Jules Maigret ist eineliterarische Figur desbelgischen SchriftstellersGeorges Simenon. Er ist die Hauptfigur in75 Romanen und 28 Erzählungen, die Simenon in einem Zeitraum von über 40 Jahren verfasste. DieKriminalromane werden auch alsMaigret-Romane bezeichnet, in Abgrenzung zu SimenonsNon-Maigret-Romanen, die andere Hauptfiguren haben und oft nicht dem Genre der Kriminalliteratur zuzurechnen sind. Anders als beim klassischenWhodunit liegt der Fokus in den Maigret-Romanen weniger auf der Ermittlung des Täters als auf dem psychologischen Motiv hinter der Tat.
Maigret ist einKommissar der PariserKriminalpolizei mittleren Alters mit stämmiger Figur, der gerne isst, trinkt und Pfeife raucht. Typisch für ihn sind seine unerschütterliche Ruhe, sein Einfühlungsvermögen bei der Aufklärung eines Verbrechens und sein Verständnis für die Täter, das ihn nicht über deren Taten urteilen lässt. Zahlreiche Schauspieler verkörperten die Figur in Filmen und Fernsehserien. Erdacht hat Simenon seinen Protagonisten nach eigenen Angaben 1929 in einem Café imniederländischenDelfzijl.
In den 1920er Jahren war Georges Simenon ein äußerst produktiver Autor vonGroschenromanen und Kurzgeschichten aus verschiedenen Genres derTrivialliteratur, die er unter einer Vielzahl vonPseudonymen publizierte. Bevorzugt schrieb er an Bord zweier Boote, mit denen er 1928 die Flüsse und Kanäle Frankreichs und im Folgejahr die Atlantikküste über Belgien, die Niederlande bis zur Ostsee bereiste. Auf diesen Reisen entwickelte Simenon zum ersten Mal die Figur Maigret, die ihn berühmt machen sollte.[1]
Simenon beschrieb später, dass sein Boot, dieOstrogoth, im Winter 1929/1930 im Hafen von Delfzijl, einer Stadt der nördlichen Niederlande, vor Anker lag. Er selbst saß an einem sonnigen Vormittag in einem Café und hatte etwas getrunken: „Jedenfalls sah ich nach einer Stunde, ein wenig schläfrig, allmählich die mächtige, unbewegliche Statur eines Mannes sich abzeichnen, der mir einen rechten Kommissar abzugeben schien.“ Simenon stattete die Figur mit verschiedenen Requisiten aus: „eine Pfeife, eine Melone auf dem Kopf, einen dicken Überzieher mit Samtkragen. Und weil es in meinem verlassenen Boot so feucht-kalt war, genehmigte ich ihm für sein Büro einen altenKanonenofen.“ Bereits am nächsten Tag habe Simenon das erste Kapitel des ersten Maigret-RomansPietr-le-Letton geschrieben, der wenige Tage später fertiggestellt war.[2]
Im Widerspruch zu diesen Aussagen entschlüsselte die Simenon-Forschung, dassPietr-le-Letton zwar der zuerst geschriebene der heute bekannten 75 Maigret-Romane war, dass die Figur Maigret allerdings bereits in vier zuvor entstandenen und unter Pseudonym veröffentlichten Romanen einen unterschiedlich langen Auftritt hatte, so inL’amant sans nom als namenloser, massiger, Pfeife rauchenderDetektiv N. 49 und inTrain de nuit erstmals als ruhiger und die Verbrecher verstehender Kommissar mit dem Namen Maigret. InLa femme rousse stand Maigret noch ganz im Schatten seines Assistenten Torrence, und erst inLa maison d’inquiétude avancierte er erstmals zur Hauptfigur. Entgegen Simenons Erinnerung war esTrain de nuit[3] oderLa maison d’inquiétude,[4] der in Delfzijl entstand, allerdings bereits im September 1929, wohingegenPietr-le-Letton vermutlich erst im Frühjahr/Sommer 1930 in Paris fertiggestellt wurde.Pietr-le-Letton bildete auch nicht den Auftakt der erfolgreichen Serie, denn Simenons Verlag Fayard ließ den Autor einige Bände vorab fertigstellen und eröffnete die Maigret-Reihe im Februar 1931 mit zwei später geschriebenen Büchern:Monsieur Gallet, décédé undLe Pendu de Saint-Pholien.[5]
Die Maigret-Romane waren die ersten Werke, die Simenon nicht unter Pseudonym, sondern unter seinem Realnamen veröffentlichte. Trotz ihres großen Erfolgs ließ Simenon die Reihe 1934 nach neunzehn Romanen auslaufen. Im abschließenden Band mit dem schlichten TitelMaigret (deutsch:Maigret und sein Neffe) befand sich der Kommissar bereits im Ruhestand. Simenon, der nach eigenen Worten die Maigrets als „halbliterarische Romane“, als „Sicherheitsnetz“ auf dem Sprung zu wirklicher Literatur betrachtete, wandte sich von 1934 an ausschließlich denNon-Maigret-Romanen zu, mit denen er sich als ernsthafter Literat einen Namen machen wollte.[6] Doch bereits vier Jahre später erschienen die ersten Maigret-Erzählungen in verschiedenen Zeitungen. 1942 kehrte Simenon endgültig in Form eines Sammelbandes unter dem TitelMaigret revient (Maigret kehrt zurück) mit Romanen zu seiner populärsten Schöpfung zurück. Von da an entstanden die Maigret- und Non-Maigret-Romane in ständigem Wechsel, bis sich Simenon 1972 endgültig von den fiktionalen Werken zurückzog. Sein letzter Roman war noch einmal ein Maigret-Roman:Maigret et Monsieur Charles.
Oft wird die Maigret-Reihe nach ihrer Entstehungszeit in verschiedene Perioden untergliedert. Stanley G. Eskin unterscheidet nach den drei Verlagen, in denen Simenon publizierte, den „Fayard-Maigret“ der ersten 19 Romane, den „Gallimard-Maigret“ der Jahre während desZweiten Weltkriegs sowie den „Presses-de-la-Cité-Maigret“ nach Simenons Übersiedlung nach Amerika.[7] Josef Quack trennt die letzte Phase noch einmal in zwei Perioden, in deren erster der Detektivroman noch eng mit dem psychologischen Roman verknüpft ist, während die Romane der letzten Periode mit ihren allgemeinen Fragen nach Schuld und Verbrechen kaum noch den Prinzipien eines Kriminalromans gehorchen.[8]
Über die Jahre hinweg schlichen sich in die Maigret-Reihe eine ganze Reihe von Unstimmigkeiten ein, die bis zu unterschiedlichen Vornamen und Geburtsdaten des Protagonisten reichten.[9] Laut Simenons Biograf Fenton Bresler waren die Romane zuweilen „schlampig konzipiert“. So wird bereits im ersten Roman der SeriePietr-le-Letton Maigrets Gehilfe Torrence getötet, was Simenon nicht daran hinderte, ihn in den Folgeromanen wieder an Maigrets Seite zu gesellen. Simenon gab später zu, dass er schlicht vergessen hatte, dass Torrence bereits gestorben war.[10] InMaigrets Memoiren nimmt Simenon seine Fehler selbstironisch aufs Korn und lässt Maigret berichten: „Auf einem Regalbrett meiner Bibliothek stehen Simenons Bücher. Ich habe darin alles, was nicht stimmt, geduldig mit Blaustift angestrichen […]. Was mich vielleicht am meisten irritiert hat, ist seine Unart, Daten zu verwechseln“.[11]
Maigret heißt mit Vornamen Jules. In späteren Ausschmückungen – oder wie Stanley G. Eskin anmerkt „aus auktorialer Vergeßlichkeit“ – wurden weitere Vornamen hinzugefügt.[12] So lautet sein vollständiger Name inMaigrets erste Untersuchung Jules Amédée François Maigret,[13] inMaigret und sein Revolver dagegen Jules-Joseph Anthelme Maigret.[14] Maigrets Geburtsdatum lässt sich aus drei Romanen unterschiedlich bestimmen. InMaigret und der verstorbene Monsieur Gallet ist er am 27. Juni 1930 45 Jahre alt,[15]Maigrets erste Untersuchung datiert den jungen Polizisten am 15. April 1913 auf 26 Jahre.[16] Zu einem völlig anderen Geburtsjahr führt schließlich der RomanMaigret und der einsame Mann, der im August 1965 spielt und in dem Maigret „bald fünfundfünfzig wurde“.[17] Die widersprüchlichen Angaben über Maigrets Alter im Verlauf der Serie haben verschiedene Maigret-Forscher in Chronologien zu glätten versucht.[18][19][20]
Maigret wurde im Verwalterhaus des Schlosses Saint-Fiacre nahe der StadtMoulins imDépartement Allier geboren. Sein Vater Évariste Maigret war dreißig Jahre lang der Verwalter des Schlosses. InMaigret und die Affäre Saint-Fiacre kehrt Maigret an seinen Geburtsort zurück und muss den Niedergang des gräflichen Anwesens miterleben.[21] Als reales Vorbild der fiktiven Ortschaft Saint-Fiacre diente SimenonParay-le-Frésil, das er 1931 als Privatsekretär des Marquis d’Estutt de Tracy kennengelernt hatte.[22] Maigret besuchte dasLycée Banville in Moulins.[23] Seine Mutter starb an Komplikationen bei der Geburt ihres zweiten Kindes, als Maigret acht Jahre alt war. Der Junge lebte danach bei seiner Tante inNantes, wo er zwei Jahre Medizin studierte. Als sein Vater mit 44 Jahren an Brustfellentzündung starb, brach Maigret das Studium ab und ging nach Paris, um Geld zu verdienen.[24] Davon abweichend ist inMaigret und Pietr der Lette von einem Medizinstudium an derSorbonne im PariserQuartier Latin die Rede.[25]
Zur Polizei kam Maigret durchInspektor (im Original:Inspecteur de police) Jacquemain, einen Zimmernachbarn in seiner Pariser Pension. Er rief im jungen Maigret seinen ewigen Kindheitstraum wach, in denQuai des Orfèvres, das Hauptquartier der Pariser Kriminalpolizei, zu gelangen.[24] Doch zuvor musste sich Maigret in der ungeliebten Uniform beimStreifendienst bewähren, bewachte Bahnhöfe und Warenhäuser und durchlief Stationen bei der PariserSitten- undFremdenpolizei.[26] Gefördert wurde Maigret durch Xavier Guichard, den Leiter der Pariser Kriminalpolizei, der mit seinem Vater bekannt war.[27] Tatsächlich hieß der echte Leiter der Pariser Kriminalpolizei Xavier Guichard, und er hatte Simenon nach dem Erfolg seiner ersten Romane zu einem Informationsbesuch hinter die Kulissen des Quai des Orfèvres eingeladen.[28]
Maigrets erste Ermittlung wird im RomanMaigrets erste Untersuchung beschrieben. Er ist zu diesem Zeitpunkt 26 Jahre alt, seit vier Jahren bei der Polizei und bekleidet das Amt eines Kommissariatssekretärs auf dem Polizeirevier Saint-Georges im9. Arrondissement. Nachdem Maigret mehr herausgefunden hat, als seinen Vorgesetzten lieb ist, wird er zumInspecteur de police (etwa:Kriminalkommissar /Kriminaloberkommissar) befördert und zur Brigade derPolice judicaire (Kriminalpolizei) von Kommissar (im Original:Commissaire de police) Barodet versetzt.[29] Rund zwanzig Jahre dient Maigret als kleiner Inspektor, bis ihn die Berufung zumCommissaire de police (Kriminalrat) und Leiter derMordkommission ereilt.[30] InMaigret vor dem Schwurgericht, zwei Jahre vor seiner Pensionierung, bekleidet Maigret (in der deutschen Übersetzung) den Rang einesHauptkommissars (eigentlichCommissaire divisionnaire und einenKriminaldirektor meinend).[31] Als Krönung seiner Laufbahn wird ihm inMaigret und Monsieur Charles die Position des „Großen Chefs“, des Leiters der Kriminalpolizei, angeboten, doch er schlägt die Beförderung aus, um weiterhin eigenhändig in die Ermittlungen eingreifen zu können.[32]
In Maigrets Büro steht ein alter gusseiserner Ofen, der als einziger die Installation einer Zentralheizung im Gebäude überstanden hat. Maigret erstritt den Ofen erfolgreich bei der Polizeiverwaltung.[33] Wenn ihm ein anstehender Fall nicht erlaubt, das Essen bei seiner Frau einzunehmen, verbringt der Kommissar die Mittagspausen in der nahegelegenenBrasserie Dauphine. Bei langen Verhören ist es zum Ritual geworden, dass er von dort Bier und Sandwiches in sein Büro anliefern lässt, damit sich Polizisten und Verdächtige gemeinsam stärken. Das reale Vorbild derBrasserie war das CaféAux Trois Marches (Auf drei Stufen) an derPlace Dauphine.[34]
Bei seinen Ermittlungen wird der Kommissar von einem gleich bleibenden Stamm von Inspektoren unterstützt. Besonders eng arbeitet Maigret mit Lucas zusammen, der nach seiner Pensionierung sein Büro übernimmt.[35] Lucas ist ebenfalls untersetzt, aber einen Kopf kleiner und nur halb so breit wie sein Chef. Er neigt dazu, Maigret bis in Kleinigkeiten hin nachzuahmen, so dass er oft wie dessen „Kopie“ wirkt.[36] Auch in einigen Non-Maigret-Romanen verkörpert der zum Kommissar beförderte Lucas die polizeilichen Ermittlungen, so inDer Mann, der den Zügen nachsah. Ebenfalls als „dick“ wird Torrence beschrieben, der die Kriminalpolizei verlässt, um ein eigenes Detektivbüro zu gründen.[35] Dieses Detektivbüro bildet den Hintergrund des Non-Maigret-BandsLes Dossiers de l’Agence O. Zwei jüngere Inspektoren in Maigrets Brigade sind Janvier und Lapointe. Der Spitzname „Kleiner“, den zuerst Janvier trägt, bleibt von seinem ersten Auftritt inMadame Maigrets Freundin an dem jungen Lapointe vorbehalten, für den der kinderlose Kommissar beinahe väterliche Gefühle entwickelt. Kein direkter Untergebener ist der stets missgelaunte Inspektor Lognon alias Inspektor Griesgram aus dem18. Arrondissement, dessen unregelmäßige tragikomische Auftritte sich dennoch im Titel einer Kurzgeschichte und eines Romans niederschlagen (Maigret und Inspektor Griesgram,Maigret, Lognon und die Gangster). Zum Personal gehören weiterhin Moers vomErkennungsdienst und derGerichtsmediziner Dr. Paul.[37]
Als berühmter Kommissar wird Maigret immer wieder in die Provinz gerufen. InMaigret und die alte Dame schaltet sich gar der Justizminister persönlich ein und beordert den Kommissar in dieNormandie. Als Folge einer Strafversetzung verbringt Maigret einen längeren Zeitraum inLuçon imDépartement Vendée, woMaigret im Haus des Richters spielt. InMein Freund Maigret verfolgt Inspektor Pyke vonScotland Yard Maigrets Ermittlungen auf der MittelmeerinselPorquerolles, um die berühmte „Methode“ seines französischen Kollegen kennenzulernen.Maigret und sein Revolver beschreibt den Gegenbesuch des französischen Kommissars inLondon,Maigret in Arizona einen Studienaufenthalt als Gast desFBI in den USA. Bei anderen Gelegenheiten wie inMaigret bei den Flamen ermittelt Maigret privat und nimmt sich am Ende auch heraus, die Schuldigen nicht der Polizei zu überstellen, sondern ihrem Schicksal zu überlassen. InMaigret und die Schleuse Nr. 1 reicht der Kommissar, deutlich vor der Altersgrenze, ein Gesuch zur Versetzung in den Ruhestand ein, dem stattgegeben wird.[38] Auch nach seiner Pensionierung ermittelt Maigret weiter, so inMaigret und sein Neffe,Maigret regt sich auf undMaigret in New York, wo ihn ein Auftrag bis nachNew York führt.
Maigret ist seit Ende 1912[16] verheiratet mit Madame Maigret, wie sie überwiegend in den Romanen bloß genannt wird. Die Eheleute Maigret sprechen sich weder mit Vornamen noch mit Kosenamen an, weil sie sich, wie es inMaigret und das Gespenst heißt, „in gewisser Weise fühlten, als wären sie ein und dieselbe Person.“[39] Wenn er doch einmal genannt wird, gibt es für Madame Maigrets Vornamen unterschiedliche Versionen. In der KurzgeschichteMadame Maigrets Liebhaber heißt sie Henriette,[40] inMaigrets Memoiren Louise und stammt aus derelsässischen Familie Léonard, deren Mitglieder seit Generationen im Straßen- und Brückenbau tätig sind. In den Memoiren wird auch geschildert, wie Maigret seine Frau auf einer Party im Hause ihres Onkels kennenlernte.[41]
Laut Lucille F. Becker ist Madame Maigret der Prototyp einer altmodischen und unemanzipierten Hausfrau, deren Rolle sich zumeist darauf beschränkt, für ihren Gatten das Essen warm zu halten. Simenon hingegen bezeichnete sie als sein Idealkonzept einer Ehefrau.[42] Nur selten greift Madame Maigret direkt in die Ermittlungen ihres Mannes ein, zumeist redet er nicht einmal mit ihr über seine Fälle, doch wenn sich ihre Informationen für ihren Mann als nützlich erweisen, erfüllt sie dies mit Stolz.[43] Das Ehepaar hat keine Kinder, was ein wunder Punkt in ihrer Beziehung ist und insbesondere Madame Maigrets großer Kummer.[33] Eine Tochter starb kurz nach der Geburt.[44] Maigrets Neffe, der Sohn der Schwester seiner Frau, Philippe Lauer ergreift ebenfalls den Polizeiberuf, wie inMaigret und sein Neffe geschildert wird. Er erweist sich der Arbeit jedoch nicht als gewachsen und quittiert den Dienst, um in der Seifenfabrik seines Schwiegervaters eine Stelle anzunehmen.[45]
Schon 1913 bewohnen die Maigrets ihre Wohnung amBoulevard Richard-Lenoir.[46] Obwohl sie nach „etwas besserem“ suchen, leben sie die folgenden 30 Jahre unter dieser Adresse und mieten später eine Nachbarwohnung dazu.[47] Die Hausnummer132 wird nur in einem einzigen Roman verraten, inMaigret und sein Toter.[48] Die Adresse gilt laut Michel Carly als französische Version derBaker Street 221b.[49] Im Alter siedeln die Maigrets in ein Altersdomizil inMeung-sur-Loire um, wo Maigret in seinem Gemüsegarten gärtnert, im Sommer mit Vorliebe einen Strohhut trägt[50] und regelmäßig in der Dorfkneipe Karten spielt.[51] Im Gegensatz zu seiner Frau besitzt der Kommissar keinen Führerschein und wird daher hin und wieder von Madame Maigret chauffiert.[52]
In Maigrets Privatleben gibt es wenig nähere Bekanntschaften, mit denen er Umgang pflegt. Sein engster Freund ist vom RomanMaigret und sein Revolver an der Arzt Dr. Pardon, mit dem Maigret der Gerichtsmediziner Jussieu bekannt gemacht hat.[53] Seither besuchen sich die Ehepaare regelmäßig gegenseitig, und die beiden Männer diskutieren mit Vorliebe über ihre Berufe.[54] Eher negative Gefühle weckt hingegen die Begegnung mit Maigrets Jugendfreunden Léon Florentin inMaigrets Jugendfreund, Ferdinand Fumal inMaigret erlebt eine Niederlage, Ernest Malik inMaigret regt sich auf oder dem Studienfreund Julien Chabot inMaigret hat Angst.[55]
Maigret ist lautMaigret kämpft um den Kopf eines Mannes „eins achtzig groß, stark und breit wie ein Lastträger der Pariser Markthallen“.[56] Sein Gewicht liegt mit 45 Jahren bei 100 Kilogramm oder nach anderen Angaben 210 Pfund.[57] InMaigret und der Gehängte von Saint-Pholien lautet seine Beschreibung: „Ein großer, schwerfällig gebauter Mensch mit ausladenden Schultern.“ Er hat ein „fleischiges Gesicht, dessen Züge den Eindruck erwecken, als seien sie mit kräftigem Daumendruck in unbildsamen Ton geknetet“.[58] Zu den typischen Kleidungsstücken Maigrets zählen eineMelone und einÜberzieher mit Samtkragen. Allerdings wehrt sich der Kommissar in seinen Memoiren selbst gegen die „blödsinnige Melone“, die er nur bei besonderen Anlässen trage.[59] Maigret raucht Pfeife, wobeiMaigrets Pfeife sogar einer Erzählung ihren Titel gab. Er isst mit Genuss und in großen Portionen und spricht gerne dem Alkohol zu. Oft bleibt er während seiner Ermittlungen durchgängig einem bestimmten Getränk treu,[60] am liebsten trinkt er allerdingsBier.[61]
Die einschüchternde Wirkung von Maigrets imposanter Statur paart sich mit einer oft demonstrativ zur Schau gestellten Ruhe und Beharrlichkeit. InMaigret und der Gehängte von Saint-Pholien heißt es an einer Stelle: „Von seiner ganzen Erscheinung ging etwas Unerbittliches, Unmenschliches aus, das an einenDickhäuter denken ließ, der auf ein Ziel zustapft und sich von keiner Macht der Welt mehr davon abbringen lässt.“[62] Gleichzeitig ist Maigret geprägt von einer großenMenschlichkeit, von Sympathie, Mitgefühl und Verständnis für den Einzelnen. Maigrets Ethik gehorcht der Maxime „Richte nicht“, und bei seinen Ermittlungen geht es ihm eher um das Verständnis für die Tat als um die Verurteilung des Täters. Vor allem die „kleinen Leute“ betrachtet er als „seine Leute“, denen er sich zugehörig fühlt.[63] Zwischen kleinen Ganoven und der Polizei entsteht für Maigret ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, das er inMaigrets Memoiren erläutert: „Wir stehen diesseits und jenseits der Schranke, das steht fest. Aber wir sitzen auch bis zu einem gewissen Grad im selben Boot.“[64]
Zu Vertretern derBourgeoisie oder derAristokratie wahrt Maigret hingegen stets Distanz. Laut Beschreibung inMaigret und die Keller des „Majestic“ ist Maigret „einPlebejer bis auf die Knochen, bis ins Mark“. Im Ambiente eines Luxushotels fühlt er sich nicht zugehörig und reagiert mit Feindseligkeit.[65] Als ermittelnder Kommissar steht Maigret oft in Konflikt mit dem zugeordnetenUntersuchungsrichter. Simenon beschrieb selbst in einem Interview: „Maigret fand schon die Begegnungen mit gewissen Untersuchungsrichtern unerträglich, die gewiß sehr liebenswürdig sein konnten, aber zur Bourgeoisie gehörten und dachten, sie könnten ihren Beruf ausüben, ohne irgend etwas von Menschen zu verstehen, einfach indem sie den bürgerlichen Grundsätzen folgten, die man ihnen eingeimpft hatte. Was für eine Art Recht kann man da schon sprechen?“[66] Zu einem dauerhaftenAntagonisten in der Maigret-Reihe wird vor allem der Untersuchungsrichter Coméliau, der im Non-Maigret-RomanBrief an meinen Richter auch einen eigenständigen Auftritt hat.[67]
Maigrets berühmte „Methode“ wird in zahlreichen Romanen der Reihe dargelegt. Seine Ermittlungserfolge basieren aufIntuition, der Maigret weit eher vertraut als akribisch-wissenschaftlichem Vorgehen. So heißt es inMaigrets Geständnis, „der Kommissar mißtraute rationalen Argumenten“, der Logik und dem „gesunden Menschenverstand“, deren Anwendung bloß zu den entsetzlichsten Justizirrtümern beigetragen hätte. Maigrets Intuition wird gespeist durch seine Vorstellungskraft und sein Einfühlungsvermögen, wenn er etwa inMaigret und die junge Tote das Leben eines jungen Mädchens gedanklich rekonstruiert, bis sein Verständnis für ihr Wesen am Ende den Täter überführt. Die Inspiration Maigrets, die oft von einem Schlüsselreiz ausgelöst wird, wird häufig mit der Arbeitsweise eines Romanschriftstellers, insbesondere mit der seines Schöpfers Simenon verglichen. Ähnlich wie Simenon seine Romane lange ausbrütete, um sie dann in einem kurzen, intensiven Rauschzustand niederzuschreiben, versinkt auch Maigret scheinbar in Passivität und Gleichgültigkeit, bis er ab einem bestimmten Moment, gewissermaßen mit einem „Klick“, spürt, dass er auf der richtigen Fährte ist, von der er mit einem Ausbruch von Aktivität und dem ihm eigenen Beharrungsvermögen nicht wieder ablässt.[68]
In seiner Berufsausübung als Kriminalkommissar wird Maigret häufig mit einem Arzt verglichen, „den man in höchster Not gerufen und in dessen Hände der Patient sein Schicksal gelegt hat.“[69] InMaigrets erste Untersuchung beschreibt Simenon Maigrets heimlichen Berufswunsch als „Arzt und Priester in einem, einen Mann, der das Schicksal eines anderen auf den ersten Blick erfasste. […] Man wäre zu diesem Mann gegangen und hätte ihn um Rat gefragt, so wie man einen Arzt aufsucht. Er wäre so etwas wie ein ‚Schicksalsflicker‘ gewesen […], weil er sich in das Leben aller Menschen, in die Haut aller Menschen versetzen konnte.“ Zwar landet Maigret nach Abbruch des Medizinstudiums schließlich bei der Polizei, aber er fragt sich nun: „Sind nicht gerade Polizeibeamte manchmal ‚Schicksalsflicker‘?“[70] Seine besondere Fähigkeit eines „raccommodeur de destins“ („Einrenker, Flickschneider, Korrektor für Schicksale“),[71] der seine Fälle am Ende einer befriedigenden Lösung zuführt, ist zur stehenden Redewendung für den Kommissar geworden, der sich inMaigrets Memoiren darauf beruft, die Floskel selbst eingeführt zu haben.[72]
Zu den möglichen Vorbildern Maigrets existieren eine ganze Reihe von Theorien. In Simenons Heimatstadt Lüttich gab es tatsächlich einen Polizeibeamten namens Maigret, den Simenon bei seiner Tätigkeit als Polizeireporter kennengelernt haben könnte. Arnold Maigret wurde unter der deutschen Besatzung Belgiensdeportiert und starb in einemKonzentrationslager.[73] Simenon selbst verwies auf andere Polizisten, die einen Einfluss auf die Figur Maigrets gehabt hätten: einen Freund seines Großvaters und pensionierten Kommissar namens Saint-Hubert sowie zwei Star-Polizisten des damaligen Frankreichs: Georges Massu und Marcel Guillaume.[74] Den Namen Maigret habe er dagegen einem Nachbarn an der PariserPlace des Vosges entlehnt, der sich später bei dem berühmt gewordenen Schriftsteller beschwerte, dass sein Name für einen „gewöhnlichen Polizisten“ herhalten musste.[75]
Auch in Simenons Familie gibt es Vorbilder für die Figur Maigrets. Der Biograf Patrick Marnham verweist bezüglich vergleichbarer Statur und Autorität auf Simenons Urgroßvater und Großvater väterlicherseits, bezüglich seiner Ruhe und seinem Verständnis, insbesondere für die Eskapaden seines Sohnes, auf Simenons Vater Désiré. Simenon, der seinen Vater sein Leben lang idealisierte und verehrte, gab selbst an, einige von dessen Charakterzügen an Maigret weitergegeben zu haben.[76] In einem Interview bekannte er zudem: „Ich wollte Maigret das Alter meines Vaters geben“.[74]
Zu Simenons eigener Biografie gibt es ebenfalls Parallelen: Maigret teilt einige Kindheitserinnerungen seines Autors, dieser hatte selbst zehn Jahre in Paris gelebt und ließ den Kommissar der Pariser Kriminalpolizei auch an viele andere von ihm besuchte Orte reisen. Wie Maigret rauchte Simenon Pfeife und teilte dessen Vorliebe fürs Essen und Trinken.[77] Befragt zur Ähnlichkeit zwischen Autor und Figur gab er jedoch ganz unterschiedliche Antworten. 1963 beharrte er: „Die Behauptung, ich identifiziere mich mit Maigret, ist eine weitere Legende. Ich habe mir nie eingebildet, Maigret zu ähneln.“[78] 1976 dagegen nannte er Maigret „eine der wenigen von mir geschaffenen Figuren, mit denen ich einiges gemein hatte“.[79]
Der klassische Kriminalroman besteht nachUlrich Schulz-Buschhaus aus einer Mischung der Bestandteilemystery,action undanalysis.[80] In den Maigret-Romanen hingegen treten die ersten beiden Elemente gegenüber der psychologischen Analyse fast vollständig in den Hintergrund. Nicht die Suche nach dem Täter steht im Mittelpunkt, sondern das Verstehen der Tat. Dabei umgibt das Verbrechen bei Simenon keine Aura eines Mysteriums, es entsteht aus dem Alltag und ist selbst zur Alltäglichkeit geworden. Die Täter sind keine dämonischen Verbrecher, sondern Normalbürger, deren Tat aus einer Krisensituation entsteht. Auch Maigret ist kein exzentrischer Detektiv, sondern ein in den Polizeiapparat integrierterKleinbürger. In ihrer Gewöhnlichkeit werden Kommissar und Täter gleichermaßen zuIdentifikationsfiguren für den Leser.[81]
FürHelmut Heißenbüttel gab es vor dem Auftritt Maigrets zwei klassische Typen von Detektiven: diejenigen, die ihre Fälle in erster Linie durch Gewalt aufklären, und jene in der Tradition vonC. Auguste Dupin oderSherlock Holmes, die ihre Fälle durch logische Schlussfolgerungen lösen. In der Figur des Kommissars Maigret sieht er eine „entscheidende Übergangsposition“ für die Entwicklung der Gattung des Kriminalromans und einen neuen „Prototyp“, der sich in der Tarnung eines „vom Lande stammenden großstädtischen Kleinbürgers“ in das Leben der Verdächtigen einschleiche. Durch die große Nähe des Kommissars zu Täter und Opfer bis hin zur Identifikation ergebe sich eine „leidende Verbundenheit“, die dazu führen kann, dass er am Ende gar den Täter deckt oder sich selbst richten lässt.[82] LautReclams Kriminalromanführer ist Maigret „das genaue Gegenteil von Holmes“. Seine Vorgehensweise beruht darauf, sich mit dem Milieu des Falles vertraut zu machen, mit den Personen zu reden, zu trinken und ihre Reaktionen zu beobachten, bis sich einer der Beteiligten der „massigen Persönlichkeit Maigrets“ als nicht gewachsen erweist und dem Kommissar die Hintergründe des Verbrechens offenbart.[83]
Simenon ließ sich bei der Erschaffung seiner Figur Maigret und den Romanen der Reihe nur wenig von der zeitgenössischen oder klassischen Kriminalliteratur beeinflussen. Er hatte kein großes Interesse an anderen Krimi-Autoren und las auch nur wenige Kriminalromane.Julian Symons wertet: „Die Maigret-Romane stehen für sich allein auf dem Gebiet der Kriminalliteratur, ja sie haben kaum Beziehung zu den übrigen Werken des Genres.“[84]Pierre Boileau undThomas Narcejac gehen sogar so weit, dass Simenons Romane tatsächlich gar keine Krimis seien. Zwar bediene er sich der Technik des Genres, aber in seinem Fokus auf die Hintergründe menschlichen Verhaltens könne „man ihn nicht zu den Detektivromanautoren rechnen. Lediglich dank eines Mißverständnisses gilt Maigret als einer der größten Detektive.“[85]
Dennoch wurden die Maigret-Romane wegweisend für einen neuen, psychologisch geprägten Typ von Kriminalliteratur, den gerade Boileau und Narcejac oder etwaPatricia Highsmith verkörpern. Arnold Arens sieht in dieser Hinsicht „Simenons innovatorische Leistung“ vergleichbar mit jener vonDashiell Hammett, dem „Vater“ desHardboiled detective.[86] Der erste deutschsprachige Kriminalschriftsteller von Bedeutung,Friedrich Glauser, schuf seine Figur desWachtmeister Studer nach dem Vorbild Maigrets.[87] Glauser übernahm laut Walter Obschlager „inhaltliche, atmosphärische, ja sogar sprachliche Elemente“ ausMaigret kämpft um den Kopf eines Mannes in seinen KriminalromanerstlingSchlumpf Erwin Mord.[88] AuchFriedrich Dürrenmatts Kriminalromane zeigen eine Verwandtschaft zu Simenons Maigret-Reihe. So bildete nach Ansicht Armin ArnoldsMaigrets erste Untersuchung die Anregung fürDer Richter und sein Henker,[89] undReclams Kriminalromanführer führt den Plot vonDas Versprechen zurück aufMaigret stellt eine Falle.[90][91] Ulrich Schulz-Buschhaus sieht schließlich die „Mischung von Abenteuern und Behaglichkeit“ derstereotyp verklärten Polizeiarbeit im Zentrum deutscherFernsehkrimiserien wieDerrick oderDer Alte wesentlich von der Maigret-Serie beeinflusst.[92]
Die 75 Romane der Maigret-Reihe erschienen im französischen Original in drei Pariser Verlagen. Die ersten 19 Romane vonMonsieur Gallet, décédé undLe Pendu de Saint-Pholien bis zum geplanten Abschluss der Reihe mit dem schlichten TitelMaigret publizierte von 1931 bis 1934 Simenons damaliger HausverlagFayard. Während des Zweiten Weltkriegs brachte dieÉditions Gallimard in den Jahren 1942 und 1944 die beiden SammelbändeMaigret revenant undSigné Picpus mit jeweils drei neuen Maigret-Romanen heraus. Auch der Großteil der 28 Maigret-Erzählungen entstand in den Kriegsjahren und erschien, nach einer Erstpublikation in verschiedenen Zeitschriften, in Buchausgaben vonGallimard. Mit seiner Übersiedlung nach Amerika wechselte Simenon zum VerlagPresses de la Cité, der vom BandLa Pipe de Maigret im Jahr 1947 bis zum letzten RomanMaigret et Monsieur Charles 1972 Simenons Werke veröffentlichte.
Die ersten deutschen Übersetzungen erschienen in den Jahren 1934 bis 1935 in derSchlesischen Verlagsanstalt. Der Autor wurde hierbei als „Georg Simenon“ eingedeutscht, als Übersetzer fungierte Harold Effberg, ein Pseudonym des Juristen Harold Friedeberg. Nach dem Krieg dauerte es lange, bis die international erfolgreiche Serie auch für das deutschsprachige Publikum aufgelegt wurde. Einzelne Romane erschienen im WienerHammer Verlag sowie beimDetektiv-Club in Wiesbaden. Erst von 1954 bis 1975 brachteKiepenheuer & Witsch – mit der Ausnahme vonLa Maison du juge undMaigret se fâche – die gesammelten Maigret-Romane heraus. Der Großteil der Übersetzungen stammte vom DuoHansjürgen Wille/Barbara Klau. Für einzelne Romane verpflichtete der Kölner Verlag aber auch bekannte zeitgenössische Schriftsteller wiePaul Celan (Hier irrt Maigret undMaigret und die schrecklichen Kinder) oderMilo Dor undReinhard Federmann (Maigret und der Schatten am Fenster). Zeitlich versetzt publizierte der MünchnerHeyne Verlag Taschenbuchausgaben der Romane. Nachdem der ZürcherDiogenes Verlag die Rechte am Gesamtwerk Simenons erworben hatte, erschienen Simenons Romane dort von 1978 an in Neuübersetzungen unter teilweise veränderten Titeln.[93] In den Jahren 2008/2009 publizierteDiogenes eine Neuausgabe sämtlicher Maigret-Romane in 75 Bänden mit revidierten Übersetzungen. Abgeschlossen wurde die Werkausgabe mit dem Sammelband der 28 Erzählungen unter dem TitelSämtliche Maigret-Geschichten. Seit 2018 bringt derKampa Verlag überarbeitete Neuausgaben und -Übersetzungen sämtlicher Maigret-Romane und -Erzählungen heraus.
Mehr als 30 Darsteller verkörperten die Figur des Kommissar Maigret in internationalen Film- und Fernsehproduktionen.[94] Der erste Maigret-Darsteller warPierre Renoir, der den Kommissar 1932 in der Verfilmung vonLa nuit du carrefour spielte. Noch im selben Jahr folgte Abel Tarride in der Verfilmung vonLe chien jaune, im FolgejahrHarry Baur in der Filmadaption vonLa tête d’un homme. Während des Zweiten Weltkriegs warAlbert Préjean in drei französischen Kinoproduktionen zu sehen. Der erste internationale Maigret warCharles Laughton im US-amerikanischen FilmThe Man on the Eiffel Tower von 1949. Zwischen 1958 und 1963 spielteJean Gabin die Hauptrolle in den drei Maigret-FilmenMaigret tend un piège,Maigret et l’affaire Saint-Fiacre undMaigret voit rouge. 1966 reihte sichHeinz Rühmann mitMaigret und sein größter Fall in die Riege der Maigret-Darsteller ein. Auch in der Sowjetunion gab es mit Boris Tenin in insgesamt vier Produktionen einen einheimischen Maigret. 2022 übernahmGérard Depardieu die Titelrolle inMaigret.
Die erste Serie mit Kommissar Maigret im deutschen Fernsehen stammte von der britischenBBC und wurde ab 1965 imZDF ausgestrahlt. Die SerieKommissar Maigret mitRupert Davies in der Hauptrolle entwickelte sich sowohl in England als auch in Deutschland zumStraßenfeger[95] und prägte das Bild des Kommissars in diesen Ländern.[96] Die originale Titelmusik vonRon Grainer wurde für die deutsche Fassung durch einenMusette-Walzer vonErnst-August Quelle ausgetauscht, der große Popularität erreichte und – ungewöhnlich für die damalige Zeit – alsSingle veröffentlicht wurde.[97]
In Frankreich war es insbesondereJean Richard, der mit der Rolle des Maigret in 88 Folgen der SerieMaigret bekannt wurde. Die deutsche Synchronfassung strahlte ebenfalls das ZDF aus.[98]
Insgesamt wurden folgende umfangreichere TV-Serien um Maigret produziert:
Auf die Frage nach den drei besten französischen Maigret-Darstellern nannte Simenon Pierre Renoir, „weil er verstand, daß sein Vorbild ein Beamter war“,Michel Simon, der den Kommissar nur in einem einzigen Film spielte, aber dies „ganz großartig“, und Jean Gabin, der „dank seiner einzigartigen Persönlichkeit die Rolle ausfüllte“. Demgegenüber konnte er der amerikanisierten Darstellung Jean Richards wenig abgewinnen. Von den internationalen Maigrets habe Rupert Davies alle übertroffen. Er identifizierte sich derart mit seiner Rolle, dass er sogar den Autor aufsuchte, um zu studieren, wie Maigret seine Pfeife handhabt. Als beste Madame Maigret galt Simenon keine europäische Darstellerin, sondern die Schauspielerin der japanischen Serie: „Sie entsprach meinen Vorstellungen von Maigrets Frau am besten!“[101]
Seit Beginn der 1950er Jahre, zum gleichen Zeitpunkt also, als Kiepenheuer & Witsch die Maigret-Romane erstmals einem größeren Publikum in deutschen Übersetzungen bekannt machte,[102] wurden zahlreiche deutschsprachigeHörspiele[103] undHörbücher[104] nach den Romanen und Erzählungen der Maigret-Reihe produziert. Einige Radioproduktionen entstanden noch vor den Buchveröffentlichungen und tragen daher auch abweichende Titel.
Besonders bekannt wurden die Funkbearbeitungen vonGert Westphal, der in den Jahren 1959 bis 1960 die HörspieleMaigret und seine Skrupel,Maigret und die Groschenschenke,Maigret und die Unbekannte,Maigret und sein Revolver,Maigret und der gelbe Hund sowieMaigret und die Bohnenstange für denSüdwestfunk einrichtete. Unter seiner Regie tratenLeonard Steckel als Maigret,Annedore Huber-Knaus als Madame Maigret undHeinz Schimmelpfennig als Inspektor Lucas auf. Im Jahr 1961 wurden Westphals Bearbeitungen vomBayerischen Rundfunk neu produziert. Unter der Regie vonHeinz-Günter Stamm sprachenPaul Dahlke den Kommissar,Traute Rose seine Frau undReinhard Glemnitz den Inspektor Lucas. Die Dahlke-HörspieleMaigret und seine Skrupel,Maigret und der gelbe Hund,Maigret und die Bohnenstange sowieMaigret und die Groschenschenke veröffentlichteDer Audio Verlag im Jahr 2005 gemeinsam mit derRIAS-ProduktionMaigret und die schrecklichen Kinder auf CD.
Im Jahr 2003 produziertenSFB-ORB,MDR undSWR eine Reihe von insgesamt acht Hörspielen in der Bearbeitung vonSusanne Feldmann undJudith Kuckart. Es sprachen unter anderemChristian Berkel als Erzähler undFriedhelm Ptok als Kommissar Maigret. Die Hörspiele wurden vonSteinbach sprechende Bücher auf CD veröffentlicht. Der Verlag hatte zuvor auch die ersten Maigret-Hörbücher produziert, dieFred C. Siebeck undEdgar M. Böhlke eingelesen hatten. Vom Jahr 2006 an produzierte derDiogenes Verlag eine neue Reihe von Hörbüchern mit den SprechernGert Heidenreich und Friedhelm Ptok. Die kürzeren ErzählungenWeihnachten mit Maigret undMaigrets Pfeife lasenHans Korte undJörg Kaehler ein. Seit 2018 liestWalter Kreye die Maigret-Romane und -Erzählungen für denAudio Verlag ein.
Zwischen 1992 und 1997 erschien beim belgischen Verlag Lefrancq einefrankobelgische Comicserie namensMaigret, für dieOdile Reynaud insgesamt fünf Maigret-Romane alsComic bearbeitete. Die Zeichnungen stammten vonPhilippe Wurm undFrank Brichau.[105] Der StuttgarterEhapa-Verlag brachte zwischen 1993 und 1994 die ersten drei BändeMaigret und sein Toter,Maigret stellt eine Falle undMaigret bei den Flamen in deutscher Übersetzung heraus.[106]