John William Money (*8. Juli1921 inMorrinsville,Neuseeland; †7. Juli2006 inTowson,Maryland,USA) war ein neuseeländischer klinischerPsychologe undSexualwissenschaftler. Schwerpunkte seiner Arbeit waren Entwicklungssexologie, insbesondere die Entwicklung derGeschlechtsidentität,sexueller Orientierungen,Vorlieben undParaphilien, sowieIntersexualität undPsychoendokrinologie. Seine Forschungstätigkeit beinhaltetelangfristige Verlaufsstudien über Kinder und Jugendliche, die von unterschiedlichen endokrinen und intersexuellen Syndromen betroffen waren.[1] Money führte den Begriff „Geschlechterrolle“ (engl.gender role) ein.[2] Fälschlicherweise wird oft behauptet, dass er auch den Begriff „gender identity“ (Geschlechtsidentität) prägte. Dieser Begriff erschien zum ersten Mal 1963 in Artikeln der PsychoanalytikerRobert Stoller undRalph R. Greenson (Money übernahm den Begriff vonEvelyn Hooker, mit der er in Korrespondenz stand).[3] Er wird zu den besonders einflussreichen US-amerikanischen Sexualwissenschaftlern des 20. Jahrhunderts gezählt.[1]
In einer Studie aus dem Jahr 1997 wurde die Arbeit von Money in vielerlei Hinsicht kritisiert, insbesondere im Hinblick auf die unfreiwillige Geschlechtsumwandlung des KindesDavid Reimer.[4]
Nach einem Doppelabschluss 1944 an derVictoria University of Wellington migrierte der gebürtige Neuseeländer Money 1947 in die Vereinigten Staaten und studiertePsychologie an derUniversity of Pittsburgh.[5] Er erwarb 1952 seinen Doktor der Psychologie an derHarvard-Universität. Schon kurz vor der Promotion wechselte er, nach einer zwischenzeitlichen Beschäftigung am Massachusetts General Hospital, aufgrund eines Angebots desEndokrinologen Lawson Wilkins 1951 an dieJohns-Hopkins-Universität, an der er bis zu seinerEmeritierung blieb und auch als Emeritus fast bis zu seinem Tod weiter arbeitete. Mit Mitteln eines Stipendiums desNational Institutes of Health begründete er eine Forschungseinheit, aus der die von ihm geleitetePsychohormonal Research Unit[6] hervorging, die sich vor allem mit Fragen der Determination des Geschlechts befasste. Noch in den 1950er Jahren heiratete er die Schriftstellerin Grace Admundson. Die Ehe wurde bald darauf, kinderlos, wieder geschieden. Er hatte danach, nach eigenem Zeugnis, sexuelle Kontakte sowohl zu Männern wie auch zu Frauen, ging aber lebenslang keine feste Bindung mehr ein. Money war zunächstAssociate Professor fürPädiatrie, später außerdem Professor für medizinische Psychologie an der Johns-Hopkins-Universität. 1966 gehörte er zu den Initiatoren und Gründern derJohns Hopkins Gender Identity Clinic, in der Operationen an Geschlechtsorganen, vor allem anintersexuellen Patienten, durchgeführt wurden. Die Klinik wurde nach 1975, aufgrund fachlicher Kontroversen über die Ergebnisse, geschlossen, was Money nach dem Zeugnis von Weggefährten sehr erbitterte. Money starb im Jahr 2006 im Alter von 84 Jahren an den Folgen derParkinsonschen Krankheit.
Money verfasste rund 2.000 wissenschaftliche Artikel,Bewertungen, Bücher und Buchbeiträge.[7] DieDeutsche Gesellschaft für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung, für die Money arbeitete, verlieh ihm 2002 dieMagnus-Hirschfeld-Medaille – wie zuvor schon auch seinem KritikerMilton Diamond.
Money riet 1967 den Eltern des knapp zwei Jahre alten JungenBruce Reimer, ihren Sohn einerfeminisierenden Operation zu unterziehen, nachdem dessen Penis bei einer medizinisch indiziertenZirkumzision versehentlich irreparabel verletzt worden war. Im Alter von 22 Monaten wurden daraufhin die noch vorhandenenHoden entfernt (Orchiektomie) und aus der Haut des Hodensacks rudimentäreSchamlippen geformt. Darüber hinaus wurde das Kind etwa ab dem 12. Lebensjahr mit weiblichenHormonen behandelt. Man sah dies als Gelegenheit, im Rahmen einerZwillingsstudie zu beobachten, ob das Kind sich anders entwickeln würde als sein Zwillingsbruder. „Brenda“, wie Bruce nun genannt wurde, nahm die zugewiesene Geschlechterrolle jedoch nicht an. Zum Beispiel bevorzugte das Kind stattPuppen undSchmuck das Spielzeug des Bruders. „Brenda“ tobte, raufte und interessierte sich für Autos und Waffen. Mit 14 Jahren erfuhr er, dass er als Junge auf die Welt gekommen war und ließ die„Geschlechtsumwandlung“ rückgängig machen. Fortan nannte er sich David.
Im Frühjahr 2004 beging ReimerSuizid. Zwei Jahre zuvor war sein Zwillingsbruder durch eineMedikamentenüberdosis gestorben.[8]
Der „John/Joan-Fall“ diente zunächst als Beleg für die soziale Wahlmöglichkeit von Geschlecht. So schriebAlice Schwarzer 1975, dass „die Gebärfähigkeit auch der einzige Unterschied ist, der zwischen Mann und Frau bleibt. Alles andere ist künstlich aufgesetzt.“ Das Experiment von Money würdigt sie als eine der „wenigen Ausnahmen, die nicht manipulieren, sondern dem aufklärenden Auftrag der Forschung gerecht werden.“[9] Davids Mutter sagte im Gegensatz dazu, sie glaube, dass ihr Sohn noch am Leben wäre, wenn er nicht das Opfer jenes „katastrophalen Experiments“ geworden wäre, das bei ihm so viel Leid verursacht habe.
In ihrem EssayDoing Justice to Someone (deutsch: „Jemandem gerecht werden“), zuerst veröffentlicht 2001, stelltJudith Butler ihren Begriff derPerformativität am Schicksal David Reimers dar.[10]
Money vertrat die Ansicht, dass sexuelle Fehlorientierungen undPathologien vor allem auf Fehlentwicklungen in der Kindheit zurückgehen. Insbesondere gingen Fälle vonsexuellem Missbrauch vor allem von solchen Tätern aus, die in ihrer Jugend Opfer solcher Praktiken waren. Auch führe die öffentliche Doppelmoral und Zensur zu einer Förderung gerade solcher Handlungen, die sie vorgeblich verdamme. Als Gegenmittel gegen Fehlentwicklungen empfahl er eine sexuelle Schulung und Erziehung von Kindern und Jugendlichen, die seiner Ansicht nach auch spielerische Proben (rehearsal) undPornografie durchaus mit einschließen sollte. Money wandte sich öffentlich häufig und vehement gegen die Verdrängung und Dämonisierung kindlicher und jugendlicher Sexualität. Er vertrat dabei die Tendenz, alle sexuellen Beziehungen, insbesondere auch solche zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, als besondere Fälle von „Paarbindungen“ aufzufassen; er verurteilte „Tabus“ ebenso wie eineViktimologie, die einen der Beteiligten allein zum Täter macht, den anderen allein als Opfer herausstellt. Seine Kritiker sehen darin eine Tendenz,Pädophilie zu rechtfertigen und zu entschuldigen.[11]
Insbesondere der Fall „John/Joan“, in dessen Verlauf sich schließlich beide Zwillinge das Leben nahmen,[12] gab Anlass für scharfe Kritik an Money in verschiedenen wichtigen US-amerikanischen Medien. Kollegen berichteten, dass Money gekränkt und nicht bereit war, den Fall zu diskutieren.[13] Money führte die Kritik an seinen Arbeiten auf diepolitisch rechte Ausrichtung der Medien und die „antifeministische Bewegung“ zurück.[14] Money wurde auch von Intersex-Aktivisten angegriffen: Sein Vorgehen zeige, wie schwer Menschen darunter leiden, wenn ihnen von außen ein anderes Geschlecht als das selbst empfundene aufgezwungen werde.[15]
InDeutschland erhielt der EvolutionsbiologeUlrich Kutschera durch seine Kritik an John Moneys Arbeiten und allgemein an der „Gender-Ideologie“, die auf ihn zurückgehe, mediale Aufmerksamkeit. Mit seinem „John/Joan“-Experiment sei Money „über Leichen“ gegangen.[16] Die Gender-Theorie sei eine „Frau-gleich-Mann-Irrlehre“.[17] Im Februar 2016 veröffentlichte Kutschera zu dieser Thematik das BuchDas Gender-Paradoxon.[18]
Personendaten | |
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NAME | Money, John |
ALTERNATIVNAMEN | Money, John William (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | neuseeländischer klinischer Psychologe und Sexualwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 8. Juli 1921 |
GEBURTSORT | Morrinsville, Neuseeland |
STERBEDATUM | 7. Juli 2006 |
STERBEORT | Towson,Maryland, USA |