Klosterschulen (lateinischScholae monasticae, claustrales) waren mitKlöstern verbundeneBildungseinrichtungen, in denenOrdensleute und weltliche Lehrer Unterricht erteilten.
Bei ihrer Entstehung im 6. Jahrhundert hatten Klosterschulen zunächst nur die Ausbildung vonOrdensgeistlichen zum Ziel, wurden aber bald auch fürLaien erweitert. Als die ältesten, dauerhaft bestehenden Schulen in Europa gelten die ehemaligenKathedralschulen in den englischen BischofsstädtenCanterbury (597),Rochester (604) undYork (627), die an Klöstern gegründet wurden. Zwischen 800 und 1050 gewannen unter anderem die Klosterschulen von Fulda, Reichenau, St. Gallen, Chartres und Tours Bedeutung für die allgemeine, aber etwa auch die medizinische[1] Bildung.
Die ersten Klosterschulen im Abendland werden der Legende nach aufBenedikt von Nursia, den Ordensgründer derBenediktiner († 547), und seinen ZeitgenossenCassiodorus zurückgeführt. ImFrankenreich war eine der ersten Schulen in derAbtei Saint-Pierre (Bèze), wo dieSchola Monastica ab655 bestand, doch in der Krise des 8. Jahrhunderts wurde dieses Kloster für Jahrzehnte geschlossen. Wesentlichen Aufschwung nahmen die Klosterschulen unterKarl dem Großen, namentlich durchBenedikt von Aniane. Seit dieser Zeit teilten die Klosterschulen ihre Schüler inexteriores, die Laien bleiben wollten, z. B. adlige Zöglinge, die in der Verwaltung etwas leisten sollten, undinteriores ein, also für eintretende Novizen,Oblaten (pueri oblati).[2] Eine Rolle spielte immer auch die Ausbildung des Chors in derschola cantorum, denn Gesang gehörte nachHrabanus Maurus zumkontemplativen Leben.[3] Der NachfolgerLudwig der Fromme bemühte sich vergeblich, die Priester nach der Regel desChrodegang von Metz an einem Ort zwangsweise zum gemeinsamen Leben zu vereinen, damit sie am Gottesdienst teilnahmen und ihr Bibelstudium absolvierten. So häufig dieBischofssynoden die Verbesserung der Schulen einforderten, so schlecht stand es vermutlich damit in Wirklichkeit. MitkaiserLothar sah sich 824 durch den weitgehenden Bildungsverlust in Italien gezwungen, acht Schulstandorte in den Hauptorten zu organisieren: Turin, Pavia, Cremona u. a.[4]
Die Benediktiner pflegten ihren Unterricht zuerst vorwiegend in Irland sowie Britannien und verbreiteten ihn von dort aus während deriroschottischen Missionsreisen über Europa, inGallien,Spanien und durchWillibrord undBonifatius auch in den östlichen Regionen des Fränkischen Reiches. Schreibschulen wurden zu einem wesentlichen Faktor für die kulturelle Blüte eines Klosters, so etwa im 9. Jahrhundert imKloster St. Gallen. Dort existierten zwei Schulen für das Lesen und Schreiben, eine innere für angehende Mönche und eine äußere weltliche Schüler. Der Novize musste dieProfessurkunde mit dem Inhalt der Gelübde eigenhändig schreiben oder, wenn er das nicht konnte, einen anderen darum bitten. Der Bildungsstand im Kloster war unterschiedlich; den Urkunden zufolge konnte bei derProfess wahrscheinlich ein Teil der Mönche noch gar nicht schreiben und unterzeichnete deshalb mit einem Kreuz, wie es außerhalb der Klöster damals die Regel war. Abseits der Klöster und Bischofssitze gab es wohl lokale Schreibschulen, an denen Geistliche unterrichteten. Hierzu liegen allerdings kaum Quellen vor.[5]
Seit dem 12. Jahrhundert traten dieZisterzienser sowie dieBettelorden derDominikaner,Franziskaner undKarmeliten hinzu, die auch außerhalb der Klöster lehrten. Stets waren in diesen Schulen Geistliche die Lehrer. Später kamen diePrämonstratenser und die vonGerhard Groote gestifteten „Brüder vom gemeinsamen Leben“ hinzu.
Auch Mädchen lernten in den Klöstern die Anfänge und konnten zu höheren Studien gelangen. Viele Frauenklöster betrieben Erziehung für die Töchter des Adels, von denen nicht wenige als Nonnen einhumanistisches Gelehrtenniveau erreichten, wieHroswitha von Gandersheim oderHildegard von Bingen. Ein weiteres Beispiel istHeloisa, die Nichte des KanonikersFulbert von Paris. Sie begann im KlosterNotre-Dame (Argenteuil) und durfte wegen ihrer Begabung an die höhere Pariser Schule. Später wurde sie Äbtissin und bildete selbst imParakletenkloster aus.[6]
Klosterschulen blieben im deutschsprachigen Raum lange Zeit die einzigen gelehrten Bildungsanstalten. Die ältesten Klosterschulen, die ihren Höhepunkt in ottonischer und salischer Zeit bzw. unterKarl dem Großen erreichten, sind die 724 gegründeteReichenau,St. Gallen (Mitte des 8. Jahrhunderts),Niederaltaich (731 bzw. 741),Fulda (748),Prüm (752),Hersfeld (769),Kremsmünster (777),Corvey (815),Melk a.d. Donau (985),St. Florian (1071),Admont (1074) sowieHirsau (1091), dasSchottenstift (1155) inWien.
Seit der karolingischen Zeit entstanden Dom- oderKathedralschulen der Bischofsstädte, zu denen immer ein Kloster gehörte. Entscheidenden Auftrieb gab ihnen dieAdmonitio generalis (789), mit der Karl der Große eine Gründung überall vorschrieb, um dieChristianisierung voranzutreiben.[7] In den wachsenden Städten kamen weitere Pfarreischulen hinzu (Pfarrschulen unter dem jeweiligen Pfarrer, auchKüsterschulen unter Assistenz des Küsters).
Auf dem Land waren die Priester nach einer VerordnungTheodulfs von Orléans, eines wichtigen Beraters Karls des Großen, verpflichtet, Schulen zu halten, in denen sie Lese- und Schreibunterricht anboten. Solch eine Schule ist um 820 im unterrätischen Gerichtsort Rankweil durch die Nennung eines Lehrers (magister) Andreas und zweier Schüler Valerius und Vigilius bezeugt.[7]
Die höhere Bildung ging ab dem 13. Jahrhundert an die in Italien, England und Frankreich neu entstehendenUniversitäten über. Eine bedeutende Schule im Übergang war z. B. in ParisSaint-Victor mitWilhelm von Champeaux.[8]
DerElementarunterricht umfasste Lesen, Kirchengesang, Rechnen und Latein für den Gottesdienst (Paternoster,Credo). Das reichte auch für den einfachenWeltklerus. Der höhere Unterricht in den Klosterschulen richtete sich nachPaulus Diaconus, dessen Empfehlungen auch immer Zeit zum Spielen vorsahen. Der Lehrstoff umfasste als theologischen LehrkursusdasBibelstudium, die kirchlichen Ordnungen und Regeln sowie als antikes Erbe die siebenfreien Künste, dasTrivium (Grammatik, Rhetorik und Dialektik) und dasQuadrivium (Musik, Arithmetik, Geometrie und Astronomie).[2] Durch denKlosterplan von St. Gallen sind wir über die Methoden, die Hilfsmittel wie Lexika, Wörterbücher und die Prüfungen informiert.[4]
In derkatholischen Kirche verdrängten in der frühen Neuzeit oft die neu konzipiertenJesuitenkollegien die älteren Lehranstalten der Benediktiner, während die neueren derBarnabiten undPiaristen im Hintergrund blieben. Die Schulen der Bettelorden bestanden weiter. Die Aufhebung desJesuitenordens beendete dies im späten 18. Jahrhundert.
Die klostereigenenTheologischen Hauslehranstalten in Österreich und der Schweiz fokussierten ihre Ausbildung auf den theologischen Bereich, weil sie bereits auf in den Klosterschulen vorgebildete Knaben zurückgreifen konnten.
In der Frühen Neuzeit wurden weitere neue Kongregationen zur Mädchenerziehung gegründet, etwa dieUrsulinen, dieKatharinerinnen und dieEnglischen Fräulein. Die Klosterschulen für Mädchen wurden in katholischen Ländern besonders von höheren Ständen genutzt.[9] Im 20. Jahrhundert haben sich diese Schulen sozial geöffnet, doch leiden alle Frauenorden im deutschsprachigen Raum, die in der Erziehung tätig sind, im 21. Jahrhundert an mangelndem Nachwuchs. Daher sind viele Einrichtungen etwa der Ursulinen zu bischöflichen Schulen geworden oder werden durch neu gegründete Stiftungen unterhalten.[10]
In einigen Ländern, die sich derReformation anschlossen, wurden die Einkünfte mehrerer Klöster undDomstifter zur Stiftung vonGelehrtenschulen verwendet, welche immer noch die Namen Klosterschulen,Domschulen oderFürstenschulen führen. Auch wurden ganze Klöster in Schulen umgewandelt. So entstanden beispielsweise inSachsen die Schulen inSchulpforta,Meißen undMerseburg (später nachGrimma verlegt); in Thüringen die Schule inRoßleben;Ilfeld gehörte bis 1866 als Exklave zuHannover. In Württemberg wurden nach der Reformation durch die 1556 erlasseneKlosterordnung die vierzehn verbliebenen Mönchsklöster mit einer Ausnahme ebenfalls in Klosterschulen umgewandelt. Von diesen Klosterschulen existieren heute einzig noch dieEvangelischen Seminare Maulbronn und Blaubeuren.
Bereits in derZeit des Nationalsozialismus wurdesexueller Missbrauch in Klosterschulen zum Gegenstand öffentlicher Angriffe gegen diese Erziehungsform.[11] Bestehende Missstände wurden gezielt ausgenutzt, um den Kirchenkampf gegen die katholische Kirche zu begründen und katholische Schulen zu schließen.[12] Als sexueller Missbrauch von Abhängigen in den 1930er und 1940er Jahren sind beispielsweise die Übergriffe des Internatsleiters derRegensburger Domspatzen,Friedrich Zeitler, zu nennen. Der Priester Zeitler gestand 1959 in einem Strafprozess wegen „Unzucht mit Abhängigen“, dass er einen Zögling bereits 1941 im Domspatzen-Internat sexuell missbraucht hatte.[13]
Die Debatte um den sexuellen Missbrauch in katholischen Klosterschulen erhielt neue Beispiele durch Fälle z. B. imBenediktinergymnasium Ettal oder in den jesuitischen GymnasienCanisius-Kolleg Berlin undAloisiuskolleg Bad Godesberg um 2010.