Die Sonne, dargestellt als Vogel, Karte Nr. XVIIII,Tarotgarten, Capalbio, Toscana[3]Lifesaver-Brunnen inDuisburgAdam in ThessalonikiTeilansicht desStrawinski-Brunnens in ParisDer Dichter und seine Muse auf demSkulpturenpfad der Universität UlmDer Golem, Kiryat Hayovel, Jerusalem
Catherine „Niki“ de Saint Phalle wurde imPariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine als Tochter von André Marie Fal de Saint Phalle und Jeanne Jacqueline (geborene Harper) geboren. Der Vater, ein Bankier aus einem alten französischen Adelsgeschlecht, war ein Börsenmakler, der während desBörsenkrachs von 1929 verarmte. Die Mutter war Amerikanerin. Niki wuchs hauptsächlich in denUSA auf und erhielt infolge ihrer Heirat mit dem SchweizerJean Tinguely im Jahr 1971 dasSchweizer Bürgerrecht (heimatberechtigt in Basel). Sie war ebenso wie Tinguely eng mit der Familie des ebenfalls in der Schweiz lebendenKunstmäzens und SammlersTheodor Ahrenberg befreundet.
Von 1936 bis 1945 besuchte Niki de Saint Phalle die Klosterschule Sacré-Cœur inNew York. Gemäß eigener Aussage soll sie ab dem elften Lebensjahr von ihrem Vater mehrere Jahre sexuell missbraucht worden und über eine spätere Therapie zur Kunst gelangt sein.[4][5][6][7]
„Mehr oder weniger bewusst verstand sie ganz allmählich, dass Kunst ein Lebensprinzip ist, für manche Menschen vielleicht das Lebensprinzip überhaupt, das aber mitsamt seinen Kräften leider domestiziert und kultiviert worden war. Gleichzeitig erkannte sie, dass man sich dieses Prinzips nach Gutdünken bedienen konnte, um dunkle Mächte zu rufen und sie für sich in den Dienst zu nehmen. Hierfür gab es weder Regeln noch Einschränkungen, sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Dieser Weg, zwischen der Welt in ihrem Innern und der Außenwelt eine Beziehung herzustellen und damit eine Identität zu finden, bot sich ihr in einer Krisensituation. Ihre ersten Bilder zeigen sehr genau, wie sie Gewalt und Erregung auf diese Weise freisetzen konnte.“[8]
Sie selbst sagte dazu:
„Ich war eine zornige junge Frau, doch gibt es ja vielezornige junge Männer und Frauen, die trotzdem keine Künstler werden. Ich wurde Künstler, weil es für mich keine Alternative gab – infolgedessen brauchte ich auch keine Entscheidung zu treffen. Es war mein Schicksal. Zu anderen Zeiten wäre ich für immer in eine Irrenanstalt eingesperrt worden – so aber befand ich mich nur kurze Zeit unter strenger psychiatrischer Aufsicht, mit zehn Elektroschocks usw. Ich umarmte die Kunst als Erlösung und Notwendigkeit.“[8]
Mit 18 Jahren heiratete sie heimlich ihren JugendfreundHarry Mathews, 1951 und 1955 bekamen sie ihre Kinder Laura und Philip.[9] 1952 kehrte sie nach Paris zurück. 1953 entstanden ihre ersten Gemälde. Zunächst arbeitete sie alsAktionskünstlerin und machte ab 1956 mit ihren „Schießbildern“ auf sich aufmerksam. Dies warenGipsreliefs mit eingearbeitetenFarbbeuteln, auf die sie während derVernissage schoss. 1960 wurde die Ehe mit Mathews geschieden.[10]
Sie starb am 21. Mai 2002 im Alter von 71 Jahren im Süden des US-BundesstaatesKalifornien inSan Diego, das für sein mildes pazifisches Klima bekannt ist. Die Ärzte hatten ihr den Aufenthalt dort aus gesundheitlichen Gründen empfohlen. Sie selbst war der Meinung, dass sie nach jahrzehntelanger Arbeit mit den giftigen Dämpfen, die bei der Verarbeitung des Kunststoffes entstehen, schwere Gesundheitsschäden der Atemwege davongetragen hatte. Ihre Grunderkrankung war aberselektiver Immunglobulin-A-Mangel. Ihrechronische Bronchitis, die extrem schmerzhafterheumatische Arthritis, ihreSchilddrüsenerkrankung, dasAsthma und dieLungenentzündungen sind durch den starken Immunglobulinmangel zu erklären. Atemnot und wiederholte Lungenentzündungen traten schon lange vor ihrer Arbeit mit Kunststoffen auf. Später verstärkten die giftigen Kunststoffdämpfe, das Einatmen vonPigmenten und dasPassivrauchen wahrscheinlich das Lungenleiden. In ihrem letzten Lebensjahrzehnt war der Immunglobulin-Mangel bei ihr plötzlich nicht mehr nachweisbar.[11]
Im Juni 1961 nahmen Saint Phalle und Tinguely zusammen mitJasper Johns undRobert Rauschenberg[12] an einem Happening und Konzert mit dem TitelVariations II teil, das von dem amerikanischen KomponistenJohn Cage orchestriert und in der amerikanischen Botschaft in Paris durchgeführt wurde. WährendDavid Tudor die Kompositionen von Cage am Klavier spielte, schufen die Künstler ihre Kunstwerke während der Kunst-Aktion vor Publikum auf der Bühne.[13]
Ab 1962 wurde sie vonAlexander Iolas finanziell unterstützt, er organisierte ihr Ausstellungen und führte sie in den Kreis prominenter Künstler ein. 1962 nahm sie gemeinsam mit Jean Tinguely an der AusstellungDylaby in Amsterdam teil. Ab 1965 entstanden die ersten„Nanas“ – Frauenfiguren mit betont üppigen und runden Formen –, anfangs noch aus Draht und Textilien gefertigt. Schon bald wechselte sie jedoch ihre Technik und arbeitete vorwiegend mitPolyester, einem Material, das unter anderem bevorzugt im Bootsbau verwendet wird. 1965 entstand für diePeter-Stuyvesant-Zigarettenfabrik inZevenaar die 2 Meter hoheLili ou Tony.
1966 installierte sie auf Veranlassung des DirektorsPontus Hultén (unter Mitarbeit ihres späteren zweiten Ehemanns Jean Tinguely, den sie 1955 kennengelernt hatte) und des Schweden Per Olof Ultvedt im StockholmerModerna Museet eine 29 Meter lange liegende Skulptur mit dem NamenHon (schwedisch: „sie“), die durch die Vagina betreten werden konnte und in deren Innerem sich unter anderem eine Bar und ein Kino befanden.[14] Die Nanas wurden mit bunten Farben bemalt.
1968 nahm Niki de Saint Phalle erstmals an einer Ausstellung desMuseum of Modern Art in New York teil. Weitere Ausstellungen folgten 1969 in München und in Hannover sowie 1970 in Paris, 1971 in Amsterdam, Stockholm, Rom und New York.
1979 begann sie in derToskana inCapalbio, südlich vonGrosseto, mit dem Bau desGiardino dei Tarocchi. DieserGarten des Tarot wurde 1998 für die Öffentlichkeit freigegeben mit 22 Tarot-Figuren teilweise auch als Gebäude realisiert. Die Künstlerin hat einige Jahre auch darin gewohnt und dazu Innenausstattungen gestaltet.
Noch bekannter ist der 1982 begonnene Bau desStrawinski-Brunnens vor demCentre Pompidou in Paris, der von ihr zusammen mit Jean Tinguely gestaltet wurde.
Niki de Saint Phalle gehörte zu den Gründungsausstellerinnen derBundeskunsthalle inBonn. Von Juni bis November 1992 stellte sie unter anderem auf deren Dachgarten über 20 zum Teil begehbare Großplastiken aus.[15] 1999 übernahm Niki de Saint Phalle den Auftrag zur Ausgestaltung der Grotten imGroßen Garten inHannover-Herrenhausen, die seit 2003 für Besucher offen stehen. Ihr Werk „L’ange protecteur“ („Schutzengel“, schwebende Frauenfigur) befindet sich in der Halle desZürcher Hauptbahnhofes.[16]
Seit 2008 ist sie mit einigen Werken immuseum FLUXUS+ in Potsdam ausgestellt.
Ihr siegreicher Entwurf für die Neugestaltung des HamburgerSpielbudenplatzes konnte wegen ihres Todes nicht mehr verwirklicht werden.
Im Jahr 2000 wurde sie mit dem japanischenPraemium Imperiale ausgezeichnet.
Am 17. November 2000 wurde sie zurEhrenbürgerin der Stadt Hannover ernannt. Sie vermachte am 19. November 2000 aus diesem Anlass über 400 ihrer Werke demSprengel-Museum[17] in Hannover. Der vorgesehene Ergänzungsbau des Museums soll eine Dauerausstellung ihrer Werke ermöglichen.
Die Hörspielautorin und -regisseurin Barbara Meerkötter entwickelte dasHörspielBig Girl Now! Klappe 1–16 für Niki de Saint Phalle, welches assoziativ und impulsiv Niki de Saint Phalles Leben mit dem FilmUn rêve plus long que la nuit (dt.Ein Traum – länger als die Nacht oder Camélia und der Drachen) verbindet. DieUrsendung fand am 15. März 2013 beimRBB Kulturradio statt.
2016/17:„Ich bin eine Kämpferin“ Frauenbilder der Niki de Saint Phalle,Museum Ostwall, Dortmund (in Kooperation mit demSprengel Museum Hannover und der Niki Charitable Art Foundation). Katalog.
Monika Becker:Niki de Saint Phalle – Starke Weiblichkeit entfesseln. Die Biografie, List, München 2005,ISBN 3-548-60574-5.
Renate Berger:Zwischen Leben und Tod, Zur Mutterimago bei Niki de St. Phalle, Ulrike Rosenbach, Mary Kelly und Annegret Soltau. In: Renate Möhrmann (Hrsg.):Verklärt, verkitscht, vergessen, Die Mutter als ästhetische Figur, Metzler, Stuttgart, Weimar 1996,ISBN 3-476-01302-2, S. 354–371.
Ursula Bode,Niki de Saint Phalle. La Grotte, Hrsg. Landeshauptstadt, Fachbereich Umwelt und Stadtgrün,Sprengel-Museum Hannover, Hatje Cantz, Ostfildern 2003,ISBN 3-7757-1308-5.
Georg Franzen:Mythische Urbilder in der Kunst von Niki de Saint Phalle. In: D. Klein und H. Weyerstrass (Hrsg.).Jung heute. S. 44–47. Verlag Dieter Klein, Brühl 2009.
Pontus Hultén, Niki de Saint Phalle, Michel de Grèce, Ulrich Krempel, Yoko Masuda, Janice Parente und Pierre Restany:Niki de Saint Phalle. Monographie. Bilder, Schiessbilder, Assemblagen, Reliefs. 1949–2000. Benteli Verlag, Bern 2001,ISBN 3-7165-1258-3.
Der Kunst-Brockhaus, Bd. 2:L–Z, Wiesbaden:Brockhaus, S. 390.
Isabel Siben (Hrsg.):Niki und Jean: Posters. Prestel, München 2005,ISBN 3-7913-3404-2.
Nana Power. Die Frauen der Niki de Saint Phalle. Stiftung Schloss Neuhardenberg in Zusammenarbeit mit dem Sprengel Museum Hannover. Berlin 2005,ISBN 3-89479-245-0.
Niki de Saint Phalle:Bilder – Figuren – Phantastische Gärten. Prestel, München 1997,ISBN 3-7913-1820-9.
C. Sylvia Weber (Hrsg.):Niki de Saint Phalle. Mythen – Märchen – Träume. Ausstellungskatalog, Swiridoff, Künzelsau 2009,ISBN 978-3-89929-162-9 C. Sylvia Weber (Hrsg.):Niki de Saint Phalle. Spiel mit mir. Ausstellungskatalog, Swiridoff, Künzelsau 2011,ISBN 978-3-89929-211-4
Ludwig Zerull:Kunst ohne Dach. Skulpturen und Objekte im Stadtbild Hannovers, Ed. Libri Artis, Schäfer, Hannover 1992,ISBN 3-88746-278-5, S. 34f., 96f.
Niki de Saint Phalle: Harry and Me – 1950–1960 – Die Familienjahre, Benteli, Bern / Zürich 2006,ISBN 978-3-7165-1457-3.
↑Niki de Saint Phalle:Der Tarot-Garten. Benteli, Bern 2000, S. 16–19. 6. unveränderte Auflage,ISBN 3-7165-1087-4.
↑Niki de Saint Phalle:Mon secret. Editions de La Différence, 2010,ISBN 978-2-7291-1903-4 (französisch,books.google.de [abgerufen am 13. Dezember 2016]).
↑Roger Cohen:AT HOME WITH: Niki de Saint Phalle; An Artist, Her Monsters, Her Two Worlds. In:The New York Times. 7. Oktober 1993,ISSN0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 20. Mai 2021]).
↑abKatalog zur AusstellungNiki de Saint Phalle, Bilder – Figuren – Phantastische Gärten in derKunsthalle der Hypo-Kulturstiftung in München von 26. März bis 21. Juni 1987, Hrsg. Carla Schulz–Hoffmann mit Beiträgen von Pierre Descargues, Pontus Hulten, Pierre Restany, Danie Spoerri, Jean Tinguely sowie Niki de Saint Phalle.
↑Biography. nikidesaintphalle.org, abgerufen am 21. März 2016 (englisch).
↑Quelle: Johanna Di Blasi:"Sie hatte keinen Schutzengel". Niki de Saint Phalle nährte den Mythos, sie habe der Kunst ihre Gesundheit geopfert – ihre Ärzte sahen das anders. InHannoversche Allgemeine Zeitung Nr. 23 vom 27. Januar 2012. Diagnose des RheumatologenHenning Zeidler, emeritierter Professor derMedizinischen Hochschule Hannover.
↑N. L. Woods:Pop Gun Art: Niki de Saint Phalle and the Operatic Multiple. In:Living Collections Catalogue.Band2,Nr.1, 2. März 2015 (walkerart.org [abgerufen am 9. Juni 2022]).