Wesentliche Informationen über die Kimbern, Teutonen und Ambronen stammen aus demLeben des Marius, einer Biographie desMarius vom griechischen GeschichtsschreiberPlutarch.[1] Die Römer benutzten um 100 v. Chr. das WortGermanen nicht für die Kimbern und Teutonen, auch wenn sie heute zu selbigen gezählt werden. Sie sprachen von denCimbri Teutonique. Der Begriff Germanen wurde wahrscheinlich zuerst von dem GriechenPoseidonios im 30. Buch seiner Historien (ca. 80 v. Chr.), später dann vonGaius Julius Caesar für die Stämme jenseits desRheins verwendet. Plutarch hatte sein Kimbernbild wahrscheinlich aus den Memoiren desSulla, desCatulus, desPublius Rutilius Rufus sowie den Historien des Poseidonios.[2]
Nach Plutarch waren 300.000 kampffähige Männer im Tross. Allerdings wird diese Zahl von vielen heutigen Historikern angezweifelt. Bei 300.000 kampffähigen Männern müsste das gesamte ziehende Volk der Kimbern über eine Million Menschen betragen haben. Es wird aber für das gesamte Gebiet zwischen Rhein undElbe nur eine Bevölkerung von drei bis vier Millionen angenommen. Viele Forscher gehen deshalb davon aus, dass die römischen Geschichtsschreiber stark übertrieben haben und die Kimbern insgesamt nur eine Kopfstärke von 150.000 hatten. Viele historische Quellen zu den Kimbern gelten als unglaubwürdig, dienten sie doch dazu, den Feldherrn Marius alsRetter Italiens darzustellen.
Caesar bezeichnete später den Stamm derAduatuker als „Nachkommen der Kimbern und Teutonen“. Danach seien die Aduatuker Nachfahren der 6000 Mann Schutzwache, die bei den Plünderungszügen der Kimbern und Teutonen 113/105 v. Chr. zur Bewachung ihres Hab und Gutes zurückgelassen worden waren. Nach zahlreichen, viele Jahre andauernden Auseinandersetzungen mit den Nachbarstämmen hätten sie nach einem Friedensschluss das Gebiet um die befestigte Stadt am Mont Falhize zum Wohnsitz gewählt.[3]
Die antiken Quellen geben eine Sturmflut als Ursache für die Auswanderung der Kimbern, Teutonen und Ambronen an. Doch vermutlich kamen Klimaveränderungen hinzu. Nach einer Wärmephase zwischen 2000 und 800 v. Chr. kühlte sich das Klima in Nordeuropa ab. Als Folge davon kam es zu Ernteausfällen und Hungersnöten, die die Bevölkerung dazu zwangen, nach fruchtbarem Land zu suchen. Ihr Zug nach Süden führte sie nachBöhmen, wo sie auf dieBoier gestoßen sein müssen,Schlesien undMähren, dann ins Gebiet derSkordisker im Donau-/Savegebiet und schließlich in die Ostalpen, woNoriker undTaurisker ansässig waren.[5]
Im Jahre 113 v. Chr. trafen Kimbern, Teutonen und Ambronen in der heutigenSteiermark zum ersten Mal auf Römer. Der römische KonsulGnaeus Papirius Carbo ließ die Alpenpässe sperren, um die Germanen am Marsch in RichtungRom zu hindern. Obwohl die Germanen versprachen, friedlich weiterzuziehen und nach Siedlungsland zu suchen, lockten die Römer sie in eine Falle: Carbo gab ihnen Führer mit, die ihnen angeblich behilflich sein sollten, geeignetes Siedlungsland zu finden. Von Carbo hatten die Führer jedoch die Anweisung, einen längeren Umweg zu machen, damit er sie aus dem Hinterhalt angreifen konnte. Während die Kimbern in der Nähe vonNoreia rasteten, griffen zweirömische Legionen mit einer Stärke von 12.000 Mann an. Sie wurden in derSchlacht von den Germanen vernichtend geschlagen. Nur ein einsetzendes Gewitter konnte das römische Heer vor der totalen Vernichtung retten: Aus Angst, der GottDonar könnte den Himmel einstürzen lassen, flohen die Germanen. Historische Quellen hierfür sind insbesondereAppian undStrabo.
Eine mehrere Jahre dauernde Wanderung nach Westen brachte die Stämme bis auf dieIberische Halbinsel, bevor sie sich wieder Richtung Italien wandten. Hier trennten sich die Teutonen und Ambronen von den Kimbern. Erstere zogen von Westen, letztere von Norden nach Italien ein. Diese Trennung sollte das Schicksal der Stämme besiegeln.
Die Kimbern stellen mit ihrem Zug durch Europa die erste einer langen Reihe von Konfrontationen zwischen den Germanen und dem Römischen Reich dar. Zu dieser Zeit brachte Rom sie aber eher mit den Galliern als mit den Germanen in Verbindung. Erst Caesar, der alle Völker östlich des Rheins als Germanen ansah, verwendete diesen Begriff ca. 50 Jahre später in seinem WerkDe Bello Gallico. Dies kann jedoch durchaus als nachträgliche politische Namensgebung aufgefasst werden.[6]
Die Beschreibung der Kimbern prägte das antike, aber auch das moderne, klischeehafte Germanenbild vom blonden, großen und wilden Volk. Zeitzeugenberichte existieren nicht. Plutarch beschreibt sie jedoch alsüberaus zahlreich,schrecklich anzuschauen und mitlauter Stimme, beinahe tiergleich. Der Zug der Kimbern wird in der Antike durchweg als barbarischer Raubzug beschrieben. Dies muss aus heutiger Sicht allerdings kritisch betrachtet werden. So sieht die moderne Forschung den Zug der Kimbern eher als Migrationsbewegung einzelner Stämme auf der Suche nach Siedlungsland denn als Raubzug.[7]
Die Bedeutung der Kimbern und Teutonen für die Sprachwissenschaft
Der Name der Kimbern und Teutonen wird bei römischen Schriftstellern ausnahmslos alscimbri teutonique wiedergegeben, was auslinguistischer Sicht überraschend ist. Zu erwarten wäre vielmehr die Schreibung*chimbri theudonique, jedenfalls wenn im Heimatgebiet dieser Völker um 120 v. Chr. dieErste Lautverschiebung bereits vollzogen gewesen wäre.[8] Diese bewirkte nämlich u. a. die Veränderung von anlautend „k“ zu „ch“ und „t“ zu „th“. Auch der Diphthongeu im Stammesnamenteutoni ist archaisch, in später überlieferten germanischen Texten und Inschriften, einschließlich der bei antiken Schriftstellern als Fremdwörter überlieferten germanischen Lexeme und Namen, erscheint indogermanisch*eu durchgehend alsiu.[9]
Diese Beobachtung hat zusammen mit einigen weiteren Hinweisen zu einer Hypothese geführt, dernach das von den Kimbern und Teutonen gesprochene Idiom die Erste Lautverschiebung noch nicht vollzogen habe, sondern es sich dabei um (spätes)Prägermanisch und nicht um eine Form der in der Literatur als „urgermanisch“ bezeichneten Sprache gehandelt habe.[10] Allerdings sind andere Erklärungen denkbar, etwa eine Vermittlung dieser Namen durch das Keltische.
Anders D. Børglum, Cristiano Vernesi, Peter K. A. Jensen, Bo Madsen, Annette Haagerup, Guido Barbujani:No signature of Y chromosomal resemblance between possible descendants of the Cimbri in Denmark and Northern Italy, in:American Journal of Physical Anthropology 132 II (2007), S. 278–284.
Christian Liebhardt:Der Zug der Kimbern und Teutonen: Hintergründe, Ablauf und Rückschlüsse. Saarbrücken, 2013.
Alexander Sitzmann, Friedrich E. Grünzweig:Altgermanische Ethnonyme. Ein Handbuch zu ihrer Etymologie unter Benutzung einer Bibliographie von Robert Nedoma. Herausgegeben von Hermann Reichert. Fassbaender, Wien 2008,ISBN 978-3-902575-07-4. (Philologica Germanica, 29).
↑Vgl.Sebastian Brather:Ethnische Interpretation in der frühgeschichtlichen Archäologie In:Reallexikon der germanischen Altertumskunde. Walter de Gruyter 2004.ISBN 3-11-018040-5, S. 180 (Google Books).