Im Jahre 1856 wurde vonW. H. Perkin bei der Oxidation von unreinemAnilin mit Kaliumdichromat der erste künstlich hergestellte Farbstoff, dasMauvein (auch Perkinviolett), entdeckt.[8]
Die technische Herstellung erfolgt durch Zusammenschmelzen vonChromeisenstein,Kaliumcarbonat (Pottasche) undCalciumcarbonat und Oxidation durch eingeblasene Luft. Es entsteht dabei zunächst das gelbe Kaliumchromat K2CrO4, welches ausgelaugt wird und nach Säurezugabe und Umkristallisation Kaliumdichromat liefert[10].
Im Labormaßstab kann Kaliumdichromat durch Zusammenschmelzen vonKaliumnitrat undChrom(III)-oxid gewonnen werden.
Chromoxid reagiert mit Kaliumnitrat zu Kaliumdichromat und Stickstoffmonoxid
Kaliumdichromat bildet leuchtend orangerote Kristalle ohneKristallwasser, die einen Schmelzpunkt von 397 °C haben und sich ab 500 °C unterSauerstoffabgabe zuKaliumchromat K2CrO4 undChrom(III)-oxid Cr2O3 zersetzen.
Kaliumdichromat ist ein starkesOxidationsmittel, besonders in saurer Lösung. In alkalischem Milieu liegt hauptsächlich das gelbe Chromat CrO42− vor, welches weit weniger stark oxidierend wirkt. So schlägt bei Zusatz von Kalilauge die orangerote Farbe einer Kaliumdichromat-Lösung durch Entstehung von Kaliumchromat in Hellgelb um[1]:
Kaliumdichromat ist gut wasserlöslich. Das Dichromat-Anion Cr2O72− steht in wässriger Lösung im Gleichgewicht mit HCrO4−, CrO42−. Daher bilden sich mitBarium-,Blei- undSilberionen (Ba2+, Pb2+, Ag+) gelbe schwerlösliche Chromate und nicht Dichromate. Viele Säureanionen reagieren zu weiterenAnionenkomplexen, beispielsweise entsteht inSalzsäure CrO3Cl−, welches als Kaliumsalz auskristallisiert werden kann. Ähnlich reagieren auchBromid undIodid, denn obwohl (thermodynamisch) eigentlich dieOxidation zu den elementarenHalogenen stattfinden müsste, wird die Oxidation durch die geringe Reaktionsgeschwindigkeit verhindert (kinetische Hemmung). Mit Schwefelsäure werden primäre Alkohole zu Aldehyden bzw. Carbonsäuren oxidiert, wobei das Dichromat in grünes, dreiwertiges Chromsulfat übergeht[1]. Das Chrom im Kaliumdichromat besitzt dieOxidationszahl +VI.
Die Verbindung hat gewöhnlich einetriklineKristallstruktur mit derRaumgruppeP1 (Raumgruppen-Nr. 2)Vorlage:Raumgruppe/2 und den Gitterkonstanten a = 13,367, b = 7,376, c = 7,445 Å, α = 90,75°, β = 96,21°, γ = 97,96° mit vier K2Cr2O7-Einheiten pro Zelle.[11] Diemonokline, bei Zimmertemperatur metastabile Modifikation β-K2Cr2O7 (RaumgruppeC2/c (Raumgruppen-Nr. 15)Vorlage:Raumgruppe/15) wurde zuerst 1960 von Ulrich Klement und Georg Maria Schwab neben einer Hochtemperaturform mit der monoklinen RaumgruppeP21/n (Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2 beschrieben.[12] Einige Quellen geben auch noch eine metastabile Zwischenstruktur an. Die monokline Form wandelt sich ab 258 °C in die trikline Form um.[13]
In der Technik wird es in derGalvanoplastik und zur Herstellung vonChromschwefelsäure benutzt.[14] In Zündköpfen für Streichhölzer wird es als Zusatz verwendet, um die Brennrate zu regulieren.[15] In derAnalogfotografie und denEdeldruckverfahren wird Kaliumdichromat als lichtempfindliche, Kolloide gerbende Substanz verwendet, besonders imLichtdruck undGummidruck. In der Neurohistologie wurde vonCamillo Golgi eine Methode zum Anfärben einzelner Nerven und Neurone entwickelt. Als „Schwarze Reaktion“ bekannt, werden so Nervenzellen bis in feinste Strukturen mit Hilfe von Kaliumdichromat undSilbernitrat gefärbt. Einwegtests zur Bestimmung von Alkohol im Atem enthielten früher Kaliumdichromat, weshalb sie als Sondermüll entsorgt werden sollten. Die Herstellung der kaliumdichromathaltigenAlcotest-Röhrchen bei der FirmaDräger wurde nach 53 Produktionsjahren Ende 2016 eingestellt.[16]
An Schulen in Deutschland sind sowohl die Verwendung als auch die Aufbewahrung streng reglementiert (Stoffliste zur DGUV-Regel CAS-Nummer 7778- 50-9).[17]
Kaliumdichromat wird häufig für die Messung deschemischen Sauerstoffbedarfs (CSB) einer Wasserprobe in Kläranlagen verwendet.[18] Entsprechende Zulassungsanträge bei der europäischen Chemikalienagentur (ECHA) nach der Aufnahme der Verbindung in Anhang XIV der REACH-Verordnung wurden 2015 gestellt.[19]
Kaliumdichromat wirkt lokal und systemisch stark toxisch. Beim Einatmen des Staubes besteht Lebensgefahr. Es reizt die Haut, Atmungsorgane und die Augen und zählt zu den wichtigsten Kontaktallergenen.[2][20] Obwohl der Stoff bis vor wenigen Jahren noch als Xi (reizend) eingestuft war,[21] ist Kaliumdichromat heute als sehr giftig, brandfördernd und umweltgefährlich eingestuft.[2]
Bei wiederholtem Hautkontakt tritt Sensibilisierung ein und es können Allergien entstehen. In einer Hochrechnung für die Gesamtbevölkerung Deutschlands mit best-case-, medium-case- und worst-case-Annahmen wurde unter Zugrundelegung eines „medium case scenario“ die Quote der Sensibilisierungen für Chrom (VI) (Kaliumdichromat) mit 0,6 % veranschlagt. Bei einer Bevölkerungszahl von 82 Millionen entspricht dies etwa 514.000 Fällen.[24] Durch sein Vorkommen in Zement war die Verbindung früher häufig Auslöser vonEkzemen, die als Maurerkrätze, Maurerekzem, Chromekzem oder Zementekzem heute allgemein alsChromatallergie bezeichnet werden. Durch Maßnahmen zur Reduktion von Chrom(VI) im Zement (Zugabe von Eisen(II)-sulfat) ist die Anzahl der Sensibilisierungen rückläufig. Chromallergien sind jedoch häufig chronisch, was durch das Vorkommen von Kaliumdichromat in fast allen Lederprodukten problematisch ist.[14]
Mit organischen, brennbaren Verbindungen, Reduktionsmitteln, konzentrierter Schwefelsäure, Metallen in Pulverform (besonders: Magnesium, Eisen) sind heftige Reaktionen bis zur Selbstentzündung oder Explosion möglich. Kaliumdichromat ist zwar nicht brennbar, aber brandfördernd. Der Stoff sollte im Originalbehälter zur Problemmüllsammlung oder zu einem Entsorgungsunternehmen gebracht werden.[2] Die Entsorgung von Kaliumdichromat kann mitEisensulfat erfolgen, wobei es zu Cr3+ reduziert wird, welches ausgefällt als unlöslichesChromhydroxid wesentlich weniger gefährlich ist.[14] Durch Chrom und Chromate ausgelöste Krankheiten nach beruflicher Exposition (zum Beispiel Ekzeme oderBronchialkarzinome bei Fliesenlegern, Maurern und Bergleuten) sind melde-[25] und entschädigungspflichtigeBerufskrankheiten (BK 1103).[26][27]
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↑Drogisten-Lexikon – Ein Lehr- und Nachschlagebuch für Drogisten und verwandte Berufe, Chemotechniker, Laboranten, Großhandel und Industrie. Zweiter Band: Chemikalien, Drogen, wichtige physikalische Begriffe in lexikalischer Ordnung. Springer-Verlag, 2013,ISBN 978-3-642-92640-2,S.658 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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↑und Prozeßkontrolle in Kläranlagen:Eigen- und Prozeßkontrolle in Kläranlagen. John Wiley & Sons, 2008,ISBN 3-527-62469-4,S.121 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
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