AlsKapselfrüchte bezeichnet man in derBotanik einenFruchttyp mit einemFruchtknoten aus mehreren verwachsenenFruchtblättern (Karpelle). Es können mehr oder weniger gekammerte und ungekammerte Fruchtknoten vorkommen. Kapselfrüchte gehören zu denStreufrüchten, die sich öffnen (Dehiszenz) und so dieSamen freisetzen.
Die Öffnungsstellen oder -linien (Dehiszenzstellen oder -linien) sind im Fruchtknoten vorgebildet. Sie öffnen sich über die Verholzung oder Eintrocknung desPerikarps. Dabei schrumpfen die entstehenden Klappen (Valven) und erweitern den sich in derNarbenregion bildenden Spalt laufend, auch eine Krümmung der Klappen nach außen ist dadurch möglich. Die Columella verhindert manchmal ein völliges Zerfallen der Frucht, da sich die dort verwachsenen Scheidewände (Septen) nicht trennen.[1]
Folglich gehören Kapselfrüchte meistens zu den Trockenfrüchten. Fleischige Kapselfrüchte treten vor allem in den Tropen auf, Beispiele der europäischen Flora sind dieSpringkräuter oder dieSpindelsträucher undAesculus.[2] In Abgrenzung zu den üblichen trockenen Formen werden sie alsSaftkapsel[3] bezeichnet. Kapselfrüchte kommen in fast allenPflanzenfamilien vor, sie fehlen jedoch etwa bei denRosengewächsen und denKorbblütlern.
DieValven, Klappen der Kapsel- und anderen Streufrüchte sind nicht zu verwechseln mit denen bei der PflanzengattungAmpfer (→Valven), die drei innerenPerigonblätter bilden hier Flügel, welche die Frucht einhüllen. Auch beiStaubbeuteln, die sich durch Klappen öffnen, spricht man von Valven.
Porenkapseln,Lochkapseln oderporizide Kapselfrüchte (poricidal bzw. inoperculate oder poricidal-operculate; Poren mit einer Klappe, Deckel – Operculum)[4][5] sind nur in wenigen Gattungen zu finden, typisch sind sie vor allem fürLöwenmäuler oderGlockenblumen, bekanntestes Beispiel ist derMohn. DieValven lösen sich dabei nur sehr begrenzt nach unten ab, folglich ergeben sich keine vollständigenDehiszenzlinien, sondern proFruchtblatt genau eine scharf umrissene Öffnung in der Kapselwand, durch die Samen entlassen werden. Durch die Reste derPlazenta und der Karpellränder bleiben die Poren seitlich voneinander getrennt. Die Poren sind in einer Kreislinie um die Kapsel angeordnet.[6]
Bei der pentameren Frucht derStachelmohnarten ist ein Übergang zum Fruchttyp Schote erkennbar. Lösen sich die Valven anfänglich nur wenig vom reifen Fruchtknoten ab, erinnert die Frucht an eine Porenkapsel aus fünf Fruchtblättern mit entsprechenden fünf Poren. Lösen sie sich mit zunehmender Fruchtreife weiter ab, so bleibt imdistalen Bereich ein gerüstartiger Rahmen (Replum) zurück, man spricht daher von einer eher seltenenRahmenkapsel.[7] Sie kommt aber auch bei anderen Arten vor wie z. B. beiAristolochia oderChelidonium.
DieSchote derKreuzblütler gilt zwar als eigenständiger Fruchttyp, ist aber eine Sonderform der Kapselfrucht. Reduziert man die Rahmenkapsel auf zwei Fruchtblätter, so erhält man eine Schote. Ein Replum aus den vereinigten Karpellrändern und ihren Plazenten verbleibt hier, da sich die Valven vollständig ablösen. Einefalsche Scheidewand ist im Rahmen aufgespannt.[8] Diese Fruchtform wird auch eher selten alsFensterkapsel[9] bezeichnet.
EineDeckelkapsel, auchPyxidium genannt, öffnet sich durch einen Deckel (Operculum, operculate) rundum (circumsessile, pyxidial), der die Samenkammern der Kapselfrucht bedeckt. Deckelkapseln kommen in mindestens 17 Pflanzenfamilien vor, unter anderem denFuchsschwanzgewächse (Amaranthaceae),Berberitzengewächse (Berberidaceae),Kürbisgewächse (Cucurbitaceae),Topffruchtbaumgewächse (Lecythidaceae),Myrtengewächse (Myrtaceae),Wegerichgewächse (Plantaginaceae) und derNachtschattengewächse (Solanaceae).[10] Durch eine zusätzliche Zäsur wird bei der fleischfressenden ArtGenlisea hispidula noch einPerikarpring abgeschieden, weiterhin kann die Dehiszenzlinie schraubig verlaufen.[11]
Spaltkapseln sind die häufigste Form der Kapselfrucht. Die Kapsel öffnet sich durch Längsrisse (Dehiszenzlinien), um die Samen zu entlassen. Häufig öffnet sich die Kapselfrucht über die gesamte Länge der Fruchtwand.Die verschiedenen Öffnungsmöglichkeiten treten auch in Kombination auf. Da die Frucht nicht vollständig zerfällt, darf sie nicht alsSpaltfrucht bezeichnet werden.
Befinden sich die Öffnungslinien an der Bauchseite der einzelnen Fruchtblätter, spricht man von einerbauchspaltigen oderventriziden (ventricidal) Kapselfrucht. Dies kann nur bei apokarpenGynoeceum aus nicht verwachsenen Fruchtblättern entstehen, da die Bauchseite der Fruchtblätter durch die Verwachsung verloren geht. Ein vollständig coenocarpes Gynoeceum kann keine ventriziden Kapselfrüchte bilden, ein nur teilweise apokarp verwachsenes Gynoeceum nur entsprechend in diesem Anteil. Dieser kann, wie bei derGemeinen Pimpernuss, nur kurz sein oder, wie beimDiptam, den basal, fertilen, coenokarpen Anteil an Größe übertreffen.[9]
Platzen bei Reife die außengelegenen Mittelrippen jedes einzelnen Fruchtblattes auf, spricht man von einerrückenspaltigen oderdorsiziden (dorsicidal) Kapselfrucht.[9][12] Damit öffnen sich die samentragenden Fächer, genannt Loculamente oder Loculi[13] eines jeden Fruchtblattes einzeln. Hieraus resultiert der gebräuchlichere Begrifffachspaltige oderlokulizide (loculicidal) Kapselfrucht. Lokulizide Kapselfrüchte treten beiSchwertlilien,Narzissen undNachtkerzen auf. Auch sehr vieleLiliengewächse wie beispielsweiseTulpen,Zwiebeln,Lilien undTraubenhyazinthen haben solche Spaltkapseln. Die bekannteste lokulizide Kapselfrucht ist die derBaumwolle.[14] Aus der Kapselfrucht der Baumwolle quellen bei der Öffnung viele einzelligeSamenhaare.
Reißt die Kapselfrucht entlang der Verwachsungsnähte und/oder an den Scheidewänden (Septen) der Fruchtblätter in Längsrichtung auf, so liegt einescheidewandspaltige oderseptizide (septicidal) Kapselfrucht vor. Ein coenokarpes Gynoeceum kann die Samen nur dann freigeben, wenn ein kleiner parakarper Anteil vorhanden ist, da sich sonst keine klaffende Öffnung ergibt.[9] Septizide Kapselfrüchte kommen beimJohanniskraut, bei denAlpenrosen oderOrchideen vor.
Möglich sind auchseptizid-ventrizide Kapselfrüchte die an den Septen und den Ventralseiten öffnen (Altingiaceae).[15] Und auchseptizid-lokulizide Kapselfrüchte sind möglich z. B. bei derCassava undWightia.[16][17] Solche durch zwei verschiedene Arten öffnende Kapselfrüchte werden auch alsbicidal bezeichnet. Möglich ist auch eine triciale Öffnung wie bei denEuphorbien,septizid-lokulizid-septifrage.[18]
Zusätzlich zu den Dehiszenzlinien längs der Fruchtblätter können Querbrüche an den Septen auftreten, wo sich die Valven ablösen, abbrechen. Es bilden sichscheidewandbrüchige oderseptifrage Kapselfrüchte (septifragal, valvular). Diese Form der Dehiszenz tritt jedoch nur in Kombination mit einer Septizidie oder einer Lokulizidie auf.[19]Septizid-septifrage (marginicidal)[20] Kapselfrüchte sind bei denPaullinia[21],Calluna undRhododendron zu finden,lokulizid-septifrage Kapselfrüchte beiEpilobium undDatura.
Spezielle Form bilden dieforaminizidalen,dentizidalen undfissurizidalen Kapselfrüchte einiger Arten. Die fissurizidalen Kapselfrüchte öffnen sich irregulär durch einen oder mehrere parallele Schlitz, oder regulär entlang von Rissen zwischen der Spitze und der Basis, wie bei denOrchideen. Bei dentizidalen Kapselfrüchten öffnen sich an der Spitze mehrere schmale, ringförmig angeordnete Zähne (Zähnchenkapseln), wie bei denNelkengewächsen. Foraminizidale Kapselfrüchte öffnen sich durch mehrere Risse oder Schlitze in verschiedene Richtungen irregulär bzw. anormal (anomalicidal, aufreißend) z. B. beiGenlisea undCuscuta. Diese Sonderformen werden von einigen Autoren geführt. Ferner gibt es noch durch sich ausdehnende, sich vergrößernde Samen aufbrechende Kapselfrüchte die abzugrenzen sind (Glandispermidium) (Ophiopogon).[22]
Unterschieden werden kann auch eine apikale (acrocidal) oder basale (basicidal) Öffnung einer Kapselfrucht wie beiAristolochia.[23]
Eine Sonderform bildet auch das „Coccum“, es bildet sich aus nur einem Fruchtblatt und öffnet sich entlang von zwei Nähten, es steht zwischen eineröffnendenSteinfrucht oder einer Kapsel- und einer Hülsenfrucht. Auch weil der Begriff Hülsenfrucht für die Früchte der Hülsenfrüchtler steht, ist eine Abgrenzung nötig. Es kommt z. B. bei demMuskatnussgewächsen und bei denSilberbaumgewächsen vor.
Manche Kapselfrüchte öffnen sich explosivballochor mit einem lauten Knall wie bei denWolfsmilchgewächsen, z. B. beimKautschukbaum, aber auch in anderen Familien und Gattungen wie beim Diptam.
Es gibt Kapselfrüchte, die sich nicht oder selten öffnen und erst durch das Aufkauen, -beißen von Tieren oder durch „zu Boden fallen“ geöffnet werden (einigeGardenia-,Alphitonia-,Merciera- undAdansonia-Arten u. a.).[26][27]
Möglich sind auch „Flügelkapseln“, hier sind die Kapselfrüchte geflügelt.[28]
Auch sindKapselfruchtverbände (Capsiconum) möglich, wie bei den GattungenLiquidambar undAnemopsis sowie einigen anderen.
Andere kapselförmige Strukturen, welche die Samen, Früchte einschließen, sind abzugrenzen. Sie werden ausVor-,Deck- und Kelchblättern oder anderem gebildet, wie bei denHelmkräutern,Physalis,Carex oderAllocasuarina und beiFlügelfrüchten oder -kapseln, sowie bei Beerenzapfen. Bei denEukalypten wird die Kapselfrucht vom mit demBlütenboden verwachsenen Fruchtknoten gebildet, sie zählt darum zu den Deckel- oder auch zu den Zähnchenkapseln.
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↑Merciera bei Plantz Africa, abgerufen am 2. August 2018.
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