Marie Torhorst (*28. Dezember1888 inLedde,Westfalen; †7. Mai1989 inOst-Berlin) war einedeutschePolitikerin (KPD/SED) undPädagogin.
Marie Torhorst erwarb ihre Hochschulreife am Oberlyzeum und LehrerinnenseminarStift Keppel in Allenbach, studierteGeographie,Mathematik undPhysik an derUniversität Bonn sowieBetriebs- undVolkswirtschaftslehre an derUniversität zu Köln. In Bonn promovierte sie 1918 beiHans Hahn zum Dr. phil.; ihre Dissertation trug den Titel „Über die Randmenge einfach-zusammenhängender ebener Gebiete“. Ein Ergebnis der Arbeit ist das Torhorst-Theorem.[1]
Danach hatte sie als Anhängerin der sozialistischen Idee Schwierigkeiten, eine dauerhafte Anstellung zu finden. Nachdem sie nebenberuflich als Lehrerin in Bonn gearbeitet hatte, ließ sie sich zur Handelslehrerin weiterbilden und übernahm 1923 die Leitung einer privaten Handelsschule des Frauenerwerbs- und Ausbildungsvereins inBremen. Mit gleichgesinnten Lehrerkollegen richtete Torhorst Abendkurse für Jugendliche ein, die man aus derVolksschule entlassen hatte.
Marie Torhorst trat 1928 der Allgemeinen Freien Lehrergewerkschaft Deutschlands sowie derSPD bei, in der sie sich auf die Seite der internen Opposition schlug. Von 1929 bis 1933 unterrichtete Torhorst als Studienrätin an der vonFritz Karsen geleitetenKarl-Marx-Schule in Berlin-Neukölln, einerreformpädagogisch geprägtenModellschule, in der unter anderen auch begabte Arbeiterkinder das Abitur machen konnten.
Ein Studienaufenthalt in derUdSSR 1932 hinterließ einen bleibenden Eindruck bei ihr. Schon länger am Schulsystem der Sowjetunion interessiert, stellte sie nun ihr politisches und erzieherisches Wirken auf die Basis dermarxistisch-leninistischen Ideologie.
Während der Zeit des Nationalsozialismus arbeitete sie zunächst als Küchenhilfe und kaufmännische Angestellte. Im Herbst 1943 kam sie wegen des Versteckens eines jüdischen Kommunisten für einige Monate in einArbeitslager beiWatenstedt (Salzgitter). Anschließend kehrte sie nach Berlin zurück und arbeitete im Archiv der Deutschen Gesellschaft für Betriebswirtschaft, dann bis Ende April 1945 bei der Betreuung deutscher Kriegsgefangener in der Reichsgruppe Handwerk.
Nach dem Ende desZweiten Weltkrieges trat Torhorst zunächst in dieKPD ein, nach derZwangsvereinigung von SPD und KPD zur SED 1946 war sie Mitglied derSED.
Bis 1947 leitete sie eine Abteilung im SED-Zentralsekretariat, dann wurde sie zurThüringerMinisterin für Volksbildung berufen, womit sie zur ersten Ministerin in der ostdeutschen Kabinettsgeschichte wurde.[2] Dieses Amt übte sie von 1947 bis 1950 aus. Danach arbeitete sie kurzzeitig als politische Sekretärin in derInternationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF) in Berlin. 1952 wird sie Abteilungsleiterin für kulturelle Verbindung mit dem Ausland im Volksbildungsministerium. Von 1958 bis 1965 lehrte sie amDeutschen Pädagogischen Zentralinstitut, ab 1962 auch als Professorin. Ehrenamtliche stellvertretende Vorsitzende desDemokratischen Frauenbunds Deutschlands (DFD) war sie 1957 bis 1960.
Seit 1953 war Marie Torhorst unter dem Decknamen „Sofie“ Geheime Mitarbeiterin (GM) bzw. Geheime Informantin (GI) der Hauptabteilung V/4 derStaatssicherheit der DDR. Ihre familiären Beziehungen in der Bundesrepublik Deutschland und häufige Reisen in das westliche Ausland waren dabei von besonderem Interesse. So gehörten zu den Personen, über die sie Berichte lieferte, ihr CousinRudolf Smend undWolfgang Leonhardt.[3] 1986 äußerte sie zurTeilung Deutschlands und zurinnerdeutschen Grenze:[4] „Am 13. August 1961 wurde unserantifaschistischer Schutzwall an der Staatsgrenze in Übereinstimmung mit den Staaten des Warschauer Vertrages errichtet. [...] Als [die westdeutschen Politiker] dagegen angehen wollten, stießen sie auf den unüberwindlichen Widerstand unsererKampfgruppen und aller bewaffneten Kräfte. Da es sich hier um eine Grenze zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Weltsystem handelt, muß sie besonders sorgfältig gesichert werden. Das geschieht seit vielen Jahren durch unsereGrenztruppen [...]“
Marie Torhorst wurde neben ihrer Schwester Adelheid auf dem FriedhofLehnitz (Kreis Oberhavel), Breitscheidstraße 56 beigesetzt.
Marie Torhorst erhielt in der DDR zahlreiche Auszeichnungen, darunter 1973 die Ehrenspange zumVaterländischen Verdienstorden in Gold,[5] 1978 denKarl-Marx-Orden[6] und 1988 denGroßen Stern der Völkerfreundschaft.[7] Darüber hinaus wurde die 1982 gegründeteTorhorst-Gesamtschule in Oranienburg nach ihr und ihrer Schwester Adelheid benannt.
Der Vater Arnold Torhorst (1841–1909) warprotestantischerPfarrer und verheiratet mit Luise Smend (1847–1923), das Paar hatte vier Söhne und drei Töchter. Marie Torhorst und ihre sechs Geschwister wuchsen inLedde imTecklenburger Land auf. Später lebte Marie Torhorst in enger Gemeinschaft mit ihrer SchwesterAdelheid Torhorst (1884–1968); beide blieben unverheiratet und kinderlos. Marie war eine Tante von Käthe Hanna Luise Torhorst (1911–2019), Frau desHasso von Boehmer. Ein Teil des auch die unterschiedlichen politischen Einstellungen beider Frauen darstellenden Briefwechsels zwischen Marie und Käthe aus der Zeit nach 1945 ist erhalten.
ImBundesarchiv unter „SAPMO SgY 30/0944“ und „DC 20 I/4/311“
Personendaten | |
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NAME | Torhorst, Marie |
KURZBESCHREIBUNG | deutsche Politikerin (SPD, SED), MdV und Pädagogin |
GEBURTSDATUM | 28. Dezember 1888 |
GEBURTSORT | Ledde |
STERBEDATUM | 7. Mai 1989 |
STERBEORT | Ost-Berlin |