Maria Callas trat in vielen Rollen auf. Ihr Repertoire umfasste 43 vollständige Partien sowie Arien aus weiteren 34 Opern. Dabei reichte ihr Stimmumfang vom fis in VerdisSizilianische Vesper bis zum f3 in RossinisArmida. Neben dem Tonumfang von fast drei Oktaven besaß ihre Stimme große Biegsamkeit. Callas beherrschte alle stimmlichen Tontechniken desBelcanto-Gesangs.
Das Haus in Athen, in dem Maria Callas von 1937 bis 1945 lebteMaria Callas mitNicola Rescigno imConcertgebouw, Amsterdam, 1959, Aufnahme von Ben van Meerendonk
Maria Callas wurde am 2. oder 3.[2] Dezember 1923 im New Yorker StadtteilWashington Heights als zweite Tochter von George Kalogeropoulos (1881–1972) und Elmina Evangelia Dimitriadou (1894–1982) geboren. Die Eltern waren griechische Einwanderer ausMeligalas.[3] Ihr älterer Bruder Vassilios[3] war in Griechenland anTyphus[3] gestorben. Die Familie lebte zu diesem Zeitpunkt seit sechs[3] Monaten in den USA. Der Vater änderte 1929 den Familiennamen inCallas, nachdem er 1927[3] im griechischen Viertel vonManhattan eine wenig einträgliche Apotheke eröffnet hatte.[3] 1937 ging Maria Callas nach der Trennung ihrer Eltern mit Mutter Evangelia und Schwester Yakynthy (bzw. Iacinthy, genannt „Jackie“[3][2]) nachAthen.
Ihren ersten öffentlichen Auftritt hatte sie am 11. April 1938. Am 2. April 1939 war sie die Santuzza inCavalleria rusticana[2] vonPietro Mascagni. Diese beiden Debütauftritte fielen in die Zeit, als sie noch amAthener Konservatorium bei Maria Trivella[3] studierte. Ab Anfang 1938 studierte sie Gesang beiElvira de Hidalgo,[3] ebenfalls am Konservatorium von Athen. Am 28. Oktober 1940 begann in Griechenland derZweite Weltkrieg. Den ersten professionellen Auftritt gab sie im Februar 1941 als Beatrice inBoccaccio vonFranz von Suppè.[2] Am 27. August 1942 sang sie an der Nationaloper von Athen die Partie derTosca,[2] im April 1944 übernahm sie erstmals die Rolle der Marta inTiefland.[3] Bei der griechischen Erstaufführung vonFidelio imTheater des Herodes Attikus[3] am 14. August 1944[3] übernahm sie die Titelrolle. Im September 1945 reiste sie zu ihrem Vater in die USA.[2] 1946/1947 arbeitete sie mit dem AgentenEddie Bagarozy[2] zusammen. Nach dem Konkurs des Veranstalters Bagarozy inChicago kehrte sie im Juni 1947 noch vor der Premiere nach Europa zurück und lernte inVerona den italienischen UnternehmerGiovanni Battista Meneghini kennen. In Verona gab sie am 2. August 1947 ihr italienisches Debüt alsGioconda in der gleichnamigen Oper vonAmilcare Ponchielli. Dabei begann auch ihre erfolgreiche Zusammenarbeit mit dem DirigentenTullio Serafin.[2]
Am 30. November 1948 sang sie amTeatro Communale di Firenze den Part derNorma in der gleichnamigen Oper vonVincenzo Bellini.[2] Am Tag nach ihrer Heirat mit Meneghini am 21. April 1949 in Verona ging Callas, nun mit dem italienischen Pass, ansTeatro Colón inBuenos Aires. Weitere Tourneen nach Lateinamerika führten sie nachMexiko-Stadt,São Paulo undRio de Janeiro.[2] 1951 überwältigte Callas alsAida imPalacio de Bellas Artes das mexikanische Publikum. Das Ende der Siegerszene im 2. Akt beschloss sie, abweichend von derPartitur, mit einem glasklaren es3. „Das Publikum drehte durch“, beschrieb die PlattenfirmaEMI die Reaktion. Die historische Aufnahme ist erhalten und wurde in den 1990er Jahren alsAida Live 1951 von EMI als CD herausgegeben.
Am 14. Januar 1951 stand sie erneut auf der Bühne des Teatro Communale di Firenze, diesmal in der Rolle der Violetta inLa traviata vonGiuseppe Verdi. Ab dem 7. Dezember 1951 war sie dann an der MailänderScala als Elena in VerdisI vespri siciliani zu sehen und zu hören. Ab 1954 sollte aus dem Zusammentreffen mitLuchino Visconti[2] eine kontinuierliche Zusammenarbeit erwachsen. 1956 ging Callas an dieMetropolitain Opera (Met) in New York. Ein Auftritt am 2. Januar 1958 endete alsFiasko, als Callas ihren Vortrag im ersten Akt wegen angeschlagener Gesundheit abbrach.[2] Ihr Verhältnis zurIntendanz der Met und der Scala war von Streit getrübt. Im November und Dezember 1958 folgten deshalb Verträge mit dem Lyric Theatre in Chicago und ein Gastspiel in Paris.
Im Juli 1959 wurde Maria Callas durchElsa Maxwell mitAristoteles Onassis bekannt gemacht und begann kurz darauf eine Liebesaffäre mit dem griechischen Milliardär. Diese führte 1959 zur Scheidung ihrer Ehe mit Giovanni Battista Meneghini und 1960 zur Scheidung Onassis’ von seiner damaligen EhefrauAthina Livanos.[4] Am 18. März 1966 hatte Maria Callas dafür auf dieUS-amerikanische Staatsbürgerschaft verzichtet.[2] Fortan war sie griechische Staatsbürgerin. 1968 endete die Beziehung zu Onassis.[2] Auch nach Onassis’ Eheschließung mitJacqueline Kennedy 1968 wurden er und „die Callas“ in den 1970er Jahren wiederholt in der Öffentlichkeit zusammen gesehen.
In den Jahren 1960 bis 1963 trat Maria Callas nur wenig auf. Am 21. Januar 1964 wagte sie die Rückkehr auf die Opernbühne inFranco Zeffirellis Neuinszenierung vonTosca amCovent Garden in London.[2] 1969 spielte Maria Callas für 65.000 USD[5] die Rolle derMedea imgleichnamigen Film vonPier Paolo Pasolini. Ihre gute finanzielle Situation erlaubte es ihr, sich ihre Wohnung an derAvenue Georges-Mandel[5] in Paris durch den Dekorateur Georges Grandpierre[5] glanzvoll einrichten zu lassen. Von 1971 bis 1972 unterrichtete sie zeitweilig ausgewählteMeisterklassen an derJuilliard School in New York.[2] Zusammen mit ihrem früheren musikalischen PartnerGiuseppe Di Stefano versuchte sie einComeback in mehrerenRezital-Tourneen. Am 11. November 1974 trat sie inSapporo zum letzten Mal öffentlich auf.[2] Am 15. März 1975 wachte sie am Totenbett von Onassis inNeuilly-sur-Seine.[5]
Gedenktafel am Urnengrab der Callas auf dem FriedhofPère-Lachaise
Maria Callas hat ein bedeutendes musikalisches Erbe hinterlassen. Von 1952 an bis zu ihrem Abschied von den Opernbühnen mit derTosca-Aufführung am 5. Juli 1965 im Royal Opera House Covent Garden in London hat sie, exklusiv fürEMI, viele ihrer großen Partien aufSchallplatten aufgenommen.Ihre Aufnahme vonTosca mit Giuseppe Di Stefano undTito Gobbi als Partner unterVictor de Sabata wird noch heute als eine der besten Opern-Einspielungen überhaupt angesehen. Insgesamt gibt es über ein Dutzend Studioaufnahmen verschiedener Opern. Darüber hinaus existieren Live-Mitschnitte von Opernaufführungen und mehrere Rezitals. Maria Callas wird als unerreichte „Primadonna assoluta“ des 20. Jahrhunderts gesehen. In den 1950er und 1960er Jahren war ihr Primat nicht unbestritten. Manche Medien und Opernliebhaber, besonders in Italien, bevorzugten die knapp zwei Jahre ältere ItalienerinRenata Tebaldi, die zwar hinsichtlich Stimmvolumen, Ausdruckskraft und Gesangstechnik nicht mit ihr mithalten konnte, aber über eine angenehmere, wärmere Stimme verfügte, wobei Maria Callas als „Tigerin“ und Tebaldi als „Engel“ oder „Taube“ apostrophiert wurde.
„Das andere Beispiel ist natürlich dieMedeaCherubinis (nehmen wir dieScala-Aufführung unterLeonard Bernstein 1953). Wenn Callas das bereitete Schlachtfeld des dritten Aktes betritt (»Numi, venite a me, inferni dei!«), dann lernen wir als fassungslose Zuhörer, auch wenn wir nicht Zuschauer waren, was es heißt, in der Oper des 18. und frühen 19. JahrhundertsRezitative zu singen, und wenn sie nur dieses und das dem Finale vorausgehende Rezitativ hinterlassen hätte, sie würde allein dadurch zu den größten Erscheinungen dramatischen Gesangs aller Zeiten zählen […] Ich neige nicht zu Übertreibungen, aber ich muss bei aller Abwehr der kritiklosen Callas-Verhimmelung gestehen, daß es in der Geschichte der Aufzeichnung des menschlichen Gesanges nichts Atemberaubenderes gibt als diesen dritten AktMedea. Hier sang jemand um sein Leben, und wenn man die Callas nach diesem Abend tot von der Bühne getragen hätte, mich würde es nicht wundern. Das ist eine Selbstentäußerung, das ist vokaler Wahnwitz in einem Grade, der jede Kritik verstummen läßt, ja jede fachmännische Beurteilung nebensächlich erscheinen läßt. So darf man einfach nicht singen, so darf man sich nicht auf der Bühne selbst verbrennen, möchte man als Hörer einwenden, aber man bringt kein Wort heraus. Das Gift, das MedeaGlauce mit Diadem und Gewand eingibt, das zerfrißt gleichzeitig die Stimmbänder ihrer Interpretin, und der Gott des Gesanges, wenn es denn einen gibt, hat das Opfer, das ihm da gebracht wurde, nicht gnädig angenommen.“
In der Vorhalle der U-Bahn-Station Megaro Mousikis der Athener U-Bahn befindet sich eine große Abbildung von Maria Callas.
Am 27. Juni 2023 brachte die griechischeZentralbank aus Anlass des hundertsten Geburtstages der Künstlerin eine2-Euro-Gedenkmünze mit einer Auflage von 750.000 Stück heraus, die Maria Callas im Profil zeigt.
Nur wenige Auftritte von Callas sind als Film dokumentiert, so Ausschnitte ausTosca vom 25. November 1956 in New York (mitGeorge London als Scarpia und dem NBC-Orchester unterDimitri Mitropoulos), ihr Debüt in Paris 1958, beide Konzerte in Hamburg (1959 und 1962) sowie die Konzerte imRoyal Opera House in Covent Garden (1962 und 1964). Außerdem gibt es sehr kurze Ausschnitte ausNorma undLa traviata sowie denMedea-Film von Pasolini.
Callas stand von 1949 bis 1965 insgesamt 540 Mal in 42 Partien auf der Opernbühne, das erste Mal als Santuzza in einer Studentenaufführung vonCavalleria rusticana am 2. April 1939. Auf einer professionellen Bühne sang sie zum ersten Mal in Athen am 27. August 1942 die Tosca. In dieser Rolle verabschiedete sie sich auch am 5. Juni 1965 in London von der Opernbühne. Konzertante Opern-Darbietungen sind bei diesen Aufstellungen nicht enthalten.[13]
Mit Abstand am häufigsten trat sie als Norma auf (91-mal), es folgen Violetta (57-mal), Lucia (40-mal), Tosca (32-mal), Medea (29-mal), Aida (26-mal), Turandot (24-mal), Amina (22-mal), Leonora inTrovatore (21-mal), Elvira in denPuritani (16-mal), La Gioconda und Santuzza (13-mal), Isolde (12-mal), Anna Bolena und Elena inI vespri siciliani (11-mal).
John Ardoin:Maria Callas und ihr Vermächtnis. Aus dem Englischen vonTilmann Waldraff. Noack-Hübner, München 1979,ISBN 3-88453-002-X (Originaltitel s. u.).
John Ardoin (Hrsg.):Maria Callas: Meine Meisterklasse. Ein Übungsbuch für Sänger mit zahlreichen Notenbeispielen. Aus dem amerikanischen Englisch von Olaf Matthias Roth. Henschel, Berlin 2002,ISBN 3-89487-444-9 (Transkript der Meisterkurse an der New Yorker Juilliard School mit 25 Sängerinnen und Sängern).
Jens Malte Fischer:Große Stimmen. Von Enrico Caruso bis Jessye Norman (=Suhrkamp-Taschenbuch. 2484). Lizenzausgabe. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1995,ISBN 3-518-38984-X.
Nicholas Gage:Griechisches Feuer. Maria Callas und Aristoteles Onassis. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann. Blessing, München 2001,ISBN 3-89667-136-7 (Originaltitel s. u.).
Stelios Galatopoulos:Maria Callas. Die Biographie. Aus dem Englischen von Manfred Ohl und Hans Sartorius. S. Fischer, Frankfurt am Main 2001,ISBN 3-10-024413-3.
Gunna Wendt:Maria Callas oder Die Kunst der Selbstinszenierung. Henschel, Leipzig 2006,ISBN 3-89487-537-2.
in französischer Sprache
Anne Edwards:Maria Callas intime (=J’ai lu. Biographie. Nr. 7731). Traduit de l’anglais par Marie-Claude Elsen. J’ai lu, impr. Paris 2005,ISBN 2-290-33777-3 (Originaltitel s. u.).
Jacques Lorcey:L’art de Maria Callas. Éditions Atlantica, Biarritz 1999,ISBN 2-84394-168-7.
Jacques Lorcey:Immortelle Callas. Éditions Séguier, Paris 2002,ISBN 2-84049-348-9.
in englischer Sprache
John Ardoin:The Callas Legacy. Duckworth, London 1977,ISBN 0-7156-0975-0.
Anne Edwards:Maria Callas. An Intimate Biography. St. Martin’s Press, New York NY 2001,ISBN 0-312-26986-2.
Nicholas Gage:Greek Fire. The Story Of Maria Callas and Aristotle Onassis. Warner Books, New York NY 2001,ISBN 0-446-61076-3.
Stelios Galatopoulos:Maria Callas. Sacred Monster. Simon and Schuster, New York NY 1998,ISBN 0-684-85985-8.
David A. Lowe (Hrsg.):Callas, As They Saw Her. Ungar Publishing Company, New York NY 1986,ISBN 0-8044-5636-4.
Nicholas Petsalis-Diomidis:The Unknown Callas. The Greek Years (=Opera Biography Series. 14). Amadeus Press, Portland OR 2001,ISBN 1-57467-059-X.
Nadia Stancioff:Maria. Callas Remembered. An Intimate Portrait of the Private Callas. E. P. Dutton, New York NY 1987,ISBN 0-525-24565-0 (deutsch:Callas. Biographie einer Diva. Schweizer Verlags-Haus, Zürich 1988,ISBN 3-7263-6571-0 bzw. (=Bastei-Lübbe-Taschenbuch. 61202). Lübbe, Bergisch Gladbach 1991,ISBN 3-404-61202-7).
Terrence McNally:Master Class. Deutsch (Meisterklasse) von Inge Greiffenhagen und Bettina von Leoprechting. Das Stück und sein Autor erhielten dafür 1996 denTony Award.
Wolfgang Schukraft:Maria und die Callas. Uraufführung: 16. März 2017 in der Theaterei Herrlingen.[14]
Callas Assoluta. Dokumentarfilm, Frankreich 2007, 98 Min., Regie: Philippe Kohly. Produktion: Swan Productions, ARTE France.Inhaltsangabe bei 3sat,Video bei YouTube.
↑Arianna Stassinopoulos:Maria. Beyond the Callas Legend. 1980, S. 103.
↑abcdefghijklmnopqGunna Wendt:Meine Stimme verstörte die Leute – Diva assoluta Maria Callas. Lebensdaten. Albrecht Knaus Verlag, München 2006,ISBN 978-3-8135-0237-4,S.227–231.