Sie ist eine der Reaktionen auf die monotonen Wohnblöcke der Nachkriegsarchitektur und zentralistische Stadtplanung.
In der Architektur werden, nach Habraken u. a., zwei Sorten unterschieden: einerseits die „Baukunst“ (u. a. öffentliche Gebäude) und andererseits die „alltägliche Architektur“ (Wohnungsbau mit Partizipation), die teilweise nicht mehr zur Kunst gezählt wird. Wichtige Grundsätze der Partizipation im Wohnungsbau sind: Architektur als Halbprodukt für die individuellen Interpretationen der Bewohner (sowohl innen als außen), Struktur und Einfüllung, Integration von hoher und alltäglicher Kultur im Städtebau.
Politische Partizipation ist allgemein die Teilhabe und Beteiligung von Bürgern an politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen. Sie ist Gegenstand der politischen Partizipationsforschung, an der als Gebiet derpolitischen Soziologie neben derPolitikwissenschaft auch die Soziologie beteiligt ist.
Unter politischer Partizipation werden in Anlehnung anMax Kaase alle Verhaltensweisen von Bürgern verstanden, die (allein oder in einer Gruppe) nachEinflussnahme auf politische Entscheidungen auf den verschiedenenEbenen despolitischen Systems streben. Es gibt zahlreiche Aktivitäten von Bürgern, die der politischen Partizipation zugerechnet werden. In der systematischen Erfassung dieser durch die politische Partizipationsforschung wird unter anderem zwischen verfassten bzw. institutionalisierte Formen, die den rechtlich geregelten Verfahren und Institutionen wie politische Wahlen, politische Parteien und Gewerkschaften entsprechen, und nicht verfassten Formen der Partizipation unterschieden. Ein weiteres Beispiel für die Differenzierung zwischen verschiedenen Partizipationsformen ist die zwischen konventionellen, also etablierten, üblichen und sozial akzeptierten, Formen der politischen Partizipation einerseits und unkonventionellen Partizipationsformen andererseits. Neben weiteren Kriterien zur Erfassung und Differenzierung der zahlreichen Aktivitäten politischer Partizipation differenziert die Partizipationsforschung auch zwischen legalen und illegalen politischen Partizipationsformen.
Leicht zu messende konventionelle und institutionalisierte Partizipationsformen sind dieWahlbeteiligung, die Partizipation inParteien oderInteressenverbänden und die Übernahme von politischen Ämtern inParlamenten undRegierungen. Die weniger konventionellen, nicht institutionalisierten oder illegalen Formen der politischen Partizipation sind oft weniger leicht messbar, inzwischen aber ebenfalls Gegenstand der wissenschaftlichen Erforschung politischer Partizipation. Beispiele für weniger konventionelle und nicht institutionalisierte Partizipationsformen sind derPolitische Konsum, die Mitwirkung inBürgerinitiativen oder allgemeiner inNeuen sozialen Bewegungen, die Beteiligung anPetitionen, öffentlichenDiskursen,Demonstrationen oderStreiks.
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ICT-Systeme |
Das Internet, und insbesondere die Entwicklungen desWeb 2.0, ermöglichen sog.E-Partizipation als eine neuartige, breite und gleichzeitig individualistische, zeitlich und örtlich ungebundene Beteiligungsform.[4]
Innerhalb der politischen Partizipationsforschung konkurrieren verschiedene Theorien und Modelle um die angemessene Beschreibung und Erklärung des Gegenstands. Beispielsweise gibt es zur Analyse der politischen Partizipation von Frauen verschiedene Perspektiven und Ansätze. Bei diesergenderorientierten Betrachtung der politischen Partizipation werden verschiedene hemmende oder fördernde Faktoren wie sozio-ökonomische Lage, die nationalepolitische Kultur, die individuelle politische Orientierung, das „politische Kompetenz-Gefühl“, Frauenförderung und gleichzeitigestrukturelle Diskriminierung und die geschlechtstypischenSozialisationsprozesse berücksichtigt.
Innerhalb derVerwaltungswissenschaft entwickelt sich das Feld derVerwaltungsethik, das Möglichkeiten der Partizipation sowohl Interner (z. B. Mitarbeiter) als auch Externer (z. B. Bürger) in den Fokus rückt.
ImUnternehmen (auch in der Arbeits-, Wirtschafts-, Industrie- und Organisationssoziologie, aber auch in einschlägigen Lehrmeinungen z. B. derBetriebswirtschaftslehre) bedeutet Partizipation die Beteiligung von Beschäftigten an der Entscheidungs- und Willensbildung, auch z. B. hierarchisch höherer gesetzter Ebenen der Organisation. Neben der Arbeitnehmerbeteiligung ist eine andere Möglichkeit für Partizipation in Unternehmen die Einbeziehung von Kunden in Entscheidungsprozesse.
Partizipation in derQuartiersplanung;Sammlung und Erfahrung mit Instrumenten: In der Schweiz ist der partizipative Mitwirkungsprozess weit ausgebaut, aber nicht transparent strukturiert. Je nach Kanton kommen verschiedene Instrumente zur Anwendung. Dies geht von politischen über wirtschaftliche bis hin zu verwaltungstechnischen Instrumenten. Im Kanton Basel ist ab dem 1. Juni 2007 aufgrund der Verfassung ein neuer Mitwirkungsartikel in Kraft getreten.
Im Hochschulkontext bezeichnetstudentische Partizipation neben der Beteiligung an derakademischen Selbstverwaltung auch die unmittelbare Beteiligung an der inhaltlichen Ausrichtung vonLehrveranstaltungen sowie der Übernahme von Lehre im Kontext derPeer-Education.[5]
In derOttawa-Charta der Gesundheitsförderung 1986 wird Partizipation als Kernmerkmal genannt. Mittlerweile ist sie zu einem institutionell anerkannten Prinzip derGesundheitsförderung geworden.[6]
Partizipation ist ein wichtiges Element transformativer Forschung, bzw. transformativer Wissenschaft.[7] Dies zeigt sich exemplarisch am Beteiligungsansatz vonReallaboren.