Modalverb (zumodus „Art, Weise“; hier: „die Art der Aussage bezeichnend“) ist in derSprachwissenschaft eine Bezeichnung für bestimmteVerben, die zum Ausdruck einerModalität – im Sinne von Notwendigkeit oder Möglichkeit – dienen.
ImDeutschen werden gewöhnlich die sechs Verbendürfen, können, mögen, müssen, sollen undwollen als Modalverben aufgeführt (müssen, sollen, wollen bezeichnenNotwendigkeiten verschiedener Art unddürfen, können, mögenMöglichkeiten verschiedener Art). Es gibt aber tatsächlich noch weitere Wörter desselben Bedeutungstyps. In Grammatiken des Deutschen[1] erscheinen Modalverben oft als eigene Unterart des Verbs nebenHilfsverben,Funktionsverben,Kopulaverben undVollverben. Sie werden aber oft auch alsmodale Hilfsverben bezeichnet. Auch in der Grammatik des Englischen ist es gängig, Modalverben als Hilfsverben zu bezeichnen(modal auxiliaries).[2][3] Es gibt jedoch auch Sprachen, in denen Modalverben nicht ohne weiteres von Vollverben unterschieden werden können.[4]
Modalverben sind eine typische, aber nicht die einzige Methode, umModalität auszudrücken; daneben gibt es auch viele Sprachen, die Modalität durch einAffix (also z. B. eine Endung) an einem Vollverb bezeichnen.[5] Ferner dienen andere Wortarten (z. B.Adverbien) oder syntaktische Konstruktionen zum Ausdruck von Modalität.
Die Kategorie des „Modalverbs“ fehlte in der ursprünglichen griechisch-lateinischen Grammatiktradition. Mit dem Themengebiet der Modalverben setzten sich schon eine Reihe früher Grammatiker, etwaJohannes Clajus,Johannes Kromayer,Christian Gueintz,Johann Balthasar Antesperg, auseinander, insbesondere was die Frage der Zuordnung zum Tempus- oder Modusbegriff anbelangte. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gelangte der Modalverbbegriff endgültig in die deutsche Grammatikographie bzw. wurde dort häufiger beschrieben. Es warAugust Ferdinand Bernhardi (1801),[6] der eine Zuordnung der deutschen Modalverbenmüssen, können, mögen undsollen sowie der ModiIndikativ,Konjunktiv,Optativ undImperativ zu den Modalitätsmomenten Wirklichkeit, Zufälligkeit, Möglichkeit und Notwendigkeit festlegte.[7]
Die Modalverben desDeutschen treten in Verbindung mit einem Infinitiv ohnezu auf und zeigen als Gruppe auch eine Reihe von Eigentümlichkeiten in ihrer Formenbildung (Flexion). Modalverben sind im Präsens durch identische Formen der 1. und 3. Person Singular gekennzeichnet, wie es bei anderen Verben nur im Präteritum der Fall ist:ich soll – er soll wieich kam – er kam. Auch das Verbwissen weist diese Besonderheit auf(ich weiß – er weiß), zählt aber nicht zu den Modalverben. Nach ihrer Bildungsart werdenwissen und die Modalverben (außerwollen) unter der BezeichnungPräteritopräsentia zusammengefasst.
Neben den „klassischen“ Modalverbendürfen,können,mögen,müssen,sollen undwollen gibt es weitere Verben bzw. Gebrauchsvarianten von Verben, die als Modalverben fungieren können. So wird das Verbbrauchen im Zusammenspiel mit einerVerneinung als Modalverb verwendet; die Konstruktion bedeutet dann „nicht müssen“:[8][9]
Er braucht nicht zu bezahlen.Er braucht keine Hausaufgaben zu machen.
Brauchen stellt dann eine Ausnahme dar, weil es mit einemzu-Infinitiv erscheint (umgangssprachlich entfällt daszu allerdings auch). Auch das Hilfsverbwerden hat neben seiner Funktion als Hilfsverb desFuturs modale Verwendungen:[10]
Wenn er es sagt, wird es schon stimmen.
Daneben wird im Präsens die Konjugationsreihe des Konjunktivs II vonmögen (möchte, möchtest usw.:Ich möchte eine Tasse Kaffee trinken) oft als selbständiges Modalverb, in der Bedeutung einer Abschwächung vonwollen (Ich will eine Tasse Kaffee trinken), empfunden, analog zu dem Paarsollen (Du sollst den Chef anrufen) undmüssen (Du musst sofort den Chef anrufen). Vielen Deutsch-Sprechenden ist nicht bewusst, dassmöchte undmag sich morphologisch ebenso entsprechen wiekönnte undkann. Der feststellbare Abstand zwischen den Standardbedeutungen vonmöchte (wünsche zu tun, wünsche zu haben) undmag (schätze, finde sympathisch, esse gerne) sowie die relative Häufigkeit vonmöchte bei relativ seltenem Vorkommen vonmag in der gesprochenen Sprache verdunkeln die Verwandtschaft dieser Formen, anders als beikönnte (kann vielleicht) undkann (kann tatsächlich).
Modalverben werden häufig mit der Wirkung einer Aufforderung oder eines Verbots verwendet(Du sollst das tun! Du darfst das nicht tun!); ihnen selbst fehlen expliziteImperativformen.
Modalverben werden in derdeutschen Grammatik aufgrund ihrer verschiedenen Besonderheiten als eigenständige Gruppe geführt, aber oft auch alsmodale Hilfsverben oderHilfsverben des Modus bezeichnet. In älteren Beschreibungen wurde manchmal auch noch das Verblassen zur Gruppe der Modalverben gerechnet;[11] dieses bezeichnet jedoch keine Modalität, nur sein syntaktisches Verhalten ähnelt dem von Modalverben.
Das eigentlich zusammen mit einem Modalverb erwartete Hauptverb kann im Deutschen in einigen Fällen wegfallen (insbesondere ein Verb der Bewegung mit Zielangabe, wiegehen, fahren, reisen, …), so dass das Modalverb allein das Prädikat des Satzes bildet und ein auf das nicht genannte Hauptverb bezogenesAdverbial oderObjekt als zu dem Modalverb gehörend erscheint:
Ich will nach Hause [gehen]. Du musst in die Schule [gehen]. Er kann kein Latein [sprechenoder verstehen].
Das infinite Verb kann ferner durch ein Pronomen(es, das) ersetzt werden. Das Modalverb erscheint dann formal wie ein transitives Vollverb, dessen direktes Objekt das Pronomen ist:
Ich will es. Das darfst du nicht. Er hat es nicht gekonnt.
Die Verbenwollen undmögen (vor allem im Konjunktiv II) können auch mit einemObjektsatz verwendet werden:
Sie wollte, dass die Diskussion beendet wird. Ich möchte, dass du kommst.
Auch hier verhalten sichwollen undmögen wie reine Vollverben. Das Subjekt des Nebensatzes ist dabei in der Regel ein anderes als das des Hauptsatzes.
In Verbindung mit einem Infinitiv bildet das Modalverb zusammen mit diesem einzusammengesetztes Prädikat (Modalverben erlauben also keineinkohärente Konstruktion).
Die deutschen Modalverben zeigen zwei verschiedene Formen inPerfekt-Konstruktionen: Als Hauptverb des Satzes bilden Modalverben das „normale“Partizip Perfekt mitge- + Verbstamm +-t („Er hat es nicht andersgewollt“). In Verbindung mit einem Infinitiv tritt im Perfekt und imPlusquamperfekt hingegen der sogenannteErsatzinfinitiv auf: „Ich hatte ihn nicht sehenkönnen“. (In manchen Dialekten des Deutschen erscheint hingegen auch hier die Partizipialform.)
Im Deutschen können Modalverben auch miteinander kombiniert werden, was in anderen Sprachen weniger leicht möglich ist: „Ich möchte dich sehen dürfen.“
Auch historisch unterscheiden sich Modalverben hinsichtlich ihrer Flexion von den anderen Verben. Auffällig ist die Form der 2. Person Singular Indikativ Präsens: Sie lautete bei den Modalverbendürfen,sollen undwollen noch infrühneuhochdeutscher Zeit auf-t; also:du darft,du sollt unddu wilt. Mit Beginn des 15. Jahrhunderts setzt bei diesen drei Verben ein Wandel ein, indem-t nach dem Vorbild der anderen Verben allmählich durch-st ersetzt wurde, so dass wir heute nur nochdu darfst,du sollst unddu willst kennen. Solche Prozesse sind allgemein alsAnalogie bekannt. Auffällig ist nun aber, dass dieser Prozess bei Verben der gleichen Klasse (hier: der Modalverben) mit sehr unterschiedlicher Geschwindigkeit abläuft: Er ist beim Verbdürfen bereits um 1530 abgeschlossen; beiwollen undsollen sind die alten Formen dagegen noch bis ins 19. Jahrhunderts zu beobachten und im Fall vonwollen bis heute in einigen Dialekten erhalten.[12] Der zeitliche Ablauf dieses Sprachwandels erfolgt gemäß demPiotrowski-Gesetz.[13]
Die folgende Liste führt die historischen Entsprechungen der Modalverben in verschiedenengermanischen Sprachen auf. Trotz gleicher Konstruktion und ähnlicher Funktion decken sich ihre Bedeutungen in den verschiedenen Sprachen nicht mehr vollständig.
Neuenglisch | Neuhochdeutsch | Neuniederländisch | Neuisländisch | Norwegisch,Dänisch |
---|---|---|---|---|
can | können, kann | kunnen, kan | kunna, kann | kunne, kan |
shall | sollen, soll | zullen, zal | skulu, skal | skulle, skal |
will[14] | wollen, will | willen, wil | vilja, vill | ville, vil |
must | müssen, muss | moeten, moet | – | måtte, må |
may | mögen, mag | mogen, mag | mega, má | – |
– († tharf) | dürfen, darf | durven, durf | þurfa, þarf | turve (nur Norwegisch) |
In denromanischen Sprachen, so im Spanischen, werden neben denModalverben[15] und ihren lexikalischen Äquivalenten häufiger entsprechendeModi, wie etwa die desSubjunktivs, genutzt.