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Léon Poliakov

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Léon Poliakov 1952

Léon Poliakov (russischLew Wladimirowitsch Poljakow, Лев Владимирович Поляков; geboren25. November1910 inSt. Petersburg,Russisches Kaiserreich; gestorben8. Dezember1997 inOrsay,Frankreich) war ein bedeutenderPublizist undHistoriker. Er war Forschungsleiter amCentre national de la recherche scientifique in Paris und gilt alsPionier der Holocaustforschung.

Leben

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Herkunft und Kindheit in Russland

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Lew Poljakow wurde 1910 als Sohn des jüdischen ZeitschriftenunternehmersWladimir Poljakow und dessen Ehefrau Fanny in St. Petersburg geboren. Er hatte mehrere ältere Schwestern. Sein OnkelAlexander Poljakow war Journalist.Lew Poljakow wuchs in St. Petersburg und dann in Odessa auf.

Jugend und Ausbildung in Berlin und Paris

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1920 flüchtete seine Familie vor denBolschewiki nach Frankreich. 1921 zog sie aus wirtschaftlichen Gründen nachBerlin, wo Lew das Goethegymnasium besuchte. Er bekam als Jugendlicher bereits die Anfänge desNationalsozialismus in Deutschland mit. 1924 zog die Familie nachParis.[1]Dort besuchte er ein Gymnasium. Sein Vater Vladimir Poliakoff wurde 1933 Herausgeber des wichtigenPariser Tageblatts kritischer deutscher Exilanten. 1936 zwangen ihn die Redakteure, die Zeitung einzustellen.

Léon Poliakov studierteJura undLiteraturwissenschaft in Paris. 1937 wurde er Mitglied derFreimaurerlogeJupiter. Er arbeitete danach alsJournalist und wandte sich historischen Forschungen zu.

Militärdienst und Widerstand in Frankreich

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1940 trat Léon Poliakov in die französische Armee nach dem deutschen Überfall ein. Am 13. Juni 1940 geriet er mit seinem Bataillon in deutsche Kriegsgefangenschaft beiSaint-Valéry-en-Caux. Drei Monate später flüchtete er aus dem Kriegsgefangenenlager inDoullens und schlug sich unter dem NamenRobert Paul nach Südfrankreich durch. Er schloss sich derRésistance an, wo er den jüdischen Widerstand maßgeblich mitorganisierte.

Im Jahre 1943 beteiligte sich Léon Poliakov zusammen mit Zalman Schneerson, dem Gründer Joseph Bass und weiteren untergetauchten Juden an einerGruppe André in Südfrankreich zur Rettung vieler jüdischer Kinder durch ihr Verstecken in nichtjüdischen Familien.[2]

Dokumentarische Tätigkeiten

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Léon Poliakov gründete mit Zalman Schneerson und verschiedenen jüdischen Gruppen dasCentre de documentation juive contemporaine, CDJC, das Urkunden und Beweise sammelte, um die Verfolgung der Juden in Frankreich zu dokumentieren.Ab 1947 war er bei denNürnberger Prozessen als Pressebeobachter akkreditiert, wo erEdgar Faure, dem Leiter der französischen Delegation, als Berater und Dolmetscher zur Seite stand.

Zalman Schneerson und Léon Poliakov sahen auch in den nächsten Jahren ihre wichtigste Aufgabe darin, die Verfolgung der Juden in Frankreich zu dokumentieren.Die Publikationen richteten sich dabei vorrangig an dienormale nichtjüdische französische Öffentlichkeit.[3]Léon Poliakov war Forschungsleiter amCentre national de la recherche scientifique in Paris.

1989 wurde er alsChevalier de la Légion d'honneur(Ritter der Ehrenlegion) ausgezeichnet. Er starb am 8. Dezember 1997 im Alter von 87 Jahren im französischenOrsay.[4]

Publikationen

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Schneerson und Poliakov sahen ihre wichtigste Aufgabe darin, die Verfolgung der Juden in Frankreich 1939–1944 zu dokumentieren. Dabei war es die Perspektive der Täter, die ihnen in den 1960er Jahren als der Schlüssel für eine „objektive“ Darstellung dieses historischen Ereignisses galt. Bei ihren Publikationen beim CDJC legten sie daher den Schwerpunkt auf offizielle Dokumente zur Judenvernichtung durch die Deutschen selbst oder durch die aktiveKollaboration desVichy-Regimes.

Léon Poliakoff veröffentlichte mitFrançois Mauriac 1951 mitBréviaire de la haine (Saat des Hasses) die erste umfangreiche Studie über den Judenhass und die Vernichtungspolitik der Nazis, sowie deren historische und geistesgeschichtliche Wurzeln, nach Recherchen in deutschen Archiven und der Auswertung zahlreicher Augenzeugenberichte. Er kritisierte das Schweigen von PapstPius XII. zu den Verbrechen der Nazis und machte das Christentum für die Judenvernichtung mitverantwortlich.

Seine Studie zurGeschichte des Antisemitismus von der Antike bis zum 20. Jahrhundert in acht Bänden gilt heute als Standardwerk derAntisemitismusforschung. InLe mythe aryen (Der arische Mythos) untersuchte Poliakov unter Berücksichtigung von Erkenntnissen ausAnthropologie,Philosophie,Psychoanalyse,Religions- undSprachwissenschaft, wie sich der Mythos desAriers und seiner Überlegenheit seit der Antike allmählich herausbildete, um schließlich im 19. und 20. Jahrhundert zum festen Bestandteil abendländischen Denkens zu werden.

Léon Poliakov komme, soPeter Ullrich, mit seiner SchriftVom Antizionismus zum Antisemitismus auch das Verdienst zu, schon frühzeitig auf die Relevanz der problematischen Verquickung vonAntizionismus und Antisemitismus aufmerksam gemacht zu haben. Die Schrift gebe einen gut lesbaren Überblick zur Entwicklung von Antisemitismus und Antizionismus, insbesondere in derSowjetunion.[5]

Léon Poliakov forschte auch über weitere verfolgte Gruppen, darunter dieAltorthodoxen (Altgläubigen) in Russland.

Zitate

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  • Ich wollte wissen, warum man mich töten wollte gemeinsam mit Millionen anderer menschlicher Wesen.[6]

Werke (Auswahl)

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Als alleiniger Autor
  • Geschichte des Antisemitismus. In 8 Bänden, Heintz Verlag, Worms. Deutsche ÜbersetzungRudolf Pfisterer. Die deutsche Ausgabe weicht bei der Einteilung der Bände vom französischen OriginalHistoire de l'antisémitisme ab.
I.Von der Antike bis zu den Kreuzzügen. 1977,ISBN 3-921333-99-7.
II.Das Zeitalter der Verteufelung und des Ghettos (mit Anhang:Zur Anthropologie der Juden). 1978,ISBN 3-921333-96-2.
III.Religiöse und soziale Toleranz unter dem Islam. 1979,ISBN 3-921333-93-8.
IV.Die Marranen im Schatten der Inquisition. 1981,ISBN 3-921333-98-9.
V.Die Aufklärung und ihre judenfeindliche Tendenz. 1983,ISBN 3-921333-88-1.
VI.Emanzipation und Rassenwahn. 1987,ISBN 3-921333-86-5.
VII.Zwischen Assimilation und „jüdischer Weltverschwörung“. 1988,ISBN 3-610-00417-7.
VIII.Am Vorabend des Holocaust. 1988,ISBN 3-610-00418-5.
  • Der arische Mythos. Zu den Quellen von Rassismus und Nationalismus. Hrsg.Hamburger Institut für Sozialforschung. Aus dem Franz. von Margarete Venjakob; Holger Fliessbach, Junius Verlag, Hamburg 1993,ISBN 3-88506-220-8.
  • Bréviaire de la Haine – Le IIIe Reich et les Juifs. Paris 1951 (mit einem Vorwort von Francois Mauriac)
  • De Moscou à Beyrouth. Essai sur la désinformation. Calmann-Lévy, Paris 1983.
    • deutsche Übersetzung:Von Moskau nach Beirut. Essay über die Desinformation. ca ira, Freiburg/Wien 2022,ISBN 978-3-86259-181-7.
Mit anderen Autoren
  • Léon Poliakov,Christian Delacampagne,Patrick Girard:Rassismus. Über Fremdenfeindlichkeit und Rassenwahn, Luchterhand-Literaturverlag, Hamburg 1992,ISBN 3-630-71061-1.
  • Léon Poliakov:Vom Antizionismus zum Antisemitismus. Mit einem Vorwort vonDetlev Claussen und einem Beitrag vonThomas Haury. Aus dem Franz. von Franziska Sick ..Ça-Ira-Verlag, Freiburg 1992,ISBN 3-924627-31-2.
  • Das Dritte Reich und seine Denker. Dokumente. Arani, Berlin 1959 (mit Joseph Wulf).
  • Das Dritte Reich und seine Diener. Berlin 1956, (mit Joseph Wulf)
  • Das Dritte Reich und die Juden. Berlin 1955 (gemeinsam mit Joseph Wulf, verschiedene Neuauflagen zuletzt Fourier, Wiesbaden 1987, als Taschenbuch bei Ullstein, Berlin 1983,ISBN 3-548-33036-3)

Memoiren

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  • Léon Poliakov:L'Auberge des Musiciens. 1981,ISBN 2-86374-072-5.
  • Humanität, Nationalität, Bestialität (Léon Poliakov im Gespräch mit Elisabeth Weber), in: Elisabeth Weber (Hrsg.):Jüdisches Denken in Frankreich. Jüdischer Verlag, Frankfurt am Main 1994,ISBN 3-633-54090-3, S. 133–155.
  • Léon Poliakov:„St. Petersburg — Berlin — Paris“. Memoiren eines Davongekommenen. Aus dem Französischen von Jonas Empen, Jasper Stabenow und Alex Carstiuc. Edition Tiamat, Berlin 2019,ISBN 978-3-89320-243-0.

Literatur

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Zeitungsrezensionen
  • Detlev Claussen:Der Pionier der Holocaustforschung. In:taz vom 24. Juni 2019Text, über seine neu erschienenen Memoiren
  • Höllische Dreifaltigkeit. In:Der Spiegel.Nr. 39, 1983,S. 238–242 (online26. November 1983). , Rezension vonGeschichte des Antisemitismus. Band V
  • Nordische Entkümmerer. In:Der Spiegel.Nr. 19, 1960,S. 55 (online4. Mai 1960). , Rezension des BuchesDas Dritte Reich und seine Denker, 1959
Weitere Literatur
  • Laura Jockusch:„Collect and record!“ Jewish Holocaust Documentation in early postwar Europe.Oxford University Press, Oxford 2012

Weblinks

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Commons: Léon Poliakov – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. Klaus Kempter:Joseph Wulf – Ein Historikerschicksal in Deutschland, Vandenhoeck & Ruprecht, 2014,ISBN 978-3-525-36965-4, S. 131
  2. La Résistance Juive (französisch)
  3. Laura Jockusch, s. Lit.
  4. Der Spiegel 51/1997
  5. Peter Ullrich:Rezension zu Léon Poliakov – Vom Antizionismus zum Antisemitismus, Ça ira-Verlag 1992 (Memento vom 20. April 2018 imInternet Archive)
  6. Léon Poliakov. In:Der Spiegel.Nr. 51, 1997,S. 234 (online15. Dezember 1997). 
Personendaten
NAMEPoliakov, Léon
ALTERNATIVNAMENPoljakow, Lew Wladimirowitsch (Geburtsname)
KURZBESCHREIBUNGrussisch-französischer Historiker, „Pionier der Holocaustforschung“
GEBURTSDATUM25. November 1910
GEBURTSORTSt. Petersburg,Russisches Kaiserreich
STERBEDATUM8. Dezember 1997
STERBEORTOrsay,Frankreich
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