Islamkritik auf politischer, ethischer, philosophischer, wissenschaftlicher oder theologischer Grundlage gibt es seit der Gründungszeit desIslam im 7. Jahrhundert. Sie stellt eineReligionskritik dar und wird an Grundlagen, an kulturellen Traditionen und sozialen Normen des Islams geübt. Islamkritik als sachlich geübte Religionskritik wird terminologisch von Kritik im Sinne einerIslam- bzw. Muslimfeindlichkeit abgegrenzt, jedoch wird diese Unterscheidung häufig nicht getroffen.[1]
Frühe Kritiken am Islam wurden vonChristen einige Jahrzehnte nach dem AuftretenMohammeds geschrieben. Dabei betrachteten viele den Islam als eine christliche Irrlehre (Häresie).[2] Später erschienen auch Kritiken aus der muslimischen Welt selbst, vonjüdischen Autoren und von Vertretern verschiedener christlicher Kirchen.[3][4][5][6] In der aktuellen Islamkritik ist eine herkunftsmäßige wie auch thematische Vielfalt zu verzeichnen.
Gegenstände der Kritik umfassen islamische Reaktionen auf Kritik, Stellungnahmen gegenüber Häresie bzw. Verdacht auf Häresie sowie die Behandlung vonApostasie im islamischen Recht.[7]
Andere Kritiken problematisieren die Frage derMenschenrechte in islamischen Ländern der Moderne, die Stellung der Frau im islamischen Gesetz und in der Rechtspraxis (siehe auchIslamischer Feminismus).[8]Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde insbesondere die Rolle des Islams bei der Integration muslimischer Migranten in die Gesellschaften des Westens Gegenstand kritischer Analysen.[9]
Siehe auch:Die Darstellung Mohammeds im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa
Der Islam wurde bereits im 7. Jahrhundert in christlichen Quellen erwähnt.[10] Zu den ältesten und einflussreichsten Streitern gegen den Islam gehört der Theologe und KirchenvaterJohannes von Damaskus († 749). Im zweiten Kapitel seines BuchesDie Quelle der Weisheit (griechischPege gnoseos) mit dem TitelÜber die Häresien wird „der bis jetzt herrschende Glaube der Ismaeliten […] als Vorläufer desAntichristen“ dargestellt, ohne dass dabei der Islam namentlich genannt wird. ImBuch der Häresien heißt es weiter, dieIsmaeliten seien bis zur Zeit des KaisersHerakleios Götzendiener gewesen und dann von einem falschen Propheten „Mamed“ in die Irre geführt worden, der seinerseits von einem häretischen Mönch beeinflusst gewesen sei. Bei diesem Mönch handelt es sich um den mit Legenden ausgeschmücktenBahira, der teils alsNestorianer, teils alsArianer geschildert wird.[11]
KaiserManuel II. Palaiologos (1350–1425), dessen Reich unter dem Ansturm derOsmanen stark geschrumpft war und kurz vor dem Untergang stand, lehnte in seinemDialoge mit einem persischen Gelehrten den Einsatz von Gewalt für die Glaubenssache als unvernünftig ab. Der Disput aus insgesamt 26 polemischen und apologetischen Dialogen soll das Christentum rechtfertigen wie dem Häretiker den wahren Glauben vorstellen.
Die biblische Prophezeiung anHagar (Gen 16,12 EU undGen 21,13 EU), der im 1. Buch Moses eine zahlreiche, jedoch wilde und kriegerische Nachkommenschaft vorausgesagt wird, wurde schon vonIsidor von Sevilla undBeda Venerabilis in ihrer Polemik gegen Mohammed zu einer negativen Darstellung der Araber undSarazenen verwendet: Als Abkömmling eines primitiven, barbarischen Volkes, das weder Gesetz noch Regierung gekannt und überdies einen zügellosenPolytheismus praktiziert habe, könne er keineswegs zum Prophetentum bestimmt gewesen sein. SeinAnalphabetismus, der in der islamischen Tradition als gültiges Argument für den göttlichen Ursprung der koranischen Offenbarungen herangezogen wurde, diente im Westen, wo er seit etwa 1100 bekannt war, der entgegengesetzten Argumentation: Mohammed müsse als Mann von einfacher Herkunft und zudem Analphabet, umgeben von Götzendienern, ein leichtes Opfer für Betrügereien gewesen sein. Ergänzend dazu kamen die verschiedenen Versionen seiner Beziehungen mit religiös inspirierten Männern, die ihm in seiner unwissenden Naivitäthäretische christliche und jüdische Lehren als wahre Religion vermittelt hätten – ein Motiv, das dem Westen schon von Johannes Damascenus vermittelt worden war. Die Theorie, wonach Mohammed von zweifelhaften Personen verführt worden sei, war in gelehrten Kreisen des europäischen Mittelalters vorherrschend. Sie sahen demnach den Islam als eine christliche Häresie, während die Darstellung von Mohammed als Teil eines polytheistischen islamischenPantheons ein immer wiederkehrendes Thema der „volkstümlichen“ mittelalterlichen Darstellung Mohammeds in Europa war. In diesem Zusammenhang wurde auch die These aufgestellt, Mohammed wäre in Wirklichkeit ein christlicher Priester oder sogarKardinal, der aus Gründen des Ehrgeizes vom Christentumabgefallen sei und durch Gründung einer neuenSekte seine Ziele verwirklicht habe.[12]
Weltweites Aufsehen und zum Teil militante Proteste von Muslimen rief dasPapstzitat von Regensburg hervor, als PapstBenedikt XVI. am 12. September 2006 in einer Vorlesung an derUniversität Regensburg zur Rolle der Gewalt im Islam folgende fundamentale Islamkritik des oben erwähnten Kaisers Manuel II. zitierte: „Zeig mir doch, was Mohammed Neues gebracht hat, und da wirst du nur Schlechtes und Inhumanes finden wie dies, daß er vorgeschrieben hat, den Glauben, den er predigte, durch das Schwert zu verbreiten.“[13] Von Seiten desHeiligen Stuhls wurde als Reaktion auf die Kritik und Proteste betont, dass Benedikt XVI. sich das Zitat vonManuel II. nicht zu eigen machen wollte, sondern auf den wesentlichen Zusammenhang zwischenGlaube und Vernunft hinführen wollte und Ehrfurcht gegenüber dem Koran empfindet.
In der christlichenApologetik werden islamische Glaubenswahrheiten kritisiert, etwa dieSündenlehre und die StellungJesu Christi als Prophet. Kritisiert werden auch islamische Polemiken gegen das Christentum.
Seit der Entstehung des Islams gab es bis zum Ende desabbasidischen Kalifats (ca. 750–1258) immer wieder islamische Gelehrte und Gelehrtenschulen, die – oft in der Auseinandersetzung mit der klassischengriechischen Philosophie – im Sinne einer innerislamischen „Aufklärung“[14] Kritik an der Orthodoxie bzw. der dogmatischenKoranexegese betrieben und versuchten, die Aussagen des Koran aus ihrer Position als wissenschaftlich anerkannte Autoritäten teils zu hinterfragen, teils rational zu begründen. Hierzu zählen u. a.
Vor allem die schiitische Theologie trug in Auseinandersetzung mitphilosophischen Positionen zu einer rationalen Koranauslegung bei.[16] DieZwölfer-Schia weist der menschlichen Vernunft ( 'aql) in Glaubensdingen, bei der Auslegung des Koran und in der Rechtsfindung eine wichtige Rolle zu.[17]
Auch in Ägypten entwickelten sich im 19. Jahrhundert mit derNahda-Bewegung die Kritik an der religiösen Legitimation desKalifats und die Forderung nach Trennung von Religion und Politik, die vonʿAlī ʿAbd ar-Rāziq in den 1920er Jahren am radikalsten formuliert wurde.[18]
Liberale Bewegungen im Islam beziehen sich auf viele dieser frühen muslimischen „Aufklärer“, die die Gleichberechtigung von Glauben und Vernunft betonen, so z. B. die kanadischeFeministinIrshad Manji[19] oder der türkische TheologeYaşar Nuri Öztürk.
In derTürkei argumentierte der promovierteislamische Philosoph und TheologeYaşar Nuri Öztürk seit vielen Jahren gegen „verzerrte Auslegungen“ des Koran. Öztürk, der in der türkischen und deutschen Presse als „Türken-Luther“ bezeichnet wurde,[20][21] sah sich selbst als orthodoxen Muslim, der den Islam in seiner reinen, ursprünglichen Form rekonstruieren will. Er unterschied zwischen einem kulturell geprägten „Islam der Traditionen“ und einem „wahren Islam“, der sich an der Überlieferung des Korans festmachen ließe. Ausdrücklich befürwortete Öztürk vernunftgeleitete Kritik. Aktuelle Entwicklungen in der islamischen Welt kritisierte er als „Degenerationserscheinungen im Islam“. Er wendete sich auch gegen dieGeschlechtertrennung in Schulen und Sport, gegen dieTodesstrafe für vomGlauben abgefallene Muslime und gegenfundamentalistische Muslime, „die sich gottgefällig wähnen, weil sieSchweinefleisch undAlkohol meiden, während sie ungerührt ihre Frauen versklaven“. Der Theologe war in seiner türkischen Heimat durch regelmäßige Fernsehauftritte und Zeitungskolumnen bekannt.[22]
Der muslimische PolitikwissenschaftlerBassam Tibi prägte 1992 den Begriff „Euro-Islam“ und fordert, die Prinzipien des Islams mit den Werten der europäischen Kultur und Aufklärung zu vereinbaren. Tibi verlangt vom Islam die endgültige Abkehr von derScharia und vomDschihad. In einem Gastbeitrag für die TageszeitungDie Welt gab er unter dem Titel „Europa droht eine Islamisierung“ zu bedenken, dass nicht nur Islamisten, sondern auch orthodoxe Muslime „von einem islamischen, von der Scharia beherrschten Europa“ träumen und dies durch Migration und damit verbundenen demographischen Wandel erreichen wollen. Er bezieht sich in diesem Zusammenhang auf die ErmordungPim Fortuyns und betont, dass dieser als homosexueller Soziologieprofessor und ehemaliger Marxist kein rechtsradikaler Islamhasser gewesen sei, sondern sich aufgrund mancher Aussagen des damaligen Imams von Rotterdam bedroht gefühlt habe. Zur Bestätigung führt er an, dass in dessen ParteiLijst Pim Fortuyn (LPF) auch mehrere Menschen muslimischen Glaubens waren, die für einen toleranten, weltoffenen Islam eintreten wollten und für „die Verteidigung des Rechts, dass jeder Mensch für sich und sein Verhalten entscheiden darf“, was jedoch „dem Islam sehr fremd“ sei.[23] In einem 2004 publizierten Gastbeitrag unter dem Titel „Grenzen der Toleranz“ bezieht er sich auf Prognosen, wonach Europa Ende des 21. Jahrhunderts islamisch dominiert sei, gibt aber zu bedenken, dass für ihn als islamischer Migrant nicht das Problem sei, ob die Mehrheit der Europäer islamisch sein wird, sondern eher, welche Art von Islam dies sein wird. Der „Scharia-Islam“ oder der „Euro-Islam“. Er fasst dies in der Aussage zusammen: „Entweder wird der Islam europäisiert, oder Europa wird islamisiert.“ In diesem Zusammenhang warnt er vor radikalen Muslimen, die gezielt die säkular-rechtsstaatliche Grundordnung einsetzen, um sie abzuschaffen und die Scharia durchzusetzen. In Anlehnung anKarl Popper fordert er „es gehöre zur Toleranz, keine Intoleranz im Namen der Toleranz zuzulassen“ und postuliert, dass „ein demokratischer Rechtsstaat, der seine Feinde schützt und diese nicht daran hindert, ein Highjacking der Islam-Diaspora zu betreiben, nicht überleben“ kann.[24]
Der algerische SchriftstellerBoualem Sansal geht in seiner Kritik noch weiter als Bassam Tibi. Er stimmt diesem zwar zu, dass Europa eine Islamisierung droht, sieht jedoch nicht die Möglichkeit, den Islam zu reformieren. Nach seiner Auffassung ist der Islam „nicht reformierbar“ und er kritisiert: „Der Westen will einfach nicht wahrhaben, dass der Islam grenzüberschreitend im Vormarsch ist“.[25] Er analysiert, dass der Islam „unsere Gesellschaft aufsprengen“ werde und sieht sich „als Demokrat“, der „unsere Zivilisation mit großem Bedauern untergehen“ sieht.[26] Er warnt, Frankreich sei bereits „dabei, sich zu islamisieren“ und kritisiert, Deutschland sei „komplett naiv“ und Deutschlands Toleranz werde „ausgenutzt“: „Als die algerischen Islamisten verjagt wurden, haben sie in Deutschland Unterschlupf gefunden, da wurden sie als politische Flüchtlinge anerkannt.“[26] Er stimmt zwar Bassam Tibi zu, dass nicht alle Muslime Islamisten seien, kritisiert jedoch, dass nach demAnschlag auf das Satiremagazin Charlie Hebdo mit zwölf Toten die Mehrheit der Muslime Verständnis dafür aufgebracht habe: „Die hatten ja schließlich Gotteslästerung betrieben. Sie sagten, es sei nicht rechtens zu töten, aber schaut, was die gemacht haben…“[26] Neben diesem Angriff auf freie Rede und Freiheit der Kunst sieht er auch dieTerroranschläge am 13. November 2015 in Paris mit 130 Toten und 683 (teilweise schwer) Verletzten, die sich unter anderem gegen den KonzertsaalBataclan richteten, als Beleg, dass es um einen Angriff auf westliche Kultur und Lebensstil gehe und kritisiert, dass der Westen zu wenig für seinen freien Lebensstil kämpfe: „Für das Wort Freiheit wären wir früher ans andere Ende der Welt gegangen. Heute ist es hohl.“[26]
Nach denTerroranschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington verfassteAbdelwahab Meddeb, ein französischer Autortunesischer Herkunft, sein BuchLa maladie de l’Islam (2002; dt. „Die Krankheit des Islams“) und stellte sich auf die SeitePapstBenedikts XVI. nach dessenRede an der Regensburger Universität im September 2006.
Der IslamwissenschaftlerAbdel-Hakim Ourghi postulierte 2017, dass es falsch sei, den Islam generell abzulehnen, sondern dass nur die Tatsache, wie die Religion gelebt werde ein Problem für Muslime und ihre Mitmenschen sei. Er fordert, Muslime müssten eingestehen, dass sie eine Sinnkrise haben, die aus aktuellen Problemen wie Gewalt in den Familien, Gewalt im Namen des Islams, der Frage zum Tragen eines Kopftuchs etc. herrühre und dass diese Probleme für die nächste Generation gelöst werden müssten. Dazu brauche es den Mut, sich selbst infrage zu stellen.[27] So kritisiert Ourghi, das Kopftuch sei Ausdruck eines politisch-konservativen Islam und männliches Herrschaftssymbol, was in einer „Folklore des Halbwissens“ von vielen ignoriert werde. Stattdessen solle man liberale Musliminnen unterstützen, die das Kopftuch ablehnen würden.[28][29] Er betont, der nicht-reformierte Islam sei keine Religion des Friedens und gehöre nicht zu Deutschland. Die Schuld daran sieht er auch bei muslimischen Dachverbänden wieDitib und demZentralrat der Muslime, die einen konservativen Islam verbreiten und nicht zu Dialog bereit seien und die damit zu einer Radikalisierung von Muslimen beitragen würden.[30][31] Ourghi fordert eine Selbstkritik der Muslime, wozu auch gehöre, dass der Koran historisch einzuordnen ist, statt ihn wörtlich auszulegen, dass Kritik am „Propheten“ geübt werden dürfe und dass Nicht-Muslime als gleichwertig angesehen werden müssten.[32] Er betont, dass ein konservativer Islam nicht zu Deutschland gehören könne, sondern dass nur ein liberaler Islam, der mit den westlichen Werten und dem Grundgesetz vereinbar sei, zu Deutschland gehören könne.[33]
DerRabbinerMaimonides lobt einerseits den strikten Monotheismus des Islams, beanstandet allerdings die Ethik, Politik und den wichtigsten Propheten des Islams. In seinem Brief an diejeminitischen Juden bezeichnet er Mohammed als verrückt und kritisiert die mangelnde Tugendhaftigkeit dieses Herrschers, der Juden zum Islam zwang.[34]
In den apologetischen Schriften, dieIbn al-Muqaffaʿ zugeschrieben werden, wird das islamische Gottesbild kritisiert und als ungerechte, tyrannische, unvernünftige und bösartige teuflische Wesenheit beschrieben, die "mit den Menschen in die Schlacht zieht und über seine Siegeszüge prahlt". Zudem würden die anthropomorphen Beschreibungen des Korans, wie das Sitzen auf einem Thron von dem Allah am jüngsten Tag hinabsteigen werde" als für das Göttliche unwürdig erachtet. Schlussfolgernd könne Allah nicht Gott sein.[35]
In der vermutlich bereits im Mittelalter verfassten anonymen SchriftDe tribus impostoribus werden die drei Religionsstifter derabrahamitischen Religionen, darunter auch der des Islams, als Betrüger bezeichnet. Aus einer skeptizistischen Position heraus werden zahlreiche Grundsätze der Offenbarung wie das Weiterleben nach dem Tod oder die Bestrafung der Sünden verneint. Im Gegensatz zur christlichenApologetik richtete sich der Vorwurf des Betrugs nicht nur gegen den Islam, sondern auch das Judentum und Christentum wurden angegriffen.
Der ReligionskritikerChristopher Hitchens wendet sich nicht nur gegen den Islamismus, sondern betrachtet den Islam insgesamt äußerst kritisch. So handele es sich um keine Religion aus einem Guss, denn die Überlieferungsgeschichte des Koran sei genauso brüchig wie die derHadithe, der mündlichen Tradierung von Aussprüchen und Taten Mohammeds. Hitchens meint sogar, der Islam sei „nicht viel mehr als ein ziemlich offensichtliches und schlecht strukturiertes Sammelsurium von Plagiaten, das sich bei früheren heiligen Werken und Traditionen bediente, je nachdem, wie die Lage es gerade zu verlangen schien“. Der Islam sei daher in seinen Ursprüngen ebenso diffus und ungenau wie jene Quellen, aus denen er schöpfe. Er beanspruche ungeheuer viel für sich selbst und verlange von seinen Anhängern als Maxime hingebungsvolle Demut und rückhaltlose „Unterwerfung“, während er von den Nichtgläubigen Respekt und Achtung fordere. Seine Lehre enthalte aber nach Hitchens’ Ansicht nichts, was diesen Anspruch rechtfertigen könne.[36]
Zu weiteren „neuenatheistischen“ Islamkritikern gehört der französische PhilosophMichel Onfray, der vom Aufstieg eines „muslimischenFaschismus“ nach derIslamischen Revolution im Iran spricht und den Islam als „strukturell archaisch“ bezeichnet.[37] Der ebenfalls für seine antireligiösen Positionen bekannte Autor undNeurowissenschaftlerSam Harris stellt die Lehren des Islams „auf das gleiche Regal wieBatman, denStein der Weisen undEinhörner“.[38] Harris schließt sichSamuel P. Huntingtons Thesen an und behauptet: „Wir sind im Krieg mit dem Islam.“[39]
Vor derIslamischen Revolution hatten imIranAhmad Kasravi undAli Daschti zahlreiche kritische Artikel und Bücher vor allem gegen dieschiitische Ausprägung des Islams publiziert.
Der ägyptische IslamkritikerFaradsch Fauda wurde im Jahr 1992 von einem Angehörigen der Gruppeal-Dschamāʿa al-islāmiyya ermordet.
Hamed Abdel-Samad bezeichnete im Mai 2013 während eines Vortrages in Kairo den Islamismus als eine Form des Faschismus („islamischer Faschismus“). Für ihn ist Islamismus kein Missbrauch des Islam, sondern die „konsequente politische Umsetzung des Islam“.[40] Seiner Meinung nach ist das Faschistoide bereits im Koran angelegt, der zwischen Gläubigen und Ungläubigen unterscheide und Ungläubige „verflucht, dämonisiert und ihre Existenzberechtigung auch somit in Frage stellt“. Dies reduziere seiner Meinung die Schwelle zur Gewalt gegen Nichtgläubige und ermächtige manche, Ungläubige zu töten, da Gott dazu aufrufe „Ungläubige zu töten, wo auch immer man sie findet“ und im Koran zweimal zur Enthauptung von Ungläubigen aufgerufen werde.[41] Abdel-Samad geht noch weiter und bezeichnet Mohammed als „Massenmörder“, der seine Religion mit Gewalt durchgesetzt habe und dass der Islam unreformierbar sei; dabei weist er zwar darauf hin, dass die meisten Muslime friedlich seien, seiner Meinung nach jedoch nicht,weil sie Muslime seien, sondernobwohl sie Muslime seien.[42]
Der Politologe und Schriftsteller wurde aufgrund seiner Kritik wiederholte Male mit dem Tod bedroht. Die Morddrohung des Salafisten-Scheichs Assem Abdel-Maged wurde im ägyptischen Fernsehen übertragen: „Er muss getötet werden, und seine Reue wird nicht akzeptiert“.[43] Seit Jahren kritisiert Abdel-Samad die Politiker, die aus Angst oder aus politischem und wirtschaftlichem Kalkül eineAppeasement-Politik gegenüber dem Islam betrieben, während die Ängste der eigenen Bevölkerung vor dem Islam aus der politischen Debatte ausgeblendet würden. Dieses Verhalten schlage in der deutschen Bevölkerung in Ressentiments um.[44][45]
Am 1. März 2006 wurde als Reaktion auf die Kontroverse um dieMohammed-Karikaturen von zwölf überwiegend aus dem islamischen Kulturkreis stammendenIntellektuellen (darunterSalman Rushdie, Chahla Chafiq und Mehdi Mozaffari) in derfranzösischenSatirezeitschriftCharlie Hebdo das „Manifest der 12“ veröffentlicht, das sich gegen denpolitischen Islam als „neue weltweite totalitäre Bedrohung“ richtet. Sie rufen damit zum Widerstand gegen den religiösenTotalitarismus und zur Förderung der Freiheit, Gleichheit und desLaizismus auf.[46]
Als Beginn eines „neuen Zeitalters der Aufklärung für den Islam“ verstand sich am 4. und 5. März 2007 inSt. Petersburg (Florida) eine Konferenz islamkritischer Muslime aus verschiedenen islamischen und westlichen Ländern, die sich mit den säkularen Interpretationen des Islams, der Notwendigkeit einer innerkoranischen Kritik, mit dem Stand derMeinungsfreiheit in muslimischen Gesellschaften und mit Fragen der Erziehungsreform beschäftigte. Initiatoren waren u. a. ehemalige und andersdenkende Muslime wieAyaan Hirsi Ali,Irshad Manji undIbn Warraq. Zum Abschluss der Konferenz wurde die „St. Petersburg Declaration“ verabschiedet, in der unter anderem dieTrennung von Staat und Religion, die Einhaltung der universellen Menschenrechte, die Abschaffung der Scharia und aller islamischer Tötungsstrafen undkörperlicher Verstümmelungspraktiken sowie die völlige Gleichberechtigung der Frau im Islam und in den islamischen Ländern gefordert werden.[47]
Die Begriffe Islamkritik,Islamfeindlichkeit, Islamophobie oder Muslimenfeindlichkeit werden im öffentlichen Diskurs häufig vermischt.Armin Pfahl-Traughber verweist darauf, dass einerseits Islamkritiker als Islamfeinde diffamiert werden, und sich andererseits tatsächliche Muslimenfeinde selbst als Islamkritiker darstellen. Mitunter „deuten Muslime alle Kritik als Ausdruck von Fremdenfeindlichkeit undRassismus“, wohingegen manche Islamkritiker „die bedenkliche Schlagseite ihrer Argumentation“ ignorieren. Der Begriff Islamophobie sei „von seiner Wortbedeutung her nur für Auffassungen sinnvoll, die in einer ausgeprägten Angst vor dem Islam als subjektiver Einstellung bestehen“. Islamfeindlichkeit stehe demgegenüber „für eine ausgeprägte, fundamentale und unbedingte Ablehnung des Islam als Religion und dessen pauschale Deutung als gefährlich, unmoralisch und verwerflich“. Dagegen stehe Muslimenfeindlichkeit für eine Ablehnung und Diskriminierung von Einzelnen oder Gruppen primär aufgrund deren Glaubens.[48]
Mit fortschreitender Differenziertheit des Diskurses etablierte sich neben einer als Religionskritik verstandenen Islamkritik eine teils davon unabhängige, teils damit argumentativ verknüpfte Kritik desPolitischen Islam. Verstanden wird darunter insbesondere die Kritik der extremistischen Formen des Islam. Ausgehend von definitorischen Anfängen in den 1960er Jahren und einem Ringen um die passenden Begriffe etwa in den 1990er Jahren gewann diese Form der Islamkritik insbesondere in Deutschland, Österreich und der Schweiz seit Mitte der 2010er Jahre zunehmende Beachtung in der öffentlichen Diskussion[49][50][51] sowohl bei liberalen Muslimen wie in der politischen Mitte der Parteienlandschaft.[52] Sie gilt dort derzeit als konstruktiver Ansatz zur Überwindung von Integrationshemmnissen derpostmigrantischen Gesellschaft. In der gesellschaftspolitischen Perspektivierung setzt dieser Ansatz um des gesellschaftlichen Friedens willen insbesondere darauf, denliberalen islamischen Kräften in diesen Ländern und Europa mehr Raum zur Entfaltung zu geben.[52]
Liberale Muslime erkennen an, dass Terroranschläge „durch Positionen innerhalb der islamischen Theologie legitimiert werden. Ein Islamverständnis, das Inhalte vermittelt, die die Radikalisierung begünstigt, ist leider Teil des Problems.“[53] Ahmad Mansour, Sprecher desMuslimischen Forums Deutschland, sagt: „Viele Aspekte der islamistischenIdeologien knüpfen an Grundlagen an, die ein verbreitetes, wenn auch nicht als radikal auffälliges Verständnis des Islam bereits geschaffen hat. […] Worum es mir und anderen reformistisch denkenden Muslimen geht, das sind tradierte Inhalte, ein veraltetes Islamverständnis, das mit der Welt der Gegenwart nicht vereinbar ist. Da aber dieses unaufgeklärte Islamverständnis noch immer sehr weit verbreitet ist, müssen wir Muslime über diese Inhalte endlich offen sprechen.“[54]
Aiman Mazyek, Vorsitzender desZentralrates der Muslime in Deutschland, erwidert auf Kritik: „Wir gehen immer von der Prämisse aus, Islam ist Integrationshindernis, Islam ist ein Problem. Und ich will weg davon und ich sage, der Islam ist nicht ein Hindernis, sondern ist Teil der Lösung. Und diese Diskussion, die wir bisher haben, dieser Misstrauensdiskurs führt letztendlich dazu, dass man immer wieder zu den falschen Schlussfolgerungen kommt, dass man ihn als ein Problem sieht und nicht ihn als Teil der Lösung.“[55]
In der nominelllaizistischen RepublikTürkei hat sich der Journalist und SchriftstellerMustafa Akyol am 16. September 2006 in der türkischen TageszeitungReferans nach der umstrittenen[56]Regensburger Rede vonBenedikt XVI. auf dessen Seite gestellt und die Ansicht vertreten, dass sich in der islamischen Welt niemand mit den negativen Realitäten desDschihads und der Gewaltbereitschaft vieler Muslime auseinandersetzen würde.[57]
Die liberale Muslima undIslamwissenschaftlerinLamya Kaddor kritisierte in der SendungWort zum Freitag, dass Islamkritiker wieHenryk Broder,Necla Kelek oderSeyran Ateş nur „drauf hauen“ würden und teilweise auch persönlicheTraumata hätten. Sie dürften nicht aus persönlichen Erfahrungen Rückschlüsse auf den Islam ziehen. Dies sei unfair und unsachlich und es gehe dabei nicht um das Thema an sich, sondern um ihre persönlichen Biografien. Andere wieThomas Steinfeld trügen dagegen zur Versachlichung bei.[58]
Die Breite des politischen und gesellschaftlichen Diskurses hat zur Folge, dass Inhalt und Begrifflichkeit der Islamkritik Gegenstand heftiger politischer und wissenschaftlicher Kontroversen sind.
So argumentiert der Islamwissenschaftler Thomas Bauer aufgrund seiner Kenntnisse des klassischen Islams, dass die Formen des Islams, die uns heute begegnen, durch die Begegnung mit Europa bereits „verwestlicht“ sind, gleichgültig ob es sich um Reformislam oder um Fundamentalismus handelt. Im Unterschied zu dem extremambiguitätstoleranten klassischen Islam, der aufgrund seiner raschen Expansion mit zahlreichen religiösen Minderheiten der eroberten Regionen koexistieren musste, war die westliche Welt Bauer zufolge bis zur Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts durch eine hohe Ambiguitätsintoleranz gekennzeichnet, d. h. durch die Fixierung auf eine jeweils einzige,universelle Gültigkeit beanspruchende Wahrheit. Die islamische Kultur modernisierte sich, indem sie ihrerseits eine Ambiguitätsintoleranz entwickelte, also dem Westen eine eigene islamische Wahrheit entgegenhielt. Diese sei aber nach westlichem Vorbild konstruiert und verdränge die Pluralität der Wahrheitskonzepte, die die islamische Welt früher ausmachte. Das belegt Bauer beispielhaft anhand der heutigen Homosexuellenfeindlichkeit in der islamischen Welt, die weniger „islamisch“ als „viktorianisch“ sei. Tausende Verse populärster klassischer Liebeslyrik auf schöne Jünglinge belegten dies eindrucksvoll.[59]
Vorwiegend von SeitenLinker im Westen wird eine Ideologisierung und Vereinnahmung der Islamkritik durchRechtskonservative,Rechtsextreme undNeue Rechte sowie der Missbrauch der Islamkritik alspropagandistischer Kampfbegriff kritisiert. Wichtige und richtige Kritik am Islam werde mit rassistischer Propaganda vermischt und diene so dem Transport rechtsextremistischen Gedankengutes sowie der Diffamierung von Muslimen im Allgemeinen.[60]
Der Kritiker desMoscheeneubaus in Köln-EhrenfeldRalph Giordano verbat sich eine Vereinnahmung dieses Widerstandes durch die BürgerbewegungPro Köln, die er als „lokale zeitgenössische Variante des Nationalsozialismus“ bezeichnete.[61][62]
Arzu Toker undMina Ahadi vomZentralrat der Ex-Muslime distanzierten sich in einem Interview des Humanistischen Pressedienstes von "Rechtsausleger[n] wieUdo Ulfkotte". Sie verwahren sich gegen jeglichenFundamentalismus – sowohl im Islam als auch im Christentum – und sprechen sich stattdessen für die Werte des Humanismus aus.[63]
Die oftmals fehlende Unterscheidung zwischen demIslam und seiner extremen wie modernen Erscheinungsform, demIslamismus, führe zu einer Verwechslung zwischen seriöser Islamkritik undAntiislamismus. Dabei würden Muslime pauschal mitExtremismus undTerrorismus in Verbindung gebracht, sie würden kollektiv inSippenhaft genommen[64] und so zumFeindbild stilisiert.[65]
Aus ähnlicher Motivation heraus werde oftmals Kritik an archaischen Riten und Bräuchen aus vorislamischer Zeit, z. B. dieBeschneidung weiblicher Genitalien oder Mord an Familienangehörigen aufgrundnarzisstischer Kränkung bzw. einer vermeintlichenEhrverletzung (Ehrenmord) unter dem Begriff Islamkritik subsumiert, obwohl der ursächliche Zusammenhang fehlt oder der kritisierte Sachverhalt kein genuin islamisches Phänomen ist.
Patrick Bahners beanstandet den Umgang vieler Islamkritiker mit an ihnen geübter Kritik mit folgenden Worten: „Typisch für die deutsche Islamdebatte ist, dass Kritik an der Islamkritik als Versuch denunziert wird, die Debatte zu unterbinden. Wissenschaftler und Journalisten, die auf das schablonenhafte Weltbild und die fingierte Empirie in den volkstümlichen Berichten aus dem Inneren des muslimischen Lebens aufmerksam machen, kennen das Spiel seit Jahren: Ihnen wird vorgeworfen, sie wollten Aufklärern einen Maulkorb verpassen und tapfere Frauen mundtot machen.“[66]Zum Vorwurf der Muslimen angeblich gebotenen Täuschungsmethoden im Zuge derTaqīya stellt Bahners fest, dass früher auch dieJesuiten von ihren Kritikern mit ähnlichen Beschuldigungen konfrontiert wurden[67] und die Islamkritik „das Klischee des verschlagenen Orientalen“[68] bediene. Weiter schreibt er dazu: „Der Befund, dass die meisten Muslime in westlichen Staaten friedlich leben und auf Anpassung bedacht sind, wird umgebogen zum Indiz des Gegenteils. Im islamkritischen Internet werden alle Äußerungen von Muslimen, die keine Aufrufe zum Dschihad sind, als Taquiya etikettiert.“[69]
Der häufig anzutreffende Vorwurf einer „schleichendenIslamisierung“ wird mitVerschwörungstheorien wie der sogenanntenjüdischen Weltverschwörung oder derkommunistischen Unterwanderung verglichen, die sich nahtlos in das von Rechtsextremen propagierte politische Konzept derÜberfremdung einfügen würden.
Hannes Schwenger kritisiert, dass dem Islam immer wieder eine Verschwörung zur politischen Machtübernahme unterstellt wird, und fühlt sich an die „Protokolle der Weisen von Zion“ erinnert.[70]
Die Kritik an der Praxis desSchächtens und derBeschneidung betrifft dasJudentum ebenso wie den Islam und erscheint vielfach als Erweiterung oder bloße Adaptionantisemitischer Agitation. Der in Toronto lebende und häufig in Deutschland publizierende SoziologieprofessorY. Michal Bodemann meint in diesem Zusammenhang, dass seit dem 11. September immer mehr „reformulierte Antisemitismen“ gegen Migranten in Gebrauch gebracht werden.[71]
In einem offenen Brief des „Jüdischen Kulturvereins Berlin e. V.“ vom 19. November 2004 heißt es:
„Zunehmend scheinen Antisemitismus und Islamophobie zwei Seiten jener Medaille zu sein, in die stereotypes Handeln und neues Unverständnis mit großen Lettern eingraviert sind.[72]“
Der deutsch-israelische SchriftstellerChaim Noll bezeichnete es als „Menschenrecht, jedes uns berührende Phänomen kritisch zu reflektieren. […] Islam-Kritik ist notwendig zum Erhalt der geistigen Freiheit in Europa.“[73]
Im Kontext derSarrazin-Debatte konstatiertJürgen Link, dass unter den dreimonotheistischen Religionen der Islam „die einzige [sei], die praktisch auf Länder der Dritten bis Fünften Normalitätsklasse[74] beschränkt [sei] und also für deren as-sociative und kulturelle Energie eine historisch gegebene Katalysatorrolle und die eines diskursiven Mediums [spiele]. Doch nicht weniger als andere Religionen hat sich auch der Islam historisch pluralisiert und pluralisiert sich weiter. Unter modernen Bedingungen tendiert er ebenso wie andere Religionen zur Entdogmatisierung (wozu es zudem mittelalterliche Präzedenzen gibt).“[75]
„Eines der Haupthindernisse für Pluralisierung, Toleranz und Entdogmatisierung des Islam“ ist aus der Perspektive desDiskursanalytikers nicht etwas dem Islam Inhärentes, sondern „der militante und militärische Interventionismus westlicher Mächte unter dem Vorwand der ‚Aufklärung‘. Dieser Interventionismus mit seinen gezielten und ungezielten Tötungen mit Raketen-, Flieger- und Drohnenbomben, mit seiner Auslöschung ganzer Dörfer auf anonyme Denunziation der Anwesenheit von ‚Aufständischen‘ hin, worin die andere, nämlich militärische Bedeutung von ‚Aufklärung‘ herrscht, gibt der kleinen Minderheit von ‚Djihadisten‘ den besten Vorwand für ihren Brutalismus.“[75] Diese Argumentation vernachlässigt jedoch einerseits das auch vor westlichen Interventionen in muslimischen Staaten bestehende religiös motivierte Konfliktpotential und bekräftigt andererseits die unter Muslimen verbreitete, aber empirisch kaum belegbare Empfindung des Islams als Religion in der Defensive (siehe dazu auch denWeltverfolgungsindex), die ungerechtfertigten Angriffen von außen ausgesetzt sei und sich zu wehren habe, was u. a. vonSlavoj Žižek lediglich als weiterer Nährboden für muslimische Ressentiments gegen westliche Werte identifiziert wurde.[76]