Gustav Dietrich Dahrendorf (*8. Februar1901 inHamburg; †30. Oktober1954 inBraunlage) war eindeutscherPolitiker derSPD,Konsumgenossenschafter, Mitbegründer derJungsozialisten,Journalist,Reichstagsabgeordneter und der Vater vonRalf (1929–2009) undFrank Dahrendorf (1934–2013).
Der Sohn eines Arbeiters besuchte die Volksschule in Hamburg. Von 1915 bis 1918 absolvierte er eine kaufmännische Lehre. Danach war er als Vertreter und Büroangestellter tätig. Er schloss sich 1914 der sozialistischen Arbeiterjugendbewegung an und trat 1917 in die freien Gewerkschaften (ADGB) ein und wurde 1918 Mitglied der SPD. Zu Beginn der zwanziger Jahre schloss er sich demHofgeismarer Kreis der Jungsozialisten an.
Dahrendorf war 1921 führend an der Ausarbeitung derKieler Grundsätze beteiligt, in denen von den Jungsozialisten die Bejahung derWeimarer Republik gefordert wurde. Er gehörte der Reichsleitung der Jungsozialisten, dem Landesvorstand Hamburg der SPD und der Gauleitung desReichsbanners Schwarz-Rot-Gold an. Von 1924 bis 1932 bekleidete er das Amt des Vorsitzenden des Hamburger Jugendausschusses. Am 3. Oktober 1924 gründete er mitTheodor Haubach,Egon Bandmann undAlfred Vagts (alle SPD) sowieHans Robinsohn,Ernst Strassmann undHeinrich Landahl (alleDDP) denKlub vom 3. Oktober, dessen Ziel der gemeinsame Kampf gegen die Feinde der Weimarer Republik war und der auch für gegenseitige Unterstützung bei politischen Initiativen sorgen sollte.[1]
Von 1924 bis 1933 arbeitete er als Redakteur (Schriftleiter) des SPD-OrgansHamburger Echo. Von 1927 bis 1933 gehörte er derHamburgischen Bürgerschaft (Landtag) an.Bei derReichstagswahl vom 6. November 1932 wurde er im Wahlkreis 34 (Hamburg) in denReichstag (7. Wahlperiode: von November 1932 bis März 1933) gewählt.[2]Bei derReichstagswahl am 5. März 1933 wurde er wiedergewählt (8. Wahlperiode).
Am 24. März 1933 wurde er für einige Tage in „Schutzhaft“ genommen.Im Mai 1933 wurde er erneut festgenommen und imKZ Fuhlsbüttel[3] drei Monate inhaftiert.
Nach der Entlassung war er zunächst arbeitslos. Ende 1933 siedelte er nach Berlin über.[4]Seit 1934 arbeitete er zuerst als Volontär, dann als Geschäftsführer der zumFlick-Konzern gehörendenMärkischen Brikett-Handelsgesellschaft inBerlin,Nürnberg undMünchen. In dieser Zeit war er erfolgreich im Kohlenhandel tätig und nutzte dabei die geschäftlichen Verbindungen, um Kontakte mit Nazi-Gegnern zu pflegen. Am 25. August 1936 wurde er bei derGestapo Hamburg unter der „Liste der SPD-Bürgerschaftsabgeordneten“ sowie imSD-„Verzeichnis der SPD-Reichstagsabgeordneten“ geführt („1933 wohnhaft Hamburg 26, Lohof 24, jetzt Berlin-Schmargendorf, Crampassplatz 4“).
Dahrendorf gehörte zu den sozialdemokratischen Funktionären, die sich dem christlich-sozialenKreisauer Kreis anschlossen, der an derVerschwörung vom 20. Juli 1944 beteiligt war. Im Widerstand hatte er Verbindungen zuErnst Schneppenhorst undJosef Simon. Im Gegensatz zuJulius Leber undAdolf Reichwein unterstützte er die Politik derGoerdeler-Gruppe. Im Rahmen der „Aktion Gitter“ wurde er am 23. Juli 1944 verhaftet. Ein verschlüsseltes Telegramm vom 20. Juli 1944 an den Kommandeur desWehrkreises X (Hamburg), aus dem hervorging, dass Dahrendorf als Zivilbevollmächtigter derReichsregierung Goerdeler und als kommissarischerBürgermeister von Hamburg vorgesehen war, fiel in die Hände derGestapo. Er wurde im Gestapo-Gefängnis in derGestapo-Zentrale (Berlin) inhaftiert. Zusammen mit Julius Leber und Adolf Reichwein stand er vorFreislersVolksgerichtshof. Am 20. Oktober 1944 wurde er zu sieben JahrenZuchthaus und weiteren sieben JahrenEhrverlust verurteilt und imZuchthaus Brandenburg-Goerden inhaftiert. Die dortigen Häftlinge wurden am 27. April 1945 von derRoten Armee befreit.
1945 war er Mitglied desZentralausschusses der SPD und gehörte zu den Unterzeichnern des Aktionsabkommens des Zentralkomitees (ZK) derKPD und des Zentralausschusses der SPD vom 19. Juni 1945. Bis Februar 1946 war Dahrendorf Vizepräsident der Deutschen Zentralverwaltung der Brennstoffindustrie für dieSowjetische Besatzungszone in Berlin. Er wurde jedoch in Gegnerschaft zuOtto Grotewohl zu einem entschiedenen Gegner derZwangsvereinigung von SPD und KPD.
Daher kehrte er auf Anraten vonUlrich Biel im Februar 1946 nach Hamburg zurück. Im Juli 1946 wurde er in den Vorstand derKonsumgenossenschaft „Produktion“ gewählt. Er errang ein Mandat in der Hamburgischen Bürgerschaft und wurde in den FrankfurterWirtschaftsrat der Bizone entsandt, wo er von 1947 bis 1949 das Amt eines Vizepräsidenten bekleidete. Aus diesem Grund legte er am 18. August 1947 sein Bürgerschaftsmandat nieder. Im Juni 1948 verhandelte er als Vorsitzender des Berlin-Ausschusses im Bizonen-Wirtschaftsrat mit sozialdemokratischen Berliner Stadträten über die geplanteWährungsreform.
Er war stellvertretender Vorsitzender desAufsichtsrats derBraunschweigischen Kohlen-Bergwerke inHelmstedt, derRheinischen AG für Braunkohlenbergbau und Brikettfabrikation in Köln sowie Mitglied des Außenhandelsbeirats beimBundesministerium für Wirtschaft.
Am 16. September 1948 wurde er zum Geschäftsführer derGroßeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften mbH (GEG) gewählt. 1951 wurde er im Zuge der Koordinierung auch Vorsitzender des Vorstands imZentralverband deutscher Konsumgenossenschaften in Hamburg. Weiterhin war er Vorsitzender des Aufsichtsrats derBank für Gemeinwirtschaft in Frankfurt am Main, zu deren Gründern und Gesellschaftern die GEG zählte.
Er trug tatkräftig und maßgeblich dazu bei, dass die Konsumgenossenschaften nach der Unterdrückung durch dasNS-Regime zu einem wichtigen Faktor im Wirtschaftsleben der jungen Bundesrepublik wurden. Sein Engagement galt demVerbraucherschutz, und so war es konsequent, dass er sich maßgeblich an der Gründung derArbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände im Jahre 1953 beteiligte, deren erster Vorsitzender er wurde.
In Dahrendorf spiegelte sich eine zuweilen als fatal beurteilte Fixierung derKonsumgenossenschaftsbewegung auf ihre Führungspersönlichkeiten. Im Jahr des 50-jährigen Bestehens des konsumgenossenschaftlichen Zentralverbandes, 1953, konzentrierte sich alle Hoffnung und Zuversicht auf ihn: Mit Dahrendorf sei ein Genossenschafter an der Spitze des Zentralverbandes und der GEG, der alle geistigen undgesinnungsmäßigen Voraussetzungen als Wirtschaftspolitiker und Wirtschaftsorganisator mitbringe, um heute und morgen der deutschen Konsumgenossenschaftsbewegung das Gepräge zu geben.[5] Dahrendorf selbst unterstellte und lobte die demokratische Verfassung im Konsumgenossenschaftswesen, ohne auf die Probleme der Trennung von Apparat und Mitgliedern kritisch einzugehen.
Dahrendorf bekannte sich zwar nach demZweiten Weltkrieg zu einer politischen und konfessionellen Neutralität der Konsumgenossenschaftsbewegung. Doch er war fest in die SPD eingebunden. Er wandte sich gegen eine Spaltung der Genossenschaften und forderte im selben Atemzug, dass der Weg umgekehrt sein müsse. Seine Forderung war, dass es in Deutschland zu einer großen Linkspartei kommen müsse, die für alle Gewerkschafter und Genossenschafter politische Heimat sei. Die SPD solle über alleunnatürlichen Grenzen hinweg die Volksbewegung der Linken werden.[6]
Gustav Dahrendorf starb 1954 plötzlich während einer Kur in Braunlage im Harz. Er wurde auf demOhlsdorfer Friedhof in Hamburg im Planquadrat Y 12 südlich derNorderstraße beigesetzt.[7]
Das vom Bundespräsidenten verlieheneGroße Verdienstkreuz mit Stern wurde Gustav Dahrendorf als Vorsitzendem der Geschäftsführung der GEG und dem AufsichtsratGustav Borgner 1954 vom Hamburger BürgermeisterKurt Sieveking überreicht. Auf der Feierstunde anlässlich des 60-jährigen Bestehens derGroßeinkaufs-Gesellschaft Deutscher Konsumgenossenschaften (GEG) sagte der Bürgermeister, mit diesen Auszeichnungen würden alle geehrt, die ihre Kraft für die Arbeit zum Wohle der Verbraucher zur Verfügung gestellt hätten.[8]
Dahrendorf ebnete in seiner überragenden persönlichen Machtfülle dem DGB und der SPD den Weg für die Bindung an sozialistische Traditionen im Konsumgenossenschaftswesen. Diese Kettung an „natürliche“ Gegebenheiten bestimmte in der Genossenschaftsbewegung die starke Bewertung der Gesinnung. Diese Gesinnung war eine Generation später nicht mehr ohne Weiteres vorauszusetzen, so dass es Ende der 1980er Jahre zumco op-Skandal kam, der den Untergang der großen konsumgenossenschaftlichen Tradition markierte.
Nach ihm ist derDahrendorfweg inHamburg-Horn benannt.[9] 1957 wurde dieDahrendorfzeile in der Nähe derBerlinerHinrichtungsstätte Plötzensee nach ihm benannt.[10] Im Sommer 2022 wurde inHamburg-Wellingsbüttel einStolperstein für Dahrendorf verlegt.
DerFischdampferGustav Dahrendorf von der Gemeinwirtschaftlichen Hochseefischerei GmbH, Bremerhaven (GHG), ist nach ihm benannt.[11] Er wurde 1954 auf derRickmerswerft inBremerhaven gebaut, hatte 640,29BRT, fasste 5000 Korb, war 56,56 m lang und 8,84 m breit. Er hatte als erstes Fischereifahrzeug einenVerstellpropeller und war mit einer Fischmehlanlage ausgerüstet. 1955 fuhr er unter Kapitän Petersen zu seiner ersten Fangreise aus.[12]
Personendaten | |
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NAME | Dahrendorf, Gustav |
ALTERNATIVNAMEN | Dahrendorf, Gustav Dietrich (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker (SPD), MdHB, MdR, Konsumgenossenschafter und Journalist |
GEBURTSDATUM | 8. Februar 1901 |
GEBURTSORT | Hamburg |
STERBEDATUM | 30. Oktober 1954 |
STERBEORT | Braunlage |