Isabelle Adjani kam als erstes Kind des aus Algerien stammenden Automechanikers Mohammed Chérif Adjani (1923–1983) und seiner deutschen, ausEnzisweiler gebürtigen Ehefrau, Emma Augusta Schweinberger, genannt „Gusti“ (1919–2007), im17. Arrondissement von Paris zur Welt. Die Eltern hatten sich am Ende desZweiten Weltkriegs in der Nähe desBodensees kennengelernt, wo Adjanis Vater als Soldat der französischen Armee stationiert war, und waren später nachParis gezogen.
Isabelle Adjani wuchs mit ihrem jüngeren Bruder, Éric Hakim (1957–2010), der Fotograf wurde, inGennevilliers bei Paris auf und wurde in Französisch und Deutsch erzogen.[1] InCourbevoie besuchte sie das Lycée Paul Lapie.[2] Die Ferien verbrachte sie regelmäßig am Bodensee. Ihr Elternhaus war geprägt von der deutschen Mutter; die kulturellen Wurzeln des Vaters spielten kaum eine Rolle, da er seine Kinder vor allem zu Europäern erziehen wollte. Erst 1986 sprach Isabelle Adjani öffentlich über die Herkunft ihres Vaters, als sie sich gegen die Zunahme des Rassismus in Frankreich wandte.[3]
Adjani hat zwei Söhne: Barnabé Said (* 1979) aus einer Beziehung mit dem Kameramann und RegisseurBruno Nuytten und Gabriel Kane (* 1995) aus ihrer Verbindung mit dem SchauspielerDaniel Day-Lewis. Ihr zweiter Sohn verwendet als Hip-Hop-Musiker das Pseudonym „Gabe Day“. Mit Day-Lewis war Adjani von 1989 bis 1994 liiert. Eine 2002 geschlossene Verlobung mit dem MusikerJean-Michel Jarre löste Adjani im Jahr 2004[4] und trennte sich 2010 von dem Chirurgen Stéphane Delajoux, mit dem sie zwischenzeitlich lebte.[5]
Nachdem Adjani durchDie Geschichte der Adèle H. einem internationalen Publikum bekannt geworden war, arbeitete sie mit einer Reihe renommierter Regisseure des europäischen Films zusammen. Zunächst spielte sie unterRoman Polański im ThrillerDer Mieter (1976) die Rolle einer Frau, die die geistig verwirrte Hauptfigur des Films (gespielt von Polański selbst) zu stabilisieren sucht. Die flamboyante, am Rande des Wahnsinns agierende Frau, die Adjani sowohl inDie Geschichte der Adèle H. als auch inDer Mieter darstellte, wurde zu ihrer Paraderolle.[8] Adjani selbst führte ihre Affinität zu solchen Figuren auf ihre eigenen Charaktereigenschaften, insbesondere ihr lebhaftes Temperament zurück.[9]
Danach pausierte Adjani zwei Jahre, bevor sie inLuc BessonsSubway (1985) an der Seite vonChristopher Lambert auf die Leinwand zurückkehrte. Anders als Bessons spätere Filme erhielt dieser nur mäßige Kritiken, davon ausgenommen Adjanis schauspielerische Leistung, die mit ihrer fünften César-Nominierung honoriert wurde.[12] InAgnès VardasT’as de beaux escaliers tu sais, einem dreiminütigen Kurzfilm zur 50-Jahr-Feier derCinémathèque française, war sie die Sprecherin.[13] Ihre Verbindung mit Bruno Nuytten führte sie nach einem großen Flop, dem AbenteuerfilmIshtar, 1988 zu einem weiteren Erfolg – abermals in einem semi-dokumentarischen Drama: An der Seite vonGérard Depardieu spielte sie die Titelrolle in dem FilmCamille Claudel als hochtalentierte, aber unglückliche Geliebte des BildhauersAuguste Rodin. NachDie Geschichte der Adèle H. undEin mörderischer Sommer war dies der dritte Film, in dem Adjani eine tragische Frauengestalt verkörperte, die im Wahnsinn endet. Für ihre expressive Darstellung erhielt Adjani einen César und eine Oscar-Nominierung, zudem einenSilbernen Bären der Berlinale – und 1990 zusammen mit Depardieu den „Super-César“ als „Schauspieler des Jahrzehnts“. Filmhistoriker sahen sie an der Spitze des französischen „Kinoadels“ angelangt.[14]
Danach war Adjani nur noch sporadisch in Film-, Fernseh- und Theaterrollen zu sehen. Sie widmete sich hauptsächlich der Familie.[17] Erst 2002 trat sie wieder in einem Film auf, in der Hauptrolle inLaetitia MassonsLa Repentie. Aber weder mit diesem Krimidrama noch mit kleineren Rollen wie inJean-Paul Rappeneaus SpionagefilmBon Voyage oder der von der Kritik gelobten LiteraturverfilmungMonsieur Ibrahim und die Blumen des Koran (beide 2003) knüpfte sie an frühere Erfolge an.
Nach längerer Pause übernahm Adjani 2008 zwei Fernsehrollen: InJacques Webers HistorienfilmFigaro spielte sie an der Seite von Weber undDenis Podalydès, und inJean-Paul Lilienfelds sozialkritischem DramaHeute trage ich Rock! schlüpfte sie in die Rolle einer Lehrerin, Sonia Bergerac, die vom Alltag in einer vor allem von Migrantenkindern besuchten Vorstadtschule überfordert ist und deshalb zur Gewalt greift, um sich Respekt zu verschaffen. Diese Rolle brachte ihr in Frankreich Lob seitens der Kritik ein. Die TageszeitungLe Monde hob Adjanis kraftvolles Spiel und wandlungsfähige Mimik hervor,[18] währendLe Figaro ihre Präsenz als „verblüffend“ beschrieb.[19] Im Jahr 2010 nahm sie fürHeute trage ich Rock! denPrix Lumières, dieÉtoile d’Or und einen César als beste Hauptdarstellerin entgegen. Damit ist sie bis heute die einzige Schauspielerin, die fünfmal den César als beste Hauptdarstellerin gewonnen hat.
Im Jahr 2022 spielte Adjani unter der Regie vonFrançois Ozon in dem filmischen KammerspielPeter von Kant, einer freien Adaption des TheaterstücksDie bitteren Tränen der Petra von Kant vonRainer Werner Fassbinder von 1972.
Aus der Zusammenarbeit mit dem MusikerSerge Gainsbourg erwuchsen eine Reihe musikalischer Werke. Das bekannteste ist die 1983 veröffentlichte und vonLuc Besson mit einem Video versehene SinglePull Marine, das in den französischen Charts bis zur Nummer 1 aufstieg.
Obgleich Adjani lange dafür bekannt war, außerhalb ihres Berufes zurückgezogen und schwer zugänglich zu sein, meldete sie sich gelegentlich politisch zu Wort. 1986 wurde sie das Ziel einer Kampagne desFront National, nachdem sie unter Hinweis auf ihre algerische Abstammung dessen Politik angegriffen hatte.[15] 2003 war sie eine der bekanntesten Unterzeichnerinnen einer Petition, die das Verbot des Tragens einesHidschabs an französischen Bildungseinrichtungen forderte.[20] Gelegentlich setzte sie sich für die Sache derPalästinenser ein.[21]
Nach längerer Abwesenheit Adjanis aus dem Licht der Öffentlichkeit kursierte 1987 das Gerücht, sie sei anAIDS erkrankt[22] oder gar gestorben.[23] Daraufhin trat sie als Überraschungsgast in einer Nachrichtensendung des französischen Fernsehens auf, um „die Öffentlichkeit zu beruhigen“ und von ihrem Wohlergehen zu überzeugen, und verabschiedete sich vor laufender Kamera vom Moderator, indem sie ihn auf die Wange küsste, was in einer Zeit der Verunsicherung der Bevölkerung bezüglich der Übertragbarkeit des AIDS-Virus als gewagt erschien.[23] Im RomanDem Freund, der mir das Leben nicht gerettet hat vonHervé Guibert wird sie in der Rolle der Marine porträtiert.
Isabelle Adjani – Hautnah. (Originaltitel:Isabelle Adjani – 2 ou 3 choses qu’on ne sait pas d’elle …) Dokumentarfilm, Frankreich, 2010, 69 Min., Buch und Regie: Frank Dalmat, Produktion: arte France, Isia Films, Puzzle Media, deutsche Erstsendung: 5. Mai 2013 beiarte,Inhaltsangabe von arte.
Isabelle Adjani:Isabelle Adjani. In: Jean-Luc Douin (Hrsg.):Comédiennes aujourd’hui: au micro et sous le regard. Lherminier, Paris 1980,ISBN 2-86244-020-5.
Guy Austin:Foreign bodies: Jean Seberg and Isabelle Adjani. In: ders.:Stars in Modern French Film. Arnold, London 2003,ISBN 0-340-76019-2, S. 91–106.
Guy Austin:‘Telling the truth can be a dangerous business’: Isabelle Adjani, race and stardom. In: Stephanie Dennison und Song Hwee Lim (Hrsg.):Remapping World Cinema: Identity, Culture and Politics in Film. Wallflower Press, London 2006,ISBN 1-904764-62-2, S. 129–134.
↑Guy Austin, Wendy Michallat:Stars of French Film: Isabelle Adjani. Department of French Studies, University of Sheffield 2001. (frenchfilmstars.dept.shef.ac.uk (Memento vom 25. August 2011 aufWebCite))
↑Urs Jenny:Ein Engel, der in Tränen schwimmt. In:Der Spiegel. 8. Januar 1989,ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 19. November 2023]).
↑Isabelle Adjani:Isabelle Adjani. In: Jean-Luc Douin (Hrsg.):Comédiennes aujourd’hui: au micro et sous le regard. Lherminier, Paris 1980.
↑abSheila Johnston:The fatal attraction of Isabelle A. In:The Independent. 5. Januar 1995, S. 24.
↑Ambassade de France en République Fédérale d’Allemagne:L’histoire d’Adèle H. 2003, S. 14. (kultur-frankreich.de (Memento vom 10. Oktober 2006 imInternet Archive); PDF-Datei; 326 kB)
↑Vgl. z. B. Tim Pulleine:Lark de Triomphe, In:The Guardian, 15. September 1985, S. 20. Janet Maslin:The Screen: 'Subway'. In:The New York Times, 6. November 1985, S. 23.
↑T’as de beaux escaliers tu sais. In: Ciné-tamaris. Abgerufen am 15. April 2019 (französisch): „Übersetzt „Weißt Du, Du hast schöne Treppen“ und bezieht sich auf die Treppen zur Cinémathèque française die sich damals imPalais de Chaillot befand.“
↑Emmanuelle Alfonsi:Le Cas Adjani: autopsie médiatique d’une rumeur Diplomarbeit (Diplôme d’Études Supérieures Spécialisées): Université Paris 1 – Panthéon – Sorbonne, Fakultät für Politische Kommunikation und Soziologie, 1987.(sudoc.abes.fr)