Iliescus Vater war ein Eisenbahnarbeiter. Er wurde Kommunist, nahm 1931 an einem Parteikongress in derSowjetunion teilnahm, verbrachte dort vier weitere Jahre und wurde bei seiner Rückkehr verhaftet. Ion Iliescu wuchs bei seinen Großeltern auf und verbrachte die Schulzeit in Oltenița undBukarest. 1948 war er Mitbegründer der rumänischen Studentenunion. Er studierteHydrotechnik an derPolytechnischen Universität Bukarest und amEnergetischen Institut inMoskau (1950–1954), wo er sich auf Wasserwirtschaft und Ökologie spezialisierte. Dabei setzte sich die damalige AußenministerinAna Pauker für ihn ein.
Seit 1951 ist er mit seiner Frau Nina verheiratet.
Politische Karriere während der kommunistischen Herrschaft
Iliescu auf einem Plakat der „Front der Volksdemokratie“ zur Scheinwahl 1965
Iliescu wurde im August 1944 Mitglied des kommunistischen Jugendverbands U.T.C., der sich 1949 in Verband der Arbeiterjugend (U.T.M.) umbenannte. Er trat 1953 derKommunistischen Partei Rumäniens (PCR) bei, die im Jahr darauf den NamenRumänische Arbeiterpartei (PMR) annahm. Im Jugendverband U.T.M. gehörte Iliescu von 1954 bis 1960 dem Büro des Zentralkomitees an, von 1956 bis 1960 war er dessen Sekretär. Außerdem vertrat er den U.T.M. bei derInternational Union of Students in Prag.[1]
Iliescu war 1957–1961, 1965–1973 und 1975–1985 Abgeordneter derGroßen Nationalversammlung, des Scheinparlaments derSozialistischen Republik Rumänien. 1960 wurde er stellvertretender Leiter der Sektion für Agitation und Propaganda beim Zentralkomitee der PMR, von 1962 bis 1965 Leiter der Sektion für Bildung und Gesundheit, anschließend Leiter der Sektion für Agitation und Propaganda. Nach der Übernahme der Partei- und Staatsführung durchNicolae Ceaușescu 1965 wurde die PMR wieder in PCR rückbenannt und Iliescu als Kandidat insZentralkomitee der Partei gewählt. Von 1967 bis 1971 war er Erster Sekretär des Zentralkomitees des Jugendverbands U.T.C. und zugleich Minister für Jugend.[1][2] 1969 stieg er zum Vollmitglied des Zentralkomitees der PCR und Kandidaten des Exekutivkomitees auf, im Februar 1971 wurde er Parteisekretär für Propaganda. Während der rumänischen Kulturrevolution der „intellektuellen Abweichung“ beschuldigt, verlor er das Sekretärsamt noch im Juli desselben Jahres wieder.[3]
Er blieb aber Kandidat des Exekutivkomitees (bis 1979) und Mitglied des Zentralkomitees (bis 1984). Außerdem war er von 1971 bis 1974 stellvertretender Vorsitzender des Rates desKreises Timiș, von 1974 bis 1979 Vorsitzender des Rates desKreises Iași.[2] Er wurde 1974 Kandidat und war von 1979 bis 1980 Vollmitglied desStaatsrats Rumäniens. Ab 1979 leitete er den Nationalen Rat für Wasserwirtschaft,[3] sprach sich aber gegen die Großprojekte desDiktatorsNicolae Ceaușescu aus und musste im März 1984 sein Amt aufgeben. Danach war er bis Dezember 1989 Direktor des Technischen Verlags(Editurii Tehnice) in Bukarest. In einem Artikel in der ZeitschriftRomânia literară sprach sich Iliescu 1987 für Reformen aus, seine Vorschläge blieben jedoch recht unklar.[4]
Anführer der Nationalen Rettungsfront: Iliescu (Mitte) mitDumitru Mazilu (links) undPetre Roman (rechts), 23. Dezember 1989
Während derRumänischen Revolution setzte sich Iliescu am 22. Dezember 1989 an die Spitze des ad hoc gebildeten „Rates der Front zur Nationalen Rettung“ (Consiliul Frontului Salvării Naționale, CFSN).[5] Mit Unterstützung des – kurz zuvor noch von Ceaușescu zum Verteidigungsminister ernannten – GeneralsVictor Stănculescu übernahm dieser Rat die faktische Regierungsgewalt. Am 24. Dezember setzte der CFSN ein außerordentliches Militärgericht ein, das Nicolae undElena Ceaușescu am folgenden Tag im Eilverfahren zum Tode verurteilte und sofort erschießen ließ.[6] Am 26. Dezember 1989 bestimmte der Rat der Front zur Nationalen Rettung Iliescu zum Präsidenten des Exekutivbüros und damit zum vorläufigen Staatsoberhaupt.
In den ersten freienWahlen am 20. Mai 1990 wurde Iliescu mit 85 % der Stimmen im Präsidentenamt bestätigt. Die Wahl wurde tagelang von Protesten auf demBukarester Universitätsplatz begleitet, von Iliescu herbeigerufeneBergarbeiter aus demJiu-Tal lösten diese aber dann gewaltsam auf („Mineriaden“). Dabei starben 6 Zivilisten, die von aufgebrachten Bergarbeitern zu Tode geprügelt wurden. Viele Menschen wurden dabei verletzt. Nach einem Zerwürfnis zwischen Iliescu und seinem vormaligen MitstreiterPetre Roman, der im Oktober 1991 als Ministerpräsident zurückgetreten war, spaltete sich die Nationale Rettungsfront. Iliescus Anhänger bildeten im Frühjahr 1992 dieFrontul Democrat al Salvării Naționale (FDSR; „Demokratische Front für die Nationale Rettung“).
Iliescus Stimmenanteil im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl 1992. Seine Hochburgen lagen in den historischen RegionenWalachei undMoldau, während er inSiebenbürgen eher schwach abschnitt.
Nach Inkrafttreten derdemokratischen Verfassung von 1991 wurde er bei derWahl im September/Oktober 1992 erneut im Amt bestätigt. Seine Stellung bei der Jugend versuchte er mit einem medial aufbereiteten Treffen mitMichael Jackson aufzubessern.[7] Iliescu hatte im ersten Wahlgang 47,3 Prozent der Stimmen erhalten und sich in der Stichwahl mit 61,4 % gegen denChristdemokratenEmil Constantinescu durchgesetzt. Da die FDSN bei der gleichzeitigen Parlamentswahl zwar stärkste Partei wurde, aber nicht über die absolute Mehrheit verfügte, war die von Iliescu ernannte Regierung anschließend von der Tolerierung der rechtsextremenPartidul România Mare (PRM; Großrumänien-Partei) abhängig, 1995 gehörte diese sogar direkt der Regierung an.
Bei derPräsidentschaftswahl 1996 bewarb sich Iliescu um eine weitere Amtszeit, unterlag aber mit 45,6 % im zweiten Wahlgang gegen Emil Constantinescu. Er wurdeSenator für die aus der FDSN hervorgegangenePartidul Democrației Sociale din România (PDSR; Partei der Sozialen Demokratie Rumäniens) und 1997 deren Parteivorsitzender. Bei derPräsidentschaftswahl 2000 erhielt Iliescu im ersten Wahlgang 36,35 % der Stimmen. In der Stichwahl stand er dem Ultra-NationalistenCorneliu Vadim Tudor (PRM) gegenüber, gegen den er sich mit 66,8 Prozent der Stimmen durchsetzte. Seine dritte Amtszeit dauerte bis Dezember 2004 – sein Nachfolger wurde nach denWahlen vom 12. Dezember 2004 der ehemalige Bukarester BürgermeisterTraian Băsescu (PD).
Als eine seiner letzten Amtshandlungen am Tag vor der Übergabe des Präsidentenamtes an seinen Nachfolger begnadigte Ion Iliescu den Anführer der Bergarbeiteraufstände (rumänischMineriadă), Miron Cozma. Diese Begnadigung zog Iliescu noch am gleichen Tag wegen starker politischer und öffentlicher Proteste zurück. Miron Cozma wurde deswegen kurz nach seiner Freilassung erneut verhaftet.
Ion Iliescu wird im Bericht des Ermittlers des Europarats zu illegalen Aktivitäten des US-Geheimdienstes CIA in Europa,Dick Marty, namentlich genannt als eine der Personen, diegeheime Foltergefängnisse auf dem MilitärstützpunktMihail Kogălniceanu autorisierten oder zumindest davon wussten und diese zu verantworten haben.[8] Am 27. April 2015 gab Iliescu in seinem eigenen Blog zu, der CIA im Jahr 2002 sogenannte „black sites“ für das geheime Verhör von Terrorverdächtigen überlassen zu haben. Von der Folter der Gefangenen will er dagegen nichts gewusst haben. Auch bestritt er, dass die „sites“ eine Gegenleistung für den NATO-Beitritt Rumäniens 2004 gewesen seien.[9]
Im Dezember 2018 erhob die rumänische Militärstaatsanwaltschaft Anklage gegen Iliescu, dem sie wegen seiner Rolle in der Revolution von 1989Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorwarf.[10] Im sogenannten „Prozess der Revolution“, der am 29. November 2019 begann, stehen derzeit Iliescu undDan Voiculescu vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, während der Revolution von 1989 mit „einer umfangreichen Kampagne der Desinformation“ über vermeintlich Ceaușescu-treue Kräfte eine Art „Terroristenpsychose“ geschaffen und in der Folge bürgerkriegsähnliche Zustände provoziert zu haben, um sich „in den Augen der Bevölkerung Legitimität zu verschaffen“. Zu diesem Zeitpunkt war das Diktatorenehepaar Ceaușescu bereits entmachtet; drei Viertel der Opfer des Aufstandes starben danach in Schießereien und Straßenkämpfen, ermordet von vermeintlichen Terroristen.[11] Der Prozess wurde wegen Verfahrensfehlern auf den 20. Februar 2020 vertagt.[12][veraltet]
Iliescu veröffentlichte einigeEssays und Bücher, u. a. „Revolution and Reform“ (1993), „Moments of History“ (1996) und „Whereto, Romanian Society?“ (1999, zu einersozialdemokratischen Zukunft). Iliescu ist Ehrendoktor derPolytechnischen Universität Timișoara.
↑abFlorica Dobre (Hrsg.):Membrii C.C. al P.C.R., 1945–1989. Dicționar. Editura Enciclopedică, Bukarest 2004, S. 323.
↑Peter Siani-Davies:The Romanian Revolution of December 1989. Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 107.
↑Peter Siani-Davies:The Romanian Revolution of December 1989. Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 106–108.
↑Peter Siani-Davies:The Romanian Revolution of December 1989. Cornell University Press, Ithaca (NY)/London 2005, S. 136.
↑Ovidiu Dimitru Solonar:The American Influence on Pop Culture and Cultural Narcissim in Post-Communist Romania (= Studii culturale Academica.Nr.375). Institutul European, Iaşi 2023,ISBN 978-6-06240377-5,S.105f.