Dieser Artikel behandelt den Narthex im Kirchenbau. Zu weiteren Bedeutungen sieheNarthex (Begriffsklärung).
Grundriss derChora-Kirche mit innerem und äußerem NarthexAltchristliche Basilika mit Narthex und vorgelagertem AtriumExonarthex der Klosterkirche desRilaklosters inBulgarien
DerNarthex ist eine schmale, eingeschossige Vorhalle am Haupteingangaltchristlicher undbyzantinischer Kirchen, insbesondereBasiliken. Er reicht über die ganze Breitseite und ist mit demKirchenschiff beispielsweise durch eineArkade verbunden. Als Vorraum führt der Narthex in denNaos, den Gemeinderaum. Er ist meist an der Westseite angelegt. Befindet sich der Narthex innerhalb des Kirchenbaus, spricht man vomEsonarthex (innerer Narthex), ist er außerhalb derFassade angelegt, wird er alsExonarthex (äußerer Narthex) bezeichnet. Innerer und äußerer Narthex können als getrennte Teile eines Narthex auch gemeinsam vorkommen.
Dem Narthex kann ein Atrium vorgelagert sein (ein viereckiger Vorhof, vergleichbar demKreuzgang des mittelalterlichen Klosters). Bei altchristlichen Basiliken kann auch der von Säulenhallen umgebene Vorhof als Narthex bezeichnet werden.[1]
Vergleichbare Vorhallen bei anderen Kirchengebäuden, zum Beispiel an einer romanischen Basilika oder einer gotischen Kathedrale, werden nicht als Narthex bezeichnet.[2]
Dem WortNarthex liegt dasaltgriechische Wort νάρθηξ(narthēx) zugrunde. Es bedeutet eigentlichRute (auch als Bezeichnung für dasStecken- oder Rutenkraut beiTheophrast[3]). Weshalb sich der Begriff auf eine Bauform übertrug, ist nicht ganz klar. Eventuell stammt er ursprünglich von einer mit Ruten umzäunten Rennbahn.[4]
Der Narthex taucht im frühenChristentum zum ersten Mal in derrömischenLateranbasilika als quergestellte Vorhalle auf. Dieser Typ geht aufKonstantin zurück, der in den Jahren 313–319 in Rom die erste große christliche Versammlungshalle, die Basilika am Lateranspalast, erbauen ließ.
Ein solcherProstylos ist in seiner Form der Überrest eines einstmaligen großen Vorhofes, einer Empfangshalle, in der oft einCantharus stand für die rituellen Waschungen, die man vor dem Eintritt in die Kirche vollziehen musste. Solche rituellen Waschungen gibt es heute noch imIslam. Später wurde aus dem großen Vorhof diese verkürzte Form der Vorhalle.
Der Narthex hatte auchliturgische Aufgaben. Er diente unter anderem fürTaufzeremonien (wenn keinBaptisterium vorhanden war), fürBeichten und bei schlechtem Wetter auch fürTrauungen; auch Leichen wurden hier gesegnet, bevor sie in die Kirche getragen wurden.[5] Andere Verwendungsmöglichkeiten sind zum Beispiel: nächtliches Refugium zu Zeiten großerPilgerströme, „Kirche derKatechumenen“, der Taufbewerber, oder „Kirche der Büßer“, die zeitweilig von der Feier derSakramente ausgeschlossen waren.[6] Gewiss feierte man in diesem VorraumExorzismen, Wiederversöhnung der Büßer undZeremonien, die der Taufe vorausgingen.
Die Bauform des Narthex kommt in einzelnen Fällen auch in mittelalterlichen Kirchen des Westens vor,[7] wo sie teilweise mit den BegriffenVorhalle,Atrium,Paradies oderGaliläa bezeichnet wird.
Die Dokumente des 12. Jahrhunderts nennen den Vorbau, der an die eigentlicheMönchskirche angrenzt,Galiläa. Die Bezeichnung leitet sich von derLiturgie der damaligen Zeit her, bei der eine großeProzession den damaligenGottesdiensten vorausging. Sie vollzog den Weg derApostel, die sich nach Galiläa begaben, wo sie den Auferstandenen sehen sollten,symbolisch nach. Die Station vor dem eigentlichen Gottesdienst umfasste auch einen Reinigungsritus; er wurde in der Galiläa gefeiert. „Ich werde euch nach Galiläa vorausgehen“, dieses WortJesu an Petrus (Mt 26,32 EU) wird so gedeutet, dass Galiläa eine Stätte des Durchgangs ist; denn der Erlöser hat den Durchgang vom Leiden zur Auferstehung, vom Tod zum Leben vollzogen.[8]
In der armenischen Kloster-Architektur entwickelte sich mit demGawit (Schamatun) eine eigenständige Variante der Vorhalle.
ImOsmanischen Reich wurden die Kirchengebäude aus byzantinischer Zeit überwiegend zuMoscheen umgewidmet. Dadurch änderte sich die Gebetsrichtung von Osten nach Süden. In architektonischer Entsprechung zu einem Narthex erhielten osmanische Moscheen vor der Nordwand einen erweiterten offenen Betsaal, der türkischson cemaat yeri genannt wird.
↑Vgl. die Offenbarung des Johannes 11,2LUT: „Den Hof, der außerhalb des Tempels liegt, lass aus und miss ihn nicht; denn er ist den Heiden überlassen. Sie werden die heilige Stadt zertreten, zweiundvierzig Monate lang.“
↑Koepf/Binding:Bildwörterbuch der Architektur. Kröner, Stuttgart 2005.ISBN 3-520-19404-X, S. 340.
↑Hugues Delautre, Jacqueline Gréal:La Madeleine deVézelay. Führer und Pläne; Lyon 1985, S. 9.