James Franck (*26. August1882 inHamburg; †21. Mai1964 inGöttingen) war eindeutscher Experimentalphysiker, der später als jüdischer Flüchtling vor den Nationalsozialisten in die USA emigrierte und die amerikanische Staatsbürgerschaft annahm. Er erhielt 1925 mitGustav Hertz den Nobelpreis. Franck ist vor allem wegen desFranck-Hertz-Versuchs zur Bestätigung derQuantentheorie und desFranck-Reports bekannt. In letzterem versuchte er den Präsidenten der USA,Harry S. Truman, vom Einsatz der Atombombe im Krieg gegen Japan abzubringen.
James Franck war der älteste Sohn des jüdischenBankiers Jacob Franck und seiner Ehefrau Rebecka geb. Drucker.[1] James wuchs in Hamburg auf, wo er amWilhelm-Gymnasium 1902 seineReifeprüfung ablegte. Anschließend studierte er kurz an derUniversität Heidelberg Chemie, dann in Berlin unter anderem beiPaul Drude undEmil Warburg Physik, wo er 1906 bei Warburg seinenDoktorgrad erlangte. Er war danach Assistent imPhysikalischen Verein in Frankfurt am Main und kurz danach in Berlin beiHeinrich Rubens ab 1911 Privatdozent und ab 1916 außerordentlicher Professor.
Francks Bekanntheit als Physiker beruht vor allem auf dem in den Jahren 1912–1914 gemeinsam mitGustav Hertz durchgeführtenFranck-Hertz-Versuch, der dasBohrsche Atommodell bestätigte. Hierfür erhielten die beiden Physiker denNobelpreis von 1925, der ihnen am 11. November 1926 verliehen wurde.
Als dieNationalsozialisten an die Macht kamen, erregte Franck am 17. April 1933 Aufsehen, als er aus Protest gegen die „Entfernung aller Juden aus Staatsstellungen“ sein Professorenamt an der Universität Göttingen niederlegte, obwohl er wegen einer anfänglichen Ausnahmeregel dieses Unrechtsgesetzes als „Frontkämpfer“ von diesem Gesetz zunächst verschont geblieben wäre.[3] Franck bemängelte in einem Schreiben an den Rektor der Universität und auch an den Kultusminister Bernhard Rust (datiert vom 17. April 1933), dessen Inhalt er auch demGöttinger Tageblatt und anderen Zeitungen zur Kenntnis brachte, dass die Deutschen jüdischer Abstammung als Fremde und Feinde des Vaterlandes behandelt würden und zu erwarten wäre, dass ihre in Deutschland aufwachsenden Kinder niemals erlaubt würde, sich als verdienstvolle Deutsche zu beweisen. Er schloss mit den Worten, dass es ihm eine innere Notwendigkeit verbiete, Staatsbeamter zu bleiben, da er sich unehrenhaft behandelt fühlte und forderte seine Entlassung.[4][5] Er wisse zwar, dass er wegen seines Wehrdienstes im Ersten Weltkrieg ausgenommen bleibe und könne auch Kollegen verstehen, die dies in Anspruch nahmen, verzichte aber auf dieses Privileg. Franck würde aber weiter experimentell in Deutschland forschen, so weit es ihm finanziell möglich wäre. Das Ministerium antwortete mit einer Weigerung, ihn offiziell zu entlassen, er könne aber von sich aus um Entlassung aus dem Staatsdienst bitten, was Franck am 1. Januar 1934 tat (das war später eine beträchtliche Hürde in seinen Verhandlungen nach dem Krieg um Rekompensation).
Das veranlasste eine Gruppe von 42 Hochschullehrern aus Göttingen zu einer Stellungnahme am 24. April 1933 in der Göttinger Zeitung, in der sie Franck vorwarfen, der neuen (nationalsozialistischen) Regierung in Deutschland damit innen- und außenpolitisch zu schaden, zumal sich die ausländische Presse in ihrer „Propaganda“ dessen schon angenommen hätte. Er käme einem „Sabotageakt“ gleich, der „eine erhebliche Erschwerung der Arbeit der nationalen Regierung bedeuten“ könne. Daher forderten sie die Regierung zu einer zügigen Anwendung der antijüdischen „Säuberungsmaßnahmen“ auf. Unterschrieben war er von den Dozenten bzw. Professoren in Göttingen Baß, Behm, Blanck, Blume, Fick, Fuchs, Giesecke, von Grimm, R. Hartmann, Hauberrisser, Hesse, Hilka, Hofmann, Hübner, Jander, Jessen, Kecs, Lauprecht, Fr. Lehmann, Lucke, Manegold, Konrad Meyer, Nachtigall, Plüchke, Rebel, Rippeck, Salfeld, Saller, Schäfer, J. Schmidt, Schole, Schüz, Stadtmüller, Tobeck, Tornau, Hermann Vogel, Voß, Walther, W. Weber, Wehefritz, Zenck, Ziebe, wobei sie anmerkten, dass wegen der Ferien andere, die mit Sicherheit zustimmen würden, nicht erreicht werden konnten. In seinemEntnazifizierungsprozess 1950 versuchte einer der Unterzeichner, Konrad Meyer, den offenen Brief so darzustellen, als würde lediglich dem Minister zur Kenntnis gebracht, das keinesfalls die ganze Göttinger Universität hinter Franck stehen würde und dass er keineswegs einen Angriff gegen jüdische Professoren darstellen würde oder auch nur eine Stellungnahme zum „jüdischen Problem“.[6][7] Die (nach Klaus Hentschel) einzige positive damals veröffentlichte Reaktion in Deutschland auf den Brief von Franck kam vom Professor für Psychologie in BerlinWolfgang Köhler (Gespräche in Deutschland, Deutsche Allgemeine Zeitung, 28. April 1933), der 1935 ebenfalls in die USA emigrierte.[8]
Noch im selben Jahr emigrierte Franck mit seiner Familie nachBaltimore, wo er sofort Professor an derJohns Hopkins University wurde. Nach einem Jahr als Gastprofessor 1934/35 inKopenhagen ging er 1935 als Professor zurück nach Baltimore an die Johns Hopkins University und 1938 an dieUniversity of Chicago als Professor für Physikalische Chemie. 1947 wurde er dort emeritiert.
In Chicago kam Franck ab 1942 als Direktor der Chemie-Abteilung desMetallurgie-Labors mit demManhattan-Projekt in Berührung: Nach Annahme derUS-amerikanischen Staatsbürgerschaft im Juli 1941 arbeitete er an der Plutoniumgewinnung mit, hatte jedoch nach der Kapitulation Deutschlands moralische Bedenken gegen den Einsatz von Atomwaffen, die er schließlich zusammen mit anderen Wissenschaftlern in dem nach ihm benanntenFranck-Report niederlegte und persönlich am 11. Juni 1945 dem amerikanischen Kriegsminister übergab, um einen Abwurf der Atombombe über Japan zu verhindern.
1942 erkannte die Preußische Akademie der Wissenschaften ihm seine Mitgliedschaft ab, diese Entscheidung wurde 1946 rückgängig gemacht. Seit 1937 war er gewähltes Mitglied derAmerican Philosophical Society.[9] 1944 wurde Franck in dieNational Academy of Sciences gewählt. 1951 erklärte er selbst den Austritt aus der in derDDR beheimatetenAkademie der Wissenschaften unter Protest gegen ein Glückwunsch-Telegramm, das der Akademie-PräsidentJohannes Stroux anStalin gesandt hatte.
1951 wurde ihm dieMax-Planck-Medaille verliehen. Anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Göttingen kehrte Franck erstmals 1953 nach Deutschland zurück.
Er verstarb am 21. Mai 1964 während eines Besuches in Göttingen an einem Herzanfall.[10][11] Zuvor hatte er sich noch mitOtto Hahn getroffen. Sein Grab befindet sich in Chicago neben dem seiner ersten Ehefrau.[12]
1906 heiratete Franck die Schwedin Ingrid Josephson. Sie wurde 1882 inGöteborg geboren und studierte Musik. Das Ehepaar hatte zwei Töchter, Dagmar und Lisa. Ingrid Franck starb 1942 in Chicago.[14] Die zweite Ehe ging Franck 1946 mit seiner früheren Göttinger Assistentin Hertha Sponer ein, die inzwischen Professorin der Physik an derDuke University inNorth Carolina war.
Im Jahr 1896 begab sich der knapp 14-jährige Franck zum PhysikalischenEichamt in Hamburg. Dort erkundigte er sich nach der neuenRöntgenapparatur. Er habe von den „x-Strahlen“ gehört, die vor einigen Monaten entdeckt worden seien, sich seinen Arm gebrochen und wolle sehen, ob seine Knochen wieder richtig zusammenwachsen würden. Die Apparatur wurde aufgebaut und er durfte sich den Arm mit der soeben eingetroffenen Röntgenapparatur durchleuchten lassen. Dies war das erste in der Hansestadt aufgenommene Röntgenbild.
Als während des Zweiten Weltkriegs deutsche Truppen die dänische Hauptstadt Kopenhagen im April 1940 besetzten, löste der im Labor vonNiels Bohr arbeitende ungarische ChemikerGeorge de Hevesy die goldenen Nobelpreis-Medaillen der deutschen PhysikerMax von Laue und James Franck inKönigswasser auf, um sie so vor dem Zugriff durch die deutschen Besatzer zu schützen. Von Laue und Franck waren ab 1933 in Opposition zum Nationalsozialismus in Deutschland und hatten deshalb ihre Medaillen Niels Bohr anvertraut, um so eine Konfiszierung in Deutschland zu verhindern. Nach Kriegsendeextrahierte de Hevesy das im Königswasser gelöste Gold und übergab es der Königlichen Schwedischen Akademie der Wissenschaften, die daraus neue Medaillen herstellte und wieder an von Laue und Franck übergab.
James Franck undMax Born in Göttingen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen (=Göttinger Universitätsreden. Hedt 69).
Markus Wegner,Eine Erinnerung an James Franck …es muß auch Menschen meiner Art geben. In:Wilhelm-Gymnasium Hamburg 1881–2006. Festschrift zum 125-jährigen Jubiläum 2006, Hamburg 2006.
Jost Lemmerich,Aufrecht im Sturm der Zeit. Der Physiker James Franck, 1882–1964. GNT-Verlag, Diepholz/Stuttgart/Berlin 2007,ISBN 978-3-928186-83-4. (Englische Übersetzung Science and Conscience. The Life of James Franck, Stanford University Press 2011)
↑siehe Geburtsregistereintrag beim Standesamt Hamburg 02 Nr. 4103/1882. Für den Heiratsregistereintrag der Eltern siehe Standesamt Hamburg 02 Nr. 919/1880.
↑Alle Angaben zum Thema "Akademie der Wissenschaften" aus Matthias Judt (Hrsg.): DDR-Geschichte in Dokumenten, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1998, S. 276 f.
↑James Franck an den Rektor der Universität Göttingen vom 1. April 1933, online publiziert auf der Homepage der Universität Göttingenhier, abgerufen am 9. März 2014.
↑Anonymus:Freiwilliger Amtsverzicht Prof. James Francks, Göttinger Zeitung, Band 71, Nr. 23, Dienstag, 18. April 1933. Englische Übersetzung in: Klaus Hentschel,Physics and National Socialism, Birkhäuser 1996, Dokument 9, S. 26ff. Darin wird auch aus dem Brief von Franck vom 17. April 1933 an den preußischen Kultusminister Bernhard Rust und den Rektor der Universität zitiert. Der Brief an den Minister ist insgesamt relativ kurz und in Alan Beyerchen, Scientists under Hitler, Yale University Press, 1977, S. 17, abgedruckt. Das Original des (längeren) Briefes an den Rektor der Universität Göttingen ist nach Hentschel nicht erhalten, eine kürzere Version an den Minister Rust ist aber unter anderem in der Akte zu Franck an der Universität Göttingen. Ähnliche Meldungen wie in der Göttinger Zeitung erschienen u. a. im Berliner Tageblatt, im Göttinger Tageblatt und in der Vossischen Zeitung und waren von Franck sorgfältig mit dem Brief abgestimmt.
↑Der Rücktritt Professor Francks. Francks Rücktrittserklärung ein Sabotageakt der innen- und außenpolitischen Arbeit der nationalen Regierung - Eine Kundgebung Göttinger Dozenten, Göttinger Tageblatt, Band 45, Nr. 95, Montag, 24. April 1933. Englische Übersetzung in: Klaus Hentschel, Physics and National Socialism, Dokument 11, S. 32ff
↑Martin Sabrow:Die deutsche Universität im Nationalsozialismus. In Christoph Cornelißen; Carsten Mish Hrsg.:Wissenschaft an der Grenze. Die Universität Kiel im Nationalsozialismus. Klartext, Essen 2009,ISBN 978-3-8375-0240-4, Seite 384. (Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte. Bd. 86).
↑Englische Übersetzung in Hentschel, Physics and National Socialism, Dokument 13, S. 36ff