Michael Blume (*20. Juni1976 inFilderstadt) ist eindeutscherReligions- undPolitikwissenschaftler sowie seit 2018Beauftragter der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus und fürjüdisches Leben. Er forscht, lehrt und veröffentlicht zu Fragen deschristlich-islamischen Dialoges inDeutschland, zum Zusammenhang vonReligion undDemografie sowie zur Entwicklung derNeurotheologie. Von 2016 bis 2020 war erReferatsleiter für nichtchristliche Religionen imStaatsministerium Baden-Württemberg.[1]
Blumes Eltern wurden 1975 durch dieBundesrepublik Deutschland aus derDeutschen Demokratischen Republik freigekauft.[2] Ein Jahr später wurde Blume inFilderstadt geboren.[2] Im Juni 1997[3] heiratete er, nachdem er 1996 sein Abitur auf dem Eduard-Spranger-Gymnasium Filderstadt[4] gemacht und seinen Wehrdienst abgeschlossen hatte, seine türkischstämmige frühere Mitschülerin Zehra.[2] Mit ihr bekam er drei Kinder.[5] 1998 war er Mitgründer der 2013 aufgelöstenChristlich-Islamischen Gesellschaft (CIG) Region Stuttgart e. V.[2] Gemeinsam mit je einemmuslimischen Mitvorsitzenden[6] war er danach einige Jahre Vorsitzender des Vereins. Blume schrieb zumchristlich-islamischen Dialog mehrereKabarettstücke und einTheaterstück, das auch im europäischen Ausland gespielt und in mehrere Sprachen übersetzt wurde.
Blume absolvierte vor seinem Studium derReligions- undPolitikwissenschaften an derUniversität Tübingen eine Ausbildung zum Finanzassistenten bei derLandesbank Baden-Württemberg. Nach dem Abschluss seines Studiums alsMagister trat Blume im April 2003[7] eine neu eingerichtete Stelle alsReferent für interkulturellen undinterreligiösen Dialog in der Grundsatzabteilung desStaatsministeriumsBaden-Württemberg an.[2] 2010 wurde er Stabsstellenleiter für die Staatsrätin für interkulturellen und interreligiösen DialogRegina Ammicht Quinn,[8] ab 2011 dannReferatsleiter für Kirchen, Religion und Integration.[9] 2014 übernahm er im Auftrag des baden-württembergischen MinisterpräsidentenWinfried Kretschmann im Rahmen seiner Tätigkeit die Leitung über die Mission „Sonderkontingent Nordirak“.[10] Dabei war er verantwortlich, 1100 besonders schutzbedürftige, hauptsächlichjesidische, Frauen und Mädchen aus demNordirak nach Deutschland zu bringen,[11] unter ihnen auch die spätereFriedensnobelpreisträgerin und UN-BotschafterinNadia Murad.[10] Von 2016 bis Juni 2020 war Blume Referatsleiter für „nichtchristliche Religionen, Werte, Minderheiten, Projekte Nordirak“. Im März 2018 wurde er von der Landesregierung Baden-Württemberg zum bundesweit ersten[12]Antisemitismusbeauftragten ernannt.[13] Von März 2020 bis Mai 2023 moderierte er den PodcastVerschwörungsfragen.[14] Im März 2024 wurde sein Aufgabenfeld erweitert, er ist nun „Beauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben“.[15]
Blume ist Mitglied derCDU. Bereits als Schüler trat Blume in dieJunge Union ein und wurde später Vorsitzender des OrtsverbandesFilderstadt und von 2001 bis 2003 Vorsitzender des KreisverbandesEsslingen am Neckar. 1994 wurde er in denJugendgemeinderat gewählt, 1999 zum bis dahin jüngsten Stadtratsmitglied in Filderstadt und 2004 bei der folgendenKommunalwahl bestätigt. Nach der Geburt seines zweiten Kindes Ende 2005 legte er sein Mandat nieder.
2014 wurde Blume als religionswissenschaftlicher Experte in dasBundesnetzwerk Integration der CDU berufen.
2017 wurden er und seine Frau Paten beiSchule ohne Rassismus – Schule mit Courage für dasRobert-Mayer-Gymnasium Heilbronn.[16]
Für sein Studium erhielt Blume einStipendium derBegabtenförderung derKonrad-Adenauer-Stiftung.[2] Für eine Arbeit als Drittsemester überHeimat und Identität, in der er sich für eine entschiedenereIntegrations- undIdentitätspolitik und mehrDialog insbesondere im Hinblick auf Muslime in Deutschland aussprach, erhielt Blume eine Auszeichnung desBundesministeriums des Innern. Sein Studium schloss er 2003 mit einerMagisterarbeit überDie Öffnung des Islam in Deutschland durch eine neue, islamische Elite ab,[2] die mit „sehr gut“ benotet wurde.[17] Ein Jahr später nahm er neben seiner beruflichen Tätigkeit einen ersten von dann mehreren Lehraufträgen am Institut fürReligionswissenschaft derUniversität Tübingen an. Blumepromovierte 2005 beiGünter Kehrer[18] zum ThemaNeurotheologie – Chancen und Grenzen aus religionswissenschaftlicher Perspektive. Die veraltete Hypothese derNeurowissenschaften, dass religiöse Erfahrungen einem einzigen Areal imGehirn zugeordnet werden könnten, beschreibt er als „Gottesmodul oder Gottesknopf“. Heute wisse man „ganz klar, dass völlig unterschiedliche Gehirnbereiche dabei aktiv sind“. BeiReligiosität werde zum Beispiel diesoziale Kognition betätigt, die auch beimGedanken an einen geliebten Menschen betätigt werde. „Das heißt: Das Gebet setzt auf der sozialen Kognition auf“, so Blume. Er betont, dass mit der Hirnforschung nichtGott erforscht werde, sondern das menschliche Gehirn. Mit denMethoden der Forschung könne daher weder dieExistenz noch die Nichtexistenz Gottes bewiesen werden.[19]
Blume nahm Vorträge, Lesungen und Lehraufträge unter anderem an derUniversität Münster,[20] derUniversität zu Köln und derFriedrich-Schiller-Universität Jena[2] wahr. Derzeit hat er Lehraufträge amKarlsruher Institut für Technologie.
Für Aufregung in der Landeshauptstadt sorgte Mitte 2003 ein Artikel derStuttgarter Nachrichten über Michael Blume. Weil sich unter den Muslimen, die er im Rahmen seiner Magisterarbeit interviewt hatte, auch ein Islamist befand, wurde Blume unterstellt, dass er als Berater der Landesregierung womöglich „radikale islamistische Kräfte“ unterstütze.[2] Der Artikel suggerierte Untersuchungen des Verfassungsschutzes, die es allerdings „zu keinem Zeitpunkt“ gab.[2]
2009 erhielt Blume denscilogs-Preis für sein wissenschaftliches Bloggen[21] und 2010 einen Förderpreis derEvangelischen Akademie Villigst mit dem Titel „Vermittlungen – theologische und ethische Beiträge zur Zeit“.[22]
Der HörfunkjournalistAndreas Malessa veröffentlichte 2019 eine biographische Erzählung mit dem TitelEine Blume für Zehra, in der er Blumes humanitären Einsatz würdigt und die Herausforderungen seines interreligiösen Lebens mit seiner Frau Zehra in der schwäbischen Provinz schildert.
Der Vorsitzende derIsraelitische Religionsgemeinschaft BadenRami Suliman lobte als Reaktion auf Tendenzen, den Etat des Beauftragten zu kürzen, im Oktober 2021 Blumes „hervorragende, unverzichtbare Arbeit“ als Antisemitismusbeauftragter. Als Beispiel nannte er das erfolgreiche Aufmerksammachen auf das Fortbestehen der Entfernungen von jüdischen Namen auf derBuchstabiertafel seitens der Nationalsozialisten.[12]
DasSimon-Wiesenthal-Center warf Blume Ende Dezember 2021 vor, antisemitische Akteure und Positionen zu unterstützen oder nur unzureichend gegen diese vorzugehen, anstatt sie zu bekämpfen, und nannte Blume im Punkt Deutschland, das auf Platz sieben der Top-Ten-Liste des globalen Antisemitismus 2021 aufgeführt wurde. Blume habe etwa mehrfach in sozialen Medien Unterstützung für antisemitische bzw. antijüdische und antiisraelische Positionen signalisiert und entsprechende Beiträge weiterverbreitet. Außerdem dulde er in seiner Funktion als Antisemitismusbeauftragter Partnerschaften baden-württembergischer Städte mit iranischen Städten, deren Verwaltung zur Vernichtung des Staates Israel aufgerufen habe.[23][24] Die beiden in Baden-Württemberg ansässigen jüdischen Landesgemeinden, die Israelitische Religionsgemeinschaft Baden und dieIsraelitische Religionsgemeinschaft Württembergs, wiesen die Einschätzung des Simon-Wiesenthal-Centers zurück, undBarbara Traub, Vorstandssprecherin der IRG Württembergs, teilte mit: „Wir kennen Dr. Michael Blume bereits seit fast zwei Jahrzehnten als einen außergewöhnlich engagierten und ausgesprochen kompetenten Kämpfer gegen Antisemitismus jeder Form, als einen Freund der jüdischen Gemeinschaft.“[24] In einer gemeinsamen Erklärung der beiden israelitischen Gemeinschaften heißt es: „Wie das Simon Wiesenthal Center – ohne mit den Gemeinden vor Ort überhaupt Kontakt zu suchen – auf die Idee kommt, einen derart ausgewiesenen Freund Israels und der Jewish Community auf eine Liste mit Antisemiten zu setzen, ist uns vollkommen unverständlich.“[25]
DerZentralrat der Juden in Deutschland stellte sich hinter Blume und nannte die Vorwürfe „absurd“.[26] DieOrthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland teilte mit, „[d]ie Entscheidung hinterlasse große Fragezeichen“.[27] Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann äußerte, es gebe „keinen Grund, an der Integrität unseres Antisemitismusbeauftragten Michael Blume zu zweifeln“. Auch der baden-württembergische InnenministerThomas Strobl drückte seine Unterstützung für Blume aus und sagte, er könne sich „keine bessere Person“ für die Aufgabe des Antisemitismusbeauftragten vorstellen.[28] Die Kontroverse ist eng mit einer heftigen Twitter-Auseinandersetzung mit dem KorrespondentenBenjamin Weinthal vonThe Jerusalem Post verknüpft.[29] In einer im Juli 2021 im BlogScilogs von Spektrum.de veröffentlichten Entgegnung erklärt Blume gegenüber seinem Kontrahenten: „Sie haben Beschimpfungen, Drohungen und “Fristsetzungen” auch am Sonntag und Schabbat übersandt und es letztlich nur geschafft, die Reputation der Jerusalem Post und eines Wiesenthal-Zentrums in Jerusalem zu beschädigen.“[30]
Im Juli 2022 erhielt Blume dieOtto-Hirsch-Auszeichnung durch dieIsraelitische Religionsgemeinschaft Württembergs und die LandeshauptstadtStuttgart.[31]
Am 14. Dezember 2022 entschied dasLandgericht Frankfurt am Main, dassTwitter zahlreiche „Falschaussagen“ über Blume zu löschen habe.[32] Twitter legte Berufung ein und gewann vor dem OLG Frankfurt im Juni 2024. Mit seinem Urteil gab das OLG der Berufung der Plattform Twitter (heute X) statt und wies das Unterlassungsbegehren des Antisemitismusbeauftragten in zweiter und im Eilverfahren letzter Instanz ab.[33]
Im Januar 2023 veröffentlichte dasLandgericht Hamburg ein Urteil, nach dem Blume als „antisemitisch“ bezeichnet werden darf. Dies sei eine „zulässige Meinungsäußerung“, entschied die Pressekammer des Hamburger Landgerichts und gab damit dem Hamburger RechtsanwaltJoachim Steinhöfel, der das in einem Tweet behauptet hatte, in einem Prozess gegen den KurznachrichtendienstX recht. Steinhöfel hätte damit auf eine Äußerung Blumes reagiert, in der er eine deutsche Jüdin mit dem Nazi-MassenmörderAdolf Eichmann auf eine Stufe gestellt und den britischen OffizierOrde Wingate, der in Israel als „Vater derIsraelischen Streitkräfte“ gelte, als Kriegsverbrecher bezeichnet habe. Im September 2022 schrieb Steinhöfel: „Baden-Württemberg leistet sich einen antisemitischen Antisemitismusbeauftragten“. Der Kurznachrichtendienst löschte daraufhin Steinhöfels Nachricht, worauf dieser erfolgreich Beschwerde einlegte.[34] Blume selbst war nicht Partei in diesem Prozess.
Das EU-Büro derKirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage („Mormonen“) ehrte Blume anlässlich des Internationalen Tags der Familie am 15. Mai 2024 mit ihrerAuszeichnung für Verdienste um die Werte der Familie. Blume habe sich um den Schutz gefährdeter Menschen und um die Bekämpfung des Antisemitismus in Europa verdient gemacht.[35][36]
Personendaten | |
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NAME | Blume, Michael |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Religions- und Politikwissenschaftler, Antisemitismusbeauftragter |
GEBURTSDATUM | 20. Juni 1976 |
GEBURTSORT | Filderstadt,Deutschland |