Hans Prinzhorn (*8. Juni1886 inHemer,Westfalen; †14. Juni1933 inMünchen) war ein deutscherPsychiater undKunsthistoriker. Er gehört mit dem Franzosen Paul Meunier alias Marcel Réja und dem SchweizerWalter Morgenthaler zu den Pionieren in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Bildwerkenpsychisch Kranker. Nach ihm ist dieSammlung Prinzhorn benannt.
Prinzhorn ging in Iserlohn auf dasMärkische Realgymnasium und studierteKunstgeschichte undPhilosophie an den UniversitätenTübingen,Leipzig undMünchen, wo er 1908promovierte. 1909 schrieb er sich amLeipziger Konservatorium ein, wo er Theorie-, Klavier- und vermutlich auch Gesangsunterricht erhielt. Zu Ostern 1910 verließ er das Konservatorium.[1]
Danach begab sich Prinzhorn nachEngland. Er hegte den Wunsch,Sänger zu werden, und wollte in England eine Gesangsausbildung absolvieren. Während desErsten Weltkrieges assistierte Prinzhorn einem Militärchirurgen. Anschließend studierte er inFreiburg/Brsg. undStraßburg Medizin. Zum Doktor der Medizin wurde er 1919 inHeidelberg promoviert.
1919 wurde Hans Prinzhorn Assistent vonKarl Wilmanns an derPsychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg. Seine Aufgabe war es, dort eine Sammlung von Bildwerken „Geisteskranker“ zu betreuen, die vonEmil Kraepelin angelegt worden war. Als Prinzhorn die Heidelberger Universitätsklinik 1921 verließ, umfasste seine Archivierung mehr als 5000 Gemälde, geschaffen von ≈450 Patienten der psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg, den in der Terminologie der Mediziner so genanntenFällen.
1922 veröffentlichte Prinzhorn sein erstes und einflussreichstes Werk, das BuchBildnerei der Geisteskranken,[2] reich illustriert mit Bildmaterial aus der Sammlung der für geisteskrank befundenen Patienten. Während Prinzhorns psychiatrische Fachkollegen reserviert auf sein veröffentlichtes Werk reagierten, zeigten sich Kunstliebhaber, Kunstexperten und Psychologen von den dokumentierten Patientenarbeiten tief beeindruckt. Das Buch, in dem sich der Verfasser mit den Grenzbereichen künstlerisch individueller Formen der Expressivität und den Gestaltungsmerkmalen psychisch Kranker auseinandersetzte, bildete einen der ersten Versuche, deren Schöpfungen zu analysieren. Auch wenn sich Prinzhorn einer ästhetischen Bewertung der Patientenarbeiten enthält und den Begriff Kunst vermeidet und stattdessen von Bildnerei spricht, behandelt er die von ihm publizierten Werke mit Respekt.
Prinzhorn arbeitete in der Folge für kurze Zeit anSanatorien inZürich („Burghölzli“, derPsychiatrischen Klinik der Universität Zürich),Dresden undWiesbaden. Ab 1925 führte er als Nervenarzt einepsychotherapeutische Praxis inFrankfurt am Main. Prinzhorn verfasste weitere Bücher, die nicht den Erfolg seines Erstlingswerkes erreichen konnten. Seine Hoffnung, eine feste Anstellung an einerUniversität zu erlangen, wurde nicht erfüllt.
Von 1927 bis 1930 gab er die ReiheDas Weltbild. Bücher des lebendigen Wissens heraus. Sie erschien in den Verlagen Müller & Kiepenheuer, Potsdam undOrell Füssli, Zürich. Ursprünglich sollte die Reihe ab April 1928 monatlich erscheinen, jedoch kam es bereits Anfang 1929 zu einer Unterbrechung, 1930 wurde die Reihe mit dem letzten Heft 14 eingestellt.[3]
Desillusioniert durch seine berufliche Erfolglosigkeit und das Scheitern dreierEhen übersiedelte Prinzhorn zu einer Tante nach München. Zurückgezogen lebte er von gelegentlichen Vorträgen und dem Verfassen von Texten. Politisch stand Prinzhorn in seinen letzten Lebensjahren dem italienischenFaschismusMussolinis und demNationalsozialismus nahe. Er publizierte zwischen 1930 und 1932 in der ZeitschriftDer Ring eine vierteilige ArtikelserieÜber den Nationalsozialismus[4], in der er sich positiv zur nationalsozialistischen Bewegung und zuAdolf Hitler äußerte. 1931 war er als Gastdozent in Los Angeles tätig. Zu den geplanten systematischen Exerzitien aufSchloss Ostrau beiHans-Hasso von Veltheim kam es aufgrund von Prinzhorns Tod nicht mehr.[5]
1933 starb Prinzhorn inMünchen anTyphus.[6]
Zu seinem Bekanntenkreis zählten der Psychologe und GraphologeLudwig Klages, an dessen Philosophie sich gemäß Mirbach Prinzhornslebensphilosophischer Ansatz orientierte,[7] sowie die SchriftstellerThomas Mann undGerhart Hauptmann.[8]Hermann Hesse setzte Prinzhorn und dessen AbhandlungBildnerei der Geisteskranken in seinem 1927 erschienenen RomanDer Steppenwolf ein Denkmal, indem er auch in Anspielung auf die GedichtsammlungDes Knaben Wunderhorn von „des Prinzen Wunderhorn“ spricht, „jenem entzückenden Buch, in welchem die mühevolle und fleißige Arbeit eines Gelehrten durch die geniale Mitarbeit einer Anzahl von verrückten und in Anstalten eingesperrten Künstlern geadelt wird“.
Bald nach dem Tod des Psychiaters und Kunsthistorikers Hans Prinzhorn wurde dieSammlung Prinzhorn mit Zeichnungen, Gemälden und bildhauerischen Werken von Geisteskranken auf einem Dachboden der Heidelberger Universität verstaut. 1937 wurden einige Arbeiten aus der Sammlung in einernationalsozialistischen Propagandaausstellung, der Feme-SchauEntartete Kunst, inMünchen präsentiert und zum Vergleich mit Werken von Künstlern derKlassischen Moderne missbraucht, um Werke desDeutschen Expressionismus in Gegenüberstellung zu diffamieren.
Ab 1973 wurde das von Hans Prinzhorn zusammengetragene Material unter der Leitung vonInge Jádi erfasst und katalogisiert, 1980 wurden die ersten Exponate der Öffentlichkeit vorgestellt.[9] 2001 wurde derSammlung Prinzhorn ein eigenes Museum imUniversitätsklinikum Heidelberg, dasMuseum Sammlung Prinzhorn, Psychiatrische Universitätsklinik Heidelberg, Voßstraße 2, in einem umgebauten ehemaligen Hörsaal, gewidmet. Hier dient die Sammlung weiterhin erkenntnistheoretischer, wissenschaftlicher Erforschung.[10]
Regelmäßig wechselnde Ausstellungen finden hier statt, in die bei den Eröffnungsfeierlichkeiten, mit wissenschaftlich profunden Erörterungen zur jeweiligen Thematik, von Klinikern oder Kunsthistorikern eingeführt wird.
DerMarburger Kunstverein organisierte im Jahr 2009 eine Ausstellung unter dem Motto „Wahnsinn! Arbeiten aus derLebenshilfe und derSammlung Prinzhorn aus Heidelberg“. Mehrere der geistig behinderten aktiven Kunstschaffenden, deren Arbeiten in dieser Ausstellung gezeigt wurden, waren damals bei der Vernissage persönlich anwesend.
Seit 1965 wird jährlich dieHans-Prinzhorn-Medaille von derDeutschsprachigen Gesellschaft für Kunst und Psychopathologie des Ausdrucks verliehen. Zu den Preisträgern gehören neben anderenLeo Navratil,Alfred Hrdlicka,Hans Küng,Lothar-Günther Buchheim,Guy Roux,Alfred Bader,Peter Gorsen,Georg Paulmichl undGaetano Benedetti.
In der GeburtsstadtHemer von Hans Prinzhorn sind nach ihm die städtischeRealschule und die dortigeFachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie benannt worden, ein Klinikum für differenzierte Behandlungsaufgaben in der Pflicht- und Vollversorgung. Träger der Klinik ist derLandschaftsverband Westfalen-Lippe. Das Klinikum ist auch Aus-, Fort- und Weiterbildungsinstitution. ImFelsenmeermuseum des Bürger- und Heimatvereins gibt es ein weitgehend mit Kopien bestücktesPrinzhorn-Archiv. Der von Ludwig Klages geprägte LiteraturwissenschaftlerYukio Kotani setzte sich für das Bekanntwerden der Arbeiten Prinzhorns in Japan ein.[11]
Personendaten | |
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NAME | Prinzhorn, Hans |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Psychiater und Kunsthistoriker |
GEBURTSDATUM | 8. Juni 1886 |
GEBURTSORT | Hemer,Westfalen |
STERBEDATUM | 14. Juni 1933 |
STERBEORT | München |