DasMuseumsquartier St. Annen befindet sich in den Gebäuden des ehemaligenSt.-Annen-Klosters inLübeck. Es wurde 1915 begründet und ist einer der Standorte derKulturstiftung Hansestadt Lübeck. Das Museumsquartier liegt unweit derAegidienkirche in derSt.-Annen-Straße der südöstlichen Lübecker Altstadt neben derSynagoge und umfasst neben dem St. Annen-Museum die Kunsthalle St. Annen und in den Nebengebäuden des ehemaligen Klosters die Verwaltung des Museums.
Bereits 1888 hatte sich der KunsthistorikerTheodor Hach als Konservator der Sammlungen derGesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit in seiner Denkschrift[1] für die Einrichtung eines eigenständigen Museums für Kunst- und Kulturgeschichte in Lübeck ausgesprochen. Im Jahr 1912 beschloss der Senat der Hansestadt den Umbau des Klosters zum Museum. Dies bedingte Grundrissänderungen, um Dielen und Täfelungen aus LübeckerBürgerhäusern übernehmen zu können. Die Eröffnung und anschließende Übergabe des Museums durch die Gesellschaft zur Beförderung gemeinnütziger Tätigkeit als privaten Träger unter dem MuseumsdirektorKarl Schaefer erfolgte kriegsbedingt mit Verspätung am 23. September 1915.[2] Die bis dahin imMuseum am Dom ausgestelltekunst- und kulturgeschichtliche Sammlung wurde in das neue Haus übernommen. Von 1920 bis 1933 leiteteCarl Georg Heise das Museum. In diese Zeit fällt der Erwerb desBehnhauses und der Aufbau der dortigen Sammlung. 1934 wurden die Lübecker Museen verstaatlicht. 2006 wurde die Geschäftsführung von der Stadt Lübeck in die Hände derKulturstiftung Hansestadt Lübeck gegeben.Seit Januar 2013 wird das St. Annen-Museum gemeinsam mit der Kunsthalle St. Annen alsMuseumsquartier St. Annen vermarktet. Damit verbunden ist eine neue, zeitgerechte Konzeption der Ausstellung.
Das Museum verfügt dank eines frühen Senatsdekrets zum Schutz derDenkmäler des Altertums und der Kunst von 1818 und der darauf aufbauenden sichernden Sammeltätigkeit vonCarl Julius Milde im 19. Jahrhundert über die größte AnzahlmittelalterlicherFlügelaltäre (Retabel) inDeutschland. Das Museum verfügt mit demGrönauer Altar über den einzigen erhaltenen gotischen Hochaltar aus einer der Lübecker Kirchen in der Stadt. Die anderen erhaltenen Altäre waren zumeist vonHandwerkerzünften oder Kaufleuten für die Klosterkirchen wie dieKirche desBurgklosters oder dieKatharinenkirche gestiftet worden. Dazu gehören derLukas-Altar der Maler vonHermen Rode, derSchonenfahreraltar vonBernt Notke, derAntonius-Altar vonBenedikt Dreyer, der ursprünglich von derFamilie Greverade für denLübecker Dom gestiftetePassionsaltar vonHans Memling, sowie ein Privataltar, dasTriptychon desRatsherrnHinrich Kerckring vonJacob van Utrecht, der auf abenteuerlichen Wegen aus der RigaerSammlung Brederlo nach Lübeck fand.
Hauptartikel:Retabel der Mittelaltersammlung des St.-Annen-Museums
Herausragend auch dieSt. Georg-Gruppe (1504), die von dem Lübecker BildhauerHenning von der Heyde ursprünglich für dieSt. Jürgen-Kapelle an der Ratzeburger Allee geschaffen wurde. Den Umbruch von Reformation undRenaissance in Lübeck verkörpern die Werke desCranach-Schülers und Lübecker MalersHans Kemmer.
Neben den Werken derBildschnitzerei und Malerei zeigt das Museum einLapidarium,Skulpturen derRomanik undGotik, von denen dieNiendorferMadonna vonJohannes Junge eine der Wertvollsten darstellt. Sie wurde 1926 in Lübeck-Niendorf in einer Scheune gefunden. Aber auch dieklugen und törichten Jungfrauen sind bemerkenswert. Sie standen ursprünglich in derKirche desBurgklosters.
Eine Spezialsammlung repräsentativerKelche,Pokale, Gefäße, Gebrauchs- und Prunkgegenstände gibt einen Überblick über das hohe handwerkliche Niveau der LübeckerGold- undSilberschmiede und den Reichtum ihrer Auftraggeber. Die Entstehungszeit der Stücke dieser Sammlung liegt zeitlich überwiegend nach der Reformation, da Lübecks BürgermeisterJürgen Wullenwever zu dieser Zeit fast das gesamte mittelalterliche Lübecker Kirchensilber zur Kriegsfinanzierung gegenDänemark (Grafenfehde) einschmelzen ließ. Letzte große Neuerwerbung des Museums in diesem Bereich war derLübecker Silberschatz.
Die Entwicklung derbürgerlichenWohnkultur von der Renaissance bis zumKlassizismus kann in verschiedenen Räumen, die teilweise aus alten Lübecker Bürgerhäusern „umgesetzt“ wurden, vor dem Hintergrund zeitentsprechender Kunst vonGodfrey Kneller,Thomas Quellinus (Büste des RatsherrnThomas Fredenhagen vombarocken Hochaltar derMarienkirche) und vielen anderen, den Sammlungsgeschmack Lübecker Bürger widerspiegelnden Werken bildender Künstler und den dazugehörigen Ausstattungen mitPorzellan ausFürstenberg undMeißen nachempfunden werden. Am großartigsten wirkt eine vollständig erhaltene Barockdiele aus dem Jahr 1736.Diesem Bereich im Obergeschoss ist eine Spezialsammlung norddeutscherFayencen mit Schwerpunkt auf dieManufakturen inKellinghusen,Stockelsdorf undStralsund angegliedert. Darüber hinaus gibt eine Spielzeugsammlung darüber Aufschluss, womit sich junge Lübecker in vergangener Zeit beschäftigten. Das älteste plastischeSteckenpferd des Museums befindet sich jedoch in einer Kindergruppe auf demAltar der Gertrudenbrüderschaft der Träger (um 1509) aus dem Umkreis von Henning von der Heyde.
Das Museum verfügt über eine auf denGeigenbauspezialistenLeo von Lütgendorff zurückgehende und von diesem als Museumsdirektor des früherenDom-Museums begründete Sammlung historischer Musikinstrumente, die 1959 vonGeorg Karstädt neu geordnet wurde und heute teilweise in die Ausstellung integriert ist, in Einzelstücken aber auch im Behnhaus gezeigt wird. Auch der vonArp Schnitger gestalteteSpieltisch der ehemaligen Orgel des Doms ist hier ausgestellt. Er wurde im Zuge des Neubaus einerWalcker-Orgel 1892/1893 ausgebaut und in das Museum gebracht.
Sicherlich eine weitere Besonderheit ist derParamentenraum, in dem alteliturgischeGewänder aus Lübecker Kirchen sowie ausgewählte Stücke des Paramentenschatzes derDanzigerMarienkirche gezeigt werden.[3]
Zu den nicht öffentlich gezeigten Schätzen des Museums gehört eine von Carl Georg Heise in den 1920er Jahren aufgebaute Fotosammlung mit rund 450 künstlerischen Fotografien, darunter allein 212 Arbeiten vonAlbert Renger-Patzsch. Dabei handelt es sich um dieSammlung zur Geschichte der Photographie und dieSammlung vorbildlicher Photographie. Beide Sammlungen wurden nach Heises Entlassung 1933 nicht weitergeführt und gerieten für lange Jahre in Vergessenheit. Erst in den letzten Jahren wurden sie wiederentdeckt, da insbesondere dieSammlung vorbildlicher Fotografie eine der umfassendsten Sammlungen von Fotografien derNeuen Sachlichkeit in Deutschland darstellt. Sie enthält unter anderem Werke von Renger-Patzsch,Hugo Erfurth,Umbo undRobert Petschow.
Heute beinhaltet das Kloster nicht nur das St.-Annen-Museum, sondern auch dieKunsthalle St. Annen mit Museumsshop und Bistro. Die Architektur derKunsthalle, modern erbaut 2003 unter Einbeziehung der Überreste der 1843 abgebrannten ehemaligen Kirche des Klosters St. Annen, ist ein Geschenk derPossehl-Stiftung an die Hansestadt Lübeck. Die Architektur der Kunsthalle, Planung Architekten Konermann Siegmund aus Hamburg/Lübeck, erhielt 2003 den alle vier Jahre verliehenen Hauptpreis desBDA Schleswig-Holstein. Die Kunsthalle zeigt in wechselnden AusstellungenModerne Kunst des 20. Jahrhunderts.
Die Kunsthalle St. Annen hat im September 2005 auf Vermittlung vonBjörn Engholm die einzigartige SammlungLeonie von Rüxleben (1920–2005) im Rahmen der Nachlassregelung der am 21. September 2005 verstorbenen Leonie Freifrau von Rüxleben zur Verwaltung gestellt bekommen; es handelt sich um die größte Sammlung dieser Art in Deutschland. Dadurch wird es möglich, rund 1.300 Arbeiten vonSelbstbildnissen derModerne in wechselnder Ausstellung zeigen zu können.
Allerdings kam es 2005/06 zwischen den Erben der Frau von Rüxleben und der Museumsleitung zu einem Streit über die Handhabung des Nachlasses.
53.86267611111110.689145Koordinaten:53° 51′ 45,6″ N,10° 41′ 20,9″ O