Geschlechtergerechte Sprache (oft auch kurzGendersprache genannt) bezeichnet einenSprachgebrauch, der in Bezug auf Personenbezeichnungen die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und darüber hinaus allerGeschlechter zum Ziel hat und dieGleichstellung der Geschlechter ingesprochener undgeschriebener Sprache zum Ausdruck bringen will. AlsPersonenbezeichnung werden dabei alle sprachlichen Mittel verstanden, die sich in ihrerinhaltlichen Bedeutung (Semantik) auf einzelne Personen, auf gemischtgeschlechtliche Gruppen oder auf Menschen im Allgemeinen beziehen (Referenz auf Außersprachliches). Um zu verdeutlichen, dass neben weiblichen und männlichen (siehebinäre Geschlechterordnung) auchnichtbinäre Personen einbezogen werden, setzt sich zunehmend die Bezeichnunggendergerechte Sprache durch, auchgendersensible,diskriminierungssensible,genderinklusive oderinklusive Sprache (vergleicheSoziale Inklusion undDiversity Management). Die Anwendung geschlechtergerechter Sprache wird auch kurz als „Gendern“ bezeichnet und nutzt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: einerseits dieSichtbarmachung der Geschlechter durch entsprechende Bezeichnungsformen (sexusbezogen:Lehrerinnen und Lehrer, Lehrer*innen), andererseits dieNeutralisierung von Geschlechtlichem (sexusneutral:Lehrkräfte, Lehrende).
Auf Basis feministischer Sprachkritik seit der Mitte der 1970er Jahre erschienen imdeutschsprachigen Raum 1980 die erstenRichtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs, zusammengestellt von vierSprachwissenschaftlerinnen, die zu den Gründerinnen derFeministischen Linguistik gehören. Die Wortwahl „sexistisch“ bezogen sie dabei auch auf ein beobachtetes sprachliches Ungleichgewicht (Asymmetrie): Bei Personenbezeichnungen, die in paariger Form vorliegen(Lehrer/Lehrerin), wird die grammatischfeminine Form ausschließlich für Frauen verwendet, während diemaskuline Form einerseits spezifisch für männliche Personen, in anderen Zusammenhängen aber verallgemeinernd für Personen aller Geschlechter (generisches Maskulinum:alle Lehrer) verwendet wird. Diese Sprachgewohnheit wird alsDiskriminierung kritisiert, weil bei der Beschreibung gemischtgeschlechtlicher Gruppen nur Maskulinformen erscheinen (aus99 Lehrerinnen plus 1 Lehrer werden100 Lehrer). Hierdurch würden Frauen sprachlich „unsichtbar“ bleiben, sie seien beim generischen Maskulinum „nur mitgemeint“; außerdem würden beimgenerischen Gebrauch von Maskulinformen häufig männliche Bilder assoziiert (mentale Repräsentation). In der Folgezeit wurden zahlreiche Vorschläge für geschlechtergerechte Sprech- und Schreibweisen erarbeitet und inRichtlinien, Leitfäden undGesetzen festgehalten, mit der erklärten Absicht einer „sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern“. Insbesondere nach der rechtlichen Anerkennung der Geschlechtskategorie „divers“ im Jahr 2018 in Deutschland und 2019 in Österreich änderte sich die Zielsetzung zur „sprachlichen Gleichbehandlung aller Geschlechter“ (gendergerecht). Seit den Anfängen gibt eskritische Stimmen zu den Konzepten, insbesondere wenn sie in dasSprachsystem oder dieOrthographie eingreifen.
Inanderen Sprachen werden unterschiedliche Aspekte von sprachlicher Geschlechtergerechtigkeit diskutiert, so steht imEnglischen seit 1973 der Aspekt der Genderneutralität im Vordergrund, während inFrankreich erst seit Mai 2021 für Frauen eigene Berufs- und Funktionsbezeichnungen in femininer Form offiziell empfohlen werden.
DasDeutsche gehört zu denSprachen, dieSubstantiven (Hauptwörtern, Nomen) eingrammatisches Geschlecht zuweisen (fachsprachlich dasGenus, MehrzahlGenera). Das Genus (von lateinisch genus „Art, Gattung, Geschlecht“, in Anlehnung an altgriechisch γένος génos) ist eine in vielen Sprachen vorkommende Klassifikation von Substantiven. Mit dem Genus muss die Wortform anderer Wörter übereinstimmen, die sich auf das Substantiv beziehen, im Deutschen beispielsweise die Form von Artikeln, Adjektiven und Pronomen. Man bezeichnet diese regelhaften Übereinstimmungen alsKongruenz. Im Deutschen gibt es drei grammatische Geschlechter: dasMaskulinum, dasFemininum und dasNeutrum. Trotz gleichlautender Bezeichnung ist das „grammatische Geschlecht“ nicht gleichzusetzen mit dem „natürlichen“ Geschlecht (in der LinguistikSexus genannt).
Während die grammatische KategorieGenus als „Sortierungsverfahren“[1] für die Beziehung von Wörtern im Satz steht, erfassen Begriffe wieSexus undGender das natürliche bzw. soziale Geschlecht von Menschen. Es stehen verschiedene sprachliche Möglichkeiten bereit, auf das Geschlecht von Personen zu verweisen. Ein solchesBedeutungselement kann beispielsweise fest im einzelnen Wort, alsolexikalisch verankert sein: So bezeichnet das Wort „Bruder“ eine Person in einem geschwisterlichen Verwandtschaftsverhältnis, die männlich ist; das Wort „Schwester“ eine Person, die weiblich ist. In der Bedeutungslehre (Semantik) spricht man vonSemen: „Bruder“ hat die Seme [Geschwister] und [männlich], „Schwester“ die Seme [Geschwister] und [weiblich], bei dem Oberbegriff „Geschwister“ fehlt das sexusbezogene Sem. Es gibt alsosexusspezifische undsexusneutrale (sexusindifferente) Wörter. Anders ausgedrückt: Es gibt Wörter, die auf das Geschlecht einer Person verweisen und Wörter, bei denen dies nicht der Fall ist. Sexus kann im Deutschen auch durch die Wortendung markiert werden: Eine „Lehrerin“ (movierte Form von Lehrer) ist eine weibliche Lehrkraft. Durch dasSuffix -in erhält das Wort das Sem [weiblich].[2]
Ein innerhalb der Linguistik kontrovers diskutiertes Thema ist dieBeziehung zwischen Genus und Sexus und die Frage, wie eng diese Kategorien miteinander verknüpft sind. Einigkeit besteht in der Einschätzung, dass es sich hierbei grundsätzlich um zwei getrennte Kategorien handelt. Dennoch lassen sich zahlreiche Genus-Sexus-Kongruenzen etwa im Bereich der oben aufgeführten Verwandtschaftsbeziehungen (Bruder/Schwester, Vater/Mutter, Onkel/Tante etc.) beobachten.
Vom Sexus ausgehend(Sexus-Genus-Relation) gibt es „bei Bezeichnungen für erwachsene Personen“ laut Gisela Zifonun bis auf wenige Ausnahmen „eine klare Korrelation“: Weibliche Personen werden meist durch Feminina bezeichnet, männliche durch Maskulina.[3]
Bei der vom Genus ausgehendenGenus-Sexus-Relation hingegen ist die Sachlage deutlich komplexer: Keine Beziehungen zwischen Genus und Sexus gibt es etwa bei Wörtern wie „der Mensch“, „die Person“ und „das Opfer“. Diese werdenEpikoina genannt und sind geschlechtsunspezifische Nomina, die nur ein Genus aufweisen und nicht movierbar sind. Diese Maskulina, Feminina und Neutra können auf alle Geschlechter referieren. Bei dieser Art von Nomen gibt es keine Genus-Sexus-Kongruenz.
Genus | Sexusspezifische Wörter mit Genus-Sexus-Kongruenz | Epikoina (sexusindifferent) |
---|---|---|
feminin(die) | Schwester, Mutter, Frau, Tante, Tochter | Person, Wache, Waise, Geisel, Koryphäe; Fachkraft |
maskulin(der) | Bruder, Vater, Mann, Onkel, Sohn | Mensch, Fan, Star, Champion, Profi, Flüchtling, Prüfling |
neutral(das) | Kind, Mitglied, Opfer, Genie, Individuum |
Auch bei vielen maskulinen Personenbezeichnungen ist einegeschlechtsneutrale Verwendung zu beobachten. Es handelt sich meist um Wörter, für die es eine feminine Ableitung gibt; diese wird durchMovierung aus dem Maskulinum gebildet(Lehrer →Lehrer-in). Diese movierbaren Maskulina werden je nach Kontext sexusspezifisch oder sexusneutral genutzt, weshalb sie auch alspolysem (mehrdeutig) bezeichnet werden. Im Fall der sexusneutralen Nutzung spricht man vomgenerischen Maskulinum, bei dem keine Genus-Sexus-Kongruenz vorliegt. Auch Pronomen wiejeder,keiner,niemand werden oft generisch verwendet.
Generische Maskulina (sexusindifferent) | Sexusspezifische movierbare Maskulina |
---|---|
„Ich muss dringend zumArzt.“ „DerKunde ist König.“ „KeinLehrer lässt so etwas durchgehen.“ „Ich lade alle meineFreunde ein.“ „DieFranzosen haben gewählt.“ „WievielEinwohner hat Bremen?“ „Es melden sich immer wenigerSchüler bei uns an.“ „Man weiß das alsSegler.“ „Frau Meyer und Herr Müller sindLehrer.“ „Frauen sind die besserenAutofahrer.“ „Unsere beidenExperten für solche Fälle sind Lydia und Sven.“ „Anton istPilot, Maria auch.“ Komposita: Bürgersteig, Wählerverzeichnis, Lehrerzimmer, Meisterprüfung, Führerschein Pronomen: keiner, jeder, niemand, man Suffigierungen: meisterhaft, aufklärerisch, bürgerlich | „Ich kann dir meinenAugenarzt empfehlen.“ „Diesen Bericht hat unserKorrespondent in New York verfasst.“ „Herr Weber ist schon langeKunde bei uns.“ „DerVerkäufer blickte mich erwartungsvoll an.“ „DerPolizist schwenkte eine gelbe Fahne.“ „Einer meinerFreunde feiert seinen Junggesellenabend.“ „Diesjähriger Preisträger ist derFranzose Jacques Poirot.“ „In der 6. Klasse gibt es oft Reibereien zwischenSchülern und Schülerinnen.“ „Noch immer verdienenÄrzte mehr als Ärztinnen.“ „Alice ist die beliebteste Lehrerin. Bob ist der beliebtesteLehrer.“ „Wir haben viel mehr Lehrerinnen alsLehrer an unserer Schule.“ |
Die verallgemeinernde Gebrauchsweise von männlichen Personenbezeichnungen und Pronomen wurde zunächst ab 1973 in der englischen Sprache kritisch untersucht (siehe unten).Mitte der 1970er-Jahre begannen Sprachwissenschaftlerinnen auch die deutsche Sprache in Bezug auf Elemente zu untersuchen, die inandrozentrischer Weise denMann und dasMännliche sprachlich alsNorm erscheinen lassen.Das Thema „Sprache und Geschlecht“ fand Eingang in Veranstaltungen an deutschsprachigen Hochschulen.[4]
1978 erschien der Band einer sprachwissenschaftlichen Zeitschrift zu diesem Thema sowie der ArtikelLinguistik und Frauensprache vonSenta Trömel-Plötz mit der Kritik an einer männlich geprägten Sprache („Männersprache“), die bis in die grammatischen Strukturen hinein die Sichtbarkeit von Frauen einschränke und sie immer nur mitmeine.[4][5]Der geschlechterübergreifende Gebrauch von Maskulinformen wurde als sprachliche Asymmetrie kritisiert; bald kamengesellschaftspolitische Forderungen nach einer sprachlichen Gleichbehandlung beider Geschlechter auf.[4]Aus dieserfeministischen Sprachkritik gingen Vorschläge für eine Modifikation des Sprachgebrauchs hervor, aus denen das Konzept einer „geschlechtergerechten Sprache“ entstanden ist.
1979 wurde dieUN-Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau beschlossen; im selben Jahr hielt Prof. Trömel-Plötz ihreAntrittsvorlesung an der Universität Konstanz über dieFeministische Linguistik als Forschungsbereich zu „Sprache und Geschlecht“.[6]1980 erschienen dieRichtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs von ihr, zusammen mit den SprachwissenschaftlerinnenMarlis Hellinger, Ingrid Guentherodt undLuise F. Pusch.[7]Die Wortwahl „sexistisch“ war im Sinne von „diskriminierend“ gemeint und bezog sich auf verschiedene sprachliche Ungleichbehandlungen. 1987 veröffentlichte dieUNESCO unter dem TitelGuide to Non-Sexist Language eigene Leitlinien zur geschlechtsneutralen Sprache.[8]
DasHandbuch geschlechtergerechte Sprache der SprachwissenschaftlerinnenGabriele Diewald undAnja Steinhauer bezeichnet im April 2020 das generische Maskulinum als eine weiterhin bestehende „Sollbruchstelle“ der gendergerechten Sprache:
„Einer der Hauptstreitpunkte in den Debatten um geschlechtergerechte Sprache seit den 1970er-Jahren ist das sogenannte generische Maskulinum. Diese Diskussion ist so wichtig wie kompliziert. […] Selbstverständlich raten alle Leitfäden für gendergerechte Sprache von der Verwendung dieserGebrauchsgewohnheit – denn das ist das ‚generische Maskulinum‘ letztlich – ab. […] Männer sind durch diese Form immer explizit angesprochen und können sich somit in jedem Fall gemeint fühlen. Frauen hingegen sind durch diese Form nicht direkt angesprochen. Sie wissen nie, ob sie in einem konkreten Fall ‚mitgemeint‘ sind und sich also angesprochen fühlen sollen oder ob sie nicht gemeint, also ausgeschlossen sind. […] Denn die maskuline Form bei paarigen Personenbezeichnungen ist keine geschlechtsneutrale Form. […] Das ‚generische Maskulinum‘ verstößt zudem gegen das grundlegendeKommunikationsprinzip der Klarheit und Vermeidung von Mehrdeutigkeit. […] Zugleich ist es eine der Sollbruchstellen des geschlechtergerechten Formulierens: Es ist nicht möglich, sich geschlechtergerecht auszudrücken und zugleich das ‚generische Maskulinum‘ beizubehalten.“[d: 1]
DieRedaktion des NachrichtenmagazinsDer Spiegel formuliert Anfang 2020 ihre journalistischen Grundsätze neu: „Das generische Maskulinum soll nicht mehr Standard sein.“[9] Ein Jahr später wertet die Redaktion aus, wie häufig Männer und wie oft Frauen in denSpiegel-Texten der zwölf Monate erwähnt wurden: Männer 107.000 Mal (79 %), Frauen 28.000 Mal (21 % von 135.000).[10] Im Oktober 2020 erklärt die Redaktion der TageszeitungFrankfurter Rundschau: „Das generische Maskulinum wird in der FR kein Standard mehr sein.“[11] Im Juni 2021 vereinbaren acht der größten deutschsprachigenNachrichtenagenturen (darunterdpa,epd,KNA,Reuters,APA undAFP) ein gemeinsames Vorgehen, „um diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen. Das generische Maskulinum wird in kompakterNachrichtensprache noch vielfach verwendet, soll aber schrittweise zurückgedrängt werden. Ob die Nachrichtenagenturen in einigen Jahren ganz darauf verzichten können, hängt von der weiteren Entwicklung der Sprache ab“ (Details).[12] Zur gleichen Zeit bekräftigt dieschweizerische Bundeskanzlei in Bezug auf deutschsprachige Texte der Bundesverwaltung: „Dasgenerische Maskulin(Bürger) ist nicht zulässig.“[13]
1984 erwähnte die Duden-Grammatik noch den „verallgemeinernden“ Gebrauch maskuliner Formen und erklärte, dass feminine Bezeichnungsformen nur zu verwenden wären, wenn ausschließlich Frauen gemeint seien:[14][15]
„Besonders bei Berufsbezeichnungen und Substantiven, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), verwendet man die maskuline Form vielfach auch dann, wenn das natürliche Geschlecht unwichtig ist oder männliche und weibliche Personen gleichermaßen gemeint sind. Man empfindet hier das Maskulinum als neutralisierend bzw. verallgemeinernd. Wenn man jedoch das weibliche Geschlecht deutlich zum Ausdruck bringen will, wählt man entweder die feminine Form (z. B. auf ‚-in‘) oder eine entsprechende Umschreibung […].“
1995 ergänzte die Duden-Grammatik zum „neutralisierenden“ Gebrauch maskuliner Formen die Fachbezeichnunggenerisch („verallgemeinernd“), erwähnte aber auch die Existenz von „Bemühungen, eine sprachliche Gleichbehandlung von Frauen zu erreichen“.[17] Festgehalten wurde: „Durch dieEmanzipation der Frau kommen zunehmend neueBildungen für die Bezeichnung vonBerufsrollen in Gebrauch, die früher nur Männern vorbehalten waren“.[18][19] In der folgenden 6. Auflage 1998, herausgegeben vonPeter Eisenberg undAnnette Klosa-Kückelhaus, wurde erstmals der Ausdruck „generisches Maskulinum“ verwendet – aber auch auf die Ablehnung des generischen Gebrauchs hingewiesen sowie auf die „Doppelnennung“ beider Formen:[14][20]
„Besonders bei Berufsbezeichnungen undNomina, die den Träger eines Geschehens bezeichnen (Nomina agentis), wird die Verwendung des generischen Maskulinums immer mehr abgelehnt. Bei Bezug auf weibliche Personen werden häufig feminine Formen (z. B. auf ‚-in‘) verwendet; mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen: […] alleLehrerinnen und Lehrer […]“
2016 erwähnte die Duden-Grammatik in ihrer 9. Auflage den Ausdruckgenerisches Maskulinum nicht mehr, stattdessen wird grundlegend unterschieden zwischen „sexusspezifisch“ (geschlechtsbezogen) und „sexusindifferent“ (geschlechtsneutral).[20] Personenbezeichnungen werden in 3 Klassen unterteilt: Klasse A umfasst die wenigen sexusindifferenten Substantive wieder Mensch, die Person, das Mitglied, der Impfling (siehe unten); Klasse B umfasst eindeutig auf Männer oder auf Frauen bezogene Substantive(der Mann, der Junge, der Herr – die Frau, die Dame; die Chefin, die Freundin). Die dritte Klasse umfasst Bezeichnungen, die auch im generischen Sinne gebraucht werden können, wobei dazu die Kritik an derMehrdeutigkeit angeführt wird:
„Klasse C umfasst maskuline Personenbezeichnungen, die sowohl sexusspezifisch (Bezug nur auf Männer) als auch sexusindifferent gebraucht werden. Neben solchenMaskulina steht gewöhnlich eine feminine Ableitung, die sexusspezifisch auf weibliche Personen referiert (Klasse B), meist mit demSuffix-in (traditioneller Fachausdruck:Movierung):Abiturient → Abiturientin; Agent → Agentin […]
Am sexusindifferenten (generischen) Gebrauch wird kritisiert, dass er sich formal nicht vom sexusspezifischen Gebrauch unterscheidet. So können inhaltliche und kommunikative Missverständnisse entstehen, z. B. der Eindruck, dass Frauen gar nicht mitgemeint sind. Experimente unterstützen diese Annahme. Aus diesem Grund wird der sexusindifferente Gebrauch der Maskulina oft vermieden. Stattdessen werdenPaarformen gebraucht:Alle Schülerinnen und Schüler sind herzlich eingeladen. (Anrede:)Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer!“
Mit der rechtlichen Verankerung der dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2018 und Österreich 2019 ist die Notwendigkeit verbunden, Personen mitnichtbinärer Geschlechtsidentität (außerhalb derZweigeschlechtlichkeit) angemessen benennen und beschreiben zu können. DerRat für deutsche Rechtschreibung hält dazu Ende 2018 fest, „dass der gesellschaftliche Diskurs über die Frage, wie neben männlich und weiblich eindrittes Geschlecht oder weitere Geschlechter angemessen bezeichnet werden können, sehr kontrovers verläuft. Dennoch ist das Recht der Menschen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, auf angemessene sprachliche Bezeichnung ein Anliegen, das sich auch in dergeschriebenen Sprache abbilden soll.“[23] Mit der grundsätzlichen Anerkennung und Akzeptanz nichtbinärer Geschlechtsidentitäten ist die Bezeichnung „gendergerechte Sprache“ verbunden (vonenglischgender [ˈdʒɛndɐ] „soziales Geschlecht“).[24]
DieGesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) fasst hierzu im August 2020 zusammen: „In dieser Hinsicht sind auch sprachliche Faktoren in Augenschein zu nehmen, um allen Geschlechtern gerecht zu werden.“ Festgehalten wird, dass „es für das dritte Geschlecht jedoch bislang weder eindeutige Bezeichnungen noch adäquate Pronomen, Anrede- oderFlexionsformen gibt“.[g: 1] Zwar sieht die GfdS den Bedarf an einer Sprache, „die allen Geschlechtern gerecht wird, gleichzeitig ist sie sich eines größeren Problembereichs bewusst: Nicht nur sind neue, künstliche Formen bei Personenbezeichnungen zu schaffen (z. B.Arzt, Ärztin, 3. Form), auch sind viele grammatische Ergänzungen und Veränderungen vonnöten […] Insofern sind realistische undorthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren.“[g: 2]
Im Juni 2021 erklärt dieschweizerische Bundeskanzlei, sie sei sich bewusst, „dass Menschen, die vom herkömmlichenbinären Geschlechtermodell nicht erfasst werden, auch in einer Sprache, die ebenfalls nur zwei Geschlechter kennt, nicht gleich repräsentiert sind wie Frauen und Männer. Die Bundeskanzlei anerkennt deshalb auch das Anliegen, das hinter dem Genderstern und ähnlichen neueren Schreibweisen zur Gendermarkierung steht: eine Sprache zu verwenden, die möglichst alle Menschen einbezieht und niemanden ausschliesst.“Sternchen und andere Sonderzeichen seien aber in deutschsprachigen Texten derBundesverwaltung verboten (vergleichbar zumVerbot derécriture inclusive in Frankreich).[13]
Siehe unten:Fehlende sprachliche „dritte Option“
Zuständig für dieamtlichen Rechtschreibregeln imdeutschen Sprachraum ist derRat für deutsche Rechtschreibung (RdR), der 2005 eingerichtet wurde vonDeutschland,Österreich, derSchweiz,Südtirol,Liechtenstein und derDeutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens. Sein Regelwerk gilt als verbindlich für dieRechtspflege und fürBehörden,Schulen und andere Einrichtungen.[25] In seiner BekanntmachungGeschlechtergerechte Schreibung: Empfehlungen vom 26. März 2021 bekräftigte der Rat „seine Auffassung, dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen. Dies ist allerdings eine gesellschaftliche undgesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mitorthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden kann.“ Der Rat ergänzt seine sechs grundlegenden Anforderungen aus dem Jahr 2018 mit einer siebten, der Lernbarkeit:
„Geschlechtergerechte Texte sollen
- sachlich korrekt sein,
- verständlich undlesbar sein,
- vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte invorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
- Rechtssicherheit undEindeutigkeit gewährleisten,
- übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehrerenAmts- undMinderheitensprachen (Schweiz, Bozen-Südtirol, Ostbelgien; aber für regionale Amts- und Minderheitensprachen auch Österreich und Deutschland),
- für dieLesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.
- Außerdem betont der Rat, dass geschlechtergerechte Schreibung nicht das Erlernen dergeschriebenen deutschen Sprache erschweren darf (Lernbarkeit).“
Grundsätzlich sei auf unterschiedliche Zielgruppen und Funktionen von Texten zu achten. Zur Umsetzung der Anforderungen hatte der Rat 2018 festgehalten:
„Die weit verbreitete Praxis, immer von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form, imPlural oder inPassivkonstruktionen zu schreiben, wird der Erwartung geschlechtergerechterSchreibung derzeit am ehesten gerecht.“
DieGesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), ein hauptsächlich von der deutschenKultusministerkonferenz und derKulturstaatsministerin finanzierterSprachverein, sieht die geschlechtergerechte Sprache in ihrenLeitlinien zu den Möglichkeiten des Genderings als wichtigen Aspekt zur Gleichbehandlung der Geschlechter (Gendering steht hier fürGendern). Ausdrücklich auf der Basis „einer zweigeschlechtlichenGesellschaft“[g: 2] empfiehlt die GfdS einige Formen der geschlechtergerechten Schreibung (Doppelnennung,Schrägstrichlösung undErsatzformen), andere unterstützt sie ausgrammatischen Gründen nicht;mehrgeschlechtliche Schreibungen mit Genderzeichen lehnt die GfdS ab. Zu den Grundlagen erklärt sie:
„DieGleichberechtigung von Frauen und Männern ist inArtikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes verankert. Ein wichtiger Aspekt, um dieGleichbehandlung sicherzustellen, ist eine geschlechtergerechte Sprache. […] Eine Gleichbehandlung, um die es bei geschlechtergerechter Sprache geht, ist beimgenerischen Femininum so wenig gewährleistet wie beimgenerischen Maskulinum.“
Ihre Haltung zum geschlechtergerechten Formulieren fasste die GfdS im Mai 2021 zusammen: „‚Ja zum Gendern‘ – wenn es verständlich, lesbar und regelkonform ist. […] Zwar stehen wir demGendersternchen kritisch gegenüber, nicht aber dem Gendern an sich.“[27]
Die feministische Sprachkritik beschränkte sich nicht auf die Auseinandersetzung mit dem generischen Maskulinum. So stand etwa die Verwendung des WortesFräulein schon länger in der Kritik und wurde als diskriminierend abgelehnt. 1971 kündigte das deutscheBundesministerium des Innern unterHans-Dietrich Genscher (FDP) an, dass der Gebrauch des WortesFräulein in Bundesbehörden zu unterlassen sei; mitErlass vom 16. Januar 1972 wurde die BezeichnungFräulein abgeschafft und dieAnredeerwachsener weiblicher Personen mit „Frau“ festgeschrieben:[28]
Nachdem 1980 die erstensprachwissenschaftlichen Richtlinien zu einem geschlechtergerechten Sprachgebrauch erschienen waren (siehe unten), fanden 1984 einige der Forderungen Eingang in die Politik, als derhessische Ministerpräsident in seinemRunderlassGleichbehandlung von Frauen und Männern in Vordrucken erklärte, dass maskuline Personenbezeichnungen nicht imgenerischen Sinne zu verwenden seien:
„Die Behörden und Dienststellen des Landes Hessen tragen bei der Erstellung bzw. Überarbeitung von Vordrucken dafür Sorge, daß der Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern beachtet wird. […]
Im Text selbst sollen die Bürgerinnen und Bürger – soweit möglich und zweckmäßig – persönlich angesprochen werden. Ist dies nicht möglich, so soll entweder eine neutrale Form verwendet werden (z. B. Lehrkraft) oder die weibliche und männliche Form aufgeführt werden (Lehrerinnen und Lehrer, Antragstellerin/Antragsteller). […]
Die männliche Form einer Bezeichnung kannnicht alsOberbegriff angesehen werden, der die weibliche und männliche Form einschließt.“
1985 folgte der Senat der Freien Hansestadt Bremen mit einem Runderlass ähnlichen Wortlauts (Details). Bis zur Jahrtausendwende erließen die meisten deutschen Bundesländer entsprechende Richtlinien und (Gleichstellungs-)Gesetze, meist mit dem Wortlaut „sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern“ (siehe untenVerordnungen und Gesetze ab 1980).
Dahingehende Gesetze und amtliche Regelungen wurden auch inÖsterreich und in derSchweiz erlassen; dort wurden 2007 „geschlechtergerechte Formulierungen“ im Sprachengesetz rechtlich verankert (Art. 7 SpG,Details), und die schweizerischeBundeskanzlei kennzeichnete 2009 das generische Maskulinum als grundsätzlich «nicht geschlechtergerecht formuliert», auch nicht, wenn mit einerGeneralklausel versehen.[s: 1] Im deutschsprachigen Raum folgten Stadtverwaltungen und viele Hochschulen mit eigenen Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprache (siehe auchListe von Behörden, die Genderzeichen nutzen).
DasEuropäische Parlament erneuerte 2018 seine Leitlinien aus dem Jahr 2008 zum „geschlechterneutralen Sprachgebrauch“ (Details) und stellte in Bezug auf das Parlament alsRechtsetzungsorgan fest: „Unter Beachtung des Gebots der Eindeutigkeit sollte ein Sprachgebrauch, der sich nicht durch Geschlechterinklusion auszeichnet, insbesondere das generische Maskulinum, inRechtsakten so weit wie möglich vermieden werden. Viele Gesetzgebungsorgane in den Mitgliedstaaten haben bereits diesbezügliche Empfehlungen erlassen.“[30]
1997 enthielt derDudenbandZweifelsfälle der deutschen Sprache einen Text und verschiedene Hinweise zur Gleichstellung von Frauen und Männern in der Sprache.[31][32] Zwei Jahre später erschien ein Artikel der Duden-Redaktion, in dem Doppelnennung und Kurzformen mit Schrägstrich sowie neutrale Ersatzformen empfohlen wurden. Die Verwendung desBinnen-I wurde nicht empfohlen, weil es weder den alten noch den neuen Rechtschreibregeln entspreche, aber es wurde angemerkt:
„[S]o hat insbesondere die seit den Achtzigerjahren immer häufiger werdende Verwendung des großen I (wie inLeserInnen) dazu geführt, dass die Problematik der sprachlichen Gleichstellung breit erkannt wurde – sei es auch nur deshalb, weil das große I alsProvokation verstanden und abgelehnt wurde. Zeitungstexte, Lehrbücher, Predigten, Formulare, Reden im Bundestag und weitere Textsorten können heute nicht mehr erstellt werden, ohne dass die Frage der angemessenen sprachlichen Berücksichtigung von Frauen gestellt wird. Um diese Frage sprachlich undorthographisch korrekt beantworten zu können, hat die Dudenredaktion die folgenden Empfehlungen erarbeitet.“
2004 nahm die23. Auflage des Rechtschreibdudens über 5000 weibliche Tätigkeits-, Amts- und Berufsbezeichnungen auf, nachdem ihr Gebrauch seit den 1970ern in nennenswertem Umfang angewachsen war.[33] 2016 enthielt der DudenbandWörterbuch der sprachlichen Zweifelsfälle einen ausführlichen Eintraggeschlechtergerechter Sprachgebrauch;[34] im Folgejahr erschien der Duden-NewsletterGeschlechtergerechter Sprachgebrauch: Schrägstrich, Asterisk und Unterstrich.[35]
Im August 2020 enthält auch der Rechtschreibduden in seiner28. Auflage einen eigenen AbschnittGeschlechtergerechter Sprachgebrauch mit einer Übersicht zu den verbreiteten Mitteln gendergerechter Sprache, die online veröffentlicht wurde. Sie beginnt mit der Feststellung: „Bei Bezeichnungen wiedie Antragsteller; alle Schüler; Kollegen ist sprachlich nicht eindeutig, ob nur auf Männerreferiert wird oder ob auch andere Personen gemeint sind. Das Deutsche bietet eine Fülle an Möglichkeiten, geschlechtergerecht zu formulieren. Es gibt dafür allerdings keineNorm.“[36]
Das aus dem Dudenverlag stammendeHandbuch geschlechtergerechte Sprache erklärt geschlechtergerechte Sprache als Instrument derGleichstellung:
„Gendern, also die Anwendung geschlechtergerechter Sprache im Sprachgebrauch, ist ein wichtiges Gleichstellungsinstrument. Auf diese Weise wird die Forderung zur Durchsetzung derGleichberechtigung von Männern und Frauen, die ja im Grundgesetz formuliert ist, in der sprachlichen Kommunikation ernst genommen. Der entsprechende Absatz im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland lautet im Original:
- ‚Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.‘ (GG Artikel 3, Absatz 2)“[d: 2]
1997 kam eine Studie des Sprachwissenschaftlers Peter Braun zu dem Ergebnis, dass es in der deutschen Gegenwartssprache rund 15.000 Personenbezeichnungen gibt, die jede auf besondere Weise etwas über die „Seinsweisen des Menschen“ aussagen:„15 000mal macht die deutsche Sprache gleichsam den Versuch, den Menschen zu benennen, zu charakterisieren, zu beurteilen; insgesamt bilden alle diese sprachlichen Versuche einen wesentlichen und wesenseigenen Sinnbezirk des deutschenWortschatzes.“[37]Es gibt alleine mehr als12.000 maskuline Tätigkeitsbezeichnungen, die mit der Endung-er vonVerben abgeleitet sind(lehren → der Lehrer); in der Regel gibt es zu ihnen eineabgeleitete Femininform mit der Endung-in(die Lehrerin).
2021 ergänzte derOnline-Duden zu seinen 12.000 Artikeln über Personen- und Berufsbezeichnungen jeweils einen voll ausgearbeiteten Artikel zur weiblichen Form: Der MaskulinformLehrer wird nun die Bedeutung „männliche Person“ zugewiesen, und die FemininformLehrerin bedeutet „weibliche Person“.Zuvor war einLehrer „jemand, der […]“ undLehrerin als „weibliche Form zuLehrer“ nur ein Verweisartikel.[38][39][40]Die generische Verwendung der maskulinen Formen bestreitet der Duden nicht(Lehrer-Schüler-Verhältnis), sie sei aber „nicht Bestandteil derlexikografischen Kategorie Bedeutung“ (vergleicheLexikalische Semantik).[41]
Sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter bezieht sich vor allem aufTätigkeits-,Amts- undBerufsbezeichnungen, betrifft aber auch andere Sprachelemente, wie dasHandbuch geschlechtergerechte Sprache zusammenfasst:
„Mit Personenbezeichnungen meinen wir alle sprachlichen Mittel, die auf Menschenreferieren können.Dies sind alle Arten vonEigennamen,Titeln undAnreden(Hans Müller, Professorin Meier, Frau Ministerin), beschreibendeNominalphrasen(die Abteilungsleiterin, ein Postbote),Pronomina(er, sie, alle, man, wer) sowie weitere Ausdrucksmittel, z. B.Präpositionalphrasen wiebei uns, unter Freundinnen, aber auchKollektivbezeichnungen wie z. B.Team oderProfessorenschaft.“
Um die Verwendung von maskulinen Formen in generischer Absicht zu vermeiden und allebiologischen und sozialen Geschlechter (Gender) sprachlich gleich zu behandeln, werden verschiedene Möglichkeiten kombiniert:
Daneben gibt es einige alternative Vorschläge wie die neutraleX-Endung(einx gutx Lehrx) oder dasgenerische Femininum(alle Lehrerinnen).
Neben dem Rechtschreibduden erklärt auch dasHandbuch geschlechtergerechte Sprache des Dudenverlags ausdrücklich, dass es keine verbindlichen eigenenSprachnormen oder feststehendenSprachregelungen gebe:
„Für die Anwendung geschlechtergerechter Sprache gibt es keine Norm, die vergleichbar wäre mit anderen Normen in sprachlichen Bereichen wie zum Beispiel derRechtschreibung. […] ‚Gendern‘ kann daher nicht bedeuten ‚nach vorgegebenen Regeln gendern‘, sondern situationsangemessen, sachangemessen, d. h. inhaltlich korrekt, verständlich und ansprechend den Grundsatz der geschlechtergerechten Sprache in der eigenen Sprachproduktion umsetzen. […] denn im Grunde besteht ein Großteil der Spracharbeit für geschlechtergerechte Sprache in der Bemühung, die alte Gewohnheit der Verwendung der Maskulinformen für ‚alle‘ zu überwinden, indem sinnvollere Formen gewählt werden.“
Es gibt eine Art der Regelung, die in derGenderlinguistik sowie von vielen Sprachleitfäden und Richtlinien abgelehnt wird: die Vorbemerkung in einem Text, dass alle anfolgenden Maskulinformen „generisch“ zu verstehen seien.Eine derartige Erklärung empfiehlt beispielsweise die ZeitschriftFocus in ihrenRichtlinien für wissenschaftliches Arbeiten 2019 in der folgenden Form:„Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in dieserBachelorarbeit die Sprachform desgenerischen Maskulinums angewandt. Es wird an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die ausschließliche Verwendung der männlichen Form geschlechtsunabhängig verstanden werden soll.“[42]
Ein solcher Hinweis wirdGender-Fußnote,Generalklausel oderLegaldefinition genannt.[d: 5]DasHandbuch geschlechtergerechte Sprache lehnt diese Vorgehensweise ab:
„Wir halten sie für nicht sinnvoll.Angesichts der inzwischen vorliegendenpsycholinguistischen undkognitionspsychologischen Erkenntnisse ist es klar, dass diese Form keineswegs eine ‚erleichterte Lektüre‘ erzeugt.Im Gegenteil: Für Frauen (also immerhin statistisch gesehen die Hälfte aller Personen, die den Text lesen) bedeutet diese Praxis ebenso wie die unkommentierte Verwendung des ‚generischen Maskulinums‘ eine erschwerte Lektüre, weil nicht aus den sprachlichen Formen selbst zu erkennen ist, wann sie ‚mitgemeint‘ sind und wann nicht.
Diese Fußnote trägt nichts zur Verbesserung der Gendergerechtigkeit des Textes bei und hat rein rechtfertigende Funktion: Sie ist ein Versuch, die Regeln gendergerechter Sprache einerseits zwar anzuerkennen, andererseits aber ihre Anwendung zu vermeiden, ohne dafür gescholten zu werden.“
Die Online-PlattformGenderleicht.de desJournalistinnenbunds vermerkt zu entsprechenden Fußnoten:„im Text selbst wird keine gendergerechte Sprache benutzt und dadurch auch nicht sichtbar“.[43]2009 hielt die schweizerischeBundeskanzlei fest:„Nicht geschlechtergerecht sind also: Texte mit Generalklauseln – meistens in einer Fussnote am Anfang –, die festhalten, dass im Folgenden zwar nur die männliche Form benutzt wird, aber beide Geschlechter gemeint sind.“[s: 1]Im selben Jahr merkte die Sprachwissenschaftlerin Friederike Braun in einem Gutachten für die StadtKiel an, dass derartige Hinweise inakzeptabel seien und nur verdeutlichten, „dass das Gebot der sprachlichen Gleichstellung bekannt ist, dass die Schreibenden aber schlicht nicht gewillt sind, die betreffenden Regelungen auch umzusetzen.“[44]2004 zeigten diePsychologinnen Jutta Rothmund und Birgit Scheele in einer Vergleichsstudie, dass eine „Frauen-sind-mitgemeint“-Fußnote keinen signifikanten Effekt hat, tendenziell diementale Überrepresentation von Männern sogar noch erhöht.[45][46]
2002 verfügte dasösterreichische Bildungsministerium, dass aus Gründen der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern „Generalklauseln“ in der Rechts- und Amtssprache zu unterlassen seien; ähnliche Erlasse gab es 2008 vomInnenministerium Bayerns und 2009 vomSozialministerium Baden-Württembergs.DasNRW-Justizministerium ließ 2008 „Gleichstellungsklauseln“ im Einzelfall zu.
Sprachliche Sichtbarkeit bedeutet das „explizite Gemeint-Sein“ bei derReferenz auf Personen.[d: 6]Im Sinne der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern hat sich zunächst die Beidnennung der Personenbezeichnungen für beide Geschlechter entwickelt, später dannabgekürzte Paarformen mitSchrägstrich oderBinnen-I.Nach der Jahrtausendwende entwickelten sichSchreibweisen für Mehrgeschlechtlichkeit mit zusätzlichen typografischen „Genderzeichen“.Zur besonderen Sichtbarmachung von Frauen hat die SprachwissenschaftlerinLuise F. Pusch diegenerische Femininform für alle Geschlechter vorgeschlagen:alle Lehrerinnen, spiegelbildlich zum Gebrauch der generischen Maskulinform.
DieDuden-Grammatik erklärt ab1998:„Besonders beiBerufsbezeichnungen […] wird die Verwendung desgenerischen Maskulinums immer mehr abgelehnt. […] mit Doppelnennungen der maskulinen und femininen Form bezieht man sich auf männliche und weibliche Personen.“[21]
Ein früher Gebrauch von Doppelnennungen findet sich im Jahr 1478 in einerNürnbergerPolizeiverordnung, die verfügte, „dass kein Bürger oder Bürgerin, Gast oderGästin in dieser Stadt Nürnberg […] betteln soll“.[47]Im Jahr 1650 vermerkteSamuel Gerlach, Lehrer und Herausgeber der deutschen DichterinSibylla Schwarz, „dass dasWerk den Meister oder die Meisterin am besten lobe“.[48]
ZurEindeutigkeit der Maskulinform bei Doppelnennungen vermerkteGerhard Stickel, 1988 Leiter desInstituts für Deutsche Sprache:„Im unmittelbaren Kontext eines geschlechtsspezifisch markierten Femininums hat das entsprechende Maskulinum eindeutig das Bedeutungsmerkmal ‚männlich‘.“In einer Doppelnennung mit beispielsweiseMinisterin könne derBedeutungsinhalt des WortesMinister nur als [+männlich] verstanden werden.[49]Im Falle vonLehrerinnen und Lehrer sind mit der ersten Bezeichnung ausschließlich weibliche Personen gemeint und mit der zweiten ausschließlich männliche.In Beidnennungen von „paarig vorliegenden Personenbezeichnungen“ dient die Maskulinform laut demHandbuch geschlechtergerechte Sprache als „die männliche Sprachform (inhaltlich männlich, grammatischMaskulinum:Bürger)“.[d: 7]
In Bezug auf zusammengesetzte Wörter (Komposita), die mit einer Maskulinform beginnen, wird für diese im Allgemeinen kein Gendern empfohlen.So schreibt dieGesellschaft für deutsche Sprache:
„Vorsicht bei Komposita, deren erster Bestandteil eine Personenbezeichnung ist:Arztbesuch, Besucheransturm, Touristenfalle, Bürgersteig.Ist das Zweitglied keine Personen-, sondern eine Sachbezeichnung, sollte das Erstglied nicht gegendert werden (nicht:Ärztinnenbesuch, Besucher/-innenansturm, Touristinnen-und-Touristen-Falle, Bürger(innen)steig).Ist das Zweitglied eine Personenbezeichnung, ist abzuwägen, ob Gendern hier sinnvoll ist:Lehrersohn vs.Lehrerinsohn/Lehrerinnensohn – in solchen Fällen empfiehlt sich zur Spezifizierung eine Umschreibung mitGenitivattribut:Sohn einer Lehrerin/Sohn eines Lehrers.“
DasHandbuch geschlechtergerechte Sprache nennt dazu einige auch in Wörterbüchern erfasste Fachbezeichnungen:„Lehrerzimmer, Maurerkelle, Fleischermesser. Es spricht natürlich nichts dagegen, solche Benennungen zu vermeiden und andere ansprechende Lösungen zu finden“.Für gängige Wörter wieAnfängerkurs, Benutzerordnung, Bürgersteig, Rednerliste werden einfache Alternativen empfohlen:Einstiegskurs, Nutzungsordnung, Gehweg, Redeliste.[d: 8]DerOnline-Duden veröffentlicht 2020 zu Komposita mit Personenbezeichnungen einen eigenenSprachwissen-Beitrag.[50]
Die schweizerische Bundeskanzlei vermerkt seit 2009 für Ausdrücke, die selbst keine Personenbezeichnungen sind wieLeserschaft, Patientenzimmer, staatsbürgerlich: „weil Paarformen in einem zusammengesetzten Wort schwerfällig wirken können, werden solche Ausdrücke in derBundesverwaltung in aller Regel nicht verändert.“[s: 2]
Die bekannteste und eindeutigste Form der sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen und Männern ist die althergebrachteBegrüßungsformel:„Sehr geehrte Damen und Herren“, kurz „MeineDamen undHerren“.[g: 5]Dabei wird sowohl die feminine als auch die maskuline Bezeichnung genannt und Personen beiderGeschlechterangesprochen, also sprachlich sichtbar gemacht; die Erstnennung von Frauen gilt als unverbindlicheHöflichkeit.Eine vollständige Beidnennung (Doppelnennung) erfolgt immer mit einem der drei Bindewörter „und“, „oder“ oder – falls auf etwas Vorstehendes bezogen – mit „beziehungsweise“:[d: 9]
Beidnennung ist nur möglich fürPersonenbezeichnungen, die in paariger Form vorliegen: einegrammatisch maskuline Bezeichnung für Männer und eine feminine für Frauen.So gibt es mehr als zehntausend zweigeschlechtliche Wortpaare, bei denen die feminine Form mithilfe derEndung-in gebildet wird, meist abgeleitet aus der maskulinen Wortform(Chef → Chefin;Täter → Täterin) oder direkt an denWortstamm gehängt(Bote → Botin).Zu maskulinen Berufsbezeichnungen auf-eur werden im Deutschen feminine Formen mit-eurin gebildet (Regisseur → Regisseurin'; Ausnahmen:Diseuse,Souffleuse; sieheAbleitung weiblicher Formen von männlichen Bezeichnungen).Zu den meisten Zusammensetzungen mit-mann wird die feminine Entsprechung mit-frau gebildet und umgekehrt(Kaufmann → Kauffrau;Hausfrau → Hausmann); derPlural zu beiden Formen wird mit-leute gebildet(Feuerwehrleute).[d: 9]In zweigeschlechtlicher Form liegen auch fast alleVerwandtschaftsbezeichnungen vor(Cousin und Cousine,Onkel und Tante,Enkel und Enkelin).[16]Bereits im Jahr 1574 vermerkte eine der ersten Grammatiken des Deutschen, dass Ableitungen von maskulinen „Nomina der Männer, männlichenÄmtern,Zunamen und ähnlichen“ nur gebildet werden, wenn es nicht bereits eigenständige feminine Bezeichnungen gibt (selten:Mann →Männin für eineFrau, aber ehemals gebräuchlich:Amtsmännin, Landsmännin).[51]
Zur Verbindung(Konjunktion) zwischen der männlichen und der weiblichen Personenbezeichnung merkt der Leitfaden der schweizerischenBundeskanzlei 2009 an:„Die Konjunktionund fasst verschiedene Elemente zusammen. Sie darf deshalb in Paarformen – ob in der Einzahl oder in der Mehrzahl – nur dann verwendet werden, wenn mindestens zwei Personen und mindestens eine jeden Geschlechts gemeint ist […] Die Konjunktionoder vereinzelt oder stellt eine Alternative dar. […] Die Konjunktionbeziehungsweise soll nur dann verwendet werden, wenn je eine separate Aussage zu jeder von zwei mitund oderoder verbundenen Personen oder Sachen gemacht wird“.[s: 3]Diewald und Steinhauer zeigen Lösungsmöglichkeiten bei einemprädikativen Gebrauch:Soll beispielsweise „eine Frau innerhalb einer gemischten Menge Personen herausgehoben werden […] ist es dann gelegentlich notwendig, Beidnennung oder andere Formulierungen zu wählen […]Gudrun Weber ist die erste unter den Ärzten und Ärztinnen, die diese Operation gewagt hat. Maria Schneider ist das bekannteste Mitglied des Bundestages.“[d: 10]
Mehrere empirische Studien (1993 bis 2010) ermittelten, dassVersuchspersonen Schreibweisen mit Doppelnennung eher mit weiblichen Personen assoziieren (mentale Repräsentation) als bei der Verwendunggenerischer Maskulinformen(Lehrer).[52][53][54][55]
2018 hielt derRat für deutsche Rechtschreibung die „weit verbreitete Praxis, immer von Frauen und Männern in weiblicher und männlicher Form […] zu schreiben“, für geschlechtergerecht.[26]Auch dieGesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt 2020 die „Paarformel/Doppelnennung“ genannte Schreibweise:„Diese Form ist immer möglich und insbesondere dort zu empfehlen, wo es darum geht, beide Geschlechter sichtbar zu machen, besonders aber in mündlich vorgetragenen Texten. Die Doppelnennung hat zudem den Vorteil, dass grammatische Besonderheiten imSatzkontext sowielexematische Besonderheiten wieUmlaute berücksichtigt werden.“[g: 5]
Probleme der vollständigen Beidnennung
Die vollständige Paarform beansprucht mehr als doppelt soviel Platz wie generische Maskulinformen, was hinderlich sein kann, wenn sich nur wenig Raum für Text oder Zeit zum Vortragen bietet; typische Problemfälle sind Tabellen oder kurze Nachrichtentexte.Auch kann es störend wirken, in kurzen Abständen immer wieder zwei Bezeichnungen statt einer zu lesen oder vorzutragen.[d: 11]Zusätzlich müssen für Wortgruppen mitArtikel,Pronomen undAdjektiven auch diese gegebenenfalls verdoppelt und angepasst werden, außerdem ist das passendeVerbindungswort zu wählen:Gehört diese Tasche einer anwesenden Lehrerin oder einem anwesenden Lehrer?
Für die Beidnennung „Lehrer und Lehrerin“ listet das GenderwörterbuchGenderator.app desInternetlinguisten Torsten Siever fünf Ausweichmöglichkeiten:Lehrende;Lehrkraft;Lehrperson; Lehrkörper; Lehrerschaft.[56]
Fehlende „dritte Option“
Beid- oder Doppelnennungen (Paarformen) sind grundsätzlich zweigeschlechtlich(binär) und enthalten keine „dritte Option“ fürdiversgeschlechtliche Menschen, deren Rechtsanspruch auf Benennung 2018 in Deutschland und 2019 in Österreich eingeführt wurde.[36]Die deutsche Sprache bietet für eindrittes Geschlecht weder passende Bezeichnungsformen noch adäquatePronomen,Anrede- oderFlexionsformen, vermerkt die Gesellschaft für deutsche Sprache:„Neue Mittel sind nötig.“[g: 2][g: 3]Das dritte grammatische GeschlechtNeutrum („sächlich“) sei fürnichtbinäre Personen ungeeignet und unerwünscht (unstimmig:das Studierende, ein Studierendes).[g: 2]Als ungelöstes Problem sehen sowohl derRechtschreibrat als auch dieDuden-Redaktion und die GfdS diese Beschränkungen.[57][36][g: 2]Gabriele Diewald undAnja Steinhauer fassen imHandbuch geschlechtergerechte Sprache 2020 zusammen:„Es bleibt festzuhalten: Die Entscheidung zur ‚dritten Option‘ hat die Benennungslücken und damit dieKategorisierungslücken jenseits derprototypischenZweigeschlechtlichkeit offengelegt und sie hat den fundamentalen Beitrag der Sprache zum Denken erneut unterstrichen.“[d: 6]Außerhalb der amtlichen Rechtschreibung haben sich ab der Jahrtausendwende mehrgeschlechtliche Schreibweisen entwickelt, um die Möglichkeiten in Bezug aufintergeschlechtliche und nichtbinäre Personen zu erweitern und sie ausdrücklich in die sprachliche Gleichbehandlungeinzubeziehen (siehe unten).
In Formularen oder Texten mit vielen Wiederholungen können Beidnennungen verkürzt werden, dabei wird ein Wortteil eingespart, auch „Sparschreibung“ genannt.Kurzformen dienen der Übersichtlichkeit und können helfen,sprachökonomisch zukommunizieren, vor allem beiTätigkeits- undBerufsbezeichnungen.[d: 12]Mit Kurzformen kann auch auf beschränktem Platz geschlechtergerecht formuliert werden, insbesondere in knappen Texten, die nur unvollständige Sätze enthalten (etwa Tabellen, interne Mitteilungen, Aktennotizen).[s: 4]Neben Schrägstrich werden auchKlammern und dasBinnen-I zur Kürzung verwendet, mit jeweiligen Eignungen und Einschränkungen.
DieDuden-Grammatik von 2016 listet mehrere Möglichkeiten zur Abkürzung:[22]
„Da Paarformen – abgesehen vom angestrebten deutlichen Bezug auf weibliche und männliche Personen – vielRedundanz aufweisen, werden sie ingeschriebener Sprache oft (ingesprochener zumindest gelegentlich) verkürzt […].Von den nachstehend aufgeführten Varianten gelten nicht alle als empfehlenswert […]:
- (a)Absolventen und Absolventinnen
- (b)Absolventen/Absolventinnen
- (c)Absolventen/-innen
- (d)Absolvent/-innen
- (e)Absolvent/innen
- '(f)'AbsolventInnen“
DieRechtschreibregel § 106 erklärt:„Mit demSchrägstrich kennzeichnet man, dass Wörter (Namen, Abkürzungen), Zahlen oder dergleichen zusammengehören.“[58]Schreibweisen mit Schrägstrich dienen grundsätzlich der vollständigen Angabe mehrerer gleichberechtigter Möglichkeiten(Frau/Herr, Arzt/Ärztin).[d: 12]
Einepsycholinguistische Studie (2000) ermittelte, dass Kurzformen mit Schrägstrich eher eine Gleichverteilung weiblicher und männlicherReferenten bewirken alsgenerische Maskulinformen(Lehrer) oderBinnen-I(LehrerInnen).[59]
Zunächst wird die Beidnennung der geschlechtlichen Formen nur etwas verkürzt und dasVerbindungswort durch den Schrägstrich ersetzt.[36]Wenn aber innerhalb einer Wortgruppe beiArtikeln oderAdjektiven unterschiedliche Endungen vorkommen, sollten alle Formen einzeln ausgeschrieben und mit Schrägstrich verbunden werden(Wir suchen eine erfahrene Webdesignerin/einen erfahrenen Webdesigner).[d: 12]
Zur Abkürzung einer Beidnennung erlaubt die Rechtschreibregel § 106 nur denSchrägstrich mit Ergänzungsstrich.[58][36]DieGesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt 2020 diese Kurzform: „Grundsätzlich ist die Schrägstrichschreibung eine gute Möglichkeit,sprachökonomisch zu formulieren und allzu viele Wiederholungen zu vermeiden. Da beide Geschlechter explizit angesprochen werden, eignet sie sich zur sprachlichen Gleichbehandlung.“Mehrfache Schrägstriche entsprechen zwar der amtlichen Rechtschreibung, werden aber von der GfdS nicht empfohlen:Kolleg-/-inn-/-en.[g: 6]Diewald und Steinhauer nennen mehrfache Bindestriche „unüblich“.[d: 12]Viele solcher Beidnennungen lassen sich im Plural neutralisieren mit dem substantivierten Partizip Präsens:Lehrende, Studierende (siehe unten).
Die verkürzte Schreibweise mit Schrägstrich ohne den Ergänzungsstrich war zunächst in der Schweiz verbreitet; dieBundeskanzlei empfahl 2009 in ihremLeitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen den Schrägstrich mit oder ohne Ergänzungsstrich, vermerkte aber:„In verknappten Textpassagen, namentlich in Tabellen, können Kurzformen verwendet werden. Dabei wird die Kurzform mit Schrägstrich, aber ohne Auslassungsstrich verwendet(Bürger/innen).“Dies gilt für „Kurzformen in amtlichen Publikationen desBundes (Erlasse, Botschaften, Berichte usw.)“.[s: 5]Diese Schreibweise verbreitete sich im deutschsprachigen Raum, einige Behörden nutzen diese Schreibweise in Textsorten wie Listen oder Formularen (sieheHochschul-Leitfäden).
Das österreichischeBundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) empfiehlt 2018 in seinem LeitfadenGeschlechtergerechte Sprache in Bezug auf verkürzte Paarformen das Zusammenziehen ohne Ergänzungsstrich:ein/e Student/in, der/die Dirigent/in.Bedingung:„Eingrammatikalisch korrektes Wort muss entstehen. […] Schreibweisen wie ‚Kandidat(in)‘ oder ‚Kandidat/-in‘ sollten vermieden werden, da siesuggerieren, die weibliche Form wäre weniger bedeutend als die männliche.“[60]
DieDuden-Redaktion merkt im August 2020 an:„Dabei ist zwar der Bindestrich den amtlichen Rechtschreibregeln zufolge nach wie vor vorgeschrieben, allerdings wurde und wird austypografischen Gründen häufig auf ihn verzichtet:Mitarbeiter/innen,Lektor/in. […] Zu beobachten ist auch, dass sich derSprachgebrauch in letzter Zeit von starren Regeln loslöst. Aus praktischen Gründen werden Doppelformen häufig wie ein Gesamtwort behandelt und entsprechend unkompliziertflektiert:den Mitarbeiter/innen, den Kolleg/innen.“[61]Auch die GfdS verweist darauf, dass es nicht den Rechtschreibregeln entspricht, den Bindestrich aus typografischen Gründen wegzulassen.[g: 6]
Siehe unten:Problemfälle undAussprache von Kurzformen
Im Jahr 1981 erfand der Journalist Christoph Busch mit demBinnen-I eine neue Schreibweise für Kurzformen, die von ihm später beschrieben wurde als „Geschlechtsreifung des ‚i‘ [durch] Auswachsen zum ‚I‘ infolge häufigen Kontakts zum langenSchrägstrich“.In seinem Buch überFreie Radios zog er die gebräuchliche FormHörer/Hörerinnen oderHörer/-innen zusammen zuHörerInnen.[62]Diefeministische SprachwissenschaftlerinLuise F. Pusch – Mitautorin derersten geschlechtergerechten Richtlinien ein Jahr zuvor – griff den Vorschlag bald auf und erklärte das Binnen-I zur angemessenen Form, Frauenschriftbildlich sichtbar zu machen unddiskriminierungsfrei zu formulieren.Die Zielsetzung sei, zur Vermeidung vongenerischen Maskulinformen(Lehrer) nicht immer dieBeidnennung(Lehrer und Lehrerinnen) ausschreiben zu müssen.[63]Zur Einsparung wird die weibliche Endung-in an die männlichePersonenbezeichnung gehängt, und dasi wird nun im Wortinneren großgeschrieben, um deutlich zu machen, dass nicht nur die weibliche Bezeichnungsform gemeint ist (sonst wäre es eingenerisches Femininum:Lehrerinnen).[g: 7]
Einepsycholinguistische Studie (1993) ermittelte, dass Schreibweisen mit Binnen-I beiVersuchspersonen eher zu einer Nennung weiblicherReferenten führen als bei generischen Maskulinformen(Lehrer).[52]2001 kam eine Studie zu gleichen Ergebnissen (auch bei Beidnennung).[53]Seit 1983 verwendet die schweizerische WochenzeitungWOZ das Binnen-I, die Berliner Tageszeitungtaz übernahm die Schreibweise in der Folge.[64]Ab 1999 zeigten einige Studien jedoch, dass die Verwendung des Binnen-I bei Versuchspersonen zu einer übermäßigen Nennung oder Repräsentation weiblicher Referenten führen kann.[65][59][66][66][54]DiePsychologin Lisa Irmen vermutete 2003, das Binnen-I werde von Lesenden eher wie einFemininum (weibliche Form) verarbeitet; insofern bilde es keine wirklich geschlechtsneutrale Alternative.[67]
Dieamtlichen Rechtschreibregeln enthalten keine Aussagen zu Großbuchstaben imWortinneren (Binnenmajuskeln). 2014 teilte derRat für deutsche Rechtschreibung (Regulierungskörper der deutschsprachigen Rechtschreibung) mit, „dass die Binnengroßschreibung nicht Gegenstand des amtlichen Regelwerks ist; sie wird unter den Verwendungsweisen, die gegenwärtig der Großschreibung zugewiesen werden, nicht erwähnt“.Das Binnen-I sei im Hinblick auf die Normschreibung weder richtig noch falsch, weil es einen „graphostilistischen Charakter“ habe und in den Bereich derTextgestaltung gehöre.[68]DieDuden-Redaktion erwähnt 2020 denSprachgebrauch des Binnen-I mit dem Vermerk:„vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt“.[36]DasHandbuch geschlechtergerechte Sprache vonGabriele Diewald undAnja Steinhauer sieht Vorteile der Schreibweise „in einigen eher knapp gehaltenen Textsorten wie Tabellen, Listen, Protokollen usw.“Es sei „eine Frage des Geschmacks […,] wenn Sie nicht an das amtliche Regelwerk gebunden sind und eigene Texte frei gestalten können.“[d: 13]
Ablehnung des Binnen-I
DieGesellschaft für deutsche Sprache „empfiehlt die Schreibung mit Binnenmajuskel nicht: Zwar wird sie von der offiziellen Rechtschreibung nicht explizit abgelehnt, da sie kein Bestandteil des amtlichen Regelwerks ist, allerdings entspricht sie eben auch nicht den geltenden Rechtschreibregeln.“Als fehlerhaft wird vor allem angesehen, wenn sich nicht zweilesbare Bezeichnungen ergeben, beispielsweise bei „KollegIn“ (Kollege fehlt) oder „den SchülerInnen“ (Schülern fehlt) oder bei Umlautungen wie „ÄrztIn“ (Arzt fehlt).Bei Wortgruppen wie „einE guteR SchülerIn“ entstehen fehlerhaftegrammatische Bezüge der einzelnen Formen aufeinander (sieheKritik am Binnen-I).[g: 7]
Die schweizerischeBundeskanzlei hielt 2009 in ihremLeitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen als verbindlich für amtliche Texte desBundes fest:„Das Binnen-I ist nicht zugelassen.“[s: 5]
Siehe oben:Fehlende „3. Option“.Siehe unten:Problemfälle undAussprache von Kurzformen
DieRechtschreibregel § 86 erklärt:„MitKlammern schließt man Zusätze oder Nachträge ein.“[69]Als Kurzform einer Beidnennung wird die feminine Endung in Klammern an die maskuline Bezeichnung angehängt; durch diese Kennzeichnung als Sparschreibung kann das Wort mit oder ohne den eingeklammerten Teil gelesen werden.Die Klammern können auch einen Einschub innerhalb des Wortes kennzeichnen.Für Klammer-Schreibweisen gelten die gleichen Einschränkungen wie für alle Kurzformen, so muss grundsätzlich mit und ohne Klammern einlesbares Wort entstehen (siehe oben).Neben demSchrägstrich mit Ergänzungsstrich sind Klammern die einzige von den Regeln abgedeckte Kurzform für paarige Personenbezeichnungen.[d: 14]
Ablehnung der Klammerschreibung
Diese Schreibweise wird aus mehreren Gründen kritisiert: Weil die eingeklammerte weibliche Endung weggelassen werden kann, wirkt die verbleibende Maskulinform wichtiger und vorrangig.Außerdem steht die Bezeichnung für Männer an erster Stelle.Beides widerspricht der sprachlichen Gleichbehandlung.[d: 14]DieDuden-Redaktion merkt 2020 an:„Die Einklammerung der femininen Endung ist heute nicht mehr oft zu finden. Sie wird häufig abgelehnt, weil durch sie der Eindruck entstehen kann, die feminine Form sei zweitrangig.“[36]Ähnlich sieht es dieGesellschaft für deutsche Sprache:„Daher ist die Verwendung nur bedingt zu empfehlen.“[g: 8]Die SchweizerBundeskanzlei lehnte diese Schreibweise bereits 2009 ab:„Keine adäquate Lösung ist die Einklammerung der weiblichen Endung:Gesuchsteller(in). In Klammern steht üblicherweise, was für das unmittelbareVerständnis nicht notwendig ist und deshalb überlesen werden kann.“[s: 6]
Abkürzungen paarigerPersonenbezeichnungen ergeben nur Sinn, solange sich mit und ohne Abkürzung zwei korrekte Wörter lesen lassen; in Wortgruppen müssen diegrammatischen Bezüge stimmen.Das gilt auch fürSchreibweisen mit Genderzeichen.Es gibt Wortpaare, die sich nicht für Kurzformen eignen; darauf weist beispielsweise die GfdS am Beispiel der Schrägstrich-Schreibung hin:
„Wichtig ist, dass bei Weglassen des Schrägstrichs ein grammatisch korrektes und lesbares Wort entsteht. […]
- Die Schreibung mitErgänzungsbindestrich ist bei abweichenden Endungen undUmlautungen nicht möglich – nicht:Kollegen/-innen, Kolleg/-in, Ärzte/-innen, Arzt/-in, Ärzt/-in.
In solchen Fällen ist nur die Doppelschreibung, die Schrägstrichschreibung mit Vollformen oder eine Ersatzform möglich und korrekt. […]
- Bei Kürzungen kann es zu fehlenderÜbereinstimmung kommen – nicht:jede/-r Lehrer/-in.
- Mehrere Schrägstriche in einem Wort sollten vermieden werden – besser nicht:Kolleg-/-inn-/-en“
Am Beispiel desBinnen-I verdeutlicht die GfdS ein weiteres Problem bei Kurzformen:„Problematisch stellt sich zudem dar, dass bei Weglassen der Endung oft grammatisch fehlerhafte Formen entstehen (nicht:ÄrztInnen, den SchülerInnen)“.[g: 7]DieFlexion (Beugung) einer Kurzform kann bewirken, dass die männliche Form nichtgrammatisch übereinstimmend ist, beispielsweise fehlt beimDativ Plural „den Lehrer/-innen“ die FormLehrern, ebenso beiallen Lehrer*innen.Diewald und Steinhauer merken aber an, dass „sich in den letzten Jahren ein interessanterWandel im Gebrauch der verkürzten Formen beobachten [lässt], der bereits vor der Verwendung des Gendersterns begann: Aus pragmatischen Gründen wird die Doppelform in der Sparschreibung wie ein Gesamtwort (ähnlich einemPluralwort) behandelt, das entsprechend unkompliziert flektiert wird. Diese Variante, die nicht den amtlichen Regeln entspricht, kommt ohne Bindestrich und gegebenenfalls auch ohne eigentlich nötige Endung aus.“[d: 15]
Henning Lobin, Direktor desLeibniz-Instituts für Deutsche Sprache, weist 2021 auf ein grundsätzliches praktisches Problem von Kurzformen hin, vor allem bei der Verwendung von Genderzeichen: Wie soll dieWorttrennung (österreichisch: Abteilen) für solche Formen aussehen?[70]Bezüglich bewusster Trennung von Kurzformen mit Genderzeichen empfiehlt die PlattformGenderleicht.de: „Wir raten Ihnen: Vermeiden Sie die Silbentrennung! […] Bei zusammengesetzten Wörtern funktioniert es besser:Tanz-partner*innen“.[71]
Einige Webbrowser führen eigene Zeilenumbrüche durch, normalerweise nach einem Binde- oderErgänzungsstrich, aber auch nach Sternchen oder Doppelpunkten:
Schrägstrich mit Bindestrich | Einfacher Schrägstrich | Gendersternchen | Gender-Doppelpunkt | Gender-Gap |
---|---|---|---|---|
Eingeladen sind Lehrer/- innen und Schüler/-innen. | Eingeladen sind Lehrer/ innen und Schüler/innen. | Eingeladen sind Lehrer* innen und Schüler*innen. | Eingeladen sind Lehrer: innen und Schüler:innen. | Eingeladen sind Lehrer_ innen und Schüler_innen. |
Ein weiteres Problem für Kurzformen bilden diejenigen Substantive, die in der femininen Form, aber nicht in der maskulinen Pluralform, einen Umlaut bilden:Juden –Jüdinnen,Franzosen –Französinnen,Sachsen –Sächsinnen,Bauern –Bäuerinnen,Schwaben –Schwäbinnen.
Nicht immer ist klar, wie abgekürzte Paarformen vorzutragen sind.Zur Aussprache bieten sich zwei Möglichkeiten, wie bereits die schweizerischeBundeskanzlei 2009 in ihremLeitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren im Deutschen anmerkte:„Werden Texte mit Kurzformen laut vorgetragen, so wird die Abkürzung aufgelöst und als Vollform gelesen, oder es wird nach dem gemeinsamen Wortteil eine kurze Pause gemacht, gefolgt von einem sogenanntenglottalen Verschlusslaut vor dem Vokal der Endung-in bzw.-innen“.[s: 7]
Der SprachwissenschaftlerPeter Eisenberg meinte 2017:„Der nächste Schritt in Richtung eines konsequentenGenderns bestand in der Propagierung der SchreibweiseBäckerInnen, die dann vielfältig ausgebaut wurde, etwa zuBäckerinnen, Bäcker/innen, Bäcker_innen undBäcker*innen. Von vornherein blieb unklar, wie all das ausgesprochen werden konnte.“[72]2021 nannte der SprachwissenschaftlerHenning Lobin als praktisches Beispiel für die Aussprache „etwa die Verwendung des WortesBäckerinnung, das in der Mitte genau den glottalen Knacklaut enthält(Bäcker-Innung), der beiBäcker-Innen angeblich so unaussprechlich ist.“[73]
DasHandbuch geschlechtergerechte Sprache aus dem Dudenverlag verwies im April 2020 darauf, dass Kurzformen als „Sparschreibung für die ausführliche Beidnennung“ anzusehen sind und „beim Sprechen die lange Form wiedererhalten“.Als Alternative wurde der glottale Verschlusslaut (Glottisschlag) erwähnt, der insbesondere „durch die verstärkte Verwendung des Gendersterns deutlich zugenommen“ habe: An derKompositionsfuge werde eine kurze Pause gesprochen, etwa beiMitarbeiter/-innen oderMitarbeiter*innen:Mitarbeiter-innen
.[d: 13]Im Sinne dermehrgeschlechtlichen Verwendung wird die Sprechpause auch „gesprochenes Gendersternchen“ genannt.
Ablehnung der Genderpause
DieGesellschaft für deutsche Sprache lehnte im August 2020 so genannte „Gender-Pausen“ grundsätzlich als Mittel des geschlechtergerechten Sprechens ab, weil unklar bliebe, wie diese Höreffekte zu verschriftlichen seien (Details).
Im Jahr 2003 erfand derSprachwissenschaftler Steffen „Kitty“ Herrmann eine neuartige Schreibweise für Kurzformen, um zwischen männlichen und weiblichen auchnichtbinäre Geschlechtsidentitätentypografisch sichtbar zu machen undeinzubeziehen.Dazu ersetzte er denSchrägstrich(Leser/-in) durch einenUnterstrich:Leser_In, späterLeser_in.Zum Unterstrich schrieb Herrmann damals:„Zwischen die Grenzen einer rigidenGeschlechterordnung gesetzt, ist er die Verräumlichung des Unsichtbaren.“[74]Ungenannt und damit unsichtbar bleiben bei zweigeschlechtlichen,binären Bezeichnungsformen alle Personendritten Geschlechts oder nichtbinärer Geschlechtsidentität; sie haben keineTeilhabe an der „sprachlichen Gleichbehandlung“ (und sind nicht Teil der „Beid“nennung oder „Paar“form).Die Schreibweise mit Unterstrich wurde als „Gender-Gap“ (Gendergap) bekannt, abgeleitet vomsozialen Gender-Gap zwischen Frauen und Männern (von englischgender [ˈdʒɛndɐ] „soziales Geschlecht“, undgap „Lücke“), hier verallgemeinert zur schriftbildlichen „Lücke zwischen den beiden Geschlechtern“.Die Gleichstellung von Frau und Mann wurde weitergedacht zur „Gleichstellung aller Geschlechter“, umtrans- undintergeschlechtliche Menschen sprachlich nicht auszugrenzen oder zudiskriminieren.[75][76]
Ab 2009 kam die Schreibweise mitGendersternchen auf, wobei das Schriftzeichen „Sternchen“ (Asterisk) alsPlatzhalter für alle Geschlechter/Gender im Schriftbild noch deutlicher hervortreten soll, um strahlenförmig eineGeschlechtervielfalt anzudeuten.Es wurde in der Folge von einigen Gruppierungen, Verwaltungen und Medien übernommen (sieheVerbreitung des Gendersterns).
Ab 2019 folgte als Genderzeichen derGender-Doppelpunkt (sieheVerbreitung) und stellenweise wird auch derMediopunkt – eigentlich ein Element derLeichten Sprache – in diesem Sinne verwendet (vor allem imFranzösischen).
Empfohlen werden Schreibweisen mit Genderzeichen vorrangig zur Vermeidung vongenerischen Maskulinformen(Lehrer) in knappen Texten wie Tabellen, Listen und Formularen.ImSingular kann auch eine Person bezeichnet werden, die nicht männlich oder weiblich ist:Alex ist ein*e Lehrer*in.InLGBT-Zusammenhängen ist die Schreibweiseeinetrans* Person oderTrans*Personen üblich.[77][78]
Eine erweiterte Bedeutung erhielten die Genderzeichen und das Konzept der geschlechtergerechten Sprache insgesamt durch die Einführung der dritten Geschlechtsoption „divers“ inDeutschland 2018 und2019 in Österreich.Sie beinhaltet den rechtsverbindlichen Anspruch aller Personen außerhalb des zweigeschlechtlichen Systems auf eine entsprechende Benennung.[36]Die deutsche Sprache bietet für ein drittes Geschlecht keine passenden Bezeichnungsformen oderPronomen,Anrede- oderFlexionsformen; grundsätzlich ungeeignet ist in Bezug auf Personen die Verwendung des dritten grammatischen GeschlechtsNeutrum („sächlich“).[g: 2]Sowohl dieDuden-Redaktion als auch dieGesellschaft für deutsche Sprache betonen diese Sachlage als ungelöstes sprachliches Problem.[36][g: 2]
Als unpassend wird bei manchen Schreibungen mit Genderzeichen angesehen, wenn sich nicht zwei einzelnlesbare Bezeichnungen ergeben, beispielsweise bei „Kolleg*in“ (Kollege fehlt) oder beiUmlautungen wie „Ärzt*in“ (Arzt fehlt).Bei Wortgruppen wie „ein*e gute*r Schüler*in“ stimmen diegrammatischen Bezüge der einzelnen Formen zueinander nicht mehr: „ein gute Schüler/eine guter Schülerin“ (siehe oben zuProblemfällen bei Kurzformen).[g: 7]
Beim Vortragen werden Sternchen, Doppelpunkt oder Unterstrich mit einer kleinen Sprechpause vorgetragen, als ob an der Stelle einBindestrich stehen würde:Künstler-innen
[ˈkʏnstlɐʔɪnən], was einemGlottisschlag entspricht und „Gender-Pause“ genannt wird (siehe oben zurAussprache von Kurzformen).Die Gesellschaft für deutsche Sprache lehnt Gender-Pausen als Mittel des geschlechtergerechten Sprechens grundsätzlich ab, weil unklar bleibe, wie sich diese Höreffekte verschriftlichen ließen (sieheGfdS-Kritik).
Ende 2020 berichtete Sabine Krome, Geschäftsführerin desRats für deutsche Rechtschreibung, dass bei den „Kurzformen des Genderns mit Satz- und Sonderzeichen […] der Stern mit rund 68 Prozent die am häufigsten belegte Form“ sei. „Danach folgen der Unterstrich, der Doppelpunkt und andere Zeichen“ (sieheVarianten geschlechtergerechter Schreibung 1995–2019).[79]Laut einer empirischen Untersuchung vonDuden-Redaktion undInstitut für Deutsche Sprache, die das NachrichtenmagazinDer Spiegel im März 2021 erwähnt, ist der Genderstern die am häufigsten verwendete „orthografische Variante“, vor Binnen-I, Unterstrich oder Doppelpunkt.[80]Seit März korrigieren die Mitarbeiter des Parlamentarischen Dienstes imdeutschen Bundestag Schreibweisen mit Genderstern, Doppelpunkt und einige weitere geschlechtergerechte Formen inAnträgen,Entschließungsanträgen und Begründungen vonGesetzentwürfen nicht mehr heraus.[81]
Im Juni 2021 haben acht der größten deutschsprachigenNachrichtenagenturen (dpa,epd,KNA,Reuters,APA,AFP,SDA,SID) „ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, um diskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen“; sie wollen die Verwendung des generischen Maskulinums „zurückdrängen“, aber keine Genderzeichen nutzen:
„Noch ist unklar, ob und welches der Sonderzeichen (Genderstern, Unterstrich, Doppelpunkt etc.), die auch nicht-binäre Geschlechtsidentitäten abbilden sollen, sich im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen wird.Bis auf weiteres verzichten die Nachrichtenagenturen daher auf die Verwendung dieser Zeichen.Bislang entsprechen sie auch weder dem amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung noch dem allgemeinen Sprachverständnis beziehungsweise der allgemeinen Sprachpraxis.Aber viele andere Möglichkeiten zur Vermeidung diskriminierender Sprache und zur Sichtbarmachung vonDiversität sind konsequent zu nutzen.“
Siehe unten:Französische Gender-Schreibweise „écriture inclusive“ mit Mediopunkt
Amtliche Anerkennung von Genderzeichen
Dieamtlichen Rechtschreibregeln enthalten keine Aussagen zu denSchriftzeichen Sternchen/Asterisk (*), Doppelpunkt (:), Unterstrich (_) oder Mediopunkt (·) im Inneren vonWörtern (Binnenschreibung).
DerRat für deutsche Rechtschreibung erklärte im März 2021, „die Aufnahme von Asterisk (‚Gender-Stern‘), Unterstrich (‚Gender-Gap‘), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung [werden] zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen. […] Der Rat für deutsche Rechtschreibung wird die weitere Schreibentwicklung beobachten.“[82]Zu den Genderzeichen merkt der Rat an:
„Diese Zeichen haben zudem in der geschriebenen Sprache auch andere Bedeutungen, z. B. als Satzzeichen odertypografische Zeichen oder informatik- und kommunikationstechnische Zeichen.Ihre Nutzung innerhalb von Wörtern beeinträchtigt daher dieVerständlichkeit, Vorlesbarkeit und automatische Übersetzbarkeit sowie vielfach auch dieEindeutigkeit undRechtssicherheit von Begriffen und Texten.Deshalb können diese Zeichen zum jetzigen Zeitpunkt nicht in das Amtliche Regelwerk aufgenommen werden.“[25]
Im Juli 2023 teilte der Rat nach einer Tagung zum Thema geschlechtergerechtes Schreiben mit, dass es bei dieser Beschlusslage bleibe. Zugleich entschied er sich für eine Ergänzung des amtlichen Regelwerks unter der Überschrift „Sonderzeichen“, die auch das Gendern im Wortinneren mit Doppelpunkt, Unterstrich und Sternchen umfasst. Sie enthalte aber keine neue Empfehlung, sondern diene der Beschreibung des gesellschaftlichen Phänomens des Genderns. Die Entwicklung sei nicht abgeschlossen und müsse weiter beobachtet werden.[83] Der Beschluss wird nach öffentlicher Anhörung den staatlichen Stellen zur Zustimmung vorgelegt.[84]
Die Gesellschaft für deutsche Sprache hatte im August 2020 deutlich gemacht, dass sie sämtliche Schreibweisen mit „Gendersternchen und Co.“ nicht als geeignetes Mittel ansehe, um diskriminierungsfreie Sprache umzusetzen (Details):[85]
„Die GfdS rät aus sprachwissenschaftlicher Sicht von der Verwendung dieser Formen geschlechtergerechter und genderneutraler Sprache ab.Dies hat verschiedene Gründe.
Die Formen entsprechen nicht den Regeln der deutschen Rechtschreibung […]
Durch ihre Verwendung können grammatisch falsche Formen entstehen […]
Die Formen werden uneinheitlich verwendet […]
Es ist unklar, wie die Formen in der gesprochenen Sprache realisiert werden sollen […]
Es ist unklar, wie Gender-Pausen verschriftlicht werden sollen […]
Zeichen in genderneutralen Personenbezeichnungen treten in anderen Kontexten auf […]“[86]
Zum Rechtsanspruchdiversgeschlechtlicher Personen auf angemessene Benennung stellte die GfdS fest:„Das Neutrum als drittes sogenanntes‚sächliches‘ Genus im Deutschen dürfte in den Augen vieler nicht geeignet sein, Menschen zu bezeichnen. […] Insofern sind realistische undorthografisch wie grammatisch korrekt umsetzbare Möglichkeiten einer umfassend geschlechtergerechten Sprache weiterhin zu diskutieren“.Überdies gibt die GfdS in diesem Zusammenhang zu bedenken, dass „eine institutionell verordnete Umstrukturierung und Ergänzung großer Teile der deutschen Sprache […] einer natürlichen Sprachentwicklung mit ihren natürlichenÖkonomisierungsbestrebungen konträr“ entgegenstehe (Details).[87]
Auch derDeutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) bezieht sich auf den Rat für deutsche Rechtschreibung und erklärte im März 2021 in seinen Richtlinien:„Gendern durchSonderzeichen undTypografie […] ist nicht zu empfehlen.“Um die Vorlesbarkeit durch Personen oderScreenreader zu gewährleisten, sollten neutrale Formulierungen gewählt(Team) oder paarige Bezeichnungen immer ausformuliert werden(Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter).Von allen Genderzeichen gibt der Verband allerdings dem Genderstern den Vorrang:„Falls jedoch mitKurzformen gegendert werden soll, empfiehlt der DBSV, das Sternchen zu verwenden, weil es laut Veröffentlichungen desDeutschen Rechtschreibrates die am häufigsten verwendete Kurzform ist und so dem Wunsch nach einem Konsenszeichen am nächsten kommt.“[88]
Im Juni 2021 bekräftigte die schweizerischeBundeskanzlei, „eine Sprache zu verwenden, die möglichst alle Menschen einbezieht und niemanden ausschliesst.“Aus Sicht der Bundeskanzlei sindtypografische Mittel wie der Genderstern, Genderdoppelpunkt, der Gender-Gap und Gender-Mediopunkt aber nicht geeignet, diesem Anliegen gerecht zu werden: Zum einen leisten sie nicht, was sie leisten sollten, und zum andern verursachen sie eine ganze Reihe von sprachlichen Problemen.Außerdem sprechen auchsprachpolitische und rechtliche Gründe gegen die Verwendung dieser Mittel (Details).[13]
Den Mitteln zur sprachlichenSichtbarmachung aller Geschlechter stehen sprachliche Mittel zur Neutralisierung gegenüber, um geschlechtliche Aspekte bei derBezeichnung von Personen auszublenden.Hierzu werden sowohl auf dergrammatischen wie auf dersemantischen Ebene alle Bezugnahmen (Referenzen) auf dasbiologische oder soziale Geschlecht (Gender) von Menschen vermieden und nureindeutig genderneutrale Bezeichnungsformen und Formulierungen verwendet (Sexus-indifferent).
Diversgeschlechtliche Personen mitnichtbinärer Geschlechtsidentität sollen sich durch Paarformen mit maskuliner und femininer Endung nicht ausgeschlossen fühlen (vergleicheSoziale Inklusion).Ein bekanntes Beispiel istLann Hornscheidt, eine Person, die sich alsneutrois definiert – die Bezeichnung alsSprachwissenschaftler oder alsSprachwissenschaftlerin entspräche nicht Hornscheidts sozialem Geschlecht (siehe obenFehlende „dritte Option“).Neutrale Umschreibungen könnten sein:ist sprachwissenschaftlich tätig oderhat eine sprachwissenschaftliche Professur (siehe auchGenderneutrale Schreibung für Diversgeschlechtliche).
Die Projektleiterin der vom deutschenBundesfrauenministerium geförderten PlattformGenderleicht.de, Christine Olderdissen, empfiehlt zumGendern:„Geht es in dem Satz, den Sie gerade schreiben wollen, gar nicht um konkrete Personen, geschweige denn um deren Geschlecht, wählen Sie geschlechtsneutrale Formulierungen, […] Oberbegriffe, Synonyme, Umschreibungen, Partizipien – es gibt so viele Variationen, dasselbe zu sagen. Wählen Sie das zu IhremSchreibstil Passende. […] Der wichtigste Tipp, um aus der Schreibroutine desgenerischen Maskulinums herauszukommen, ist die Rückkehr zum Beschreiben von Tätigkeiten:Steuerzahler → wer Steuern zahlt; alle, die Steuern zahlen;[…] beim Steuerzahlen“.[89]
Zur sprachlichen Neutralisierung aller Gender-Aspekte gibt es verschiedene Mittel:
Neben diesen bewährten Möglichkeiten gibt es alternative Vorschläge wie die neutraleX-Endung(einx gutx Lehrx).
Es gibt einige wenige Bezeichnungen, deren grammatisches Geschlecht (Genus, PluralGenera) in keiner Beziehung steht zumGeschlecht/Gender der sprachlichreferierten Personen (Sexus).DieseOberbegriffe sind aus sich heraus „generisch“ und geschlechtsneutral (sexusindifferent).Sie liegen nicht in geschlechtsbezogener Paarform vor und feminineAbleitungen werden nicht gebildet, weshalb sie bedenkenlos für Personen aller Gender zu verwenden sind.[g: 9][d: 16]Die Duden-Grammatik von 2016 definiert:„Klasse A umfasst Personenbezeichnungen, die nur sexusindifferent gebraucht werden. […] es kommen faktisch alle drei Genera vor“(der Star, die Nachtwache, das Individuum).Kein Genus hat das geschlechtsneutralePluralwortLeute (vergleichbar mitEltern); mit der Endung-leute kann der geschlechterübergreifende Plural vonZusammensetzungen mit-mann oder-frau gebildet werden:Fachmann/Fachfrau → Fachleute.[90]
Um das Geschlecht anzugeben, müssen solche unspezifischen Bezeichnungen mit einem Adjektiv ergänzt(eine weibliche Person) oder durch den passendenUnterbegriff(Frau) ersetzt werden.Der OberbegriffMensch wird nicht geschlechtsbezogen ergänzt, sondern gleich spezifiziert alsFrau oderMann, ein Kind alsMädchen oderJunge.[d: 17]
Einige der unspezifischen Bezeichnungen haben keine sexusbezogenen Unterbegriffe:
Zum maskulinen WortGast findet sich allerdings bereits im Althochdeutschen die feminine FormGästin alskestîn und im Mittelhochdeutschen dann alsgestinne odergestîn; der Online-Duden hat einen Eintrag zuGästin.[91]Sofern derSprachgebrauch dieser Femininform nicht in nennenswertem Umfang zunimmt und dadurch das Maskulinumein Gast geschlechtsspezifisch auf Männer bezogen wird, bleibt es eine geschlechtsneutrale Personenbezeichnung und muss bei Bedarf spezifisch ergänzt werden:männlicher Gast, weibliche Gäste.[92]Vom femininen WortGeisel gibt es keineAbleitung einer maskulinen Form.In Bezug auf das NeutrumMitglied finden sichgelegentliche unbedarfte Versuche,Mitgliederinnen anzusprechen.Stellenweise werden weibliche Ableitungen von sexusindifferenten Substantiven auch absichtlich gebildet, etwa „Männer und Männerinnen“, um dasGendern zu überspitzen, oder alsHyperkorrekturen:Menschin, Personin, Mitgliederin.[g: 9]Allerdings führt der Duden nebender Mensch (als Lebewesen) auchdie Menschin (selten, meist scherzhaft) sowie (noch bei Luther gebrauchtes)das Mensch (landschaftlich veraltet: meist abwertend für eine Frau).[93]
Eine Sonderstellung hat derSpitzel, eigentlich eine Verkleinerungsform desSpitz-Hundes, aber nicht grammatisch sächlich wiedas Mädel, das Bübel.
Eine kleine Gruppe von Personenbezeichnungen sindEntlehnungen aus dem Englischen, wo sie kein grammatisches Geschlecht haben und für alle Geschlechter stehen können; sie werden im Deutschen oft als Maskulinum eingeordnet:der Fan, Geek, Nerd, Star, Teenager.Zu diesen geschlechtsneutralen Bezeichnungen gibt es nur seltene Gelegenheitsbildungen wiedie Nerdin oderdie Teenagerin.AuchBerufsbezeichnungen wieConsultant, Engineer, Leader oderSpecialist gelten als sexusindifferent; der Duden empfiehlt, die Bezeichnung beiStellenausschreibungen mit einer Klammer zu ergänzen:Senior Consultant (m/w/d) Risikomanagement gesucht.[d: 18]Eine Rechtsverbindlichkeit für diese Form der Ausschreibung besteht nicht.
Bezeichnungen auf-ling
Maskulina mit dem Ableitungssuffix-ling haben geschlechterübergreifende Bedeutung und keine weibliche Form, werden aber nicht immer als neutral angesehen.So wurde die BezeichnungFlüchtlinge zwar zumWort des Jahres 2015 gewählt, aber die verantwortlicheGesellschaft für deutsche Sprache merkte an:„[…] klingtFlüchtling für sprachsensible Ohren tendenziellabschätzig: Analoge Bildungen wieEindringling, Emporkömmling oderSchreiberling sind negativkonnotiert, andere wiePrüfling, Lehrling, Findling, Sträfling oderSchützling haben eine deutlich passive Komponente. Neuerdings ist daher öfters alternativ vonGeflüchteten die Rede.“[94]In Deutschland wurde die BezeichnungLehrling bereits 1969 durch dasBerufsbildungsgesetz mit demsubstantivierten PartizipAuszubildender ergänzt oder ersetzt, um mit der Betonung von „Bildung“ auch einen inhaltlichen Wandel anzuzeigen; der althergebrachteLehrherr wurde ersetzt durchAusbildender (im Plural sindAuszubildende undAusbildende geschlechtslos). 2020 gewinnt die neutrale BezeichnungImpfling an Bedeutung.
Im Plural enthaltenSubstantivierungen von Partizipien und Adjektiven für Personenbezeichnungen ("Studierende", "Kranke") keine Informationen über das Geschlecht von Personen. Daher können sie als geschlechtsneutrale Ausdrucksform verwendet werden.[d: 19] Im Singular hingegen wird durchArtikel oderDeklination das Genus sichtbar ("die Studierende", "der Studierende").[95]
DasDeutsche Universalwörterbuch von 1983 führte etwa 350 durch Nullableitung (Konversion) von Partizipien oder Adjektiven gebildete Personenbezeichnungen.[96][97]
DasPartizip Präsens einesVerbs wird gebildet durch das Anhängen von „-end“ an denWortstamm:studieren → studierend,substantiviertStudierende (nur männlich:ein Studierender).Die Gesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt Partizipialformen:„Statt:die Teilnehmer, die Studenten – Besser so:die Teilnehmenden, die Studierenden“.[g: 10]Den frühen Gebrauch vonLehrende findet derSprachwissenschaftlerAnatol Stefanowitsch beispielsweise 1839 in Verordnungen zupreußischen Universitäten:„Lehrende waren schon damals eben nicht nurProfessores verschiedenster Art, sondern auchPrivatdozenten,Repetenten, Sprachmeister undExerzizienmeister (letztere drei Gruppen dürften grob heutigen ‚Lektoren‘ und ‚Lehrkräften für besondere Aufgaben‘ entsprechen). Für die brauchte und braucht man einenOberbegriff, und die Wahl fiel – vielleicht, weilLehrer/in schon anderweitig vergeben war – auf das auch heute noch gebräuchlicheLehrende.“[98]
Manchmal wird als Einwand vorgebracht, eine solche Substantivierung könne sich nur auf Personen beziehen, welche die entsprechende Tätigkeit in einem bestimmten Moment gerade ausführten.So seiStudierende nur für Personen korrekt, die tatsächlich gerade lernten; zuweilen folgt ein Hinweis auf „verstorbene Studierende“.Diewald und Steinhauer stellen demgegenüber fest: Ein momentanes Tätigsein oder eine Gleichzeitigkeit ist keine zwingende Bedingung für die Wortbedeutung, wie das BeispielVorsitzende eines Vereins zeigt –Vorsitzende bleiben dies auch, wenn sie schlafen, und sie werden auch rückwirkend so bezeichnet (ähnlichAlleinerziehende, Arbeitssuchende, Auszubildende).Substantivierte Partizipien können manchmal eine innewohnende (inhärente) Eigenschaft beschreiben, abhängig davon, was genau das entsprechende Verb bedeutet(Fliegende Fische,fahrendes Volk).AlleStudierenden sind auch dann Studierende, wenn sie gerade im Kino sitzen.[d: 20]Die Bezeichnung ist bereits seit dem 18. Jahrhundert in Gebrauch, inZedlers Enzyklopädie von 1744 ist ein Eintrag übertitelt mit „Student, Studenten, Studirende“;[99]1801 führt das Churfürstliche Schulhaus München ein „Verzeichniß der Studierenden“ (sieheSprachgebrauch von „Studierende“).[d: 20]Der Rechtschreibduden verzeichnet in seiner 28. Auflage im August 2020:„Als geschlechtsneutrale Bezeichnung setzt sich die FormStudierende immer mehr durch. Sie wird auch verwendet, wenn man die PaarformelStudenten und Studentinnen nicht zu oft wiederholen will.“[100]
Die schweizerischeBundeskanzlei merkt 2009 zum Partizip I an:„Wenn kein entsprechender Ausdruck auf-er existiert, so werden auch längere Partizip-I-Formen in der Regel nicht als ungewohnt wahrgenommen (z. B.Kunstschaffende, Reisende, Leidtragende, zu denen es keine Formen wieKunstschaffer/Kunstschafferinnen, Reiser/Reiserinnen, Leidträger/Leidträgerinnen gibt).“[s: 8]
DerRat für deutsche Rechtschreibung nutzt in seiner Bekanntmachung im März 2021 neben der BeidnennungSchülerinnen und Schüler nur Partizipformen wieStudierende, Lehrende, Lesende, Hörende (siehe unten).
DasPartizip Perfekt von Verben wird oft gebildet mit derVorsilbe „ge-“ und der Endung „-t“:anstellen → angestellt → Angestellte (aber:ein Angestellter).Gebräuchliche Beispiele sindBeteiligte, Betroffene, Vorgesetzte.In dieser Art können auch kreative Lösungen zur geschlechtsneutralen Benennung oder Ansprache gebildet werden, sofern die gebildete Formlesbar und verständlich bleibt.[d: 20]
DieSubstantivierung von Adjektiven erfolgt meist wie dieBeugung normalerattributiverAdjektive:die berufstätige Frau → die Berufstätige (aber:ein Berufstätiger).Gebräuchliche Beispiele für Substantivbildungen sindJugendliche, Kranke, Verwandte.Berufsbezeichnungen können umformuliert werden zuAngehörige des Kollegiums oderAngehörige des Arztberufs (Komposita werden selten gegendert).Zur geschlechtsneutralen Verkürzung derBeidnennung „Damen und Herren“ eignet sich die persönliche Ansprache:Liebe Anwesende!
Sachbezeichnungen beziehen sich nicht in direkter Weise auf Personen, aber es gibt viele, dieabstrakt aufFunktionsträger oderkollektiv aufsoziale Gruppen bezogen sind (vergleicheKollektivnamen); die Wortbildung endet oft auf-kraft,-ung, -schaft und dergleichen.Einige dieser Bezeichnungen eignen sich für Einzelpersonen(dieLehrkraft für besondere Aufgaben, dasStaatsoberhaupt, Anton hat die Leitung).Bei anderen tritt der Aspekt des Handelns so sehr in den Hintergrund, das es unpersönlich und sachlich wirken kann(das Direktorium).Manchmal ist diese Sachlichkeit aber von Vorteil, um die Verwendunggenerischer Maskulinformen zu vermeiden:die Zuhörer → das Publikum, oder umformuliert:Messebesucher links abbiegen. → Zur Messe links abbiegen.[d: 21]DerOnline-Duden empfiehlt in seinem Eintrag zuLehrerin seit 2011:„Besonderer Hinweis: Um gehäuftes Auftreten der DoppelformLehrerinnen und Lehrer zu vermeiden, können die AusweichformenLehrkörper, Lehrkräfte oderLehrerschaft gewählt werden.“[101]
Mit sachlichen Bezeichnungen ändern sich die maskulinen FormenRegisseur & Autor zuRegie & Drehbuch, derBäcker zurBäckerei und derPfleger zurPflegekraft. EineDamen-Mannschaft wird zumFrauenteam.Manchmal hilft eine Suche nachSynonymen(Ansprechpartner → Ansprechperson, Kontakt; Mädchenname → Geburtsname) oder ein beschreibender Ausdruck(Kundenberatung → Kundschaftsberatung; Fußgängerweg → Gehweg).Stellenausschreibungen können statt mit angefügter Genderklammer(m/w/d) geschlechtsneutral formuliert werden:Redaktionsstelle/Praktikum zu vergeben.
DieGesellschaft für deutsche Sprache empfiehlt Sachbezeichnungen als Ersatzformen:
Gisela Zifonun, bis 2011 Leiterin der Abteilung Grammatik amInstitut für Deutsche Sprache, merkte 2018 kritisch an: „Leider ist mitPerson undKraft als Anhängsel an funktions- oder aufgabenbezeichnendeWortstämme meist schon das Ende der angemahnten Kreativität erreicht. Eine Welt voller Back- und Linguistikkräfte oder Lehr- und Arztpersonen erscheint mir persönlich ziemlich unwirtlich.“[102]
Um jeglichePersonenbezeichnung in maskuliner oder femininer Form („gendermarkiert“) zu vermeiden, gibt es unterschiedliche Mittel:
Als Ersatz fürTätigkeits- undBerufsbezeichnungen kann stellenweise einAdjektiv genutzt werden, um geschlechtlichen Bezug auszublenden und eine „Gendermarkierung“ zu vermeiden.[g: 12]Die Wandlung desSubstantivs in ein beschreibendesAttribut entfernt den Genderbezug:als Arzt tätig sein → ärztlich tätig sein (halbwegs neutral:den Arztberuf ausüben, weilKomposita im Allgemeinen nicht gegendert werden):[d: 22]
Das Umformulieren mitRelativsätzen bietet Möglichkeiten zur Neutralisierung, die zwar etwas mehr Platz beanspruchen, aber auflockernd wirken können undstilistische Abwechslung anbieten(Teilnehmer → alle, die teilnahmen; Antragsteller → Personen, die einen Antrag stellen).[d: 23]
Das Relativpronomenwer bietet Möglichkeiten für neutrale Formulierungen, wenn auf die Wiederaufnahme mit dem maskulinen Pronomender verzichtet wird:wer helfen will, (der) ist willkommen.Je nach Textsorte beanspruchen solche Verallgemeinerungen kaum mehr Platz(Der Antragsteller hat … → Wer einen Antrag stellt, hat …).Das Umschreiben eignet sich auch für Personen, die Verbrechen begehen:Betrüger werden bestraft → Wer betrügt, wird bestraft (vergleicheGenerische Maskulinformen im deutschen Strafrecht).[g: 13][d: 23]Bereits im Jahr 1616 erklärte eine der erstenGrammatiken des Deutschen, das Pronomenwer beziehe sich sowohl auf Männer wie auf Frauen und habe einegenerische(commune) Bedeutung:„Wer ist jedoch commune hinsichtlich Maskulinum und Femininum, denn sein Neutrum istwas.“[103]AlsInterrogativpronomen kannwer sich auch allgemein aufbelebte Substantive beziehen, wohingegenwas auf Sachen bezogen ist („sächlich“:Was ist das?).
Durch einePassiv-Formulierung (Passivierung) kann vermieden werden, überhaupt Personen zu nennen:Der Antragsteller muss folgende Unterlagen beifügen → Folgende Unterlagen sind beizufügen.Allerdings muss bei unpersönlichenKonstruktionen klar sein, an wen sich die Äußerung richtet, weil sich das Subjekt ändert.Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, kann es manchmal notwendig sein, die handelnden Personen zu benennen und imAktiv anders zu formulieren.[d: 24][g: 14]
Auchumgangssprachliche Formulierungen mit demgeneralisierenden Personalpronomenman (eingenerisches Maskulinum) können passiviert werden:man sollte darauf achten → es sollte darauf geachtet werden (an passender Stelle auch:wir sollten darauf achten).Die gängige Behauptung:Man macht es halt so. lautet im Passiv:Es wird halt so gemacht. Das Bekenntnis:Man kennt das ja. lautet im Passiv:Das ist ja bekannt. Das Pronomenman hatte schon imAlthochdeutschen die allgemeine Bedeutung „irgendeine Person, jeder beliebige Mensch“ (wie auch das französischeon).[d: 24]Zu vermeiden ist die unbedachte Verwendung des maskulinenPossessivpronomens:Man liebt doch seine Eltern! Diese Aussage soll zwar auf die sprechende Person selbst bezogen sein im Sinne vonIch liebe doch meine Eltern, ist abermehrdeutig – es könnten auch die beliebten Eltern eines (anderen) Mannes gemeint sein(Seine Eltern sind doch beliebt!) zur Unterscheidung von einer weiblichen Person(Man liebt ihre Eltern).
Durch eine persönlicheAnrede könnengenerische Maskulina oder Doppelformen vor allem in formalen Zusammenhängen vermieden werden, um nicht-männliche Personen unter denAdressaten nicht als männlicheAntragsteller, Besucher, Leser, Zuschauer anzusprechen (vergleicheGerichtsentscheid zum Sparkassen-„Kunden“).Auch sindHöflichkeitsformen wieSie undIhre kürzer:[d: 25]
Die X-Endung findet sich in der neuenglischenFormMx als genderneutrale Zusammenziehung der zweigeschlechtlichenAnredeformenMr & Mrs („Herr und Frau“) und steht seit Jahren in offiziellen Lexika.Auch imSpanischen wird die X-Endung stellenweise in experimenteller Art verwendet:Latinx stattLatino/Latina für eine lateinamerikanische Person.In Japan findet sich seit der Jahrtausendwende die übergeordnete Bezeichnung „X-gender“ für Personen dritten Geschlechts.Das „x“ ist auch Bestandteil einesNeopronomens, das Illi Anna Heger ab 2009 als deutsche Schreibweise für nichtbinäre Menschen und Charaktere entwickelte:xier/xieser/xiem/xien, zusammen mit dem Possessivpronomenxiesa, xiese, xies und dem Artikel und Relativpronomendier/dies/diem/dien.[104]
Im Deutschen hatLann Hornscheidt seit den 1990er-Jahren auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft an sprachlichen Mitteln zur Geschlechtsneutralität gearbeitet und 2014 eineEndungsbildung mit „-x“ vorgeschlagen, um die beiden geschlechtsspezifischen Endungen-er und-in abzulösen:einx gutx Lehrx (ein guter Lehrer/eine gute Lehrerin),[105]oder 2019dex Radfahrex (der/die Radfahrer/-in).Hornscheidt erklärte:„Dabei ist das System mit dem X viel einfacher als das gegenwärtige mit seinen dreiGenusformen. Es geht aber nicht darum, überall ein X dranzuhängen oder neuen[sic!] Regeln einzuführen, sondern darum, uns Sprache wieder anzueignen.“[106]Für sich beansprucht Hornscheidt der eigenennichtbinären Geschlechtsidentität entsprechend den geschlechtsneutralen TitelProfex Drex (Prof.Dr.).[107]
DerRat für deutsche Rechtschreibung zitiert in einer Untersuchung von 2018 einen Beispielsatz von Hornscheidt:„Dix Studierx hat in xs Vortrag darauf aufmerksam gemacht, dass es unglaublich ist, wie die Universität strukturiert ist, dass es nur so wenigeSchwarze/PoC Professxs gibt.“Der Rat vermerkt dazu, der Vorschlag der x-Form (Plural:-xs) entspreche „nicht den Kriterien, die nach Auffassung des Rats an korrekte Texte gestellt werden müssen (allen voran nicht derVerständlichkeit,Lesbarkeit undVorlesbarkeit).“[108]
DasHandbuch geschlechtergerechte Sprache merkt 2020 an:„Wir halten solche künstlich geschaffenen Lösungen für problematisch – zumal die Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung kaum vorhanden sein dürfte. Dennoch haben Hornscheidts Vorschläge breite Aufmerksamkeit erhalten.“[d: 26]
Die Gesellschaft für deutsche Sprache lehnte den Vorschlag 2020 ab:„Diese Lösung soll allen Geschlechtern gerecht werden, dies jedoch auf Kosten einer les- oder vorlesbaren Form. Auch grammatisch ist dieser Vorschlag in vielerlei Hinsicht nicht vertretbar, darüber hinaus leidet die Verständlichkeit massiv. Schwierigkeiten stellen zudemArtikel undPersonal-/Possessivpronomen dar:Dx gutx Lehrx, Ex (Einx?) Schülx und x‘s Freundx“.[g: 16]
Lann Hornscheidt stellte 2021 imPraxis-Handbuch für Gender und Sprache außerdem das Pronomen und die Endungens als „genderfreies“ Konzept vor:„Ens ist der Mittelteil aus ‚Mensch‘.Studens wäre das,Lesens, Hörens. Und das Pronomen ist dannens, der bestimmte Artikel istdens, der unbestimmte isteinens. Wir haben das genderfrei genannt.“[109]
Seit 1992 verwendete der Wiener Aktionskünstler und KolumnistHermes Phettberg als eigene geschlechtsneutrale Kreation die Wortendung „-y“ in Verbindung mit dem grammatischen GeschlechtNeutrum:das Lesy für „Leser/Leserin“, mit Plural-s beidie Lesys.Für Bezeichnungen, die nicht auf-er enden, wird das-y dem ganzen Wort hinzugefügt:das Ingenieury, die Köchys.[110][111]
Der Sprachwissenschaftler Thomas Kronschläger von derTU Braunschweig nennt diese Form „Entgendern nach Phettberg“ und nutzt sie seit Jahren in Seminaren undScience-Slams; für 2021 hat er die Veröffentlichung von Untersuchungsergebnissen angekündigt.[110]2022 war er Co-Autor eines Aufsatzes über Gendern bei der Polizei mit dem Titel „Auf gehts, Polizistys“.[112]
Kritisch angemerkt wird, dass die Phettberg-Form zu „niedlich“ klinge(Terroristys, Mördys).[111]Das ProjektGenderleicht.de vom Journalistinnenbund sieht den Vorschlag als „harmlosen Scherz“.[110]Der KunsthistorikerJörg Scheller bezeichnet die Methode als „heiter-absurdistisches Anarcho-Gendern“.[113]
Das Konzept der ausschließlichen Verwendung desgenerischen Femininums zurPersonenbezeichnung für gemischtgeschlechtliche Gruppen vertritt seit 1984 diefeministische SprachwissenschaftlerinLuise F. Pusch, Pionierin der geschlechtergerechten Sprache:„DasFemininum enthält ja auch sichtbar das Maskulinum:Lehrer ist inLehrerin deutlich enthalten. Das Femininum ist die Grundform, das Maskulinum die Schwundform“ (siehe auchPuschs Kritik am Genderstern).[114][115]Im Jahr 1994 und später ab 2012 haben einige Gruppierungen und Behörden in bestimmten Geltungsbereichen ausschließlich weibliche Personenbezeichnungen im geschlechterübergreifenden Sinne eingeführt (spiegelbildlich zumgenerischen Maskulinum); bekannt wurden 2013 die Universitäten in Leipzig und Potsdam (Details).Es gibt bisher aber nur eine feminine Berufsbezeichnung, die in Deutschland und Österreich auch amtlich für Männer zu verwenden ist:Hebamme, zwischenzeitlich für Männer:Entbindungspfleger.Somit istdie Hebamme kein generisches Femininum, sondern einegeschlechtsneutrale Personenbezeichnung wiedie Person, Geisel, Nachtwache und muss bei Bedarf mit einem Adjektiv ergänzt werden:weibliche Hebamme, männliche Hebammen.
DieGesellschaft für deutsche Sprache äußert sich 2020 ablehnend zurgenerischen Verwendung femininer Bezeichnungsformen:„Diese Lösung ist nicht geschlechtergerecht, denn hier wird das andere Geschlecht nicht explizit angesprochen, sondern ist nur ‚mitgemeint‘. Die Kritik, die amgenerischen Maskulinum geübt wird, trifft hier ebenfalls zu. Eine Gleichbehandlung, um die es bei geschlechtergerechter Sprache geht, ist beim generischen Femininum so wenig gewährleistet wie beim generischen Maskulinum.“[g: 17]
Der SprachwissenschaftlerPeter Eisenberg behauptet 2018:„Das generische Femininum gibt es nicht“.[116]2020 präzisiert er:„Ein generisches Femininum gibt es im Deutschen nur bei Einzelwörtern, aber nicht als Strukturmerkmalproduktiver Wortableitungen“ (vergleicheMovierung von weiblich zu männlich).[117]Im alltäglichen Sprachgebrauch gibt es einige generische Feminina bei denTierbezeichnungen, beispielsweise stehtdie Katze oderdie Gans entweder für die ganze Art oder sexusspezifisch für weibliche Tiere, im Unterschied zum männlichenKater oderGänserich.[118][119]
DieGenderlinguistinnenHelga Kotthoff undDamaris Nübling schreiben 2018:„Generische Feminina liegen auch vor, wenn sog.Frauenberufe in movierter Form(Kosmetikerin, Floristin, Erzieherin, Pflegerin) geschlechtsübergreifend unter Einschluss der darin arbeitenden Männer verwendet werden. […] Die Untersuchung solcher geschlechtsübergreifender Feminina steht noch aus.“Sie erwähnen die Möglichkeit des randomisierten Genuswechsels durch „Streufeminina und Streumaskulina“, um „Geschlecht durch vielfältige Verfahren zu unterlaufen, auch durch ‚generische‘ Feminina.“[120]
Bereits 2004 beobachtete derGermanistische LinguistJochen A. Bär als Leiter derGfdS-Sprachberatung eine „[a]bwechselnde Verwendung generischer Maskulina und generischer Feminina, wie sie insbesondere in wissenschaftlichen Textsorten nicht selten vorkommt. Hierbei wird die sprachliche Gleichbehandlung durch denKontext geleistet, was aber dazu führt, dass jede einzelne Aussage für sich genommen (wie es insbesondere beimZitieren geschieht) immer nochsexistisch wirken kann.“[121]
Diewald und Steinhauer befürworten 2020 eine solche Art des vielfältigen, abwechselnden Genderns am Beispiel eines psychologischen Fachbuchs:„In dem Werk wird in äußerst geschickter und vielfältiger Weise zwischen weiblichen und männlichen Bezeichnungen, Kollektivbezeichnungen, Neutralisierung sowie auch ‚generischem Femininum‘ und ‚generischem Maskulinum‘ gewechselt.“[d: 27]
Seit Anfang 2021 verwendet die deutsche WochenzeitungDie Zeit manchmal abwechselndes Gendern.[122]Mitte 2021 kündigen dieAugsburger Allgemeine und dieAllgäuer Zeitung an, das generische Maskulinum zu vermeiden und bei Aufzählungen von Berufen auch abwechselnd zu gendern(Erzieherinnen, Kinderpfleger und Kindergärtnerinnen).[123]
Es gibt nur wenigesystematische Übersichtsarbeiten zu den vielenwissenschaftliche Studien undBefragungen im Bereich „geschlechtergerechte Sprache“. Mitte 2020 fasst dasHandbuch geschlechtergerechte Sprache aus demDudenverlag die Studienlage zusammen:
„Bei diesen und weiteren Studien, die mit verschiedenen Varianten von Texten arbeiten, ergibt sich also ein im Detail differenziertes, in der Tendenz jedoch eindeutiges Bild:
- Lesefreundlichkeit undTextverständlichkeit werden durch geschlechtergerechte Formulierungen nicht erschwert.
- Subjektive Bewertungen der Textqualität/Textästhetik ergeben ebenfalls, dass insgesamt geschlechtergerechte Formen nicht negativ ins Gewicht fallen. Kleine Abweichungen ergeben sich insofern, als Männer in geringem Umfang die Maskulinformen besser bewerten.
- Diekognitive Einbeziehung von Frauen ist bei verschiedenen Sprachformen sehr unterschiedlich:
- Die Verwendung des ‚generischen Maskulinums‘ erzeugt einementale Repräsentation bei denTextrezipierenden, in der Frauen nur zu einem sehr geringen Anteil an den Ereignissen beteiligt sind oder gar nicht alsAkteurinnen in Erwägung gezogen werden.
- Zugleich wird bei Verwendung des ‚generischen Maskulinums‘ der Anteil von Männern überschätzt.
- Geschlechtergerechte Formen verbessern in unterschiedlichem Umfang den geistigen Einbezug von Frauen.“
2021 kamen dieöffentlich-rechtlichen WissenschaftsmagazineQuarks (WDR) undLeschs Kosmos (ZDF) zu ähnlichen Ergebnissen.[124][125][126]
In Bezug auf den Gebrauch geschlechtergerechter Sprache ergeben Befragungen in mehreren Branchen unterschiedliche Ergebnisse (sieheBranchenumfragen).
In Bezug auf Meinungsumfragen wird oft Bezug genommen auf die beiden Befragungen des PolitikforschungsinstitutsInfratest dimap für die deutsche ZeitungWelt am Sonntag im Mai 2020 und 2021 (Details): 65 % sind ganz oder eher gegen „Gendersprache in Presse, Radio und Fernsehen sowie bei öffentlichen Anlässen“ (plus 9 %), nur 26 % sind ganz oder eher dafür (minus 9 %); in beiden Jahren bleiben 9 % unentschieden.[127][128] Infratest fasst die Ergebnisse zusammen: „Die zunehmende Präsenz einer gendergerechten Sprache in Medien undÖffentlichkeit hat deren Akzeptanz nicht gesteigert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Ablehnung gestiegen.“[127]
Die erstenRichtlinien zur Vermeidung sexistischen Sprachgebrauchs im Deutschen wurden verfasst von den vierSprachwissenschaftlerinnenSenta Trömel-Plötz,Marlis Hellinger, Ingrid Guentherodt undLuise F. Pusch und 1980 in der FachzeitschriftLinguistische Berichte veröffentlicht.[7] Die Autorinnen stellten darin auf sechs Seiten vielen Beispielen von „sexistischer Sprache“ „geschlechtergerechte Alternativen“ gegenüber. Als Zielgruppen nannten sie Institutionen, die Sprache unterrichten, wie Schulen und Universitäten, und solche, die Sprache verbreiten, wie Medien und Verlagshäuser.[129]
„Der Befund über den negativen Zustand von Sprache und Sprachgebrauch wurde in dieser Zeit tendenziell mit dem Stichwort ‚sexistisch‘ belegt und definiert“, schreiben Diewald und Steinhauer.[d: 29] Die vier Autorinnen hielten 1980 fest:
„Sprache ist sexistisch, wenn sie Frauen und ihre Leistungen ignoriert, wenn sie Frauen nur in Abhängigkeit von und Unterordnung zu Männern beschreibt, wenn sie Frauen nur in stereotypen Rollen zeigt und ihnen so über das Stereotyp hinausgehende Interessen und Fähigkeiten abspricht und wenn sie Frauen durch herablassende Sprache demütigt und lächerlich macht.“[130]
In Österreich hatten öffentliche Diskussionen über das Gleichbehandlungsgebot bei Stellenausschreibungen zur Folge, dass dasBundesministerium für Arbeit und Soziales die SprachwissenschaftlerinRuth Wodak mit einer empirischen Studie betraute. Sie sollte die Problemstellung untersuchen und Empfehlungen aussoziolinguistischer undsprachwissenschaftlicher Sicht vorlegen. Die 1987 erschienene BroschüreSprachliche Gleichbehandlung von Frau und Mann richtete sich an eine breite Öffentlichkeit und gilt als die erste linguistische Anwendungshilfe zur sprachlichen Gleichbehandlung in Österreich.[129][131]
Auf internationaler Ebene wurde „sexistischer Sprachgebrauch“ auf der 24. Generalkonferenz derUNESCO 1987 thematisiert. Es schloss sich eine Resolution an, die für die Sichtbarmachung von Frauen in der Sprache plädierte. 1989 erschienen Broschüren mit Richtlinien für einen nicht-sexistischen Sprachgebrauch auf Französisch und Englisch, welche die SprachwissenschaftlerinMarlis Hellinger und dieRomanistin Christine Bierbach im Auftrag derdeutschen UNESCO-Kommission mit der BroschüreEine Sprache für beide Geschlechter 1993 umsetzten.[132][129]
Praktische Erläuterungen mit Beispielen zur sprachlichen Gleichbehandlung und Sichtbarmachung von Frauen in der deutschen Rechtssprache und in Gesetzestexten entwickelte 1993 die Sprachwissenschaftlerin Ingrid Guentherodt.[133][129]
In der Schweiz ist seit 1990 laut einem Forschungsbericht derUniversität Genf von 2017 die empfehlende Literatur zur Anwendung geschlechtergerechter Sprache stetig angewachsen. Jede Universität und Fachhochschule besitzt einen eigenen Leitfaden, zahlreiche Stadtverwaltungen, Unternehmen und andere Institutionen stellen Anwendungshilfen bereit oder publizieren Ratgeber. Empfehlende Texte sind dabei per se nicht verbindlich. Sie haben mit sprachregulierenden Texten, etwa für Behörden, den gemeinsamen Zweck, geschlechtergerechten Sprachgebrauch innerhalb von Verwaltungen zu etablieren.[134]
DieGleichstellungsbüros vieler Behörden undHochschulen – vor allem in den dreiD-A-CH-Ländern – haben eigene Sprachleitfäden für gendergerechte Sprache herausgegeben. Teilweise empfehlen sie ausdrücklich zur Einbeziehung vonnichtbinären Personenmehrgeschlechtliche Schreibweisen mit Genderzeichen. Die Leitfäden gelten in der Regel für die interne und externe Kommunikation und fürStellenausschreibungen, an Hochschulen aber nicht für die Prüfungsordnungen.
Es gibt im deutschen Sprachraum mindestens 1.161 Leitfäden für geschlechtergerechte Sprache (Stand 24. Juni 2024). Rund die Hälfte davon (598) wurde an Hochschulen erstellt, die übrigen in Behörden und Unternehmen.[135]
Imdeutschsprachigen Raum habenRegierungsbehörden ab 1980 vieleGesetze,Verwaltungsvorschriften undErlasse herausgegeben, die für diejuristische Fachsprache – das sogenannte „Amtsdeutsch“ – eine Verwendung von geschlechtergerechter Sprache empfehlen odernormativ vorschreiben. Vorrangig betrifft das die sprachliche Gleichbehandlung der Geschlechter unter Vermeidunggenerischer Maskulinformen(alle Lehrer). DerGeltungsbereich der Vorschriften umfasstGesetzentwürfe sowie die interne und externe Kommunikation der Behörden und nachgeordneten Dienststellen, stellenweise auch den Bildungsbereich. Die folgende Übersicht listet bedeutende Verordnungen in zeitlicher Abfolge (siehe untenÖsterreich,Schweiz):
VieleHochschulen im deutschsprachigen Raum veröffentlichten eigene Sprachleitfäden mit teils unterschiedlichen Vorschlägen bezüglich geschlechtergerechter oder-neutraler Sprache zur Vermeidunggenerischer Maskulinformen. Einer der ersten in Deutschland war 1999 der LeitfadenGleichstellungsgerechte Sprache – ist dies wirklich unwichtig? von derGleichstellungsbeauftragten derUniversität Passau.[140] Als einer der frühesten gilt auch der 32-seitige RatgeberGeschlechtergerecht in Sprache und Bild derUniversität Linz von 2009.[141] Eine Studie von 2011 untersuchte 12 von derDeutschen Forschungsgemeinschaft ausgezeichnete universitäreGleichstellungskonzepte und beurteilte 95 bis 99 % der in ihnen verwendeten Bezeichnungen als „geschlechtergerecht“ (Beidnennung, Schrägstrich, Neutralisierung); auf den Webseiten der betreffenden Hochschulen fanden sich in 82 % aller Fälle geschlechtergerechte Formulierungen.[141]
2017 untersuchte das Forschungsprojekt „Geschlechtergerechte Sprache in Theorie und Praxis“ (geleitet vonGabriele Diewald) die 80 deutschen Sprachleitfäden, dieUniversitäten undFachhochschulen bis dahin veröffentlicht hatten (30 bis 40 % aller Hochschulen). In der Regel hatten die Leitfäden nicht den Charakter einer verbindlichen Dienstanordnung, sondern waren Ratgeber zu gendergerechten Formulierungsmöglichkeiten. Während die frühen Leitfäden vonSprachwissenschaftlern geschrieben worden waren, übernahmen das in der Folge die Gleichstellungsstellen selber; nicht immer war erkennbar, wer die Vorschläge erarbeitet hatte. Eine Einheitlichkeit der sprachlichen Praxis war nicht festzustellen.[142]
Nach den Verfassungsurteilen zur dritten Geschlechtsoption „divers“ in Deutschland 2017 und Österreich 2018 haben viele Gleichstellungsbeauftragte in Absprache mit Leitungsgremien und Fachabteilungen ihre internen Empfehlungen und Leitlinien angepasst, um in der offiziellen Kommunikation auch weitereGeschlechter undGeschlechtsidentitäten zu berücksichtigen („Inter- undTrans*-Personen“). Entsprechend finden sich zunehmend Bezeichnungen wie „gendergerechte“ oder „geschlechtersensible Sprache“, um diesoziale Inklusion zu verdeutlichen.
Fast alle öffentlich publizierten Hochschul-Leitfäden empfehlen mittlerweilegeschlechtsneutrale Formulierungen(Studierende; alle, die studieren), teils legen sie das Hauptgewicht darauf. Während viele Leitfäden noch dieBeidnennung empfehlen(Studentinnen und Studenten), lehnen andere dies als zweigeschlechtliche Lösung ab, ebenso den Schrägstrich oder das Binnen-I. Zu abgekürzten Schreibweisen geben viele Hochschulen spezielle Empfehlungen, insbesondere für knappe Texte – einige erlauben oder empfehlenGenderzeichen zur Sichtbarmachung vonnichtbinären Personen (neben Männern und Frauen), so auch der Verband der neunGerman Universities of Technology (TU9).[143]
Im März 2021 merkte derRat für deutsche Rechtschreibung (RdR) an, dass seineAnforderungen für geschlechtergerechte Texte von manchen Sprachleitfäden nicht erfüllt würden:
„Diese Kriterien geschlechtersensibler Schreibung werden von den in den letzten Jahren in manchen Bereichen, vor allem Kommunen und Hochschulen, verfügten Vorgaben zur geschlechtergerechten Schreibung nicht erfüllt. Das gilt vor allem für die Nutzung von Asterisk, Unterstrich, Doppelpunkt und anderen verkürzten Zeichen, die innerhalb von Wörtern eine ‚geschlechtergerechte Bedeutung‘ zur Kennzeichnung verschiedenerGeschlechtsidentitäten signalisieren sollen. […]
Für den Hochschulbereich erscheint fraglich, ob die Forderung einer ‚gegenderten Schreibung‘ in systematischer Abweichung vom Amtlichen Regelwerk der deutschen Rechtschreibung für schriftliche Leistungen der Studierenden und die Berücksichtigung ‚gegenderter Schreibung‘ bei deren Bewertung durch Lehrende von derWissenschaftsfreiheit der Lehrenden und der Hochschulen gedeckt ist. Hochschulen und Lehrende haben die Freiheit des Studiums nicht nur bei der Wahl von Lehrveranstaltungen, sondern auch bei der Erarbeitung und Äußerung wissenschaftlicher Meinungen der Studierenden zu beachten und zu schützen.“
Siehe auch unten:Debatten Pro und Kontra (Weblinks)
In seinem BuchLogbuch Deutsch beschrieb derGermanist undRomanistRoland Kaehlbrandt die geschlechtergerechte Sprache als Produkt einer „Bevormundungsgesellschaft“, deren Akteure mit „übertriebener Selbstgewissheit“ ihre sprachpolitische Agenda verfolgten und hierbei eine Art „Moraldeutsch“ ins Leben gerufen hätten. Auch ästhetische Argumente gegen das „Gerechtigkeitsdeutsch“ führte er an und konstatierte Künstlichkeit und den Verlust von Sprachschönheit: „Die sprachlichen Verrenkungen, die aus dem akademischen Milieu in die Öffentlichkeit gelangen, zeugen zwar von Engagement für die Sache, aber leider auch von Weltfremdheit und mangelndem Sprachgefühl.“[144]
DerSprachwissenschaftlerJosef Bayer problematisiert, dass die Gendersprache keine aus der Sprache selbst hervorgehendeEvolution darstelle, sondern „ein von aussen aufgesetztes Reförmchen“ sei. Mit natürlichem Sprachwandel habe „Gendersprache nicht das Geringste zu tun“.[145]
Kritiker der geschlechtergerechten Sprache werfen den Befürwortern vor, die KategorienGenus (grammatisches Geschlecht) undSexus (natürliches Geschlecht) nicht deutlich genug voneinander zu trennen. So vertreten etwa die SprachwissenschaftlerDamaris Nübling undHenning Lobin den Standpunkt, „dass in derLinguistik längst der Nachweis erbracht“ worden sei, „dass das Genus direkte Auswirkungen auf die Vorstellung von Sexus hat, und zwar konkret auf die Wahrnehmung.“[146] Auch fürAnatol Stefanowitsch ist es „wissenschaftlicher Konsens“ und „keine feministische Randposition“, dass sich das Genussystem des Deutschen „bei Personenbezeichnungen systematisch auf den Sexus der bezeichneten Person bezieht.“[147]
Die Sprachwissenschaftlerin Martina Werner kritisiert 2017, dieFeministische Linguistik mache „keinen Unterschied zwischen Genus und Sexus“ und setze damit „unbewusst die Argumentationslogik der Richtung fort, gegen die zu argumentieren sie eigentlich angetreten ist, nämlich die sexualisierende Grammatikschreibung.“ Werner bezweifelt, dass eine grammatische Kategorie wie das Genus ein „Diskriminierungspotenzial“ bergen kann. Als „Auslöser der Genus-Sexus-Debatte“ könne „die unter Umständen missverständliche Terminologie angenommen werden (Genus ‚masculinum, femininum‘).“[148] Die Kritik der Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski setzt 2020 an der gleichen Stelle an: „Gendern, also die Nutzung sogenannter gendergerechter Sprache, kann als Konsequenz der Vermengung des Merkmals Genus mit dem Merkmal Sexus angesehen werden.“[149]
Ein Großteil der Vorschläge für geschlechtergerechte Sprachformen im Deutschen resultiert aus dem Bemühen, den Gebrauch desgenerischen Maskulinums zu meiden, eine grammatische Form, die seit den 1980er Jahren im Fokus feministischer Sprachkritik steht.Luise F. Pusch: „Kurz, der wahre Feind ist das ‚generische Maskulinum‘, das (…) Frauen besser unsichtbar macht als jede Burka“.[150] Versuche, das generische Maskulinum zu rehabilitieren, wurden unter anderen von Sprachwissenschaftlern wiePeter Eisenberg,Helmut Glück undJosef Bayer unternommen, die systemlinguistisch argumentieren. So fordert Peter Eisenberg 2018 „Finger weg vom generischen Maskulinum!“ und beklagt einen „Krieg gegen das generische Maskulinum“. Eisenberg sieht im generischen Maskulinum „eine in der Sprache tief verankerte, elegante und leistungsstarke Möglichkeit zur Vermeidung von Diskriminierung.“ Er hält die semantische Charakterisierung des generischen Maskulinums „Frauen sind mitgemeint“ für inkorrekt: „Frauen sind gar nicht gemeint, ebenso wenig wie Männer oder Geschlechtsidentitäten jenseits der binären Norm.“[151]
Gisela Zifonun, bis 2011 Leiterin der Abteilung Grammatik amInstitut für Deutsche Sprache, weist 2018 darauf hin, dass das generische Maskulinum fest in der deutschen Sprache verankert sei, unter anderem in Wortbildungen (Suffigierungen) wieaufklärerisch, meisterhaft oderanfängerhaft. Ein solches Wort müsse notwendigerweise geschlechtsneutral sein, denn „Sexus oder Gender“ zähle „nicht zu den relevanten Komponenten des Begriffs“. Zifonun führt weiter aus, dass die in vielen Sprachzusammenhängen feststellbare „Irrelevanz von Gender- oder Sexusmerkmalen“ von den Gegnern des Genderns oft zur Verteidigung des generischen Maskulinums in Anspruch genommen wird: „Referenzsemantisch spricht einiges für diese Position.“[102]
Josef Bayer beruft sich 2019 in derNeuen Zürcher Zeitung auf dieMarkiertheitstheorie vonRoman Jakobson (1896–1982) und kritisiert die Gleichsetzung des Maskulinums mit biologischerMännlichkeit (siehe oben zurGenus-Sexus-Debatte). Wörter wieStudent undStudenten beinhalten in seinen Augen „keine Festlegung auf das natürliche Geschlecht und somit auf männliche Wesen.“ Er weist darauf hin, dass solche Substantiveunmarkierte Formen sind, „die den Bezug auf weibliche Wesen, die studieren, automatisch mit einschliessen.“[145] Der Journalist und PhilosophRené Scheu meinte 2019 im selben Medium, es sei an der Zeit, „das generische Maskulinum neu zu entdecken: Es ist von schlichter Eleganz, weil es niemanden aus-, dafür aber alle einschliesst.“[152]
Der geschlechtergerechten Sprache wird von einigen Kritikern vorgeworfen, sie beruhe auf einemsprachidealistischen Ansatz. Es wird in diesem Zusammenhang die Frage aufgeworfen, in welchem Maße Sprache das Denken beeinflusst und inwieweit ein gezielt herbeigeführter Sprachwandel einen gesellschaftlichen Wandel bewirken kann.Luise F. Pusch stellte wiederholt eine direkte Verbindungslinie zwischen Sprachwandel und sozialem Wandel her, so 2017: „Wir verändern die Sprache, damit verändern wir die Vorstellungen, die Bilder im Kopf, das Bewusstsein – und den ganzen Rest.“[153]
Der SprachwissenschaftlerHans-Martin Gauger hatte Pusch 2014 geantwortet, die feministische Sprachkritik überschätze „gewaltig die bewusstseinsbildende Macht einer Sprache.“[154] Auch die SprachwissenschaftlerinMargarete Jäger hinterfragte 2006 das Potenzial von Sprache, gesellschaftliche Veränderungen auszulösen: „Diese Vorstellung von der Kraft der Sprache macht zwar verständlich, weshalb die Linguistinnen meinen, durch sprachliche Veränderungen den Frauen einen entscheidenden Dienst zu erweisen, denn sie sehen einen mehr oder weniger starken Automatismus gesellschaftlicher Veränderung durch Veränderung der Sprache. Diesen Automatismus aber gibt es nicht. Er erinnert eher an sprachmagische Vorstellungen vergangener Zeiten, deren Relikte heute noch bei Flüchen und Beschwörungen zu beobachten sind“. Als Diskurstheoretikerin kritisiert Jäger eine in ihren Augen einseitige Fokussierung auf dasWie (Wortebene) und konstatiert eine Vernachlässigung desWas (Inhalt der Äußerungen/das Sprechhandeln), ohne damit jedoch grundsätzlich die Notwendigkeit einer geschlechtergerechten Sprache in Frage zu stellen.[155]
Gisela Klann-Delius vertrat 2008 die Auffassung, die Sprache sei für gesellschaftliche Probleme weder verantwortlich, noch könne sie diese beheben.[156] Ähnlich sieht esWolfgang Klein, der 2019 einwendet, die Rolle der Sprache werde in diesem Zusammenhang „ein bisschen überschätzt“.[157]
Die SprachwissenschaftlerinGisela Klann-Delius nannte 2005 in ihrem BuchSprache und Geschlecht als einen Kritikpunkt, dass bei gegenderten Texten der Aspekt des Geschlechtlichen häufig in einer Weise in den Vordergrund trete, die von der beabsichtigten Kernaussage ablenke; Beispiel für eine konventionelle Formulierung mit geschlechtergerechter Variante:[158]
→Ärztinnen und Ärzte räumen dem therapeutischen Beruf allenfalls eine tröstende Funktion ein.
Klann-Delius merkte an, dass bei der Umformulierung wesentliche „Ausdrucksnuancen verschwinden“ und „der konkrete Gehalt der Äußerung (Therapeut als Tröster) einer geschlechtergerechten, aber wenig lebendigen und konkreten Darstellungsweise“ geopfert werde.[158]
Als weitere Kritik wird vorgebracht, dassgegenderte Texte beim Einsatz vonschriftbildbezogenen Gestaltungsmitteln wieSchrägstrich undBinnen-I für den mündlichen Vortrag nur wenig geeignet seien (siehe obenAussprache von Kurzformen).
DieGesellschaft für deutsche Sprache lehnte im August 2020 das Binnen-I sowie Schreibweisen mit Genderzeichen ab, weil sie sich beim Vortragen nicht eindeutig verschriftlichen ließen – unklar bleibe, was im vorgetragenen Text stehe. Außerdem könne es zu Missverständnissen beim mündlichen Vortrag kommen, wenn etwa beim Hören nur die weibliche Form wahrgenommen werde (sieheGfdS-Kritik zur Verschriftlichung von Gender-Pausen).
DerDeutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) erklärte im März 2021: „Fürblinde undsehbehinderte Menschen ist das Gendern durch Satz- und Sonderzeichen problematisch.“ Genderzeichen würden dieBarrierefreiheit bezüglich des Vorlesens von Texten durchScreenreader-Programme einschränken (siehe oben zur DBSV-Position).[159]
Einige Sprachwissenschaftler und Schriftsteller lehnen die Verwendung dessubstantivierten Partizips I zur Bildung von Ersatzformen(Studierende, Lehrende, Teilnehmende) aus semantischen Gründen ab. Eine solcheWortbildung beschreibe üblicherweise eine Person, die gerade etwas tue (Aspekt der Gleichzeitigkeit).Wolfgang Klein verdeutlichte 2019 in denLübecker Nachrichten den Unterschied: „Der Fahrer und der Fahrende zum Beispiel, das ist schon etwas anderes. Der Fahrende ist der, der gerade fährt. Die Tänzerin muss nicht unbedingt gerade tanzen, die Tanzende aber sehr wohl“.[160] DerSchriftstellerMax Goldt meinte im Jahr 2002, nicht alle Studenten seien immer „studierend“ (mit ihrem Studium beschäftigt) und nicht alle, die sich gerade Studien widmeten, seien zwangsläufig auch Studenten oder Studentinnen: „Wie lächerlich der Begriff Studierende ist, wird deutlich, wenn man ihn mit einem Partizip Präsens verbindet. Man kann nicht sagen: In der Kneipe sitzenbiertrinkende Studierende. Oder nach einem Massaker an einer Universität: Die Bevölkerung beweint diesterbenden Studierenden. Niemand kann gleichzeitig sterben und studieren.“[161] Der SprachforscherHelmut Glück hat der Verwendung des Partizip I in der geschlechtergerechten Sprache 2020 ein ganzes Buch gewidmet.[162]
Der LinguistPeter Eisenberg sieht eine Daseinsberechtigung von Partizipialsubstantiven, weist aber darauf hin, dass das Partizipialsubstantiv eine andere Bedeutung als dasNomen Agentis hat: So sei „Die Mitarbeitenden werden das Ziel der Klasse erreichen“ etwas völlig anderes als „Die Mitarbeiter von Audi werden Erfolg haben.“[163]
Klann-Delius nannte 2005 als weiteren Kritikpunkt, die geschlechtergerechte Sprache bekräftige die „Relevanz von Geschlecht als sozialer Kategorisierung“ weiter, obwohl die Intention des Gleichstellungsgedankens eigentlich in die gegenteilige Richtung ziele.[158]
DerPsycholinguistWolfgang Klein fasste 2008 inBild der Wissenschaft zusammen: DerSexismus, der eigentlich bekämpft werden soll, werde mit den gendergerechten Schreibweisen erst in die Sprache eingeführt. Die Beidnennungen würden jetzt erst unterstreichen, dass ein weiblicher Professor nur eine Professorin sein kann – und möglicherweise doch keine Frauen gemeint sein könnten, wenn von Politikern die Rede ist.[164]
Die JournalistinCaroline Fetscher schrieb 2019 imTagesspiegel von einem „Grundwiderspruch“ in den Reformkonzepten: „Frauen sollen auftauchen und zugleich Geschlechter verschwinden – Aktuelle Reformkonzepte plagen sich hier mit einem Grundwiderspruch herum. Einerseits sollen Frauen in ‚Bürger*innen‘ auftauchen (selten angeführt werden ‚Kriegsverbrecher*innen‘ oder ‚Täter*innen‘). Andererseits soll die binäre Geschlechterordnung – männlich, weiblich – verschwinden. Einerseits soll also Identität betont werden, andererseits universalistische Gleichheit.“[165]
Die SchriftstellerinNele Pollatschek äußerte 2020 imTagesspiegel Kritik an der Strategie der Sichtbarmachung des Geschlechtes und bezeichnete Gendern als „sexistisch“. Denn Gendern mache das Geschlecht des Bezeichneten zur wichtigsten Informationskategorie. Sie verwies auf die Situation in Großbritannien, wo Feministinnen sich für die Abschaffung feminin markierter Wörter wieactress oderauthoress einsetzen. Pollatschek besteht darauf, als „Schriftsteller“ bezeichnet zu werden: „Ich gendere nicht, ich möchte nicht gegendert werden, gerade weil ich weiß, wieDiskriminierung sich anfühlt.“[166]
Kritiker der geschlechtergerechten Sprache verweisen darauf, dass diese von tatsächlichen sozialen Ungleichheiten ablenke oder diese verdränge. Laut der österreichischen Ethnologin Ingrid Thurner veränderten etwa Alternativformen wie dasBinnen-I nichts an den tatsächlichen Ungleichstellungen zwischen Männern und Frauen.[167] Das überproportionale Interesse für gendergerechte Sprache wird mitunter alsneoliberale Strategie kritisiert, die von der sozialen Ungleichheit zwischen armen und reichen Bevölkerungsgruppen ablenke.[168] Gendergerechte Sprache wird in diesem Zusammenhang – unter anderem von dem PhilosophenRichard David Precht – alslinke Symbolpolitik eingeordnet, die reale Verhältnisse nicht verbessere.[169]
Dieses Argument gegen geschlechtergerechte Sprache wird auch häufig kritisiert alsrhetorisches Ablenkungsmanöver (Whataboutism): Sprachliche Gleichstellung und sozioökonomische Gleichstellung schlössen sich gegenseitig nicht aus, sondern könnten vielmehr parallel verfolgt werden.[170][171]
Befürworter der geschlechtergerechten Sprache verweisen oft auf psycholinguistische Studien, die empirisch belegten, dass bei der Rezeption des generischen Maskulinums verstärkt an männliche Personen gedacht werde. Der „gedankliche Einbezug von Frauen“ sei beim generischen Maskulinum geringer als bei geschlechtergerechten Sprachformen.[172]
Einige Sprachwissenschaftler stellen die Aussagekraft dieser Studien in Frage: „Tests dieser Art sagen nichts aus über eine generell mit dem generischen Maskulinum assoziierte mentale Sexus-Zuweisung“, stellt die Linguistin Gisela Zifonun fest.[173] Die Sprachwissenschaftlerin Ewa Trutkowski weist darauf hin, dass es stark vom sprachlichen Kontext abhänge, welche Assoziationen ein Wort auslöst. Assoziationsstudien, die in so differenzierter Form unterschiedliche Kontexte berücksichtigen würden, gebe es aber bislang nicht. Nach ihrer Einschätzung bewegten sich Verfechter des Genderns, die sich auf solche Studien berufen, auf „dünnem Eis“.[149]
Auch der SprachwissenschaftlerPeter Eisenberg hält die Aussagekraft von psycholinguistischen Studien für eher gering: „Assoziationstests sind unbrauchbar, wenn es um die Frage geht, welches die Grundbedeutung von Lehrer, Spion oder Soldat ist.“[174]
Sabine Mertens vomVerein Deutsche Sprache hält die gendergerechte Sprache für ein „Elitenthema“, das bloß an Universitäten und imFeuilleton diskutiert werde, für die meisten Menschen aber nicht nachvollziehbar sei und sie verunsichere.[175] Uli Fricker,Redakteur desSüdkurier, zieht 2019 diesbezüglich Parallelen zum 18. Jahrhundert, als „die Elite plötzlichfranzösisch sprach, um sich vom Volk abzuheben“. Die Mehrheit der Sprachnutzer würde sich bevormundet und abgehängt fühlen von dem „komplizierten Gender-Schnack mit seinen Fallen und Gruben“.[176]
Seit 2014 wurden von verschiedenen Gruppierungen Aufrufe und Kampagnen gegen bestimmte Ausprägungen geschlechtergerechter Sprache initiiert. Insbesondere wird dabei das Festhalten am generischen Maskulinum gefordert, das als sprachliche Normalität angesehen wird. So unterschrieben im Jahr 2014 in Österreich rund 800 Personen, darunter Professoren, Lehrer und Journalisten, einen offenen Brief an die Bildungs- und Frauenministerin und den Wissenschaftsminister mit Kritik an der „sprachlichen Gleichbehandlung“.[177][178] Im März 2019 veröffentlichte der Verein Deutsche Sprache einen Aufruf mit dem Titel „Schluss mit Gender-Unfug!“[179][180][181] Im Sommer 2022 forderten mehr als 200 Sprachwissenschaftler, Philologen und weitere Unterzeichner die Öffentlich-Rechtlichen Sender in einem Aufruf auf, ihre Genderpraxis zu revidieren.[182][183]
1973 untersuchte die US-amerikanischeSprachwissenschaftlerinRobin Lakoff im Zusammenhang mit derzweiten Welle der Frauenbewegung die unterschiedliche Sprache von Männern und von Frauen imEnglischen. Unter der ÜberschriftLanguage and Woman’s Place („Sprache und die Stellung der Frau“) arbeitete Lakoff heraus, welcheBedeutungsinhalte undEinstellungen die Sprechenden jeweils transportieren. Die Studie zurMarginalisierung von Frauen in der Sprache und imSprachgebrauch zeigte auf, wie die benachteiligte Stellung der Frau in gesellschaftlichen Bereichen sowohl zum Ausdruck gebracht als auch bekräftigt wird.[d: 30][184] Dieser Arbeit wird oft zugeschrieben, das Verhältnis vonSprache undGender/Geschlecht als Forschungsobjekt in der Sprachwissenschaft und anderen Disziplinen angestoßen und etabliert zu haben (vergleicheGender-Defizit-Modell). Bald darauf begann die neue Disziplin derGenderlinguistik geschlechtsspezifischeVarietäten von Sprache zu untersuchen.[185]
Substantive
In der englischen Sprache haben Substantive kein grammatisches Geschlecht (Genus) und Personenbezeichnungen sind allgemein geschlechtsneutral (Sexus-indifferent). So kann das englische Wortteacher sowohl einen Lehrer als auch eine Lehrerin oder einenichtbinäre Person bezeichnen und von allen alsBerufsbezeichnung benutzt werden. Die Ableitung geschlechtsspezifischer Wortformen spielt kaum eine Rolle, nur wenige Bezeichnungen werden abgeleitet, etwamister → mistress (Frau, Herrin) oderAdelstitel wieprince → princess (Prinzessin). Abgeleitete Berufsbezeichnungen wieactress (Schauspielerin) oderstewardess (Flugbegleiterin) gelten alsabwertend gegenüber den männlichen Entsprechungen und finden sich seit der Jahrtausendwende immer seltener (vergleicheMovierung im Englischen).[186] Eine Ausnahme hiervon ist die Aufteilung derOscar-Auszeichnungen inBest Actor (Bester Hauptdarsteller) undBest Actress (Beste Hauptdarstellerin).
Pronomen
Dergenerische Gebrauch von Maskulina wurde erstmals 1973 kritisch untersucht in Bezug auf geschlechtsspezifischeStellenausschreibungen.[187] 1975 folgte die StudieAndrocentrism in Prescriptive Grammar („Androzentrismus inpräskriptiver Grammatik“) zuPersonalpronomen, die festhielt, wie der britische Staat im Jahr 1850 gesetzlich in den bis dahin üblichenSprachgebrauch eingegriffen hatte, um den Gebrauch des männlichen Pronomenshe imgenerischen Sinne zu erzwingen.[188]
Im Englischen findet sich seit dem 14. Jahrhundert – etwa hundert Jahre nach dem Aufkommen derPlural-Pronomen – auch die unbestimmte Verwendung des pluralen Pronomensthey in dersingularen Bedeutung für eine einzelne Person, als neutrale Alternative zu den geschlechtsbezogenen Pronomenhe undshe.[189] Ab Mitte der 2010er-Jahre verbreitet sich das singularethey für nichtbinäre Personen. Daneben gibt es immer wieder Vorschläge für geschlechtlich unbestimmte Fürwörter wiexe,ze oder daszie/hir vonNorrie May-Welby;[190] der US-amerikanische Mathematiker Michael Spivak erfand die sogenannten „Spivak-Pronomen“e/em/eir/eirs/emself. Von diesen kreativen Lösungen konnte aber noch keine nennenswerte Verbreitung oder Akzeptanz erlangen (sieheGender Census 2021). Als Schrägstrichschreibung findet sich mitunters/he (entspricht dem deutschen Vorschlag „sier“).
Anrede
Als geschlechtsneutraleAnrede ist die FormMx (gesprochen „Mix“ oder „Max“) seit der Jahrtausendwende aufgekommen, dabei werden die Endungen der männlichen AnredeMr (Mister „Herr“) und der weiblichen FormMrs oder kurzMs (Mistress „Frau“) durch ein „x“ ersetzt. 2015 nahm das britische WörterbuchOxford English Dictionary die AnredeformMx auf.[191][192][193] Die US-amerikanische SchreibweiseMx. (stattMr. oderMs.) steht seit 2016 imMerriam-Webster’s Dictionary.[194]
In derfranzösischen Sprache gibt es im Unterschied zum Deutschen verschiedenePersonalpronomen für die zwei Geschlechter auch in der Pluralform: „sie singen“ heißtils chantent für männliche undelles chantent für weibliche Personen. Für gemischtgeschlechtliche Personengruppen werden die männlichen Pronomen verwendet.[195]
Für einigeBerufsbezeichnungen gibt es geschlechtsneutraleSubstantive, sogenannteépicènes, beispielsweisel’architecte (der/die Architekt/-in) –le/la pianiste (der/die Pianist/-in) –le/la sécretaire (der/die Sekretär/-in).[196] Als neue geschlechtsneutrale Bezeichnungen(nouveaux épicènes) kommen Bezeichnungen wiele/la juge (der/die Richter/-in) undle/la ministre (der/die Minister/-in) hinzu: So löste etwa in der französischen Politik gegen Ende des 20. Jahrhunderts die AnredeMadame la Ministre die zuvor verwendete AnredeMadame le Ministre weitgehend ab.
Bereits ab den 1970er-Jahren wurden für Berufsbezeichnungen mit maskulinem Genusfeminine Movierungen vorgeschlagen: Bezeichnungen, die auf-eur enden, bekommen die weiblicheEndung-euse oder-trice, beispielsweiseun animateur → une animatrice (Moderator/-in) oderun vendeur → une vendeuse (Verkäufer/-in). Bei anderen Bezeichnungen wird ein-e angehängt, wodurch sich die Schreibweise, nicht aber die Aussprache ändert:un délégué → une déléguée (Delegierter/Delegierte). Sowohl in Stellenausschreibungen als auch in der Presse fanden die Femininformen von gehobenen Berufen aber in Frankreich keine Anwendung.[196] ImfrankokanadischenQuébec fanden Bezeichnungen wiedéputée (Abgeordnete) undchirurgienne (Chirurgin) schon in den 1970ern ohne Weiteres Eingang in die Behördensprache, dann inBelgien,Luxemburg und in derfranzösischsprachigen Schweiz.[197]
1984 setzteYvette Roudy, französische Ministerin für die Rechte der Frau, eine Kommission für die Formulierung frauengerechter Berufs- undFunktionsbezeichnungen ein. Deren Vorschläge zu weiblichen Bezeichnungen,Titeln undDienstgraden ließ der scheidende sozialistische PremierministerLaurent Fabius 1986 den entsprechenden Dienststellen zur Beachtung zukommen(Circulaire du 11 mars 1986 relative à la féminisation des noms de métier, fonction, grade ou titre).[198][199]
1992 ergab eine Umfrage, dass die Ableitungen von Endungen mit-eur zu-euse oder-eure unbeliebt waren (etwaauteuse beziehungsweiseauteure). Auch die Bildung mit-esse wurde mehrheitlich abgelehnt (Ausnahme:doctor → doctoresse). Den höchsten Zuspruch bekamen zwei Kombinationen:[196]
1999 stellte die staatliche ForschungsorganisationCentre national de la recherche scientifique eine Liste mit weiblichen Berufsbezeichnungen zusammen und schlug beispielsweise die feminine Formécrivaine (Schriftstellerin) vor.
DieAcadémie française lehnte vorgeschlagene Schreibweisen oder Beidnennung mit einer femininen Form stets ab: Dasgenerische Maskulinum sei die neutrale, unmarkierte Form.[200] Die Aufgabe der staatlichen Académie ist seit 1635 die „Vereinheitlichung und Pflege der französischen Sprache“.
Im November 2023 beschloss derfranzösische Senat mit konservativer Mehrheit ein Verbot, gendersensible Sprache „in Schriftstücken der Verwaltung, in Gebrauchsanweisungen, Arbeitsverträgen sowie sonstigen Alltagsdokumenten“ zu verwenden.[201]
Écriture inclusive
2017 erschien ein französisches Schulbuch mitécriture inclusive („inklusive Schreibweise“), in dem alsgendergerechte Form der sogenannteMediopunkt verwendet wurde, beispielsweise inles député·e·s et les électeur·rice·s (Abgeordnete und Wähler·innen). Hilfsweise wird mittlerweile meist der einfache Punkt eingesetzt(les député.e.s et les électeur.rice.s). Der Mediopunkt wird beim Lesen nicht gesprochen; stattdessen werden beide Geschlechter genannt (tout.e.s wird zutous et toutes odertoutes et tous).[202] PremierministerÉdouard Philippe wies die staatlichen Behörden umgehend an, diese Gender-Schreibweisen nicht in amtlichen Texten zu gebrauchen: Die Staatsverwaltung müsse sich „aus Gründen der Verständlichkeit und der Klarheit an die grammatischen und syntaktischen Regeln halten“.[203][204][205] Zuvor hatte sich bereits der französischeBlindenverband gegen dieécriture inclusive ausgesprochen, weil sieSehbehinderten die Nutzung von Vorleseprogrammen (Screenreadern) fast unmöglich mache. Die Académie française sprach sogar von einer „tödlichen Gefahr“ für die französische Sprache, „für die sich unsere Nation gegenüber den künftigen Generationen von nun an zu verantworten hat“.[206] Die Académie verwarf weiterhin alle Formen der geschlechtergerechten Sprache, selbst weibliche Endungen für Berufsbezeichnungen; dem folgte der Premierminister jedoch nicht, sondern erklärte weibliche Formen ausdrücklich für erwünscht.[200][207] DieWeltgesundheitsorganisation (WHO), dieVereinten Nationen (UN) sowie dieEuropäische Union (EU) veröffentlichten weiterhin französischsprachige Dokumente in inklusiver Schrift.[206]
2019 stellte die Académie mit nur zwei Gegenstimmen fest, dass es keine prinzipiellen Hinderungsgründe gibt, in der französischen Sprache Berufsbezeichnungen, Funktionsbezeichnungen, Titel undakademische Grade in der weiblichen Form zu verwenden.[208]
Im Mai 2021 gab Frankreichs BildungsministerJean-Michel Blanquer perErlass bekannt, dass Berufs- und Funktionsbezeichnungen von Frauen jetzt offiziell in weiblicher Form erlaubt sind. Das Ministerium empfiehlt die Nutzung der femininen Formen und fordert, dass „die Wahl von Beispielen oder Aussagen“ im Schulunterricht „die Gleichberechtigung von Mädchen und Jungen respektieren müsse, sowohl durch feminisierende Begriffe als auch durch die Bekämpfungstereotyper Darstellungen“.[209]
Ausdrücklich verboten – wie seit 2017 in den Ministerien – ist an Schulen und im Bildungsbereich seitdem die Verwendung derécriture inclusive in der Schriftsprache (mehrgeschlechtliche Schreibweisen mit Mediopunkt:député·e·s, oder mit Punkt:député.e.s): Pünktchenwörter zur Umsetzung der geschlechtergerechten Sprache seien zu komplex und behinderten das Lesen und Erlernen des Französischen.[210][206] Die Einhaltung der grammatischen Regeln im Schulunterricht seide rigueur (streng zu befolgen). Zuvor hattenHélène Carrère d’Encausse, Ständige Sekretärin der Académie française, undMarc Lambron, Direktor der Académie, am 5. Mai mitgeteilt, dass inklusives Schreiben „nicht nur kontraproduktiv“ im Kampf gegensexistische Diskriminierung sei, „sondern auch schädlich für die Praxis und die Verständlichkeit der französischen Sprache“.[209] Die BildungsgewerkschaftSUD warf dem Minister vor, der pädagogischen Gemeinschaft seine eigene Rückständigkeit aufzuzwingen.[210]
Um auch nichtbinäre Menschen sprachlich einzubeziehen, wurde das neutrale Personalpronomeniel geschaffen, das aus dem maskulinenil und dem femininenelle zusammengesetzt ist. Im Oktober 2021 wurde dasNeopronomen in das Online-Wörterbuch desRobert aufgenommen.[211][212]
In derspanischen und derportugiesischen Sprache wird aufgrund der häufigstenMarkierungen desGenus eines Wortes durch die Endung-o oder-a von manchen das Schriftzeichen „@“ (At-Zeichen) als Kombination beider Buchstaben verwendet.[213] So wird die Begrüßung „Liebe Freundinnen und liebe Freunde“ auf Portugiesisch eingekürzt:Caras amigas e caros amigos → Car@s amig@s. In vielenromanischen Sprachen werden Adjektive wie gezeigt anders als im Deutschen auch im Plural genusabhängig dekliniert.
Weil Spanisch eine weltweit gesprochene Sprache ohneNormierungsinstanz ist, entwickeln einzelne Sprachgemeinschaften unterschiedliche Ansätze des Genderns. Im Rahmen der weltweitenGender-Debatte zur Sichtbarkeit der Geschlechter ersetzen junge Leute beispielsweise inArgentinien die feminine Endung-a und das maskuline-o durch ein neutrales-e, etwa beibienvenidos (Willkommene) →bienvenides, oder beisecundarias (Sekundarschüler) →secundaries.[214] Auch findet sich neben dem weiblichenPronomenella (sie) und dem männlichenél (er) die genderneutrale Formelle. In offiziellen Texten wurde diese Praxis jedoch vom argentinischen PräsidentenJavier Milei verboten.[215]
In denUSA, die einen Bevölkerungsanteil von über 18 %Hispanics undLatinos haben, wird neben der Kurzform mit dem At-Zeichen auch das „x“ als geschlechtsneutrale Endung eingesetzt:Latina & Latino → Latin@ oderLatinx (vergleicheX-Endung als experimenteller Vorschlag im Deutschen, japanischesX-gender).[213]
Im Portugiesischen wird das Morphem {-e} anstelle von {-o} bei bestimmten Wörtern für die maskuline Form verwendet, so zum Beispiel beim Subjektpronomenele („er“). BeimElu-System werden daher für diese Wörter anstelle des Morphems {-e}, welches sogar der geschlechtsneutrale definite Artikel ist, das Morphem {-u} verwendet:elu.[216]
Dieser Abschnitt orientiert sich an einem Artikel des Hochschullehrers für niederländische SpracheMatthias Hüning.[217]
Im Niederländischen wird das generische Maskulinum weitgehend als neutrale Form akzeptiert. Sprecher des Niederländischen gehen von einer mittelfristigen Bedeutungsverschiebung aus (semantische Verschiebung), männliche Formen würden aufgrund des gesellschaftlichen Wandels auf Dauer neutraler verstanden; je mehr Frauen Professorenstellen besetzen, umso weniger werde mit dem WortProfessor ein Mann assoziiert. Wichtige Tageszeitungen(de Volkskrant,NRC Handelsblad) haben 2016 entschieden, keine weiblichen Berufs- und Funktionsbezeichnungen mehr zu verwenden.
Ein Geschlechter übergreifendes Verständnis der männlichen Wortformen wird durch zwei Aspekte des Niederländischen begünstigt:
Es gibt auch in den Niederlanden kritische Stimmen, die für eine stärkere Differenzierung und Sichtbarmachung durch die Verwendung weiblicher Formen plädieren. Dies scheint aber eine klare Minderheitenposition zu sein. Doppelnennungen oder ein Ausweichen auf Partizip-Formen werden in den Niederlanden und in Flandern kaum beobachtet.
In derschwedischen Sprache gibt es seit 2015 offiziell neben den beidenpersönlichen Fürwörternhan („er“) undhon („sie“) das geschlechtsneutralehen (nicht übersetzbar, am ehesten: „sier“). Es ist geschlechtlich unbestimmt und meint eine Person unbekannten oder unbestimmten Geschlechts, weshalb es auch für Personen mitnichtbinärer Geschlechtsidentität verwendet werden kann. Seinen Ursprung hathen in den 1960er-Jahren, als schwedische Sprachwissenschaftlerinnen und Sprachwissenschaftler es – nach dem Vorbild desFinnischen – empfahlen zur Vereinfachung der Beidnennunghan eller hon („er oder sie“). Zunächst setzte sich der Vorschlag aber in Schweden nicht durch.[218][219] 2012 erschien das KinderbuchKivi & Monsterhund von Jesper Lundqvist, in dem die Hauptfigur mit dem Fürworthen bezeichnet und allgemein auf Geschlechterzuschreibungen verzichtet wurde. Das Buch löste eine gesellschaftliche Debatte über Geschlechtersensibilität in Schweden aus. 2014 nahm dieSchwedische Akademiehen in ihre Wortliste auf und seit April 2015 steht es auch im offiziellen Wörterbuch der schwedischen SpracheSvenska Akademiens ordlista (demDuden vergleichbar).[219][220]
Dieisländische Sprache hat das geschlechtsneutrale Pronomenhán als Zusammenfassung von „er/sie“ (ähnlich zum neuenschwedischenhen). Es wird seit 2016 an derUniversität Island gelehrt und wurde aus demfinnischenhän gebildet.[221] Die finnische Sprache ihrerseits kennt kein grammatisches Geschlecht (Genus).[222]
Diethailändische Sprache kennt keingrammatisches Geschlecht. Bestimmte Substantive haben eine geschlechtsspezifische Bedeutung, etwachaiชาย „Mann“ –yingหญิง „Frau“ –phoพ่อ „Vater“ –maeแม่ „Mutter“ –rachaราชา „König“ –rachiniราชินี „Königin“. Die meisten Substantive sind hingegen in ihrerlexikalischen Bedeutung geschlechtsneutral, etwakhon (คน „Mensch“),khru (ครู „Lehrer/-in“) odernakrian (นักเรียน „Schüler/-in“, wörtlich „Person-lernen“). Soll das Geschlecht der Person mitangegeben werden, so erfolgt dies durchWortzusammensetzung, etwanakrian-chai (นักเรียนชาย „Schüler“, wörtlich „Person-lernen-Mann“) undnakrian-ying (นักเรียนหญิง „Schülerin“, wörtlich „Person-lernen-Frau“). Selbst manche Bezeichnungen für Familienmitglieder sind in ihrer Grundform geschlechtsneutral, etwaphi (พี่ „älteres Geschwister“) undnong (น้อง „jüngeres Geschwister“). Soll hingegen mitgeteilt werden, ob es sich um einen Bruder oder eine Schwester handelt, ist wiederum eine Zusammensetzung erforderlich, etwaphi-sao (พี่สาว „ältere Schwester“) undnong-chai (น้องชาย „jüngerer Bruder“).[223]
Mit Bezug auf Gruppen verschiedenen Geschlechts wird in der Regel die geschlechtsneutrale Grundform verwendet. Auch bei der Anrede eines Publikums werden meist geschlechtsneutrale Bezeichnungen verwendet, etwathan phu mi kiat (ท่านผู้มีเกียรติ „geehrte Gäste“) statt „meine Damen und Herren“. Nur wenn besonders betont werden soll, dass einer Gruppe Personen beiderlei Geschlechts angehören, werden die geschlechtsspezifischen Zusammensetzungen verwendet.[224]
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