VomSympathikus werden vorwiegend gegenteilige Funktionen gesteuert, die bei besonderer Belastung (Stress) eine Leistungssteigerung des Organismus bewirken (ergotrope Wirkung). Diese beiden Hauptkomponenten des vegetativen Nervensystems wirken als Gegenspieler einander ergänzend (synergistisch) und ermöglichen dadurch eine äußerst feine Steuerung der Organe. Das imDarmtrakt vorhandeneenterische Nervensystem wird als dritte Komponente des vegetativen Nervensystems bezeichnet.
Die vegetativen Zentren des Parasympathikus liegen imHirnstamm und im sakralenRückenmark (Pars sacralis,Kreuzmark). Dabeiinnervieren Nerven aus dem Hirnstamm dieinneren Augenmuskeln, dieTränen- undSpeicheldrüsen und die meisten inneren Organe des Körpers (Nervus vagus). Nerven aus dem Kreuzmark hingegen beeinflussen den unteren Teil desDickdarms, dieHarnblase und dieGenitalien. Der Übergang der beiden Innervationsgebiete beim Dickdarm erfolgt amCannon-Böhm-Punkt. Aufgrund der anatomischen Lage derWurzelzellen wird der Parasympathikus auch alskraniosakrales System bezeichnet (vonlat.Cranium =Schädel,Os sacrum =Kreuzbein), im Gegensatz zumthorakolumbalen System des Sympathikus, dessen Wurzelzellen im Brust- (lat.Thorax) und Lendenteil (lat.Lumbus) des Rückenmarks liegen.
Ganglien stellen eine Anhäufung vonNervenzellkörpern dar. Hier werden die vomZentralnervensystem kommendenNervenfasern (präganglionäre Nerven,lat., „vor dem Ganglion“) auf Nervenfasern umgeschaltet, die zum jeweiligen Zielorgan ziehen (postganglionäre Nerven, lat., „nach dem Ganglion“). Die Ganglien liegen beim Parasympathikus – im Gegensatz zum Sympathikus – meist in der Nähe oder sogar innerhalb ihrer Zielorgane. Die Umschaltung erfolgt an Schaltstellen üblicher Art (chemische Synapsen) durch Abgabe (Exozytose) von Signalmolekülen (Neurotransmittern) von Zelle A zum Andocken an Zelle B.
Die Überträgersubstanz (Neurotransmitter) des parasympathischen Nervensystems ist sowohl für die Schaltstelle in den Ganglien als auch am ZielorganAcetylcholin (ACh), einEster derEssigsäure und desAminoalkoholsCholin.
Die Synthese von Acetylcholin findet in der signalgebenden Nervenzelle (impräsynaptischen Terminal) durch dasEnzymCholin-Acetyltransferase statt. Die Ausgangsstoffe sind Cholin undAcetyl-Coenzym A. Nach seiner Freisetzung in densynaptischen Spalt und Bindung an Rezeptoren der Zielzelle wird Acetylcholin durch das EnzymAcetylcholinesterase zu den Endprodukten Cholin und Essigsäure (beziehungsweiseAcetat) abgebaut und damit deaktiviert.
Das parasympathische Nervensystem verfügt über zwei Typen vonAcetylcholinrezeptoren, also Rezeptoren, die auf Acetylcholin ansprechen.Nikotinische Rezeptoren (nAChR) reagieren außer auf Acetylcholin auch aufNikotin.Muskarinische (mAChR) reagieren außer auf Acetylcholin auch aufMuskarin, ein Gift, das in größeren Mengen in verschiedenenTrichterlingen undRisspilzen vorkommt (zuerst entdeckt imFliegenpilz).
Die nikotinischen Rezeptoren lassen sich unterteilen nach ihrem örtlichen Vorkommen:NM-Rezeptoren befinden sich an innervierten Muskeln (motorischen Endplatte).NN-Rezeptoren befinden sich in den Ganglien. Die Rezeptoren der motorischen Endplatte und die der vegetativen Ganglien unterscheiden sich nur in ihrem Aufbau, in ihrer Funktion sind sie gleich.
Zu den Rezeptor-Komplexen gehörenKanäle in derZellmembran, die nach Aktivierung des Rezeptors durchlässig fürKationen (positiv geladene Ionen wieNa+ undCa2+) werden. Deshalb zählt man sie zur Gruppe derionotropen Rezeptoren.
Binden Signalmoleküle an einen Rezeptor, so öffnet sich ein Ionenkanal und erzeugt damit einen Na+- und Ca2+-Einstrom (s.Diffusion). Dieser verursacht eine lokale Veränderung dertransmembranären elektrischen Spannung (exzitatorisches postsynaptisches Potential), das heißt, erdepolarisiert die Membran. Ist diese Depolarisation stark genug, so wird einAktionspotential ausgelöst und die Zielzelle erregt.
Dreidimensionale Struktur eines G-Protein-gekoppelten Rezeptors. Zu diesem Typ gehören die muskarinischen Rezeptoren.
Die muskarinischen Rezeptoren werden in die Subtypen M1 bis M5 unterschieden. M1 kommt in vegetativen Ganglien, M2 im Herzen und M3 inglatter Muskulatur vor, hierbei vor allem im Verdauungstrakt. Die Funktionen von M4 und M5 sind noch nicht gänzlich bekannt, sie kommen aber im Gehirn vor.
Die muskarinischen Rezeptoren gehören zur Gruppe derG-Protein-gekoppelten Rezeptoren. Nach der Bindung von Acetylcholin werden weitere Moleküle (so genannteSecond Messenger) freigesetzt, die dann Veränderungen an der Zelle auslösen. Deshalb gehören sie zur Gruppe dermetabotropen Rezeptoren.
M2- und M4-Rezeptoren hingegen aktivieren ein Gi-Protein (i für inhibitorisch, hemmend). Dieses öffnet imSinus- undAV-Knoten desHerzens bestimmteK+-Kanäle (IKACh). Dies hat eine negativ chronotrope (pulssenkende) und dromotrope (Erhöhung der Zeit, die für die Reizweiterleitung benötigt wird) Wirkung. Zusätzlich wird dasEnzymAdenylylcyclase gehemmt, mit der Wirkung des Rückgang der intrazellulärencAMP-Konzentration. Dieser Rückgang senkt den Calcium-Einstrom, was eine Reduzierung der Kontraktionsfähigkeit des Herzens zur Folge hat (negativerinotroper Effekt).
Gehemmt werden muskarinische Rezeptoren unter anderem durchAtropin, ein Gift, das auch in derTollkirsche vorkommt.
Die präganglionären Fasern des parasympathischen Anteils des Nervus oculomotorius (Augenbewegernerv) entspringen demNucleus accessorius nervi oculomotorii (zusätzlicher Kern des Augenbewegernervs,Edinger-Westphal-Kern) und ziehen zumGanglion ciliare. Dort schalten sie um aufNeuronen derNervi ciliares breves. Diese verlaufen zumMusculus sphincter pupillae („Pupillenverenger“), wo sie eine Verengung (Miosis) der Pupillen verursachen, und zumZiliarmuskel, der die Brechkraft der Augenlinse (Akkommodation) beeinflusst.
Der parasympathische Anteil desNervus facialis (Gesichtsnerv) entspringt imNucleus salivatorius superior (oberer Speichelkern), in derMedulla oblongata (Nachhirn). Ein Teil dieser Fasern, derNervus petrosus major (großer Paukennerv), verläuft zumGanglion pterygopalatinum (Flügelgaumenganglion), wo er auf Neuronen umgeschaltet wird, deren Fasern imNervus lacrimalis (Tränennerv) zurTränendrüse verlaufen, die dadurch zur Tränenproduktion angeregt werden.
Die präganglionären parasympathischen Fasern desNervus glossopharyngeus (von griech.glossa=Zunge,pharynx=Rachen) entspringen demNucleus salivatorius inferior (unterer Speichelkern) in der Medulla oblongata. Seine Fasern verlaufen, teilweise imNervus petrosus minor (kleiner Paukennerv) zumGanglion oticum (Ohrganglion), wo sie auf Neuronen umgeschaltet werden, die imNervus auriculotemporalis („Ohr-Schläfen-Nerv“) zurGlandula parotidea (Ohrspeicheldrüse) verlaufen und diese zurSpeichelabsonderung anregen.
Die präganglionären parasympathischen Fasern desNervus vagus (von lat.vagari – „umherschweifen“) entspringen demNucleus dorsalis nervi vagi (rückwärtiger Kern des Vagusnervs) in der Medulla oblongata. Der Nervus vagus verlässt den Schädel durch dasForamen jugulare und verläuft dann zusammen mit derArteria carotis communis (Halsschlagader) und derVena jugularis interna (innere Drosselvene) im Hals in Richtung Körper. Dort innerviert er dasHerz, dieBronchien, denVerdauungstrakt und denHarnleiter.
Der Kreuzteil des Parasympathikus entspringt demNucleus intermediolateralis (äußerer Zwischenkern) undNucleus intermediomedialis (innerer Zwischenkern) in denRückenmarkssegmenten S2 bis S4. Sie verlaufen imNervus pudendus (Schamnerv) und gehen von diesem alsNervi pelvici (Beckennerven) in denPlexus hypogastricus inferior (unteres Untermagengeflecht) ein. Die Umschaltung auf weitere Neuronen erfolgt entweder hier oder in kleinen Ganglien der innervierten Organe.
Der Parasympathikus hat eine anregende Wirkung auf den Dickdarm, genau wie auf den restlichen Verdauungstrakt. Die Drüsen werden zur Sekretion angeregt, der Tonus der glatten Muskulatur wird erhöht und die Schließmuskel werden entspannt.
Außerdem ist der Parasympathikus an einemReflex beim Stuhlgang (Defäkation) beteiligt. Werdenfreie Nervenendigungen imRektum durch Dehnung stimuliert, so werden Signale in die Kreuzsegmente des Rückenmarks gesendet. Diese lösen dort die Aussendung von Signalen zumColon descendens (absteigenden Grimmdarm),Colon sigmoideum undMastdarm aus. Diese laufen in parasympathischen Fasern desNervus pelvicus, erhöhen die Anzahl und Stärke derperistaltischen Wellen der glatten Muskulatur in der Darmwand und entspannen den inneren Schließmuskel desAnus. Im Gegensatz zum inneren Schließmuskel, der aus glatter Muskulatur besteht, ist der äußere Schließmuskel einSkelettmuskel und damit unter willkürlicher Kontrolle.
DasHarnlassen (dieMiktion) unterliegt der vegetativen (autonomen) Steuerung durch den Parasympathikus. Er aktiviert die glatte Muskulatur in der Wand der Harnblase (Musculus detrusor) und damit ein Zusammenpressen der gesamten Blase.
Zusätzlich wird der innere Schließmuskel (Sphinkter) der Blase durch den Parasympathikus entspannt.
Am Herz bewirkt der Parasympathikus eine Verlangsamung desPulses (negativeChronotropie) und der Erregbarkeit (negativeBathmotropie). Außerdem verlangsamt er die Erregungsleitung vomSinusknoten zumAV-Knoten und im AV-Knoten selbst (negativeDromotropie).
Die Versorgungsgebiete des rechten und linken Nervus vagus überlappen sich am Herzen, wobei der rechte vorwiegend den Sinusknoten innerviert und dort die Pulsfrequenz beeinflusst, der linke hingegen hauptsächlich den AV-Knoten und damit die Erregungsleitung.[1]
Die cholinergen Rezeptoren im Herzen sind vom Typ M2. Sie aktivieren ein Gi-Protein (i für inhibitorisch, hemmend). Im Sinus- und AV-Knoten öffnet es bestimmteK+-Kanäle (IKACh). Durch den bewirkten Kaliumausstrom wird die Zellehyperpolarisiert, das heißt, ihrMembranpotential wird negativer. Dies erschwert die Auslösung einesAktionspotentials, das zur Muskelkontraktion führt.
In den Herzmuskelzellen werden die langsamenNatriumkanäle, sogenannte „Funny-Channels“ (cAMP-abhängig), teilweise inaktiviert und so verzögert sich die spontane Depolarisation der Schrittmacherzellen (Frequenzabnahme,negativ chronotrop).
In denBronchien löst der ParasympathikusBronchokonstriktion (Verengung der Bronchien) und eine erhöhteSchleimsekretion durch Stimulation der M3-Rezeptoren aus.
In der glatten Muskulatur der Bronchien löst der durch IP3 ausgelöste Calciumeinstrom eine Kontraktion aus, dies führt zur Verengung der Bronchien.
Die erhöhte Sekretion der schleimproduzierenden Drüsen wird durch eine erhöhte Blutzufuhr ausgelöst. Die erhöhte Blutzufuhr wird durch die Freisetzung vonStickstoffmonoxid (NO) und die dadurch bewirkte Gefäßerweiterung (Vasodilatation) verursacht.
DerVerdauungstrakt besitzt ein eigenes Nervensystem, dasenterische Nervensystem. Dessen Steuerungsarbeit wird durch das parasympathische Nervensystem nur modulierend beeinflusst.
Die Wirkung des Parasympathikus kann durchMedikamente beeinflusst werden. Die angestrebte Wirkung orientiert sich jeweils an der durch den Parasympathikus modulierten Organwirkung und deren Veränderung bei Anwendung von Medikamenten. Man unterscheidetParasympatholytika, welche die Wirkung des Parasympathikus hemmen undParasympathomimetika, welche die Wirkung anregen.
Parasympatholytische Substanzen (Anticholinergika) wieAtropin wirken über einekompetitive Hemmung des Acetylcholins. Bei Anwendung überwiegt aufgrund der Hemmung des Parasympathikus dann der Einfluss des Sympathikus.
Anwendungsgebiete sind z. B. die Pupillenerweiterung (Mydriasis) für therapeutische Maßnahmen, die Therapie vonSpasmen des Magen-Darm-Traktes, der Harnwege sowie der Muskulatur der Atemwege (Bronchospasmus). Auch akuteBradykardien, d. h. der starke Abfall der Herzfrequenz, können durch Parasympatholytika behandelt werden.
Es gibt direkt und indirekt wirkendeParasympathomimetika. Erstere (wiePilocarpin) wirken ähnlich dem Acetylcholin. Bei den indirekten Parasympathomimetika wiePhysostigmin handelt es sich um reversible oder irreversibleCholinesterasehemmer, welche den Abbau des Acetylcholins durch die Cholinesterase hemmen und so eine längere Transmitterwirkung bedingen.
Anwendungsgebiete der Parasympathomimetika umfassen z. B. die Therapie vonGlaukomen.
↑M Rubart, DP Zipes:Anatomy of the Cardiac Conduction System. In: DP Zipes et al. (Hrsg.):Braunwald’s Heart Disease: A Textbook of Cardiovascular Medicine. 7. Auflage. W.B. Saunders Company, Philadelphia 2004,ISBN 1-4160-0014-3, S. 653–659.