Kaolin, auch alsPorzellanerde,Porzellanton,weiße Tonerde,China Clay oder in der Apotheke alsBolus alba oderPfeifenerde bezeichnet, ist ein feines, eisenfreies, weißesGestein, das als HauptbestandteilKaolinit, ein Verwitterungsprodukt desFeldspats, enthält. Weitere Bestandteile sind verschiedene andereTonminerale und unzersetzte Feldspatteilchen.
Kaolin wird hauptsächlich bei der Herstellung vonPapier und zur Bereitung vonPorzellanverwendet. Daneben wirdBolus alba unter anderem als Bestandteil mancher Pudergrundlagen verwendet und auch Lebensmitteln zugesetzt (sieheVerwendung).
Der Preis für eine Tonne Kaolin betrug in den Jahren 2006 bis 2012 zwischen 137 und 190US-Dollar.[1] Im Jahre 2003 wurde ein Verbrauch von 45 Millionen Tonnen durch eine Fördermenge von 45,6 Millionen Tonnen abgedeckt.
Das WortKaolin (chinesisch高嶺土 / 高岭土,Pinyingāolǐngtǔ – „Erde aus Gaoling“) wird von dem chinesischen OrtsnamenGaoling (高嶺 / 高岭,gāolǐng – „hohe Bergkette“) abgeleitet. So heißt einDorf in derVolksrepublik China im Nordwesten derProvinzJiangxi, im KreisFuliang derbezirksfreien StadtJingdezhen. Dort wurde die „weiße Erde“, eben das eingedeutschteKaolin, gefunden. Das Wort kam im 18. Jahrhundert durch einen französischen Jesuitenpater nach Europa, wo es die bisher üblichen Bezeichnungen „Weißton“ oder „Passauer Erde“ ersetzte.
Es können zwei Arten von Kaolinlagerstätten unterschieden werden:
Primäre Vorkommen
Man unterscheidethydrothermale Lagerstätten vonResiduallagerstätten. Granite oder Rhyolite werden vor Ort, alsoin situ durch Oberflächenwasser, fließendes Grundwasser oder hydrothermale Fluide chemisch verwittert.
Sekundäre Vorkommen
Sekundäre Kaoline sind zumeist umgelagerte primäre Kaoline. Am Ort der Entstehung wurden sie erodiert, anschließend transportiert und gemeinsam mit anderem Material in Form von Linsen abgelagert. Manche sekundären Kaolinite entstanden durch hydrothermaleAlteration, also chemische Verwitterung durch Grundwasser, vonArkosen. Als Arkose wird ein Sediment mit einem Feldspatanteil von mehr als 25 % bezeichnet.
Kaolin kommt in der Natur vergleichsweise selten vor, nennenswerte Lagerstätten befinden sich in Brasilien, in den USA,Deutschland, Frankreich,England,Tschechien,Japan,China,Indien und auf den Philippinen. Die weltweiten gesicherten und wahrscheinlichen Vorräte werden auf 14,2 Milliarden Tonnen berechnet, die weltweite Jahresproduktion betrug im Jahr 2003 45,6 Millionen Tonnen. Ausgehend von diesen Daten reichen die weltweiten Kaolinvorräte theoretisch noch bis ins Jahr 2300.[3]
Hauptabbauländer von Kaolinerde waren im Jahre 2014 nach[4] den USA (20,9 %), Deutschland (17,6 %), China (11,5 %) und Brasilien (7,7 %).
Die größten Abbauunternehmen weltweit sindImerys (F), CADAM/PPSA (Bra), Thiele (USA), BASF (USA), Huber (USA) und dieAmberger Kaolinwerke (Deutschland), die mittlerweile unter dem Dach derQuarzwerke Gruppe agieren.
Kaolingrube bei Halle (Saale)KaolintagebauGröppendorf, Luftaufnahme (2017)
Hauptabbaugebiete für Kaolin in Deutschland befinden sich beiHirschau in der Oberpfalz. Im Kaolinrevier in derHirschau-Schnaittenbacher Senke befindet sich eine der bedeutendsten kontinentalen Kaolin-, Quarzsand- und Feldspatlagerstätten Europas. DieAmberger Kaolinwerke (gegr. 1901), der größte Hersteller des Industrieminerals Kaolin in Deutschland, und die traditionsreiche Firmengruppe Dorfner bauen dort im Tagebau die Roherde ab; zu Porzellan verarbeitet wird es vor allem in den FirmenSeltmann Weiden undBauscher.
Ein weiteres Abbaugebiet liegt immittelsächsischen Hügelland beiSeilitz undKemmlitz („Börtewitzer Becken“). Aus dem dortigen Vorkommen wird Kaolin, das über eine kaolinitische Verwitterung vonGraniten entstanden ist, fürMeißner Porzellan gewonnen. Die Kaolin-Abbaustätte in Seilitz gilt als das „kleinste Bergwerk Europas“[7]. Am 4. Dezember 2023 begann dort der Abbau aus einem neuen Grubenfeld.[8] BeiHohburg imLeipziger Land wurde von 1901 bis 1965 Kaolin abgebaut (Hohburger Dorfbuch von Manfred Müller).
Aus Gruben im RaumHalle (Saale) bei Salzmünde/Möderau, Etzdorf,Spergau und Rossbach wird Kaolin und weißbrennender Ton durch die Kaolin- und Tonwerke Salzmünde GmbH abgebaut.[9]
Die Quarzwerke GmbH (Amberger Kaolinwerke) betreibt neben dem Werk in Hirschau-Schnaittenbach den Abbau in Kemmlitz (Kemmlitzer Kaolinwerke) sowie inCaminau (Caminauer Kaolinwerk) in der sächsischenOberlausitz.
Kaolin wird in Polen inNowogrodziec (Naumburg am Queis, östlich vonGörlitz) und in derUkraine in Gluhivzi (ein Standort der Quarzwerke GmbH[10]) abgebaut.
Die einzigen derzeit bekannten, abbauwürdigen Kaolinvorkommen in Österreich befinden sich inOberösterreich im Gebiet umSchwertberg. DieKamig (Österreichische Kaolin- und Montanindustrie Aktiengesellschaft) inTragwein ist das größte österreichische Förderunternehmen für Kaolin und baut Kaolin in zwei Bergwerken im Tagbau ab.[11] 2004 wurden in zwei niederösterreichischen und einer oberösterreichischen Abbaustätte 80 Personen beschäftigt und 104.986 Tonnen Rohkaolin im Tagbau, im oberösterreichischen Tragwein auch im Grubenbau, gefördert. Dies ergab 16.345 Tonnen Reinkaolin in Tragwein und 5.832 TonnenMuskovitglimmer in den niederösterreichischen Abbaustätten.
Varietäten des Kaolins tragen Bezeichnungen aus dem angelsächsischen Bergbau, die von der weiterverarbeitenden Industrie übernommen wurden:
Ball clays
enthalten nur geringe Mengen an weiteren Mineralen beziehungsweise organischem Material. Durch Brennen entstehen weiße Produkte wie Sanitärkeramik, aber auch Fliesen und Kacheln.
Fireclay
wird unmittelbar unter Kohleflözen gefunden und hat – abgesehen von höherer Temperaturbeständigkeit – ähnliche Eigenschaften wie „ball clay“.
Abhängig vom Ablagerungsmilieu kann vulkanische Asche in Minerale umgewandelt werden oder bleibt als solche erhalten. Wasser ist notwendig für eine Alteration der Aschen. Wenn das Ablagerungsmilieu sauer ist, zum Beispiel in Kohlesümpfen, in denen organische Säuren aus dem Zerfall von Pflanzen vorkommen, wird die Asche zu Kaolinit umgewandelt. Dieses Gestein wird als „Tonsteins“ bezeichnet. Alte „Tonsteins“, die eine Ausfällungsreaktion durchlaufen haben, sind „fireclays“.
Underclays
können Kaolinit enthalten, müssen es aber nicht. Der „underclay“ ist der Bereich unmittelbar unter einem Kohleflöz und war der Boden, auf dem die Pflanzen wuchsen, die heute die Kohle bilden. Wenn „underclay“ als „fireclay“ bezeichnet wird, ist er reich an Kaolinit. Aus „underclay“, „fireclay“ oder „flint clay“ werden feuerfeste Ziegel und Zemente, zum Beispiel für den Formsand in Gießereien hergestellt.
Flint clay
ist hart, glatt und bricht muschelig. Er entwickelt keine Plastizität (Bildsamkeit), wenn er mit Wasser versetzt wird, und kann nicht gelöscht werden. „Flint clay“ kristallisiert aus einem Gel mit Kaolinit-Zusammensetzung am Boden von Seen, möglicherweise Karstseen, aus.
Kaolinit als Hauptbestandteil von Kaolin ist ein hydratisiertes Aluminiumsilikat. Kaolinit ist damit chemisch gesehen ein Aluminiumsalz der Kieselsäure. Synthetisch wird Kaolinit aus Polykieselsäure und Aluminiumhydroxyd unter hydrothermalen Bedingungen hergestellt. Die theoretische Formel ist Al2O3 · 2SiO2 · 2H2O oder als Summenformel Al2Si2O5(OH)4. ImColor Index wird es unter PigmentWeiß19 und mit seiner chemischen Struktur unter CI 77005 geführt. Es ist ein natürliches,feinkörniges und gut kristallisiertes Tonmineral mit einer „buch“artigen Struktur – einSchichtsilikat. In jeder dieser „Buchseiten“ wiederholt sich die gleiche Schichtung von oktaedrischen Aluminat- und tetraedrischen Silikatschichten, die über Schichten von Sauerstoffatomen verbunden sind. Durch diese Schichtung ist diePlastizität (Verformbarkeit) zwar gering, aber der chemische Aufbau bringt eine hohe Feuerbeständigkeit und es bildet sich beim Brennen ein fester, dichterScherben. Zudem führt diese Struktur zu geringen Partikelgrößen.
Kaolin ist ein weißes Pulver mit einer Dichte von 2,58 g/cm³ und das einzige weiße, technisch verfügbare Mineralpigment, das natürlich mit einer Partikelgröße von weniger als 2 µm vorkommt. Der Schmelzpunkt von Kaolin liegt bei etwa 1450 °C. DerWeißgrad der trockenen Reflexion liegt bei 82 % für einen groben Kaolin und bis 87 % für feinen, ein wasserfreikalzinierter kann auch über 91 % erreichen. DerBrechungsindex beträgt 1,56. SeineMohssche Härte liegt bei 2,5. Ein feiner Kaolin hat einen kugeläquivalenten Partikeldurchmesser von 0,5 µm und einen Anteil von 90 % Partikeln unter zwei Mikrometer, für ein 325-Maschen-Sieb beträgt der Rückstand weniger als 0,01 %. Einfachere grobe Kaoline haben einen Äquivalentdurchmesser von 3,5 µm und bilden auf dem 325er-Sieb 0,1 % Rückstand, aber auch ein solches hat 40 % der Partikel unter 2 µm.[12]
DerÖlbedarf als Maß der relativen Oberfläche beträgt 32 g/100 g für einen groben Kaolin, 45 g für 100 g feinen und 55 g für 100 g kalzinierten Kaolin.
Dank seines hohen Schmelzpunkts von 1450 °C dient Kaolin in der Keramikindustrie hauptsächlich als Grundlage zur Herstellung von weißem Porzellan und für hellbrennende Tonmassen. Bekanntes Endprodukt ist dasMeißner Porzellan. Ein Zusatz bei der Herstellung von Boden- und Wandfliesen fördert die Qualität, je höher der Kaolin-Anteil, desto größer kann die Fliese sein, da ihre mechanischen Eigenschaften nach dem Brennen verbessert werden.
In derKosmetik dient es als Grundlage zur Herstellung vonPuder und wird häufig in Deocremes verwendet.
Als Grundstoff wird es in der „Blei“- und Farbstifterzeugung genutzt („Blei“- und Farbmine).
In LED-Leuchtmitteln und Glühlampen wird es alsDiffusor für gleichmäßige Lichtabstrahlung als feine Pulverschicht auf der Innenseite des Glaskolbens aufgetragen.
Kaolin wird in derLebensmittelindustrie alsTrägerstoff,Trenn- undBleichmittel zugesetzt. Hierauf beruht die BezeichnungBleicherde, da es auf Grund seiner Struktur gut zu absorbierende Nebenstoffe aufnimmt. Vom menschlichen Darm wird Kaolin nicht aufgenommen, sondern unverändert wieder ausgeschieden. Die eingesetzten Mengen sind zudem sehr gering und die Substanz gilt als unbedenklich. In derEU war es bis zum 31. Januar 2014[13] alsLebensmittelzusatzstoff mit der Nummer E 559 für bestimmte Lebensmittel und als Trägerstoff fürFarbstoffe zugelassen.Kaolin wird auch für Nutztierfutter verwendet.[14]Weiters wird Kaolin bei der Edelobsterzeugung als Sonnenschutzmittel für die empfindliche Apfelschale in wässriger Suspension in den Plantagen ausgebracht.[15][16]
In derNotfallmedizin, insbesondere im präklinisch-taktischen Bereich, als Wirkstoff in hämostyptischen Verbänden z. B. QuikClot® Combat Gauze.[18]
Als Bettungsmaterial bei der Vergasung von festen Brennstoffen inWirbelschichtvergasern.
Wie andere saugende Pulver kann auch Kaolin als Reinigungsmittel für Fettflecken auf Stoff oder Papier verwendet werden. Es wird dick aufgetragen, und während einer längeren Verweildauer verteilt sich das Fett aus dem Gewebe in der größeren Menge Kaolin. Gereinigt wird durch Abklopfen.
In der Kosmetik als Gesichtspackung (siehe auch weiße Tonerde). Wirkung: Reinigende und fettabsorbierende Wirkung bei Hautunreinheiten.[2]
↑Glenn, D. E Prado, A. Erez, J. McFerson, G. Puterka. 2002. A reflective, processed-kaolin particle film affects fruit temperature, radiation reflection, and solar injury in apple. J. Amer. Soc. Hort. Sci. 127(2): 188–193.
↑TREMA e.V. Guidelines 3.0 TREMA Leitlinien für Taktische Verwundetenversorgung (Tactical Combat Casualty Care) Version 3.0 – Stand Oktober 2018; S. 11
↑Gerda Vacariu, Othmar Schuhfried, Marta Korpan:Physikalische Therapie und Rehabilitation bei Schmerzsyndromen am Bewegungsapparat. In:Kompendium Physikalische Medizin und Rehabilitation. 3. Auflage, 2013, S. 357,ISBN 978-3-7091-0467-5.