Blick vomAussichtsturm PetřínBlick im Morgengrauen von Osten auf die Karlsbrücke und diePrager BurgMenschenleere Karlsbrücke am Morgen
Als Übergang über die Moldau diente zunächst eineFurt, vermutlich seit dem 9. Jahrhundert ergänzt durchFloßverkehr. Eine hölzerne Brücke wurde erstmals im 10. Jahrhundert durch den Gesandten desKalifen von Córdoba,Ibrahim ibn Yaqub, erwähnt. Die Holzbrücke wurde wiederholt beschädigt und 1157 oder 1158 endgültig durch ein Hochwasser zerstört. Zwischen 1158 und etwa 1170 entstand die erste Prager Steinbrücke imromanischen Stil, dieJudithbrücke (Juditin most, benannt nachJudith von Thüringen, der Frau des Herzogs Vladislav II.).[1] 1342 wurde auch diese durch dasMagdalenenhochwasser zerstört. Unzerstört blieben einer der beiden Brückentürme auf der Kleinseite, ein Torturm (der später in das Malteserkloster,St. Maria unter der Kette einbezogen wurde) sowie einige Pfeiler und Brückenbögen, die in Wohngebäude auf der Kleinseite integriert wurden.[2]
Die Grundsteinlegung der Karlsbrücke erfolgte 1357 durch KaiserKarl IV. Nach unterschiedlichen Quellen war die Feier entweder am 15. Juni (Fest des Heiligen Vitus) oder am 9. Juli, dem neunten Tag des siebten Monats um 5:31 Uhr, so dass der Termin sich mit einer regelmäßigen Folge von ungeraden Zahlen wiedergeben lässt: 1-3-5-7-9-7-5-3-1.[3]
Kleinere und größere Flutwellen und schwerer Eisgang bedrohten die Brücke im Verlauf ihrer Geschichte immer wieder, zuletzt im Jahr 1872/74, als fünf Pfeiler schwer beschädigt wurden.
1890 stürzten bei einer weiteren Flut zwei Pfeiler durch treibende Baumstämme ein. Die Reparaturen standen unter der Leitung vonJosef Hlávka und dem Wiener ProfessorFranz von Rziha. Sie zogen sich über zwei Jahre hin.
Der Baumeister der Karlsbrücke ist nicht sicher belegt. Lange wurde angenommen, sie sei ein Werk vonPeter Parler. Doch eine neue Theorie aus dem Jahr 2007 besagt, der Architekt sei ein Prager Steinmetz namens Otto gewesen, auch Otlin genannt.[4] Die Arbeiten an der Brücke und an den Türmen standen jedoch unter Leitung von Parler.
Nach dem Vorbild derSteinernen Brücke in Regensburg wurde sie alsBogenbrücke mit 16 Bögen errichtet. Ihre Länge beträgt 516 Meter, ihre Breite rund 10 Meter. Die Bögen sind fast symmetrisch über die gesamte Brückenkonstruktion angeordnet. Als Baumaterial kamen alte Mühlsteine, Granit aus dem Flussbett sowie Sandstein (aus den Steinbrüchen derKreuzherren mit dem Roten Stern beiHloubětín[5]) zur Anwendung. Die Überlieferung, derMörtel sei mitEiern angereichert worden, um die Stabilität zu erhöhen, wurde nach wissenschaftlichen Materialanalysen anlässlich der Rekonstruktion im Jahr 2008 widersprüchlich beantwortet. Die Beimischung vonQuark und Wein als „römischer Mörtel“ konnte jedoch nachgewiesen werden.[6]
Die Steinbrücke verbindet das Altstädter mit dem Kleinseitner Moldauufer. Zwischen spornartig den Fluss teilenden Pfeilern spannen sich einfach getreppte Segmentbögen, die dem Bauwerk einen ruhigen Rhythmus verleihen. Die im Verlauf auffällig gekrümmte Brücke besitzt an ihren Enden in mächtige Tortürme darunter den nach Entwürfen Peter Parlers errichtete Altstädter Brückenturm.mit seiner charakteristischen, in der böhmischen Spätgotik häufig kopierten Silhouette und dem Skulptuenprogramm seiner Ostseite. Die unter einem Rundbogen abgebildeten Figuren zeigen den heiligen Veit, der von Karl Ⅳ. und dessen Sohn Wenzel Ⅳ. flankiert wird.[7]
In der Folgezeit trug dieSteinbrücke (Kamenný most) oderPrager Brücke (Pražský most) wesentlich dazu bei, Prag zu einer bedeutenden Station imHandel zwischen West- und Osteuropa zu machen. Für den Schutz der Brücke waren zunächst dieKreuzherren mit dem Roten Stern verantwortlich.
Um 1700 erhielt die Brücke im Wesentlichen ihre heutige Gestalt mit den dreißigbarocken Skulpturen symmetrisch zu beiden Seiten. Genau über jedem Bogenpfeiler wurde eine symbolträchtige Figur errichtet.[2]
Erst 1870 wurde die Brücke offiziell inKarlsbrücke umbenannt. Ab 1883 führte eine Pferdebahn darüber. 1905 wurde die Pferdebahn durch eineStraßenbahn ersetzt, die drei Jahre späterOmnibussen wich. Sie war jahrhundertelang die einzige Verkehrsverbindung zwischen den Prager Städten.
Die Karlsbrücke seit der Mitte des 20. Jahrhunderts
Im Sommer ist die Karlsbrücke ein Touristenmagnet.
Von 1965 bis 1978 erfolgten umfangreiche Sanierungsarbeiten, nachdem bei genaueren Untersuchungen zahlreiche Risse, vor allem hervorgerufen durch Regenwasser und das im Winterdienst eingesetzte Streusalz, festgestellt worden waren. Die Reparaturkosten beliefen sich auf insgesamt rund 50 Millionen Kronen:[8] Sandsteinquader und Granitblöcke mussten ersetzt werden. Anschließend wurde das Brückenbauwerk für jeglichen Fahrzeugverkehr gesperrt. Sie wird von Fußgängern frequentiert, Künstler undSouvenirhändler bieten ihre Produkte hier an, und eine Brücken-Band lässt mehrfach täglich Musik erklingen.
Ab dem Jahr 2007 fanden etappenweise neuere umfangreiche Restaurierungsarbeiten statt, die sich bis nach 2011 hinziehen sollten. Diese Maßnahmen wurden heftig kritisiert, da ein angeblich unqualifiziertes Bauunternehmen beauftragt wurde. 2010 verhängte dieDenkmalschutzbehörde der tschechischen Republik gegen die Stadt Prag eine Geldbuße in Höhe von rund 130.000 Euro, weil bei der Renovierung schwere Fehler gemacht worden seien. Unter anderem wurde reklamiert, dass historische Steinquader unnötigerweise zerstört und durch unpassende Nachbildungen ersetzt worden seien.[9] Auch dieUNESCO begann, Erkundigungen einzuziehen, da die Karlsbrücke als Teil der Prager Altstadt zumWeltkulturerbe gehört.[10]Eine im Oktober 2009 gestartetePetition zur Rettung der Karlsbrücke, in der die Einstellung der Rekonstruktion in ihrer derzeitigen Form gefordert wird, wurde von über 43.135 Menschen unterzeichnet (Stand: März 2011).[11]Bei den Bemühungen, die Brücke in ein angemessenes Licht zu rücken, greift man auf alte Technik zurück: Die elektrische Beleuchtung für die historisierenden Laternen wurde mit Berliner Technik auf Gas umgerüstet und ist seit 11. November 2010 in Betrieb. In Zukunft werden wieder Nachtwächter wie in alten Zeiten auf der Karlsbrücke Gaslaternen ein- und ausschalten.[12]
Bei der Einweihung der Karlsbrücke trug diese noch keinerlei Brückenschmuck. Erst nach und nach wurden über den Brückenpfeilern Skulpturen von Heiligen und Patronen aufgestellt, beginnend im Jahre 1629 und vorwiegend im frühen 18. Jahrhundert. Diese stammen aus verschiedenen Bildhauerwerkstätten und sind überwiegend im barocken Stil gehalten. Dazu gehört z. B. die heiligeLutgard von Tongern. Wohl am bekanntesten ist die von Matthias Gottfried Freiherrn von Wunschwitz gestiftete, vom BildhauerJohann Brokoff um 1683 als Holzmodell geschaffene, vonWolf Hieronymus Herold in Nürnberg gegossene und am 31. August 1693 aufgestellte[13] Bronze-Statue des heiligenJohannes von Nepomuk, der in der Nacht vom 20. auf den 21. März 1393 von der Karlsbrücke gestürzt und in der Moldau ertränkt worden war. Die metallenen Reliefs rechts und links der Statue wurden ebenfalls in Nürnberg gefertigt.[14]
Seit 1965 werden die steinernen Figuren schrittweise durchRepliken ersetzt; die Originale gelangen in dasLapidarium desNationalmuseums.
Die folgenden Tabelle listet die insgesamt 30 Figuren auf.[2][15]
Auf der Altstädter Seite entstand zwischen 1370 und 1380 genau über dem ersten Brückenpfeiler imgotischen Stil derAltstädter Brückenturm, dessen Ostfassade über die Jahrhunderte erhalten blieb. Hier sind die Wappen aller Länder, die zur Zeit des Brückenbaus zumBöhmischen Königreich gehörten, das Wappen des römischen Kaisers, dasWappen des böhmischen Königs sowie ein von einem Schleier umrahmterEisvogel (ein Symbol fürWenzel IV.) in Sandstein gearbeitet. In Höhe der zweiten Etage des Turmes sind zwei Brückenbögenreliefartig gestaltet, auf denen in der Mitte als Brückenpatron der Heilige Wenzel abgebildet ist. Beidseitig befinden sich die Statuen von Karl IV. in Kaiserwürde und Wenzel IV. mit der Krone des römischen Königs. In der folgenden Etage findet man ein Schild mit Adler sowie einen (nichtheraldischen) Löwen. Den oberen Abschluss der Fassade bilden Statuen der böhmischen Nationalheiligen Adalbert undSiegmund.[2]
Der Turm kann bestiegen und in einer Aussichtsetage begangen werden. Häufig unterhält ein historischgewandeter Trompeter von dort oben die Touristen.
In den Türmen und in der Tordurchfahrt schmücken Gemälde die Wände und Decken, die Ende des 19. Jahrhunderts in ihrer ursprünglichen gotischen Fassung wiederhergestellt wurden. Das Netzgewölbe des Tordurchgangs ist mit einem als stilisierteWenzelskrone gestaltetenSchlusssteins versehen.Die Arbeiten an diesem Turm werdenPeter Parler zugeschrieben.[2]
Der Schmuck an der Westfassade des Turms wurde 1648 bei derschwedischen Belagerung von Prag durch Beschießung schwer beschädigt und daraufhin entfernt.[2] Der Turm diente auch als Politikum: Zwölf Köpfe der 27 hingerichteten Teilnehmern desAufstandes von 1618 gegen dieHabsburger wurden zehn Jahre lang (1621–1631) zur Abschreckung an Stangen aufgesteckt. Eine 1650 angebrachte Gedenktafel erinnert an die Verteidiger gegen die schwedische Belagerung von 1648.[2]
Der niedrigere der beiden Türme ist der leicht modifizierte unversehrte Turm der Judithbrücke. Er ist imromanischen Stil auf rechteckigem Grundriss errichtet. Erhaltene Ausschmückungen aus dieser Zeit sind Reste vonSgraffito, Fenster, Giebel und das Dach. Im Jahr 1591 wurde er imRenaissancestil umgebaut.
1464 wurde im Auftrag KönigGeorgs von Podiebrad, wahrscheinlich an Stelle eines älteren romanischen Turms, der höhere derKleinseitner Brückenturm errichtet. Die Gestaltung lehnte sich an den Altstädter Brückenturm an. Die Kleinseitner Türme wurden im 15. Jahrhundert mit einemzinnenbesetzten Torbogen verbunden.
Joseph Rudl:Die berühmte Prager Karls-Brücke und ihre Statuen, mit einem kurzen Anhange: Die Franzens-Ketten-Brücke. Landau, Prag 1846 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Václav František Welleba:Die berühmte Prager Brücke und ihre Statuen in 37 Kupfern dargestellt, mit Beschreibungen und Legenden. Rudl, Prag 1827 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
↑Tom Clifford: UNESCO looks at bridge work. In: The Prague Post. 3. Februar 2010, archiviert vom Original am 10. April 2010; abgerufen am 22. Juli 2024 (englisch).
↑Isabel Heitjan:Das „Wunder“ Johanns von Nepomuk 1744 zu Prag. In:Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel – Frankfurter Ausgabe. Nr. 89, 5. November 1968 (=Archiv für Geschichte des Buchwesens. Band 62), S. 2863–2868, hier: S. 2866 f.
↑Gottfried Fehr:Die Karlsbrücke zu Prag. Berlin 1944 (=Führer zu großen Baudenkmälern. Band 25), S. 12.