DieGironde ist einÄstuar in Südwestfrankreich, das vom Zusammenfluss der FlüsseGaronne undDordogne bis zum Übergang in denAtlantik imGolf von Biskaya reicht. Sie ist etwa 75[2] Kilometer lang, bis zu 15 Kilometer breit und verläuft in nordnordwestlicher Richtung. Mit 685 km² Oberfläche ist sie der größte MündungstrichterEuropas. Nach der Gironde ist das größtenteils am linken Ufer gelegeneDépartement Gironde benannt; ihm gegenüber am rechten Ufer liegt dasDépartement Charente-Maritime.
Die Gironde beginnt am Bec d’Ambès, einer Halbinsel ca. 15 Kilometer flussabwärts vonBordeaux, die Garonne und Dordogne unmittelbar vor ihrem Zusammenfluss bilden. Auf dem linken Ufer erstreckt sich auf der ganzen Länge das Weinanbaugebiet desMédoc, einer niedrig gelegenen, sanft abfallenden Landschaft mit sedimentalem Untergrund (Schotter und Kies), der aufgrund seiner Durchlässigkeit für den Weinbau hervorragend geeignet ist. Als beste Lagen gelten diejenigen, die „das Wasser sehen“, d. h. innerhalb des speziellen Mikroklimas liegen, das von der Gironde gestaltet wird: Das Licht wird durch die große Wasseroberfläche reflektiert und Wärme gespeichert, so dass die Bedingungen für die Traubenreife optimal sind. In diesen Lagen finden sich die Spitzenweine der AnbaugebieteMargaux,Pauillac,Saint-Estèphe,Saint-Julien und einigen anderen. Das rechte Ufer wird zunächst von einer Steilstufe aus Kalkgestein (die Haute Gironde) beherrscht, auf dem dieAppellationenCôtes de Bourg undCôtes de Blaye liegen. Auf dem Gebiet desDépartements Charente-Maritime wird das Gelände langsam flacher und der Weinbau verschwindet. Die Mündung der Gironde wird durch den Landvorsprung beiLe Verdon-sur-Mer, die Pointe de Grave, markiert.
Der Verlauf der Mündungsflüsse hat sich mit der Zeit wiederholt leicht verändert. So liegt der OrtBourg-sur-Gironde heute an der Dordogne, weil der unterschiedlich hoheSedimenttransport mit den Jahrhunderten den Verlauf von Sandbänken und Inseln verschoben hat und die Dordogne hierdurch einen Schlenker nach Norden eingeschlagen hat, bevor sie in die Gironde fließt.
DasEinzugsgebiet der Gironde umfasst diejenigen der beiden Flüsse, die sie speisen: Die Dordogne entwässert das nördlicheGuyenne und einen Großteil des südwestlichenZentralmassivs, die Garonne fast das gesamte restliche aquitanische Becken. Mit Ausnahme desBaskenlandes und der küstennahen Gebiete derLandes wird so ein Einzugsbereich umfasst, der durch diePyrenäen im Süden, dieWasserscheide zum Mittelmeer im Osten und der Hauptwasserscheide des Zentralmassivs im Norden und Nordosten begrenzt wird und fast ein Fünftel von ganz Frankreich umfasst. Der Süßwasserabfluss wird allerdings vom bei Flut einströmenden Meerwasservolumen um das 15- bis 30-fache übertroffen.
Umstritten ist die Grenzziehung der Gironde: Neben der Wasserfläche ab dem Bec d’Ambès beziehen viele die Unterläufe von Garonne und Dordogne mit ein, da sichSalinität undTidenhub hier noch deutlich manifestieren. Die ansehnliche Breite der beiden Flüsse hat auch dazu geführt, dass die Landschaft zwischen ihnenEntre deux mers (Zwischen zwei Meeren) genannt wird. Auch die angrenzenden Ufer werden oft zum Ästuar gerechnet, insbesondere die sumpfigen Niederungen auf dem linken Ufer. Der Mündungstrichter selbst wird in einen oberen Abschnitt (mit zahlreichen Inseln) und einen unteren Abschnitt unterteilt.
Die Gironde liegt in der gemäßigten Klimazone ozeanischer Prägung (Seeklima) mit sehr milden Wintern, warmen Sommern und häufigen Niederschlägen. Durch die enorme Wasseroberfläche mildert sie die Klimaeffekte im Umland nochmals, so dass hier ein sehr ausgeglichener Temperaturgang herrscht. Die Winter sind oft frostfrei, die Sommer immer noch sehr erträglich. Der letzteEisgang auf der Gironde wurde im Rekordwinter 1956 verzeichnet.
Autofähre bei der Einfahrt in den Hafen von Le Verdon-sur-Mer
Da die Gironde durch ihre enorme Breitenausdehnung vor allem im Mündungsbereich ein Verkehrshindernis darstellt, für dessen Überwindung keine Brücken existieren, wurden zweiAutofähr-Verbindungen eingerichtet. Sie verbinden die Orte:
Rechnet man die Unterläufe der Mündungsflüsse hinzu, ist Bordeaux undseine Agglomeration die dominierende Stadt der Gironde. An der Dordogne liegt landeinwärtsLibourne, der andere historisch bedeutsame Flusshafen, der aber in der heutigen Zeit im Vergleich zu Bordeaux nur eine untergeordnete Rolle spielt. An der Gironde selbst ist das SeebadRoyan (Charente-Maritime) mit knapp unter 20.000 Einwohnern (80.000 in der Agglomeration) die bedeutendste Ansiedlung. Bekannte Städte und Dörfer sind auf dem rechten UferBlaye,Bourg-sur-Gironde undTalmont-sur-Gironde, auf dem linken UferBlanquefort,Pauillac undMargaux.
Röhricht und Fischerhütte am linken Ufer inPauillac
Wie viele Brackwasserreservoire ist auch die Gironde ein artenarmes, aber individuenreiches Gewässer. Hierdurch ist sie in allen Zeiten ein reicher Fischgrund gewesen. Die einzelnen Arten variieren je nach Salinität des umgebenden Wassers.
Grundlage der Nahrungskette ist dasPhytoplankton, das allerdings im Mittellauf aufgrund der Verwirbelungen während der Gezeiten nicht vorkommt, und dasZooplankton, das vor allem von millimetergroßen Krebsarten gebildet wird. Weißkrabben sind wie nirgends sonst in Frankreich zahlreich vertreten. Die Fischarten sind entweder Meeresfische, die bis zu einem gewissen Punkt landeinwärts schwimmen können, oder wandernde Arten, die auf Süß- wie Salzwasser angepasst sind. Zu ersteren gehörenSeezunge,Rochen undSardelle, zu letzterenAal,Alse undNeunauge.
Die Gironde ist Heimatgebiet desEuropäischen Störs, der hier sein weltweit letztes Refugium hat. Er steht seit 1982, als die Art schon fast ausgestorben war, unter Naturschutz und wird seitdem gezielt gezüchtet und ausgesetzt. Seit einiger Zeit wird sogar in bescheidenem Rahmen wiederKaviar gewonnen.
Da sie auf der Wanderroute vielerZugvögel liegt, ist das Gebiet außerdem bevorzugter Brut- und Rastplatz von etwa 130 Vogelarten. Man findet hier denKormoran, dieLachmöwe und denWeißstorch als einheimische Arten, zudem periodischEnten,Bussarde und viele weitere.
Das Ökosystem der Gironde ist durch den schlammigen Untergrund sehr fragil, denn dieser nimmt bedeutend mehr Schadstoffe auf als andere Böden. So hat insbesondere der Eintrag vonZink undCadmium dazu geführt, dass wild wachsende Austern aufgrund der Anreicherung vonSchwermetallen in ihrem Fleisch nicht mehr konsumiert werden dürfen. Ein gewisses Problem stellen auch Exoten dar, die durch Aussetzung oder Einschleppung die ursprüngliche Fauna beeinträchtigen können. Ein besonders illustres Beispiel hierfür ist einPiranha, der 2004 in der Gironde gefangen wurde.
Schon zurBronzezeit, spätestens aber seit derRömerzeit spielt die Gironde eine herausragende strategische und wirtschaftliche Rolle. Bordeaux, das damalige Burdigala, hatte schon damals einen Seehafen, der über die Gironde erreichbar war und Basis für Handel und langanhaltenden Wohlstand war. InSoulac-sur-Mer wurden römische Überreste und eine gallische Eberstandarte gefunden. Die Grundrisse von Patriziervillen lassen den Schluss zu, dass es hier eine Sommerfrische direkt an der Gironde-Mündung gab, vermutlich von reichen Bürger von Burdigala. Dass ein strategisch wichtiger Zugang zum Meer auch Nachteile birgt, zeigten die Einfälle vonNormannen, die nach dem Niedergang des römischen Reiches über die Gironde einfielen und Bordeaux verwüsteten.
Im späten Mittelalter befand sich das Gebiet in englischer Hand: Über die Gironde wurde der Handel zwischen Aquitanien und den britischen Inseln abgewickelt. In besonderem Maße exportierte Bordeaux den in der Region kultivierten Wein, der in Englandclaret genannt wurde und sehr geschätzt war. Exportartikel waren außerdem Färbemittel, Salz und Waffen. Importiert wurden aus England Stockfisch, Leder, Stoffe und Metalle. Wichtig war der Schifffahrtsweg aber nicht nur kommerziell gesehen: Hierüber wurden auch die meisten Truppenkontingente bewegt, die während desHundertjährigen Krieges von den Engländern gestellt wurden. Durch den Konflikt zwischen England und Frankreich, aber auch durchPiraten wurde derSeehandel immer wieder gestört. Zeitweise gab es mächtige Flottenverbände zum Schutz voreinander.
In der frühen Neuzeit, als dasKönigreich Frankreich sein Territorium wieder unter seine Kontrolle gebracht hatte, war Bordeaux der größte und wichtigste Hafen der Nation, über den ein Großteil des atlantischenSeehandels mit Afrika und denAntillen abgewickelt wurde. Die Gironde bekam daher eine überragende strategische Bedeutung und wurde gezielt mit Befestigungsbauten und Garnisonsstandorten versehen. Im 17. Jahrhundert errichteteVauban dieZitadelle Blaye auf dem rechten Ufer, die ein – weniger spektakuläres – Gegenstück erhielt, dasFort Médoc auf dem linken Ufer. Auf einer Insel wurde ein zusätzlicher Posten eingerichtet, so dass die Gironde nicht ohne Erlaubnis bzw. militärische Auseinandersetzung befahren werden konnte. Diese Vorkehrung sicherte das Wirtschaftskonzept desMerkantilismus auch militärstrategisch ab.
Im Juni 1940 eroberte dieWehrmacht große Teile von Frankreich („Westfeldzug“). Hitler befahl die Errichtung desAtlantikwalls, dessen südliches Ende die Garonne bildete. In der „Führerweisung Nr. 50“ befahl Hitler, alle Flussmündungen zu starken „Verteidigungsbereichen“ auszubauen, um sie gegen eine alliierte Invasion zu sichern. Im Januar 1944 erklärte Hitler einige Verteidigungsbereiche zu „Festungen“, die „bis zur letzten Patrone“ verteidigt werden müssten (sieheFester Platz (Wehrmacht)). Auf der Landzunge zwischen dem Atlantik und der Gironde entstand auf einer Fläche von 170 Quadratkilometern dieFestung Gironde-Süd.
Im 20. Jahrhundert, als der Stadthafen von Bordeaux nach und nach aufgegeben wurde, bekam die Gironde besondere wirtschaftliche Bedeutung. Ein Großteil desGüterumschlags wurde flussabwärts verlagert, unter anderem fürSchiffe mit großem Tiefgang, die nicht bis zur Garonne hinauffahren können. Daher wurden inLe Verdon einContainerterminal und einÖlterminal gebaut. InPauillac (zwischen Le Verdon und Bordeaux) wurde eineErdölraffinerie gebaut. Entlang der Gironde ist es zu einer gewissenIndustrialisierung gekommen.
↑ Die Gironde ist in der französischen Gewässerdatenbanksandre.fr nicht aufgenommen, da sie nach dortiger Logik alsÄstuar bereits den Meeresgewässern zugezählt wird. Die Angaben über die Abmessungen der Gironde wurden daher ausfr.wiki übernommen.