Der PlatzSāhat an-Nadschma (ساحة النجمة), französischPlace de l'Étoile, im Zentrum von Beirut
Libanon ([ˈliːbanɔn] oderder Libanon, amtlich:Libanesische Republik;arabisch الجمهورية اللبنانية) ist ein Staat inVorderasien amMittelmeer. Er grenzt im Norden und Osten anSyrien und im Süden entlang derBlauen Linie anIsrael. Im Westen wird er vom Mittelmeer begrenzt. Der Libanon wird zumMaschrek und zurLevante gerechnet. In ihm lebten 2022 etwa 5,5 Millionen Menschen, knapp die Hälfte davon in der HauptstadtregionBeirut. Die beiden nächstgrößtenStädte sindTripoli im Norden undSidon im Süden.
Ursprünglich das Land derPhönizier, wurde der Libanon in der Antike wie die gesamte Levante Teil des ReichesAlexanders des Großen, später desRömischen Reiches und im Zuge derislamisch-arabischen Expansion zwischen 634 und 640 n. Chr. Teil der arabischen Welt, zu der er bis heute gehört. Seine Bevölkerung spricht Arabisch und gehört verschiedenenislamischen undchristlichen Bekenntnissen an, wobei der christliche Bevölkerungsteil im Vergleich zu dem in anderen arabischen Ländern besonders hoch ist (nach der Gründung des libanesischen Staates 1943 schätzungsweise etwas mehr als die Hälfte, heute etwas über 40 % der Gesamtbevölkerung).
ImNationalpakt von 1943 wurde ein politisches System begründet, in dem nach einem festen Verteilungsschlüssel (Religionsproporz) verschiedenen religiösen Gruppen bestimmte Positionen und Ämter zugewiesen sind. Nach einem wirtschaftlichen Aufschwung, der dem Land den Ruf einer „Schweiz des Nahen Ostens“ einbrachte, entluden sich 1975 fortbestehende Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen in einem bis 1990 dauerndenBürgerkrieg, währenddessen es zu Besetzungen durch die beiden Nachbarstaaten Syrien und Israel kam. Die innerlibanesischen Frontlinien verliefen zwischen Christen,Sunniten,Schiiten,Drusen undPalästinensern, zwischen rechten und linken Kräften. Im Jahr 2000 zogen die israelischen, 2005 die letzten syrischen Truppen aus dem Libanon ab. Der Wiederaufbau des Landes wird seither durch seine indirekte Einbindung in die größeren Konflikte der Region behindert, etwa durch die Verbindungen der libanesischen Schiiten mit Syrien und derIslamischen Republik Iran sowie der libanesischen Sunniten mitSaudi-Arabien. Die frühere christliche Dominanz ist infolge von Auswanderung geschwunden, der Einfluss der von Iran geförderten islamistischenHisbollah hingegen in den letzten Jahren gestiegen.
Seit 2019 befindet sich der Libanon in einer schwerenWirtschaftskrise. Der libanesische Staat hat fast 90 Milliarden US-Dollar Schulden angehäuft bis 2020, schätzungsweise ein Drittel der Bevölkerung ist von Hunger bedroht. Die Versorgungslage ist u. a. wegen der circa 1,5 Millionensyrischen Flüchtlinge, des weltweit höchsten Flüchtlingsanteils an der Gesamtbevölkerung eines Landes, angespannt.
Das über 3000 Meter hoheLibanon-Gebirge ist im Winter schneebedeckt. Von seinen weißen Gipfeln ist der Landesname abgeleitet, der auf diesemitischeWortwurzel L–B–N („weiß“) zurückgeht.
den trockenenAnti-Libanon-Gebirgszug und denHermon, der die Grenze zu Syrien bildet.
DerLitani ist mit 140 Kilometern der längste Fluss des Libanon, dessen Lauf vollständig innerhalb des Staatsgebietes liegt. Weitere nennenswerte Flüsse sind der nach Syrien und in die Türkei fließendeOrontes und derHasbani, einer der drei Quellflüsse desJordan.
Seit der Antike liegen die meisten Städte (Beirut,Tripoli,Sidon etc.) im Küstenstreifen. Das Hinterland ist dünner besiedelt, teils ländlich, in der Umgebung von Beirut stark zersiedelt und dient der Landwirtschaft, als Vorort, als Sommerfrische der Großstädter sowie als touristischer Anziehungspunkt mit eindrucksvoller Natur, alten Dörfern und alten Klöstern. Eine weitere städtische Agglomeration,Zahlé, findet sich in der Bekaa-Ebene im Osten, die zwar imRegenschatten des Libanon-Gebirges liegt, doch aufgrund vonkünstlicher Bewässerung fürWein-, Obst- und Getreideanbau und Milchwirtschaft genutzt wird.
Entsprechend den Unterschieden in der Landschaft des Libanon ist auch dasKlima sehr unterschiedlich. An der Küste herrschtmediterranes Klima mit trockenen, warmen Sommern und feuchten, regenreichenWintern. Im Gebirge herrscht ausgesprochenes Gebirgsklima, wobei auch hier der Hauptniederschlag im Winter fällt und dann hauptsächlich in Form vonSchnee. An der Grenze zu Syrien herrscht ein trockenesSteppenklima, das den Übergang zumWüstenklima des südlichenSyriens undJordaniens bildet. In Beirut liegen die Temperaturen am Tag bei durchschnittlich 18 °C im Januar und bei 30 °C im Juli und August. Im Dezember und Januar gibt es durchschnittlich 11 Regentage in Beirut, während der August im Allgemeinen völlig trocken bleibt.
Im Jahr 2023 lebten 89 Prozent der Einwohner Libanons in Städten.[5] Die größten Städte mit ihren Einwohnerzahlen (geschätzt; die Zahlen basieren auf der Volkszählung von 1932 und dem Zensus von 1970):
Bevölkerungspyramide 2016: Der Libanon hatte eine der ältesten Bevölkerungen der arabischen Welt
Im Jahr 2023 hatte der Libanon 5,4 Millionen Einwohner.[6] Trotz eines Geburtenüberschusses (Geburtenziffer: 14,6 pro 1000 Einwohner[7] vs. Sterbeziffer: 8,9 pro 1000 Einwohner[8]) sank die Bevölkerung durch Migration. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2022 statistisch bei 2,1.[9] DieLebenserwartung der Einwohner Libanons ab der Geburt lag 2022 bei 74,4 Jahren[10]. DerMedian des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2021 bei 28,3 Jahren.[11] Im Jahr 2023 waren 27,3 Prozent der Bevölkerung unter 15 Jahre,[12] während der Anteil der über 64-Jährigen 10,3 Prozent der Bevölkerung betrug.[13]
Von den Einwohnern sind etwa 95 %arabischer, 4 %armenischer, 1 % anderer Abstammung. Im Land verteilt leben zudemkurdische, 408.438 beiUNRWA registriertepalästinensische sowieirakische undsyrischeFlüchtlinge. Zudem lebt dort ein großer Teil der VolksgruppeMhallamiye, deren Ursprung in dertürkischen ProvinzMardin liegt. Diese sind hauptsächlich in den 1920er und 1940er Jahren in den Libanon eingewandert. Sie sprechen arabisch, werden aber oft als Kurden bezeichnet.
Die Bevölkerungsstruktur hat sich ab 2011 durch den Zustrom zahlreicherFlüchtlinge des syrischen Bürgerkriegs stark verändert, das Land nahm ca. 1,5 Mio. Syrer auf.[14] Flüchtlinge machen damit etwa ein Viertel der Wohnbevölkerung des Libanon aus. Der Libanon hat von allen Staaten der Welt den höchsten Anteil von Flüchtlingen an der Gesamtbevölkerung.[15]
Der rapide Bevölkerungsanstieg binnen weniger Jahre stellt die Wirtschaft und die Infrastruktur vor große Belastungen. Es kommt zu Engpässen bei der Versorgung mit elektrischem Strom und Trinkwasser, deren ohnehin schon defizitäre Infrastruktur der zusätzlichen Nachfrage nicht gewachsen ist.[16] Laut einer Schätzung vonAmnesty International lebten im Libanon im Jahr 2019 mehr als 250.000 Ausländer imKafala-System, und damit etwa acht Prozent der Erwerbsbevölkerung des Landes.[17]
Da der Libanon für die letzten 50 Jahre eine sehr starkeLandflucht aufweist, lebt der Großteil der Bevölkerung in Städten, vor allem in der Hauptstadt Beirut und Vororten. Dort lebt und arbeitet fast die Hälfte der Libanesen.
Daneben istFranzösisch als Verkehrs- und Elitensprache, heute als Drittsprache auchEnglisch, verbreitet. Fast 40 % der Libanesen sindfrankophon und weitere 15 % „teilweise frankophon“; zwei Drittel der Sekundarschüler Libanons verwenden Französisch als Unterrichtssprache.[18] Von diesen verwenden noch gut 20 % Französisch täglich. Das Englische wird inzwischen in einem Drittel der Sekundarschulen des Libanon als Zweitsprache verwendet.[18] Es gewinnt zunehmend in der Wissenschaft und in Wirtschaftsinteraktionen an Bedeutung, während Französisch die Sprache ist, die allgemein von Intellektuellen verwendet wird.[19]
Verteilung der Religionen in der Bevölkerung (2010)
Geografische Verteilung der Religionsgruppen im Libanon: christliche Gruppen in Gelb-Rot-Braun, Drusen in Blau, Schiiten in Violett, Sunniten in Grün. (Angegeben ist in jeder Zone die Gruppe, die dort die Mehrheit der Einwohner bildet.)
Im Jahr 1956 wurde der Anteil derChristen im Libanon mit 54 % der Bevölkerung angegeben; er bildete damit die Mehrheit gegenüber Muslimen, Drusen u. a.[21] Weil seit 1932 keineVolkszählung durchgeführt wurde,[22] liegen keine verlässlichen Angaben zur heutigen Größe der einzelnen Gemeinschaften vor. Doch wird geschätzt, dass der Anteil der Christen wegen niedrigerer Geburtenraten, höherer Emigration und überwiegend nicht-christlicher Immigration auf etwa 40 % zurückgegangen ist.[21][23] Die Maroniten leben vor allem im Westen des Landes nördlich von Beirut, die orthodoxen Christen insbesondere im Nordwesten.
Nach neuesten Angaben müsstenMuslime einen Anteil von über 60 % der Gesamtbevölkerung des Libanon ausmachen. Die Sunniten leben hauptsächlich in den KüstenstädtenBeirut,Sidon undTripoli sowie in ländlichen Gebieten im Südosten und Norden des Landes, während die Schiiten besonders in den südlichen Vororten (Dahiya) von Beirut sowie im Nordosten und Süden des Libanon leben. Die Zahl der Schiiten betrug 1980 Schätzungen zufolge 780.000 und 1,37 Millionen im Jahr 1996.[24] Daneben stellen Drusen ca. 7 % der Bevölkerung. Die meisten Drusen leben verstreut im Zentrum des Landes südlich von Beirut im GebirgsabschnittChouf und Umgebung und amHermonmassiv.
Bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts sind vor allem christliche Libanesen aufgrund von religiösen Repressionen aus ihren Heimatgebieten ausgewandert.[25] Seither existiert eine mehrere Millionen Personen zählende libanesischeDiaspora, die größer als die Bevölkerung des Libanon selbst ist. Sie lebt vor allem in Nordamerika (USA undKanada),Lateinamerika,Frankreich sowie in denfrankophonen StaatenSubsahara-Afrikas.[26] In den ersten Jahren des Bürgerkriegs verließen vermutlich mehr als eine halbe Million Menschen das Land – da offizielle Zahlen nicht verfügbar sind, handelt es sich um Schätzungen.
Brasilien zählt heute die größte Zahl von Bürgern libanesischer Herkunft (ca. 4 % der brasilianischen Bevölkerung). Geschätzt auf etwa zehn Millionen,[27] wird die libanesischstämmige Minderheit überwiegend von Christen gebildet, deren Vorfahren bei einer Einwanderungsbewegung in den 1850er Jahren, aber auch während späterer Krisen im Nahen Osten, nach Brasilien einwanderten.[28] Eine große Anzahl von Libanesen emigrierte zudem nach Westafrika, insbesondere in dieElfenbeinküste (Heimat von über 100.000 Libanesen)[29] und in denSenegal (knapp 30.000 Libanesen).[30]Australien ist die Heimat von über 270.000 Libanesen (Schätzung 1999).[31] Frankreich stellte seit dem späten 19. Jahrhundert einen kulturellen Bezugspunkt vor allem für die intellektuelle Oberschicht des Landes dar; eine dauerhafte Einwanderung von Libanesen nach Frankreich gibt es seit dem Beginn des Bürgerkrieges im Jahr 1975.
2013 lebten im Land mehr schulpflichtige syrische als schulpflichtige libanesische Kinder, zu viele, um sie alle im öffentlichen Bildungssystem zu unterrichten. Zwischen 2011 und 2013 verdoppelte sich die Arbeitslosigkeit auf 20 %. Im Dezember 2012 entfielen 40 % aller Arztbesuche auf syrische Flüchtlinge.[33]
Die Gesundheitsausgaben des Landes betrugen im Jahr 2021 10,1 % des Bruttoinlandsprodukts.[34] Im Jahr 2019 praktizierten in Libanon 26,2 Ärztinnen und Ärzte je 10.000 Einwohner.[35] Die Sterblichkeit bei unter 5-jährigen betrug 2022 17,4 pro 1000 Lebendgeburten.[36] DieLebenserwartung der Einwohner Libanons ab der Geburt lag 2022 bei 74,4 Jahren[10] (Frauen: 76,6[37], Männer: 72,2[38]). Die Lebenserwartung stieg von 73,9 Jahren im Jahr 2000 bis 2022 um 1 %.[10]
Phönizisches Stammland, grün unterlegt, vom Norden des heutigen Staates Israel bis zur heute syrischen Mittelmeerküste nördlich des LibanonHandelsrouten und wichtige Städte der Phönizier; das Stammland rot unterlegtDie zum UNESCO-Weltdokumentenerbe gehörenden Felsinschriften an der Mündung desNahr al-Kalb erzählen von der wechselhaften Geschichte des Landes. Darunter sind drei Siegesinschriften von PharaoRamses II., sieben assyrische und babylonische (u. a. vonAsarhaddon undNebukadnezar II.), drei römische (u. a. vonCaracalla undTheodosius I.), zwei arabische (vonBarqūq undFachreddin II.) und fünf neuzeitliche (u. a. von der französischen Intervention 1860, der Vertreibung der Osmanen 1917 und der Unabhängigkeit des Libanon 1943)
Früheste archäologische Spuren menschlicherZivilisation im Libanon finden sich bereits mehr als 7000 Jahre vor den ersten schriftlichen Aufzeichnungen. Im Altertum spielten den Libanon einbeziehende Großreiche wieÄgypten undAssyrien und etwa vom 15. Jahrhundert v. Chr. an die weitgehend unabhängigen phönizischen Stadtstaaten an der Küste des Libanongebirges,Byblos,Tyros,Sidon u. a., eine bedeutende Rolle im östlichen Mittelmeerraum und darüber hinaus. Der Libanon war die Heimat der zu denKanaanitern zählendenPhönizier und Teil des in der Bibel wie in ägyptischen Quellen erwähnten LandesKanaan.
Die Blütezeit der phönizischen Kultur dauerte von ca. 1550 bis 539 v. Chr. Als Handels- und Seefahrervolk gründeten die Phönizier insbesondere im westlichen Mittelmeerraum bis hin zur iberischen Halbinsel Handelskolonien, die dort zuletzt alsKarthagisches Reich unter der Führung der StadtKarthagos eine beherrschende Stellung einnahmen und erst mit dem AufstiegRoms an Bedeutung verloren (siehePunische Kriege).
Ab dem 16. Jahrhundert v. Chr. standen die phönizischen Stadtstaaten unter der Oberhoheit des ägyptischenNeuen Reiches bis zu dessen Niedergang am Ende der Bronzezeit ab ca. 1200 v. Chr. Ihre Blütezeit erlebten sie während derEisenzeit ab ca. 1000 v. Chr. Der Niedergang begann mit dem Erstarken desNeuassyrischen Reiches, das ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. das Gebiet eroberte. Ihm folgten weitere Fremdherrscher, dasNeubabylonische Reich und im 6. Jahrhundert das altpersischeAchämenidenreich. Das Perserreich wurde vonAlexander dem Großen zerschlagen, nach dessen Tod (323 v. Chr.) die von ihm eroberten Gebiete unterDiadochen geteilt wurden. Dabei wurde der Libanon in dasSeleukidenreich eingegliedert.
Der Jupitertempel, einer der beidenTempel von Baalbek, der weltweit größte römische Tempel
Nach der Eroberung der Levante durch dasRömische Reich im 1. Jahrhundert v. Chr. gehörte der Libanon zur römischen ProvinzSyria, die sich durch die wieder aufstrebenden Küstenstädte zu einer der reichsten römischen Provinzen entwickelte. Nach der Teilung des Römischen Reiches 395 n. Chr. wurde der Libanon ein Teil Ostroms, desByzantinischen Reiches. In dieser Zeit entwickelte er sich zu einer Hochburg desChristentums.
Zwischen 634 und 640 n. Chr. wurde der Libanon im Zuge derislamischen Expansion von Arabern erobert und in den folgenden Generationen sprachlich-kulturell assimiliert, wenn auch bedeutende Bevölkerungsteile christlichen Konfessionen treu blieben. Während im Küstenstreifen und anderen vorwiegend flachen Gegenden bis ins 19. Jahrhundertsunnitische Muslime undrum-orthodoxe (griechisch-orthodoxe) Christen dominierten, entwickelten sich die Gebirgsregionen des Libanon und des nördlich angrenzendenNusairiergebirges in Syrien seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. zum Rückzugsgebiet islamisch-schiitischer undheterodoxer christlicher Strömungen und Sekten („religiöse Dissidenten“[39]).
Die schiitische Bevölkerung ging vor allem aufQarmaten undAssassinen zurück, aus denen sich im Mittelalter dieDrusen imChouf, dieAlawiten (Nusairier) im äußersten Norden des Libanon und Syrien und dieIsmailiten, nordöstlich außerhalb des Libanon, bildeten. Auch die schiitische Hauptströmung, dieZwölfer-Schia, war seit dem 11. Jahrhundert anfangs im mittleren Gebirgsabschnitt Kesrouan nachweisbar, doch wurde sie bis auf wenige Dörfer von Feldzügen derMamluken ab Ende des 13. Jahrhunderts bis zur Herrschaft SultanBarqūqs größtenteils aus dem Gebirge ins südlibanesische Hügelland und den Osten derBekaa-Ebene vertrieben,[40] wo sie bis heute die größte Bevölkerungsgruppe bildet.
Zu den abweichenden christlichen Strömungen gehören insbesondere dieMaroniten aus Syrien, die ein eigenständiges Patriarchat gründeten und sich zunächst, wahrscheinlich bereits im 6. Jahrhundert, in der Umgebung desWadi Qadischa im nördlichen Teil des Libanongebirges ansiedelten. ImSpätmittelalter entwickelten sie sich zur wichtigsten Bevölkerungsgruppe des Libanon, und die weitgehend friedliche Koexistenz von Maroniten und muslimischen Gruppen führte dazu, dass insbesondere in derNeuzeit weitere christliche Gruppen in den Libanon einwanderten:[41]Griechisch-katholische Christen ließen sich seit dem 18. Jahrhundert vor allem in der Gegend vonZahlé,Sidon undKaa (im äußersten Nordosten) nieder, im 20. Jahrhundert siedelten sichArmenier inBourj Hammoud undAnjar an, und in jüngster Zeit kamensyrisch-orthodoxe,assyrische undchaldäische Kriegsflüchtlinge aus Syrien und dem Irak.
Ab 1098 begannen die Feldzüge der christlichenKreuzritter, die das „Heilige Land“ (Palästina) aus den Händen der „Ungläubigen“ befreien wollten. Nach der Eroberung Jerusalems 1099 gehörte der Süden des Libanon zum christlichenKönigreich Jerusalem, der Norden später zurGrafschaft Tripolis (1109 gegründet). Auch nachdem die Kreuzritter aus Jerusalem vertrieben wurden, blieben Tripoli (sowie Antiochia, Tyros und Tortosa) zunächst unter ihrer Herrschaft. Endgültig wurde das christliche Kreuzfahrerheer im 13. Jahrhundert von denMamluken aus der Levante verdrängt (Fall von Akkon 1291).
Die Mamluken ließen Beirut als regionales Handelszentrum bestehen, während sie abBaibars I. gegen die anderen Hafenstädte eine Politik des „verbrannten Ufers“ verfolgten.[42][43] Die Mamluken herrschten bis 1516 über die Region, ehe sie von denOsmanen verdrängt wurden. Die Oberherrschaft übte fortan der Sultan in Istanbul (Konstantinopel) aus, der alsKalif sowohl weltliches als auch geistliches Oberhaupt des Osmanischen Reiches war.
Unter osmanischer Herrschaft wurden im Libanon wie in anderen osmanischen Gebieten Statthalter eingesetzt und die diversen Religionsgemeinschaften weitgehend toleriert. Im libanesischen Bergland entstand dasEmirat Libanonberg (16.–19. Jahrhundert),[44], dessen EmirFachreddin II. mit europäischer Hilfe die Unabhängigkeit von den Osmanen anstrebte, jedoch scheiterte und von diesen hingerichtet wurde. Grundlage solcher Emirate war die Vergabe offizieller Ämter der osmanischen Verwaltung, später u. a. auch derSteuerpacht, an Angehörige der lokalen Eliten, die dadurch in den osmanischen Staat eingebunden wurden. Im Emirat Libanonberg wurden die mit demPapst in Romunierten Maroniten und die Drusen zu den dominierenden Bevölkerungsgruppen, deren Siedlungsgebiete sich durch stetes Bevölkerungswachstum allmählich vergrößerten.
Die Maroniten besiedelten erst den von Schiiten weitgehend aufgegebenen mittleren Gebirgsabschnitt Kesrouan (Kisrawan), danach den Metn östlich von Beirut und seit dem 19. Jahrhundert auf Einladung der Emire auch südliche Abschnitte des Libanongebirges und dominierten zudem im Küstenstreifen zwischenBatrun und Ost-Beirut.[45] Die Drusen hingegen weiteten seit Fachreddin II. ihr Siedlungsgebiet nach Südosten insHermon-Massiv aus und danach auch außerhalb des Libanon imHauran, auf denGolanhöhen und schließlich auf demKarmel. Eine libanesische Identität stellen Historiker erstmals ab Anfang des 19. Jahrhunderts fest.[46]
Die Küsten der Levante auf einer Karte von 1862. In der Mitte sichtbar: der maronitische Unterbezirk des Berglibanon in Blau und südlich davon der drusische Unterbezirk in Gelb
Schwarz gestrichelt: die Grenzen des Berglibanon (ohne Beirut) auf der farblich nach den religiösen Mehrheiten gegliederten Karte des 1920 gebildeten „Großlibanon“
1840 und 1842 setzten die Osmanen die beiden letzten Emire ab. Der vorletzte hatte sich mit dem gegen die Osmanen rebellierenden ägyptischen KhedivenMuhammad Ali Pascha verbündet, der letzte den von Frankreich und Großbritannien geschürten Konflikt zwischen drusischen und maronitischen Großgrundbesitzern nicht schlichten können. Danach übernahm dieHohe Pforte direkt die Verwaltung im Berglibanon, den sie in einen nördlichen maronitischen und einen südlichen drusischen Bezirk teilte.
Als sich ein maronitischer Bauernaufstand 1858 zu einemBürgerkrieg mit Massakern an Christen bis hin nachDamaskus ausweitete, intervenierte 1860 die französische Armee.[47] Der politische Vorläufer des unabhängigen Staates Libanon war eine von 1860 bis 1916 von einem christlichen Gouverneur, der aber nicht aus dem Libanon stammen durfte, geführte autonomeProvinz (Mutesarriflik) Libanonberg innerhalb des Osmanischen Reiches, die sich mit französischen Wirtschaftsinvestitionen zu einem wichtigen Handels- und Bankenzentrum des Nahen Ostens entwickelte und europäischen Mächten half, im Osmanischen Reich Fuß zu fassen und eigene politische und ökonomische Interessen zu verfolgen.
Nach demErsten Weltkrieg und der Niederlage des Osmanischen Reiches geriet der Libanon unter französische Herrschaft. Im Jahr 1922 erteilte derVölkerbund Frankreich dasMandat für Syrien und Libanon und bestätigte damit die Beschlüsse derKonferenz von Sanremo (1920). Bereits imSykes-Picot-Abkommen zu Beginn des Ersten Weltkrieges, in den das Osmanische Reich insbesondere an derKaukasusfront verwickelt war, hatten Großbritannien und Frankreich eine geheime Absprache getroffen, die den Nahen Osten in ein britisches und ein französisches Einflussgebiet teilte. Dementsprechend betraf das nach dem Krieg erteiltebritische Völkerbundmandat für Mesopotamien den heutigenIrak und dasbritische Mandat für Palästina den südlichen Teil der osmanischenProvinz (Vilâyet) Syrien, die Syrien, Palästina und Jordanien umfasste, während Frankreich das Mandat für den Rest dieser Provinz, das heutige Syrien und Libanon, erhielt. Das Völkerbundmandat über Syrien und Libanon trat am 29. September 1923 in Kraft und bestand bis 1943, als die beiden unabhängigen StaatenSyrien und Libanon ausgerufen wurden. Die französischen Truppen verließen Syrien und den Libanon 1946.
Im Jahr 1920 wurden somit die Landesgrenzen des späteren unabhängigen libanesischen Staates festgelegt. Das Gebiet war unter dem NamenÉtat de Grand Liban ein Teil desVölkerbundmandats für Syrien und Libanon und erhielt 1926 als autonome Republik eine gewisse Eigenständigkeit. Am 26. November 1941 kündigte der französische GeneralGeorges Catroux die Unabhängigkeit des Libanon unter dem Schutz der Regierung desFreien Frankreichs an. Im November 1943 wurdenParlamentswahlen abgehalten, und am 8. November löste die neue libanesische Regierung das französische Mandat einseitig auf.
Am 22. November 1943 fand die Wiedereinsetzung der Regierung durch libanesische Amtsträger statt; dies ist zugleich der offizielle Unabhängigkeitstag. Unmittelbar nach der Unabhängigkeitserklärung des Libanon wurden etwa 20.000 Mann Freiwillige unter dem Kommando des späteren PräsidentenFuad Schihab in die freifranzösische ArmeeCharles de Gaulles eingegliedert und nahmen an den Schlachten vonBir Hakeim undMonte Cassino teil. Dadurch gehörte der unabhängige Libanon derAnti-Hitler-Koalition an und wurde später Gründungsmitglied derVereinten Nationen, bei dessen Gründungsversammlung inSan Francisco im Februar 1945 der libanesische DelegierteCharles Malik nebenEleanor Roosevelt eine wichtige Rolle übernahm und wesentliche Teile derCharta der Vereinten Nationen und derAllgemeinen Erklärung der Menschenrechte mitverfasste.
Seit Ausrufung des NachbarstaatesIsrael 1948 befindet sich Libanon mit diesem im Kriegszustand. Im Jahr 1958 kam es vor dem Hintergrund desKalten Krieges zurLibanonkrise zwischen pro-westlichen Christen und nationalistischen Muslimen. Danach stabilisierte sich das Land unter PräsidentFuad Schihab (Chéhab) und seinem NachfolgerCharles Helou durch eine weitgehende soziale, politische und wirtschaftliche Reformpolitik, die alsChehabismus (Schihabismus) bezeichnet wird. Wegen seiner wirtschaftlichen Stabilität und politischen Neutralität (1949–1969) wurde der stark westlich und französisch geprägte Libanon in den 1950er und 1960er Jahren als „Schweiz des Orients“ bezeichnet. Die Hauptstadt,Beirut, galt bis 1984 als „Paris des Nahen Ostens“. Die Republik Libanon ist die einzigeDemokratie im arabischen Raum. DasFrauenwahlrecht wurde 1953 eingeführt.[48]
Bürgerkrieg im Libanon, syrische und israelische Besetzung
Der Abbruch der chehabistischen Reformpolitik durch PräsidentSuleiman Frangieh im August 1970 und die Ankunft derPLO-Führung und ihrer Milizen aus Jordanien nach demSchwarzen September, die den Libanon wieder zum Schauplatz desNahostkonfliktes machten (nach seiner Teilnahme amPalästinakrieg hatte sich die libanesische Regierung gegenüber Israel neutral verhalten), gelten als Hauptursachen für die Schwächung des libanesischen Systems. Zwischen 1970 und 1975 erfolgte die Aufrüstung „linker“ pro-palästinensischer und „rechter“ anti-palästinensischer Parteimilizen. In der Folge wurde das Land zwischen 1975 und 1990 von einem verheerendenBürgerkrieg heimgesucht.
Dieser nahm im April 1975 mit dem Ausbruch offener Gefechte zwischen dermaronitischenKata’ib (auch Phalange genannt) und palästinensischen und libanesisch-muslimischen Milizen seinen Anfang. Als Beginn gilt der 13. April, als die Kata’ib nach einem Anschlag auf eine Kirche die palästinensischen Insassen eines Busses auf dem Rückweg in ein Flüchtlingslager massakrierten.
Die Ursachen des Bürgerkriegs werden von Historikern kontrovers dargestellt. Während die einen vor allem den Konflikt mit den Palästinensern im Vordergrund sehen, erkennen andere die Ursache in sich verschärfenden sozialen Unterschieden, im Besonderen entlang der konfessionellen Grenzen innerhalb der libanesischen Gesellschaft. Wieder andere betonen die Einflussnahme äußerer Mächte. Diejenigen, die den Konflikt mit den Palästinensern betonen, weisen auf den Verlust des ethnischen Gleichgewichts nach der Ankunft der aus Jordanien vertriebenen Palästinenser hin.
Im Jahr 1976 marschiertensyrische Soldaten im Libanon ein und griffen auf Seiten der christlichen Fraktion in den Krieg ein. Die christlichen Libanesen fanden ihre stärkste Unterstützung in Israel, wo auch zahlreiche ihrer Kämpfer ausgebildet wurden.[49] Am 14. März 1978, nach mehreren Attentaten der PLO, deren letztes derKüstenstraßen-Anschlag beiTel Aviv am 11. März 1978 war, marschierte dieisraelische Armee im Südlibanon ein und besetzte das Gebiet südlich des FlussesLitani. Dabei wurden zwischen 1.000 und 2.000 Personen getötet und nach Schätzungen der libanesischen Regierung rund 280.000 Menschen vertrieben. Fünf Tage nach der Invasion wurde dieResolution 425 des UN-Sicherheitsrates verabschiedet, zu deren Umsetzung dieUNIFIL-Truppen aufgestellt und im Südlibanon stationiert wurde.
ImLibanon-Feldzug von 1982 besetzte Israel den gesamten Süden des Landes bis Beirut und zwang die PLO am 21. August desselben Jahres zum vollständigen Rückzug. Dieser wurde unter Aufsicht einer multinationalen Schutztruppe aus überwiegend amerikanischen und französischen Soldaten durchgeführt. Die Führung und Kämpfer der PLO siedelten nachTunis um.
Am 17. September 1983 beschoss dieUS-Marine erstmals syrische Stellungen nahe Beirut. Die multinationale Friedenstruppe verließ Ende Februar/Anfang März 1984 den Libanon, nachdem am 23. Oktober 1983 bei zwei derHisbollah zugeschriebenenBombenanschlägen auf die multinationalen Hauptquartiere 241 US-Soldaten und 58 Franzosen getötet wurden. 1985 richtete Israel auf libanesischem Gebiet eine Schutzzone im Vorfeld der israelischen Grenze ein.
DasAbkommen von Taif schuf 1989 die Grundlage für die Beendigung des Bürgerkrieges, der rund 90.000 Todesopfer, 115.000 Verletzte und 20.000 Vermisste forderte. 800.000 Libanesen flohen in dieser Zeit ins Ausland.
Mit dem syrisch-libanesischen Vertrag vom Mai 1991 konnte Syrien seine Funktion als Ordnungsmacht (Besatzungsmacht) im Libanon festigen.
1994 und 1995 bombardierte die israelische Armee wiederholt Stellungen der paramilitärischen schiitischenHisbollah im Südlibanon, um gegenüber der libanesischen Regierung der israelischen Forderung nach Entwaffnung dieser pro-iranischen Miliz Nachdruck zu verleihen. Die israelische Armee zog sich am 24. Mai 2000 mit Ausnahme des umstrittenen Gebietes derSchebaa-Farmen vollständig aus dem Libanon zurück. Seit dem Abzug kam es im israelisch-libanesischen Grenzgebiet immer wieder zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Hisbollah und der israelischen Armee.[50]
Der syrienfreundliche libanesische StaatspräsidentÉmile Lahoud ließ Ende 2004 sein abgelaufenesMandat vomParlament mittels einerVerfassungsänderung um drei Jahre verlängern. Dies führte zum Rücktritt des anti-syrischen PremierministersRafiq al-Hariri, der sich mit seiner Forderung nach einem Abzug der syrischen Truppen nicht hatte durchsetzen können.
Am 14. Februar 2005 wurde Rafiq al-Hariri durch einAttentat getötet. Sein Tod wurde zum Ausgangspunkt einer innenpolitischen Eskalation, der sogenannten Zedernrevolution. Eine breiteoppositionelle Bewegung, die sich vor allem auf Christen, Drusen und Sunniten stützte, doch auch von nennenswerten Teilen der schiitischen Bevölkerung mitgetragen wurde, forderte öffentlich den Abzug der Syrer aus dem Libanon. Auch die USA und Frankreich übten seit Ende Februar immer mehr Druck auf Syrien aus. Am 28. Februar trat die syrienfreundliche libanesische Regierung zurück. Syrien verständigte sich am 7. März mit dem Libanon, seine Truppen bis zum Ende des Monats ins östliche Bekaa-Tal zurückzuziehen. Bis Ende April kehrten alle 14.000 syrischen Soldaten in ihre Heimat zurück.
Am 8. März 2005 rief die Hisbollah zu einer Demonstration gegen dieUN-Resolution 1559 auf, die die Entwaffnung dieser Gruppe forderte. Viele der etwa 500.000 Demonstranten dankten den Syrern für ihre Unterstützung und wandten sich gegen die USA und Israel. Dies gab der pro-syrischen Fraktion genug Kraft, um den wenige Tage zuvor zurückgetretenen Premierminister,Omar Karami, am 10. März erneut mit der Regierungsbildung zu beauftragen. Am 14. März versammelten sich bei einer Demonstration der Opposition 300.000 Menschen im Zentrum Beiruts. Die pro-syrischen Demonstrationen am 8. März und die antisyrischen am 14. März stehen sinnbildlich für zwei konträre Lager der libanesischen Politik.
Am 15. April wurdeNadschib Miqati Ministerpräsident einer Übergangsregierung. Im Juni fandenParlamentswahlen statt. Sie wurden vonSaad al-Hariris oppositioneller anti-syrischer „Zukunftsbewegung“ gewonnen. (Saad al-Hariri ist der Sohn des ermordetenRafiq al-Hariri.)
Am 30. Juli wurde FinanzministerFuad Siniora von Präsident Lahoud mit der Regierungsbildung beauftragt. Die Duldung des bewaffneten Arms der Hisbollah durch die libanesische Regierung setzte sich fort. Darüber hinaus wurde die Hisbollah nun erstmals an der Regierung beteiligt, ein Hisbollah-Vertreter wurde Energieminister. DieFreie Patriotische Bewegung (französischCourant Patriotique Libre, CPL) des aus dem Exil zurückgekehrten ehemaligen christlichen PremierministersMichel Aoun, die seit 1990 friedlich gegen die syrische Besetzung gekämpft hatte, entschied sich gegen eine Regierungsbeteiligung.
Die Hisbollah machte Israel für ein Attentat, demMahmoud Majzoub, ein Führer der islamistischen BewegungIslamischer Dschihad, und sein Bruder zum Opfer fielen, verantwortlich und begann am 28. Mai 2006 mit Raketenangriffen auf Militärfahrzeuge und eine Militärbasis in Israel. Israel reagierte mit Luftangriffen auf ein palästinensisches Flüchtlingslager im Libanon. Am 29. Mai verstärkte die Hisbollah die Raketen- und Mörserangriffe, die Israel wiederum zu größeren Luft- und Artillerieangriffen veranlassten.[51]
Vom 12. Juli bis zum 14. August 2006 führte Israel einen Krieg gegen die Hisbollah im Libanon, nachdem diese zwei israelische Soldaten im israelisch-libanesischen Grenzgebiet gefangen genommen hatte (Libanonkrieg 2006). Die Hisbollah reagierte mit von libanesischem Territorium abgefeuerten Raketen auf Ziele im Norden Israels. Die israelischen Luftangriffe und Bodenoffensiven verursachten massive Zerstörungen in den südlichen Landesteilen, südlichen Teilen Beiruts und vereinzelten Zielen im Norden des Landes. In dem Krieg starben über 1100 Libanesen, laut libanesischen Quellen waren die meisten davonZivilisten. Auf israelischer Seite kamen nach UN-Angaben mehr als 40 Zivilisten durch die Raketenangriffe der Hisbollah auf Nordisrael ums Leben. Der Süden des Libanon ist seit Ende der Kampfhandlungen im Rahmen derUN-Resolution 1701 der internationalen FriedenstruppeUNIFIL und der libanesischen Armee unterstellt.
In einer Anschlagserie von 2004 bis 2008 kamen im Libanon mehr als ein Dutzend antisyrische Politiker und Intellektuelle ums Leben, darunter nebenRafiq al-Hariri auchGebran Tueni,Samir Kassir undWalid Eido. Am 21. November 2006 wurde der maronitisch-christliche MinisterPierre Gemayel junior Opfer eines Mordanschlags.
Im Herbst 2006 traten die schiitischen und ein oppositionsnaher christlicher Minister aus Protest gegen die Pläne der Regierung zumHariri-Tribunal zurück. Die antiwestliche Opposition unter Führung der Hisbollah, derAmal und der Freien Patriotischen Bewegung des maronitischen PolitikersMichel Aoun sah wegen der nun entgegen dem konfessionellen Proporz entfallenden schiitischen Vertretung im Kabinett dieses als illegitim an und bekräftigte mit einem 18-monatigen Sitzstreik in der Innenstadt Beiruts ihre Forderung nach der Bildung einer neuen Regierung. ParlamentspräsidentNabih Berri, der der oppositionellen Amal vorsteht, weigerte sich, Parlamentssitzungen einzuberufen.
Im palästinensischenFlüchtlingslagerNahr al-Bared kam es von Mai bis Juli 2007 zu den heftigsten Gefechten im Libanon seit demAbkommen von Taif. Bei Kämpfen zwischen derlibanesischen Armee und derradikal-islamischenUntergrundorganisationFatah al-Islam, die sich in dem Lager verschanzt hatte, wurden mehr als 200 Personen getötet. AlsÉmile Lahouds Amtszeit als libanesischer Staatspräsident im November 2007 endete, machte die Opposition ihre für die notwendige Zweidrittelmehrheit erforderliche Beteiligung an der Präsidentenwahl des Parlaments von einer vorherigen Einigung auf eine Regierung der nationalen Einheit und ein neues Wahlgesetz abhängig, obwohl das Mehrheitslager den Oppositionskandidaten, ArmeechefMichel Sulaiman, akzeptiert hatte. Trotz zahlreicher Vermittlungsversuche blieb so das Amt des Präsidenten über sechs Monate vakant. Im Mai 2008 führte eine Entscheidung der Regierung über das Kommunikationsnetzwerk der Hisbollah schließlich zur Eskalation, in der Hisbollah- und Amal-Kämpfer vorübergehend Westbeirut besetzten.
Die Straßenkämpfe und der Einsatz von Artillerie imChouf-Gebirge erinnerten an den Bürgerkrieg und bewegten dieArabische Liga dazu, eine Ministerdelegation unter Leitung deskatarischen Außenministers und des Generalsekretärs der Liga nach Beirut zu entsenden. Unter ihrer Vermittlung nahm die Regierung die Beschlüsse gegen die Hisbollah zurück, die im Gegenzug ihre Barrikaden räumte. In den anschließenden fünftägigen Verhandlungen inDoha, die mehrmals durch die katarische Führung vor dem Scheitern bewahrt wurden, einigten sich alle libanesischen Parteien auf die Wahl Sulaimans zum Präsidenten, die Bildung einer Regierung der nationalen Einheit mit 11 von 30 Ministerämtern für die Opposition, die damit Regierungsentscheidungen blockieren kann, sowie ein neues Wahlgesetz. Am 25. Mai 2008 wurde Michel Sulaiman im Beisein sowohl des iranischen und syrischen als auch des saudischen und französischen Außenministers zum Präsidenten gewählt.
In den 2010er Jahren wurde das politische System Libanons laut mehrerenDemokratiemessungen stetig undemokratischer. Sulaimans Amtsperiode endete am 25. Mai 2014. Mehrere Wahlgänge seit März 2014 führten zu keinem Ergebnis, sodass das Amt des Staatsoberhauptes seit dem 26. Mai 2014 unbesetzt war. Nach einer Vakanz von 29 Monaten kehrte am 31. Oktober 2016Michel Aoun dank neuer Allianzen im ebenfalls über seine Amtszeit hinaus tagenden Parlament in das Präsidentenamt zurück.[52] Vom 18. Dezember 2016 bis zu seinem Rücktritt[53] am 4. November 2017 warSaad Hariri amtierender libanesischer Ministerpräsident.
Am 4. November 2017 verlas Hariri eine vom saudischen Fernsehen live ausgestrahlte Erklärung, in der er seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten bekannt gab. Es wurde vermutet, dass dieser auf saudischen Druck erfolgte. Da sich Hariri in Saudi-Arabien aufhielt, konnte er seinen Rücktritt nicht dem Staatspräsidenten persönlich erklären, wie es die Verfassung des Libanon vorsieht. Daher nahm der Staatspräsident Hariris Rücktritt nicht an. Am 18. November wurde Hariri vom französischen Staatspräsidenten Macron nach Frankreich eingeladen und reiste von dort aus in den Libanon zurück. Letztlich widerrief Hariri seinen Rücktritt.
Seit 2019 beschleunigte sich der Demokratieabbau im Libanon, derDemokratieindex spricht seit 2021 von einerautoritären Herrschaft. Das staatliche System ist zunehmend instabil.[54][55][56][57][58] Die sich seit 2019 verschärfendeWirtschaftskrise und wachsendeKorruption spitzten die politische Lage zu und führten zu wachsender Unzufriedenheit der Bevölkerung undlandesweiten Protesten. In der Folge kam es zum Rücktritt der Regierung Hariri. Nach derExplosionskatastrophe in Beirut 2020 wurde auch die Nachfolgeregierung in kürzester Zeit zum Rücktritt gezwungen.
Aufgrund der latenten Krise, die auf das Unvermögen der Regierung, Probleme der Infrastruktur und der Versorgung zu lösen, zurückging, und angekündigter Steuererhöhungen kam es im Oktober 2019 nach einer Abwertung deslibanesischen Pfunds zu den stärksten landesweiten Protesten seit Ende des Bürgerkriegs (1990) mit der Forderung nach Rücktritt der Regierung. Sie nahmen stellenweise das Ausmaß politischer und sozialer Unruhen an.[59][60][61] Am 29. Oktober verkündete Harari nach 13-tägigen Massenprotesten, bei denen der Abschied der gesamten politischen Elite des Landes gefordert wurde, seinen Rücktritt.[62] Am 9. Dezember beauftragte Staatspräsident Aoun einen von der Hisbollah unterstützten früheren Bildungsminister, den UniversitätsprofessorHassan Diab, mit der Regierungsbildung. 69 Abgeordnete des 128-köpfigen libanesischen Parlaments, darunter der parlamentarische Block derHisbollah und derAmal-Bewegung sowie mit Präsident Aoun verbundene Gruppen, stimmten für Diab.[63] Am 21. Januar 2020 stellte Diab dasneue Kabinett vor.[64]
Am 4. August 2020 kam es imHafen von Beirut zu einer Explosion, bei der 224[65] Menschen getötet und etwa 6500 verletzt wurden. Zahlreiche Menschen wurden vermisst. Die Detonation riss einen Krater mit einem Durchmesser von rund 200 Metern, der sich mit Meerwasser füllte. Große Teile des Hafens, der von zentraler Bedeutung für die Versorgung des Landes ist, wurden zerstört oder beschädigt. Die Katastrophe und die anschließenden Proteste führten zum Rücktritt der Regierung Diab am 10. August.[66] Erst im September 2021 gelang es dem früheren MinisterpräsidentenNadschib Miqati,eine neue Regierung zu bilden.[67]
Bei derParlamentswahl 2022 verlor das islamistische Parteienlager um die Hisbollah seine Regierungsmehrheit zugunstenprogressiver Parteien.[68] Dennoch änderte sich nichts am Einfluss einzelner politischer Anführer, der so genanntenZuama, die in zuvörderst von der Konfession bestimmten Segmenten der libanesischen Gesellschaft das Sagen haben und bereits im Bürgerkrieg Milizen kommandierten und damit bis heute ihre Position verteidigen.[69] Aufgrund der politischen Spaltung des Landes war das Amt des Staatspräsidenten von Oktober 2022 bis Januar 2025 unbesetzt.[70]
Der israelische PremierministerJair Lapid und der libanesische Präsident Michel Aoun unterzeichneten im Oktober 2022 ein Abkommen zurgemeinsamen Seegrenze im Mittelmeer. Lapid sagte: „Es kommt nicht jeden Tag vor, dass ein feindliches Land den Staat Israel in einem schriftlichen Abkommen vor der internationalen Gemeinschaft anerkennt“. Aoun betonte jedoch, dass das Abkommen „keine politischen Dimensionen oder Auswirkungen (habe), die im Widerspruch zur Außenpolitik des Libanons stehen“.[71]
Im Jahr 2023 litten 40 % der Bevölkerung wegen der Wirtschaftskrise an Hunger, darunter der Großteil der im Land lebenden syrischen Flüchtlinge.[72]Im August 2024 stellte der staatliche EnergieversorgerÉlectricité du Liban „aufgrund der völligen Erschöpfung der Ölreserven“ sein letztes in Betrieb befindliches Kraftwerk ab, was zu einem vollständigen Ausfall der staatlichen Stromversorgung im gesamten Land führte.[73]
Im Zusammenhang mit demKrieg in Israel und Gaza seit 2023 intensivierte die Hisbollah im Libanon den Beschuss israelischen Territoriums, sodass mehrere Zehntausend Einwohner des Nordens Israels aus ihren Ortschaften und Städten in südlichere Landesteile evakuiert wurden. Nach israelischen Bombardements im Südlibanon und dem Süden von Beirut reagierte Israel am 1. Oktober 2024 mit dem Einmarsch seiner Truppen auf libanesisches Territorium mit dem erklärten Ziel, die Hisbollah auszuschalten.[74] Ende Oktober 2024 befanden sich bereits rund 1,3 Millionen Einwohner des Libanon innerhalb des Landes auf der Flucht; immer wieder wurden Zehntausende von der israelischen Militärführung aufgefordert, ihren Wohnort zu verlassen, um israelischen Einheiten die Bekämpfung der Hisbollah zu erleichtern. Die Bombardements der israelischen Luftwaffe erreichten Ende Oktober Baalbek im Nordosten des Libanon.
Im November 2024 wurde eine Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel verkündet. Das Abkommen sieht ähnlich dem vorherigen Abkommen zwischen beiden Seiten von 2006 den Rückzug der Hisbollah hinter den Litani und den Abzug der israelischen Truppen vor.[75] Der Krieg hatte bis dahin knapp 3.400 Libanesen das Leben gekostet und Schäden in Höhe von 8,5 Milliarden US-Dollar verursacht. Knapp 100.000 Häuser wurden beschädigt oder zerstört und der Süden des Landes weitgehend verwüstet.[76]
Der Libanon ist seit 1926 eineRepublik und derzeit eineparlamentarische Demokratie. Die innenpolitische Lage ist aufgrund des Konfessionalismus sehr komplex und wenig stabil. Mehrere Präsidenten, Ministerpräsidenten und andere Politiker wurden in der Geschichte des Libanon während oder nach ihrer Amtszeit ermordet. Die Verfassung von 1926 wurde zuletzt 1999 geändert, über deren Einhaltung wacht derVerfassungsrat des Libanon.
Die vier höchsten Staatsämter sind Mitgliedern bestimmter religiöser Gruppen vorbehalten:
Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein,
der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein,
Diese Regeln basieren nicht auf der Verfassung von 1926, sondern auf demNationalpakt von 1943 und wurden zwischen den Vertretern der Konfessionen zuletzt imAbkommen von Taif (1989) bestätigt. Die Wahl des Staatsoberhauptes erfolgt alle sechs Jahre durch das Parlament (keine unmittelbare Wiederwahl). Das Wahlrecht besteht ab 21 Jahren.
Seit Februar 2006 tagen in unregelmäßigen Abständen zwölf ranghohe Politiker aller großen libanesischen Parteien und religiösen Gruppen an einem „runden Verhandlungstisch“ im Beiruter Regierungsviertel, um über wichtige nationale Fragen zu verhandeln („Nationaler Dialog“). So hat man sich bisher darauf geeinigt, dass dieSchebaa-Farmen libanesisches Gebiet sind. Offen sind bis heute Fragen der Entwaffnung der Hisbollah und der im Libanon ansässigen palästinensischen Milizen. Seit 2008 wird hierfür an einer nationalen Verteidigungsstrategie gearbeitet, die den Rahmen für die staatlichen Streitkräfte wie auch für die „Résistance“ (derHisbollah) bilden soll.
Die letzte Parlamentswahl fand im Jahr2022 statt, zuvor waren2005 (siehe auchlibanesische Regierung vom Juli 2005),2009 und2018 Parlamentswahlen abgehalten worden. Der Parlamentspräsident istNabih Berri (seit 1992). Die aktuelle Sitzverteilung gemäß den landesweiten Wahlen von 2022:
Regierungslager:
Libération et développement (VorsitzNabih Berri, derAmal-Bewegung nahestehend): 15 Abgeordnete, davon 11 Schiiten, 1 Maronit, 1 Druse, 2 Griechisch-Katholische
Fidélité à la Résistance (VorsitzMohammad Raad,Hisbollah-nahe): 14 Abgeordnete, davon 11 Schiiten, 1 Maronit, 2 Sunniten
Vor der Unabhängigkeit wurde unter der Verwaltung als französisches Schutzgebiet die Gleichheit aller Bürgerinnen und Bürger vor dem Gesetz in Artikel 7 der Verfassung vom 26. Mai 1926 proklamiert, Frauen wurden nicht gesondert erwähnt.[77] 1926 wurde zwar ein aktives Frauenwahlrecht eingeführt, war aber an Bildungsvoraussetzungen gebunden.[77] 1943 wurde das Land unabhängig. Ab 1952 bestand für alle Männer Wahlpflicht, während Frauen ab 21 Jahren mit Grundschulbildung ein Wahlrecht hatten.[77][77][78]
Forces Libanaises (FL) als christliche politische Organisation, die im Jahr 1978 von dem gewählten, aber noch vor Amtsantritt ermordeten PräsidentenBachir Gemayel gegründet wurde. Unter den pro-syrischen Regierungen litten die FL unter starken Beschränkungen. Erst die „Zedernrevolution“ Anfang 2005 und der darauf folgende Abzug der syrischen Truppen brachte unter anderem mit der Haftentlassung ihres FührersSamir Geagea den Forces Libanaises Betätigungsfreiheit.
Hisbollah: im Bürgerkrieg entstandene schiitisch-religiöse Partei undMiliz
Freie Patriotische Bewegung (FPM): Eine Bewegung, die seit 1990 gegen die syrische Besetzung des Landes protestierte und bis zum Abzug der syrischen Armee verboten war. Geführt von dem maronitischen GeneralMichel Aoun.
Amal-Bewegung: traditionelle schiitische Bewegung, die gegen die Besetzung des Landes durch Israel kämpfte. Nach dem Bürgerkrieg Versöhnung mit der Hisbollah.
Progressiv-Sozialistische Partei (PSP) des DrusenführersWalid Dschumblat. 2009 distanzierte sich Dschumblat von der prowestlichen Koalition „14. März“ (siehe oben) und ordnete seine Partei in der Mitte ein.
DieStreitkräfte des Libanon bestehen aus den drei TeilstreitkräftenHeer,Luftstreitkräfte undMarine und bestehen aus etwa 80.000 Soldaten. Alle drei Teilstreitkräfte werden vom Zentralkommando der libanesischen Streitkräfte inJarzeh, im Osten vonBeirut gelegen, kommandiert. Das Militär des Libanon setzte sich vor Abschaffung der Wehrpflicht 2008 ausWehrpflichtigen zusammen, die ab dem 4. Mai 2005 einberufen wurden. DerWehrdienst dauerte sechs Monate und die verpflichtende Reservezeit endete nach zwei Jahren.
Der Libanon gab 2017 knapp 4,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung oder 2,4 Milliarden US-Dollar für seine Streitkräfte aus. Die Militärausgaben als erheblicher Anteil der Staatsausgaben gehören mit 15,6 Prozent zu den höchsten der Welt.[84]
Libanonberg*: Die DistrikteJbeil undKeserwan sollen laut Beschluss des libanesischen Parlaments vom August 2017 das eigenständigeGouvernement Keserwan-Jbeil[85] mit Sitz in Jounieh bilden.
Die Weltbank klassifiziert den Libanon 2017 als Land mittleren Einkommens. Ab 2019 begann eineschwere Wirtschaftskrise im Libanon, die einen Einbruch der Wirtschaftsleistung verursachte und die Verarmung weiter Teile der Bevölkerung verursachte.[86] Seit 2019 befindet sich der Libanon in einer schweren Wirtschaftskrise. Der libanesische Staat hat bis 2020 fast 90 Milliarden US-Dollar Schulden angehäuft.[87] DasBruttoinlandsprodukt des Libanon betrug 2020 kaufkraftbereinigt 77,65 Mrd. US-Dollar. Das ergibt ein Pro-Kopf Einkommen von knapp 11.400 Dollar, womit das Land eines der reicheren in der arabischen Welt ist und das ungefähre Wohlstandsniveau von Ländern wiePeru undAlgerien erreicht.[88]
Der Libanon hat eine traditionell relativ freie Wirtschaft und eine starke Handelstradition. Die meist wohlhabende und erfolgreiche libanesischeDiaspora trägt in Form von Überweisungen und Investments einen bedeutenden Teil zur einheimischen Wirtschaftsleistung bei. Die Wirtschaft ist stark auf den Dienstleistungssektor ausgerichtet, in dem vor allem der Finanz- und Tourismussektor das Wachstum treiben, die industrielle Basis des Landes ist dagegen nur schwach ausgeprägt. Probleme im Land sindKorruption, eine umständlicheBürokratie und dauerhafte politische Instabilität.[89] Zudem hat das Land aufgrund derBürgerkriege der letzten Jahrzehnte und der hohen Zahl an Flüchtlingen im Land, die versorgt werden müssen, eine der höchsten Staatsverschuldungsquoten der Welt. Die belasteten Staatsfinanzen verursachen außerdem unzureichende Investitionen in die öffentliche Infrastruktur.[90] ImGlobal Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt Libanon Platz 105 von 137 Ländern (Stand 2017–2018).[91] ImIndex für wirtschaftliche Freiheit liegt das Land 2017 auf Platz 137 von 180 Ländern.[92][93]
DasLibanesische Pfund ist an den US-Dollar gekoppelt, der im Land als Zweitwährung verwendet wird. Jedoch ist der Wert der Währung auf den Kapitalmärkten seit der Entfaltung derBankenkrise im Frühjahr 2020 um ein Vielfaches gefallen.[94] Das strengeBankgeheimnis des Libanon bringt ihm auch den Beinamen „Schweiz des Ostens“ ein.
DerStaatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 14,4 Mrd.US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 9,9 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich einHaushaltsdefizit in Höhe von 8,6 % desBIP.[90] DieStaatsverschuldung betrug 2021 knapp 151 % des BIP.[88] 2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:
Der Libanon gehört seit Jahrzehnten zu den am höchsten verschuldeten Staaten der Welt. Dies ist auf denBürgerkrieg und die Kosten des Wiederaufbaus zurückzuführen, zuvor hatte der Libanon stets eine äußerst konservative Haushaltspolitik betrieben.[96] Trotz der auch nach dem Ende des Krieges instabilen wirtschaftlichen und politischen Lage konnten die Schulden drei Jahrzehnte lang stets pünktlich bedient werden. Am 7. März 2020 gab MinisterpräsidentDiab in einer Fernsehansprache an das Volk bekannt, der Staat könne erstmals in seiner Geschichte Schulden nicht fristgemäß zurückzahlen. Betroffen sind am 9. März 2020 fälligeEurobonds im Umfang von 1,2 Milliarden US-Dollar. Insgesamt habe das Land im Jahr 2020 Schulden von 4,6 Milliarden US-Dollar zu begleichen. Die Staatsverschuldung ist laut Diab inzwischen auf 90 Milliarden US-Dollar angewachsen, entsprechend 170 % des Bruttoinlandproduktes.[97] Am 1. Mai 2020 unterzeichnete Ministerpräsident Diab ein Gesuch an denInternationalen Währungsfonds mit der Bitte um Finanzhilfe. Tags zuvor hatte dasKabinett einen Reformplan für das Land verabschiedet.[98][99]
Der wichtigste Hafen ist derHafen von Beirut. Der derzeit einzige für den zivilen Flugverkehr genutzte Flughafen ist derRafiq-Hariri-Flughafen in Beirut.
Der Libanon verfügt – speziell im Westen – über ein zum Teil sehr dichtes Straßennetz. Die wichtigsten Strecken sind die teilweise alsAutobahn ausgebaute Nord-Süd-Küstenstraße zwischen der syrischen und israelischen Grenze (228 km), die Ost-West-Fernverkehrsstraße nach Damaskus (112 km) und die Nord-Süd-Binnenstraße von der syrischen Grenze über Baalbek-Zahlé nach Beirut. Obwohl die Hauptstraßen asphaltiert sind, ist die Qualität der meisten Straßen schlecht, in den Bergen sogar sehr schlecht. Die Pass-/Gebirgsstraßen (außer die wichtigsten Hauptrouten) sind nur im Sommer sicher befahrbar. In und um Beirut herrscht immenser Verkehr, ebenso auf der Küstenautobahn Tripoli – Beirut – Tyros. Unfälle sind häufig: 2008 gab es im Libanon mit seinen damals 4 Millionen Einwohnern über 11.000 Verletzte und 850 Tote im Straßenverkehr.[100]
Auch bei Überlandfahrten sind Taxen/Sammeltaxen das übliche Verkehrsmittel. Einige überörtliche und lokale Buslinien bestehen, sind aber für Ausländer schwer zu nutzen, weil es weder gekennzeichnete Strecken noch bestimmte Haltestellen oder Fahrpläne gibt.[101]
Die Architektur des Libanon zeigt seit der Renaissance einen starken italienischen Einfluss. Der LandesfürstFachr ad-Dīn II. (1572–1635) brachte in dieser Zeit ein ehrgeiziges Programm zur Entwicklung des Landes auf den Weg. Als dieOsmanen Fachr ad-Dīn 1613 in die Toskana ins Exil schickten, schloss er dort einen Bund mit denMedici. Nach seiner Rückkehr 1618 begann er, den Libanon zu modernisieren. Er förderte die Entstehung einer Seidenindustrie, den Ausbau der Olivenölproduktion und brachte viele italienische Ingenieure ins Land, die überall Herren- und Wohnhäuser zu bauen begannen.[103] Insbesondere die StädteBeirut undSidon wurden im italienischen Stil erbaut.[103] Diese Bauwerke, besonders die inDair al-Qamar, beeinflussten den Baustil im Libanon bis in die Gegenwart. Das Erscheinungsbild vieler berühmter Straßen, wie dieRue Gouraud in Beirut, ist durch historische Häuser im italienischen Renaissance-Stil geprägt.[104] Eines der schillerndsten jüngeren Beispiele für den Stil ist das im 19. Jahrhundert errichtete Gebäude desSursock-Museums.
Eine Ausnahme unter den Sendern bildet das staatlicheTélé Liban, das ein eher kulturelles Programm ohne direkte politische Stellungnahmen anbietet. Ebenfalls öffentlicht-rechtlich organisiert ist der HörfunksenderRadio Liban, der ganztags ein arabisch- und ein französischsprachiges Programm sendet. Daneben gibt es eine Vielzahl privatrechtlicher Hörfunkstationen, die teilweise auch auf Französisch und Englisch senden. DiePresselandschaft umfasst neben zahlreichen arabischsprachigen Zeitungen den seit 1952 erscheinenden englischsprachigenDaily Star und den französischsprachigenL’Orient-Le Jour, der 1971 aus dem Zusammenschluss zweier traditionsreicher frankophoner Blätter entstand.
Im Jahr 2022 nutzten 90,1 Prozent der Einwohner Libanons das Internet.[108]
Der Nationalfeiertag ist der22. November, Tag der Unabhängigkeit desGroßlibanon vonFrankreich 1943. Aufgrund der konfessionellen Vielfalt im Libanon gelten sowohl muslimische als auch christliche Feiertage für die ganze Bevölkerung. So haben libanesische Schüler sowohl amOpferfest wie auch zuOstern schulfrei. Am 1. September 2020 feierte der Libanon unter Anwesenheit des französischen StaatspräsidentenEmmanuel Macron als einzigem ausländischen Staatsoberhaupt den 100. Jahrestag der Proklamation des Großlibanon.[109] Die KunstflugstaffelPatrouille de France zeichnete die libanesischen Nationalfarben in den Himmel über Beirut.[110]
Im Libanon finden seit seiner staatlichen Unabhängigkeit mehrere internationale Kulturfestivals statt, die Darbietungen europäischer und libanesischer Künstler zusammenführen, namentlich das seit 1955 nahezu jährlich veranstaltete Festival in den antiken Stätten vonBaalbek und das seit der Endphase des Bürgerkriegs zusätzlich veranstaltete Festival imPalast Beit ed-Din.
Die libanesische Küche ist ähnlich den Küchen vieler Länder dieser Region. Grundbestandteile sind Gemüse, Obst, getrockneteHülsenfrüchte,Bulgur,Reis,Fisch,Fleisch insbesondere von Lamm und Huhn, Nüsse,Oliven,Joghurt undTahini. Viele Speisen sindvegetarisch. Zu den bekanntesten Gerichten gehörtKibbeh, das in der gesamten Region gegessen wird, oder auchHummus undTaboulé.
Anna Kirchhefer, Uwe Kirchhefer:Libanon – Im Zwischenland. MANA-Verlag, Berlin 2021,ISBN 978-3-95503-246-3.
Stephan Rosiny:Religionsgemeinschaften als Verfassungssubjekte. Libanon als Modell für Nahost? GIGA Focus Nahost 2011/4, Hamburg, (PDF; 496 kB).
Dar al Janub (Hrsg.):… und wo ist Palästina? Eine Reise in die palästinensischen Flüchtlingslager im Libanon. Dar al Janub, Wien 2006,ISBN 3-9502184-0-8.
↑abThe Story of French, Jean-Benoît Nadeau, Julie Barlow. Macmillan, 2008,ISBN 978-0-312-34184-8,S.311 (online in der Google-Buchsuche [abgerufen am 14. Dezember 2010]).
↑Jean-Benoît Nadeau, Julie Barlo:Plus ça change. Robson, 2006,ISBN 1-86105-917-5,S.483 (online in der Google-Buchsuche [abgerufen am 26. Januar 2010]).
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↑Die frühen Emire waren zunächst Drusen, später konvertierte dieSchihab-Dynastie teilweise zum sunnitischen Islam, am Ende nochmals teilweise zum maronitischen Christentum, weshalb es heute Drusen, Sunniten und Christen mit dem Namen Schihab/Chéhab gibt. Auch die ursprüngliche Machtstellung des drusischen Stammesadels wurde später mit dem maronitischen Stammesadel und Klerus geteilt, weshalb der Name „Emirat Libanonberg“ üblich wurde.
↑Theodor Hanf:Koexistenz im Krieg. Staatszerfall und Entstehen einer Nation im Libanon. Baden-Baden 1990, S. 78–80.
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↑At a Glance: Global Competitiveness Index 2017–2018 Rankings. In:Global Competitiveness Index 2017–2018. (weforum.org [abgerufen am 6. Dezember 2017]).
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