DieGeschichte des Burgenlandes deckt sich in vielen Epochen mit derösterreichischen sowieungarischen Geschichte. Dieser Artikel ist ein Überblick über die regionsspezifischen Eigenheiten und die historische Entwicklung bis zum heutigenBundeslandBurgenland.
Die Vor- und Urgeschichte des Burgenlandes wurde dadurch beeinflusst, dass das Land den westlichsten Teil eines „Wurmfortsatzes“ darstellt, welchen der eurasische Steppengürtel bildet, der von der östlichenMongolei bis an den östlichenAlpenrand reicht. Wesentlichster Teil dieser Steppe mit ihren typischenSchwarzerden ist westlich derKarpatenunterbrechung diePuszta. Senkungen imTertiär führten zur Bildung desWiener und desPannonischen Beckens, die mit dem Abtragungsschutt der umrahmenden Gebirge aufgefüllt wurden. Die Neusiedler Bucht ist der Westausläufer derUngarischen Tiefebene.
Die Bestandsaufnahme der urgeschichtlichen Fundstellen im Burgenland ist ungleichmäßig. Der BezirkOberpullendorf gehört zu den am besten erforschten Gebieten des Burgenlandes. Die systematische Aufnahme der urgeschichtlichen Fundstellen, des eisenzeitlichenTagebaus aufRaseneisenerz und derVerhüttungsspuren sowie deren Kartierung ist der Tätigkeit vonJosef Polatschek zu verdanken.
Die ältesten Funde, kleine Steingeräte (Mikrolithen), stammen aus demMesolithikum und wurden beiNeusiedl am See entdeckt.
Die ältesten Siedlungsspuren reichen an den Beginn derJungsteinzeit, der Vornotenkopfphase derLinearbandkeramik zurück und sind rund 8000 Jahre alt. Seither ist das Burgenland kontinuierlich besiedelt. Funde der älteren Jungsteinzeit stammen etwa ausPurbach,Donnerskirchen,Neckenmarkt sowie von etlichen weiteren Fundorten – vor allem aus dem Bezirk Oberpullendorf.
Ein bedeutender Fund, der derBadener Kultur zugeordnet werden kann, wurde inZillingtal entdeckt. In einerAbfallgrube wurde dertrepanierte Schädel eines Mannes entdeckt. Vernarbungsspuren an den Knochenrändern belegen, dass er den Eingriff überlebte.
Die ältesten Nachweise derBronzezeit gehören dem frühbronzezeitlichen Formenkreis des Typus Oggau-Sarród und die jüngeren derWieselburgerkultur an. Das Kultgerät vonHaschendorf ist einer der bekanntesten bronzezeitlichen Funde des Burgenlands. Das trommel- oder thronartig anmutende Bronzeobjekt unbekannter Funktion – ein Vergleich zurHimmelsscheibe von Nebra bietet sich nach derzeitigem Forschungsstand an – hat seine einzige Parallele im 1200 km entfernt liegendenBalkakra in Süd-Schweden.[1] Eines der elf in Österreich bekannten „Brotlaibidole“ stammt vomFöllik beiGroßhöflein, wo sich eine bronzezeitliche Befestigung befand.
Die ältereEisenzeit (Hallstattzeit) ist durch zahlreich befestigte Höhensiedlungen undHügelgräber belegt. Am bekanntesten darunter sind dieWallanlagen vonPurbach und Burg, die unterDenkmalschutz stehenden,Grabhügel von Donnerskirchen und die gewaltigen Grabhügel vonSchandorf, die zu den größten Österreichs zählen. Ein Nachweis für den intensiven Fernhandel der älteren Eisenzeit sind 120 haselnussgroßeBernsteinperlen, die 1909 in einem Hügelgrab beiDeutschkreutz gefunden wurden. Spuren für den ältesten burgenländischenWeinbau stammen aus dem Hügelgrab vonZagersdorf. Der dort bestatteten Frau waren ihr Bronzeschmuck und über 50 Gefäße mit Inhalten als Beigaben zur Seite gestellt worden. Unter den zahlreichen Funden konnten auch drei Weinkerne gefunden werden, die den Anbau der KulturrebeVitis vinifera, und zwar einerWeißweinsorte, belegen.
Die jüngere Eisenzeit,Latènezeit, steht schon an der Schwelle zur Frühgeschichte. Die Träger dieser Kultur waren dieKelten. Im Bezirk Oberpullendorf befand sich zu dieser Zeit ein blühendes keltisches Eisenindustriezentrum, das seine Überschüsse weit verhandelte. Das inPingen abgebauteRaseneisenerz wurde imRennofen (Typus Burgenland) verhüttet. Die ausgeschmolzeneLuppe (Ofensau) reichte nach dem Ausschmieden an die Qualität vonWerkzeugstahl heran. Das hochwertige Produkt wurde von den Römern alsFerrum Noricum (Norisches Eisen) bezeichnet und war für die wachsende römische Rüstungsindustrie von großer Bedeutung.
ZurRömerzeit war das Gebiet des heutigen Burgenlandes Teil der ProvinzPannonia, die das gesamte spätereUngarn am rechtenDonauufer umfasste. Die Römer gründeten an derBernsteinstraße mitScarabantia (Sopron) undSavaria (Steinamanger) zwei Städte, die in der späteren Geschichte des Burgenlandes herausragende Bedeutung erlangen sollten. Daneben zeugen archäologische Funde vom Leben der Römer im Burgenland. Römische Villen vom Typ derVilla rustica bestanden beispielsweise inKlingenbach,Zurndorf,Nickelsdorf,Weiden am See,Halbturn,Baumgarten,Leithaprodersdorf,Deutschkreutz undSankt Martin an der Raab. Römische Gräberfelder findet man unter anderem inSigleß,Pilgersdorf,Pinkafeld,Königsdorf,Schandorf undRax. BeiRechnitz wurde eine römische Wasserleitung erschlossen.[2]
Im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts war die römische Provinz Pannonien von Angriffen verschiedener Gruppen wie Germanen,Alanen und Hunnen betroffen. Daraufhin wurde diesen Stämmen von Rom die Ansiedlung alsFoederaten in Pannonien zugestanden. Südlich der Donau siedelten nunMarkomannen undQuaden, die man beide auch alsSueben bezeichnet.[3]
433 gab Rom aus politischen Gründen Teile Pannoniens an dieHunnen ab, womitWestrom die Herrschaft über dieses Gebiet endgültig abgeben musste. Möglicherweise kam das heutige Burgenland aber erst zur Zeit des GroßfürstenAttila (445–453), der mit seinen germanischen Verbündeten große Eroberungszüge in den Westen unternahm, endgültig in den hunnischen Machtbereich.[4] Die Hunnen herrschten hier jedenfalls bis 453 n. Chr. Nach dem Tod Attilas (453) sagten sich dieOstgoten von den Hunnen los, denen sie sich zuvor unterworfen hatten. Abgesehen von Zerstörungsschichten in römischen Ruinen gibt es kaum archäologische Spuren von den Hunnen im heutigen Burgenland.[3] Im burgenländischenStoob werden Tonkrüge mit der Bezeichnung Hunnen-Plutzer hergestellt, deren Form möglicherweise auf die Hunnen zurückgeht.[5]
454 besiegte ein Bund derGepiden unter deren KönigArdarich in derSchlacht am Nedao ein Heer der Hunnen. Daraufhin erhielt der ostgotische KönigValamir vomoströmischen Kaiser die Erlaubnis sich in Pannonien anzusiedeln.[3]Thiudimir, der Bruder des Königs Valamir, nahm seinen Sitz am Pelsodsee (Neusiedler See) und herrschte hier relativ selbständig über einen Landesteil.[6] Zwischen 451 und 456 wurde Thiudimir und seinerKonkubine Ereleuva am Neusiedler See ein Sohn geboren, der später alsTheoderich der Große König der Ostgoten wurde und heute als eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der Völkerwanderungszeit gilt.[7]
Mitte des 5. Jahrhunderts kam es in Pannonien zu einer Wirtschaftskrise, der Geldverkehr brach zusammen und man war gezwungen wieder zum Tauschhandel überzugehen. 456 verschlimmerte ein Erdbeben die Situation noch mehr. Es kam zu Spannungen zwischen den verschiedenen germanischen Gruppen. Im Winter 469 besiegten dieOstgoten eine Allianz aus Sueben,Sarmaten undSkiren in der „Pannonischen Völkerschlacht“. 472 zogen die Goten aber überraschend ab und überließen den Verlierern ihre ehemaligen Siedlungsgebiete.
Archäologische Funde aus der Zeit der Ostgoten stammen ausOslip undHalbturn. Die Fundstücke lassen keine sichere ethnischen Bestimmung zu, möglicherweise kann man sie denDonausueben zuordnen.[8]
Im Jahr 510 wurdeWacho Herzog derLangobarden. Durch Heirats- und Eroberungspolitik unterwarf er dieSueben in der Provinz Pannonia prima. Dadurch erreichte Wachos Herrschaftsbereich spätestens 526 das heutige Burgenland. Im Burgenland wurden langobardenzeitliche Gräber inNikitsch undSteinbrunn gefunden. Den Gräbern zugehörige Siedlungen wurden bislang nicht entdeckt.[9] Die hier gewonnenen archäologischen Funde bezeugen das hochentwickelte Kunsthandwerk der Langobarden.[10]Die Gräberfundstellen von Nikitsch und Steinbrunn gehören zur sogenannten Hegykő-Gruppe. Das Zentrum dieser Gruppe warSopron. Ihre Bevölkerung scheint gemischt gewesen zu sein und könnte ausProvinzialrömern,Rugiern,Herulern, Sueben und Langobarden bestanden haben.567 bekämpften und vertrieben die Langobarden im Bunde mit den Awaren dieGepiden. Danach gerieten die Langobarden offenbar selbst unter Druck der Awaren. 568 zog daher nahezu die „gesamte langobardische Bevölkerung“ mit ihrem KönigAlboin nach Italien. Die Hegykő-Gruppe hat 568 mit den Langobarden Pannonien verlassen. Ihre Spuren lassen sich in Italien finden. Wann die letzten Langobarden das heutige Burgenland verließen ist aber unklar.[11]
Nach dem Abzug der Langobarden herrschten hier für ungefähr 200 Jahre dieAwaren. Bei archäologischen Grabungen sind awarenzeitliche Gräber unter anderem in den burgenländischen OrtschaftenPodersdorf am See,[12]Sigleß,[13]Edelstal undLeithaprodersdorf gefunden worden.
Wie die Forschungen zurRömischen Villa von Königshof andeuten, ist auch in diesem Raum, vergleichbar beispielsweise mit derKeszthely-Kultur, mit dem lokalen Fortleben der spätrömischen undfrühchristlichen Kultur und Lebensform zu rechnen, die hier auf die Kulturen der Völkerwanderung, der Awaren undSlawen traf.[14]
Ende des 8. Jahrhunderts führte derfränkische KönigKarl der Große eine Reihe von Eroberungskriegen gegen das Reich derheidnischen Awaren. Damit begann die allmähliche Besetzung der vormals awarischen und damit auch der heute burgenländischen Gebiete. Die Kämpfe zwischen Awaren und Franken endeten endgültig im Jahr 803. Das Gebiet des Burgenlandes wurde in dieBairischeAwarenmark eingegliedert und lag im Einflussbereich verschiedener fränkischer Grafschaften und, mehr oder minder selbständigen, fränkischen Vasallenfürstentümer, die formal den Präfekten desbairischen Ostlandes unterstanden. Das Geschehen im burgenländischen Raum derKarolingerzeit war geprägt von intensiverChristianisierung sowie den Bestrebungenslawischer Fürsten nach mehr Unabhängigkeit von den Franken. Um 800 wurde das Gebiet derSalzburger Kirche zur Mission übergeben. 830 legte KönigLudwig der Deutsche dieRaab als kirchliche Grenze zwischen Salzburg (südlich der Raab) undPassau (nördlich der Raab) fest.[15] Mit demVertrag von Verdun 843 wurde das Burgenland Teil desOstfrankenreiches. Mit der fränkischen Eroberung des Landes kamen erstmals in größerer Zahl germanische Siedler in das Burgenland.[16] Auf archäologische Funde aus der Karolingerzeit stieß man in den burgenländischen GemeindenMattersburg,Kittsee,Walbersdorf,Pilgersdorf,Schattendorf,Sieggraben,Steinbrunn undUnterpetersdorf.[17]
Von 805 bis 828 bestand zwischenCarnuntum undSabaria (Szombathely) dasAwarische Fürstentum. Das Gebiet dieses Vasallenfürstentums breitete sich rund um denNeusiedler See und vermutlich beidseits derBernsteinstraße aus und war somit etwa durch denWienerwald im Westen und durch die Raab im Osten und Südosten begrenzt.[18] Es bildete eine militärische Pufferzone zwischen dem Frankenreich und demBulgarischen Reich. Eine Klimaverschlechterung, die für das Jahr 822 belegt ist,[19] sowie die politische Schwächung durch Kriege, Waffenembargo und Verlust ihrer sakralen Tradition durch die Annahme des Christentums setzte um 828 dem politischen Einfluss der Awaren endgültig ein Ende.[20] Die Gräber der awarenzeitlichen Siedlung vonZillingtal wurden bis in die Zeit des Awarischen Fürstentums belegt.[21][22] In die Zeit des awarischen Fürstentums fällt die erste urkundliche Erwähnung eines Teils des Burgenlandes. 808 schenkten die Brüder Wirut, Gisalmar und Wentilmar dem RegensburgerKloster Sankt Emmeram das Gebiet „Wolfsbach“, das sich wahrscheinlich in der Gegend des heutigenMattersburg befand.[23]
Von etwa 825 bis 860 leiteteRihheri die oberpannonischeGrafschaft Steinamanger,[24] die ungefähr durch die FlüsseZöbernbach,Güns,Raab/Rabnitzbach,Pinka undLafnitz begrenzt war.[25] 860 wurde Rihheri durch PrinzKarlmann, den neuen Verwalter des bairischen Ostlandes, abgesetzt. Ihm folgten Odalrich und Ernst als Grafen von Steinamanger.[26] Aufgrund einer Schenkungsurkunde des ostfränkischen KönigsLudwig der Deutsche am 15. September 844 an den PriesterDominicus[27] giltPilgersdorf, das im Gebiet der Grafschaft Steinamanger lag, als die älteste urkundlich bekannte Gemeinde des Burgenlandes.[28]
Der Präfekt des bairischen OstlandesRatpot war der erste Präfekt mit eigener Grafschaft. DieDonaugrafschaft Ratpots und seiner Nachfolger aus dem Geschlecht derWilhelminer undAribonen zwischenEnns,Donau und Raab war bereits zu Zeiten Ratpots in Untergrafschaften unterteilt und grenzte beim Zöbernbach an die Grafschaft Steinamanger.
Im Norden des Landes reichte dasMährische Reich ins Burgenland hinein. Es entstand um das Jahr 830. Der Raum der mährischen Fürsten war geprägt von ihrem starken (und weitgehend erfolgreichen) Drang nach Unabhängigkeit und damit von den daraus folgenden Kriegen mit den Franken. Die größte Ausdehnung erreichte das mährische Reich unter FürstSventopluk in den 880er Jahren.[16] Zu jener Zeit gehörte vielleicht der Großteil des heutigen Burgenlandes zum Mährischen Reich.
Der Süden des Burgenlandes stand zu jener Zeit im Einflussbereich desPannonischen Fürstentums und gehörte wahrscheinlich zu deren Untergrafschaft Dudleben. Es wurde 839 gegründet und erstreckte sich zwischen derSteiermark, demPlattensee und derDrau, wobei die Pannonischen Fürsten Besitz in der Grafschaft Steinamanger hatten und Steinamanger wahrscheinlich kirchlich mit dem Fürstentum verbunden war. Seine Blütezeit erreichte es unter dem Gründer des FürstentumsPribina und seinem Sohn und Nachfolger FürstKocel. Nach dessen Tod stand es abwechselnd im Einfluss karolingischer Herrscher und Grafen sowie des Mährischen Reiches.[16] Im heutigen Burgenland war ursprünglichPinkafeld[25] und vermutlichKitzladen (Chezilsaden) im Besitz des Fürsten Kocel.[29] Der burgenländische HistorikerAlfred Ratz hielt es für denkbar, dass es sich bei den karolingerzeitlichen Gründungen der Kircheecclesia Ellodis um das burgenländischeEltendorf sowie im Falle vonKunpoldesdorf umRumpersdorf handeln könnte.[25]
Hauptstadt und Zentrum der kirchlichen Mission des pannonischen Fürstentums warMoosburg. In Moosburg war ab ungefähr 844Dominicus als Priester und Missionar tätig. Im selben Jahr erbaute Dominicus im heutigenPilgersdorf eine steinerne Kirche, deren Überreste Zeugnis von der christlichen Mission ablegen, die vom Pannonischen Fürstentum auf das heutige Burgenland wirkte.
Um 900 wurde das Gebiet von denMagyaren in Besitz genommen. Nach der Niederlage der Ungarn gegen den König desOstfrankenreichesOtto I. den Großen in derSchlacht auf dem Lechfeld 955 wurde die ungarische GrenzschutzorganisationGyepű ausgebaut,[31] der in dieser Region dem Schutz vor Einfällen durch die Deutschen vom Westen her diente. Sie bestand aus einer inneren Burgenkette vonKarlburg überEisenburg und einem äußeren Grenzödland (Gyepűelve). Ein großer Teil des heutigen Burgenlandes in Österreich lag in der Gyepűelve,[32] wo entlang der Flussläufe derPinka,Lafnitz und desStrem- sowie desZickenbaches Grenzwächter angesiedelt wurden.Frühgeschichtliche Erdburgen wieBurg undPurbach wurden in den Gyepű mit einbezogen. Die Siedlungen der Grenzwächter waren vor allem durch Ungarn besiedelt. Eine Reihe burgenländischer Ortschaften wie beispielsweisePöttsching,Oberpullendorf,Oberwart,Kohfidisch,Unterwart,Siget in der WartOberschützen,Unterschützen,Deutsch-Schützen undMischendorf entstand aus den Siedlungen der Grenzwächter.
Unter dem ersten ungarischen KönigStephan I. (Ungarn) begann dieChristianisierung der Ungarn sowie (nach der Karolingerzeit) erneut eine Besiedlung durch deutsche Einwanderer im Gebiet des heutigen Burgenlandes.[33] Es war ein Jahrtausend lang Teil desKönigreichs Ungarn und wurde inoffiziellHeanzenland, Heinzenland oderDeutsch-Westungarn genannt. Als „Heanzen“ bezeichnete man die im 11. Jahrhundert ausBayern eingewanderten Bauern dieses Landesteiles, mit ihrem eigenenDialekt.[34]
Im Jahre 1009 wurde dasBistum Győr gegründet, dem das heutige Burgenland fortan angehörte. König Stephan ordnete den Bau von Kirchen und die Organisation von Pfarren an. Zu diesen „Stephanspfarren“ werdenDonnerskirchen,Kleinfrauenhaid,Leithaprodersdorf,Marz undPinkafeld gezählt. 1083 wurde Stephan I. heiliggesprochen. Er ist der Nationalheilige Ungarns. Aufgrund seiner langen Zugehörigkeit zu Ungarn sind bis heute zahlreiche Kirchen im Burgenland dem heiligen Stephan geweiht wie etwa diePfarrkirche Edelstal oder diePfarrkirche Neuhaus am Klausenbach.
Wezzelin von Wasserburg erhielt von König Stephan I. ein Gebiet umJák. Wezzelin wurde der Ahnherr der ungarischen Adelsfamilie Ják, die später unter anderem die HerrschaftEberau besaßen. Unter Stephan I. wurden dieKomitateWieselburg,Ödenburg undEisenburg gegründet, von wo aus die politische Verwaltung der heute burgenländischen Gebiete erfolgte. Aufgrund der guten Beziehungen König Stephans mit dem westlichen Königshaus derSalier war dies für die „burgenländischen“ Grenzwächter eine relativ friedliche Zeit.
Im Jahre 1030 griff KaiserKonrad II. Ungarn an. Seine Truppen blieben aber letztlich in den Sümpfen desHanság und desNeusiedler Sees stecken und mussten sich zurückziehen. Die Ungarische Grenze wurde daraufhin bis ins heutigeNiederösterreich hinein vorgeschoben. 1043 zog KönigHeinrich III. durch das heute burgenländische Grenzwächtergebiet und drang in Ungarn bis zurRabnitz (Donau) ein. Noch vor einem Zusammenstoß mit ungarischen Truppen wurde Friede geschlossen. Als Folge wurde vermutlich in diesem Jahr die Leitha als Grenze zwischenUngarn und demHeiligen Römischen Reich festgelegt. 1044 zog Heinrich III. erneut gegen Ungarn und es kam zurSchlacht bei Menfö. Im Zuge der Kriege zwischen Ungarn und Heinrich III. wurde die Burg Taborac im heutigenDraßburg niedergebrannt.Unter KönigSalomon (1063–1074) wurden vermutlichPetschenegen im heutigen Nordburgenland (Kittsee,Mönchhof,Pöttsching und zahlreiche andere Orte) angesiedelt. 1074 kam es zu Kämpfen zwischen den Petschenegen und König Salomon am Neusiedler See, wobei die Petschenegen eine Niederlage erlitten.
Im Jahre 1073 gehörten die heutigen OrtschaftenKobersdorf,Steinbach,Forchtenstein und dieBurg Landsee zurGrafschaft Pitten der steierischen Markgrafen unter denTraungauern. 1074 eroberte KönigHeinrich IV. die Komitate Preßburg, Wieselburg und Ödenburg. Im selben Land verschenkte Heinrich IV. Land um den Neusiedler See an den Bischof von Freising. Heinrich IV. musste seine Ansprüche auf die ungarischen Komitate aber bald wieder aufgeben.
Im Jahre 1118 führte MarkgrafLeopold III. einen Vergeltungsfeldzug gegen die Ungarn unter KönigStephan II. Dabei soll das Gebiet rund umEisenstadt verwüstet worden sein. Es könnte sich dabei aber auch um das Gebiet beim ungarischenEisenburg/Vasvár gehandelt haben.
DasWormser Konkordat 1122 führte zu einem Aufschwung in der benachbartenMark an der Mur und einer Besiedlung bis an die Lafnitz. In der Folge wurden im Grenzgebiet zwischen der heutigen Steiermark und dem heutigen Burgenland eine Reihe von Burgen neu gegründet. 1127 schlossen König Stephan II. und der SalzburgerErzbischof Konrad Frieden. Dabei wurde unter anderem die Westgrenze Ungarns mit der Leitha,March undLafnitz festgelegt. Dennoch sind die Grenzen der damaligen Zeit aus heutiger Sicht nicht ganz klar. Möglicherweise wurden die BurgenWillersdorf undBernstein durch die Markgrafen der Mark an der Mur oder derenMinisteriale errichtet.
Im Jahre 1146 fand nahe vonKittsee eine Schlacht zwischen den Truppen des ungarischen KönigsGéza II. und dem österreichischen MarkgrafenHeinrich II. Jasomirgott statt. Im Jahre 1156 wurde Österreich zum Herzogtum erhoben und Jasomirgott dessen erster Herzog. Ebenfalls 1156 schenkte König Géza II. den Rittern Gottfried und Albrecht dieLutzmannsburg, die damalsKomitatsburg war.
Im Jahre 1202 schenkteKönig Emmerich dem Woiwoden Benedikt und dessen Gattin Thota die OrtschaftMattersdorf. Thota wurde zur Ahnin der im mittelalterlichen Burgenland reich begüterten Familie derMattersdorf-Forchtenstein.
Der Großteil der ungarischen Klostergründungen deshohen bisspäten Mittelalters geht auf das ungarische Königshaus derÁrpáden zurück. AuchKloster Szentgotthárd, das als Grundherr im heutigen Burgenland eine bedeutende Rolle spielte, ist eine königliche Gründung: KönigBéla III. im Jahr 1183. Im Burgenland selbst spielten aber „private“ Stifter die größere Rolle. 1157 gründete Wolfer, Ahnherr derGüssinger Grafen, inGüssing einBenediktinerkloster, 1194 Dominikus Bors (Ban von Slawonien) dasZisterzienserklosterMarienberg. 1316 wurde dasFranziskanerklosterLockenhaus gegründet. Möglicherweise war der Güssinger Graf Nikolaus II. Kakas (der Hahn) der Stifter; denn er lebte zu dieser Zeit in Lockenhaus.
Bereits beimersten Kreuzzug 1096 war das heutige Nordburgenland Durchmarschgebiet des ungefähr 50.000 bis 60.000 Menschen umfassenden westlichen Heeres. Ebenso beimzweiten Kreuzzug, als das Heer zu Pfingsten 1147 das Gebiet zwischenPressburg undÖdenburg querte, sowie beimdritten Kreuzzug, wo ein Heer von ungefähr 180.000 Menschen dasselbe Gebiet durchschritt.
Der Ban von SlawonienDominikus Bors hatte gelobt, an einem Kreuzzug teilzunehmen. Da er dieses Gelöbnis nicht einhalten konnte, stiftete er stattdessenKlostermarienberg.Nikolaus Borz, Besitzer derBurg Landsee, nahm 1217 gemeinsam mit dem ungarischen KönigAndreas II. amKreuzzug von Damiette teil. Am selben Kreuzzug warGraf Posa beteiligt und erhielt dafür 1222 vom König eine Landschenkung (unter anderemLackendorf undWeppersdorf) in der Nachbarschaft von Nikolaus Borz. Ein dritter Teilnehmer des Damietter Kreuzzugs,Demetrius Csák, erwarb um 1220Burg Güssing.
Verschiedene Hinweise deuten darauf hin, dassBurg Lockenhaus im Besitz desTemplerordens gewesen sein könnte oder vielleicht sogar teilweise von diesem errichtet wurde. Die Meinung der Wissenschaft ist hier aber nicht eindeutig. Der Sage nach sollen Ordensmitglieder der Templer im Jahr 1312, nach der Auflösung des Ordens durch den Papst, bei den Güssinger Grafen auf Burg Lockenhaus Zuflucht gesucht haben. Eine weitere Sage besagt, dass es zwischen den Burgen Lockenhaus und Bernstein einen Verbindungsgang gab, den die Templer benutzten.[35]Im Jahre 1214 gab es im Komitatsvorort Ödenburg eineJohanniterkommende. Im Jahre 1238 warLoipersbach ganz oder teilweise im Besitz diesesRitterordens. Der Besitz wurde vermutlich von Ödenburg aus betreut. Im Jahre 1246 wurde den Johannitern kurzfristig Burg Güssing überlassen.VomDeutschen Orden sind keine Besitzungen oder Aktivitäten im heutigen Burgenland aus der Zeit des Mittelalters bekannt.
Familiäre Verbindungen zwischen den österreichischenBabenbergern und den ungarischenÁrpáden sowie militärische Interventionen von Seiten des BabenbergersFriedrich des Streitbaren (er besetzte Burg Bernstein und fiel 1235 in die Komitate Ödenburg und Eisenburg ein) sowie militärische Gegenaktionen von Seiten der Ungarn hatten bereits in den 1230er Jahren zu Spannungen im (burgenländischen) Grenzraum geführt.
DasÖsterreichische Interregnum nach dem Tod des letzten Babenbergers, verstärkt durch dasInterregnum im Heiligen Römischen Reich, brachte weitere politische Wirren und Kriege.Das Interregnum ist auch jene Zeit, in der sich dieGüssinger Grafen an der Spitze der ungarischen Politik etablierten. Der Güssinger Heinrich II., einer der größten Grundherren im Burgenland, wurde 1253 Hofrichter, 1254 Reichsrichter, 1260Palatin und erfüllte lange Jahre das Amt desBanus von Slawonien. Die Familienpolitik Heinrichs II. bestimmte über Jahre das Geschehen im heutigen Burgenland. Ihm gehörten eine große Zahl von Burgen (z. B. Bernstein, Lockenhaus, Rechnitz). 1260 zog er mit seinen Truppen, an der Seite KönigBélas IV. in dieSchlacht bei Kressenbrunn. Er ließBurg Schlaining errichten, die er 1270 gemeinsam mit anderen Burgen an den böhmischen KönigOttokar II. Přemysl übergab. Dadurch erreichte der böhmische König die Herrschaft über große Teile des heutigen Burgenlandes. Aber schon 1272 kehrte Heinrich nach Ungarn zurück, um dort für zwei Jahre den König zu entmachten und gemeinsam mit JoachimGutkeled und Matthias Csák selber die Regierung Ungarns zu übernehmen. Seine Politik provozierte den böhmischen König, worauf Ottokar II. Přemysl in Ungarn einfiel und 1273 die Festungen vonLeithaprodersdorf,Purbach undSankt Margarethen zerstörte.
Mit der MachtübernahmeRudolfs I. von Habsburg im Heiligen Römischen Reich (1273) und dem Tod Heinrichs II. von Güssing (1274) endeten die Auseinandersetzung der Güssinger Grafen mit dem böhmischen König. Es folgte aber eine Zeit erneuter Kriege im heutigen Burgenland: Die Söhne Heinrichs II. überwarfen sich mit denHabsburgern.
Von Mitte des 11. bis Mitte des 12. Jahrhunderts stieg die Familie derGüssinger Grafen zu den mächtigsten Adelsfamilien Ungarns auf und gehörte zu den größten privaten Grundherren. Dies wurde insbesondere durch die Politik König Bélas IV. begünstigt. DerMongolensturm erreichte Ungarn 1241 und zeigte, dass das ungarische Verteidigungssystem einem derartigen Angriff nicht gewachsen war. Im heutigen Burgenland wurde unter anderemNeusiedl am See von den Mongolen zerstört. Standhalten konnten nur steinerne Burgen wieBurg Lockenhaus undBurg Güssing. Béla IV. ließ nun verstärkt steinerne Burgen bauen und erlaubte den reichen Grundherren die Anlage solcher Burgen. Zu diesen Adeligen gehörten die Güssinger Grafen, die mit dem Bau von Burgen mächtig wurden. Die leicht bewaffneten Grenzwächter unseres Raumes verloren dadurch an Bedeutung. Den Güssinger Grafen gelang es sogar, einen großen Teil der ehemals königlichen Wächter unter ihre Kontrolle zu bringen.
Im Jahr 1289 kam es im deutsch-westungarischen Grenzbereich zu einem Krieg zwischen denHerren von Güns und dem habsburgischenHerzogtum Österreich undSteiermark – der sogenannten „Güssinger Fehde“.[36] Die österreichischen Truppen blieben siegreich und zerstörten im Zuge der Kämpfe zahlreiche Ortschaften, die sich heute vorwiegend im Burgenland befinden. Die erobertenHerrschaften mussten allerdings nach dem Friedensschluss von Hainburg (1291) wieder an die Günser Herren zurückgegeben werden. Zur Zeit der größten Macht der ungarischenOligarchen beherrschte den Norden des LandesMatthäus Csák und den Süden die Herren von Güns aus dem Geschlecht der Héder. DieHéder besaßen am Höhepunkt dieser Epoche mehr als 25 Burgen und Schlösser. Die Oligarchen waren im heutigen Burgenland zu dieser Zeit mächtiger als der ungarische König.
Die VersucheHerzog Ottos III. aus Bayern, in den Jahren 1305–1307 mit vorbereitender Unterstützung einiger Adeliger in der Steiermark (Landsberger Bund gegenAlbrecht I. von Habsburg) sowie des böhmischen KönigsWenzel III. seine Herrschaftsansprüche unter dem Namen Bela V. durchzusetzen, blieben erfolglos.
Nach dem Ende der Macht der Güssinger Grafen erlangte neben denMattersdorf-Forchtenstein die FamilieKanizsay im heutigen Burgenland herausragende Bedeutung. Sie waren an der Seite des Königs am Kampf gegen die Güssinger und andere Oligarchen beteiligt und erlangten in der Folge unter KönigKarl Robert erheblichen Besitz und Einfluss. Die Macht der Kanizsay erreichte unter KönigSigismund ihren Höhepunkt. In die Zeit der Kanizsay fällt zum Beispiel die ErhebungPinkafelds zur (grundherrschaftlichen) Stadt und die Gründung der gotischen Kirche inMariasdorf. Sie besaßen den überwiegenden Teil der Burgen im heutigen Burgenland. Aus der Zeit der Kanizsay stammt auch der Name „Eysenstat“ (stark, eisern, daherEisenstadt). 1373 kam die heutige Hauptstadt des Burgenlandes in ihren Besitz.
Im Spätmittelalter war ein Teil Westungarns an Österreich verpfändet. DieHabsburger trachteten danach, dieses Gebiet dauerhaft mit Österreich zu verbinden. Am 14. Februar 1459 wurde KaiserFriedrich III. von 24, zumeist in Westungarn begüterten Magnaten aufBurg Güssing zum ungarischen König und damit als Gegenkandidat zum regierenden KönigMatthias Corvinus gewählt.[37] Die Habsburger schlossen 1459 das spätere Burgenland einseitig an Österreich an. Am 14. April 1459 wurde der Kaiser von Truppen des ungarischen Königs bei Pinkafeld angegriffen und zum Rückzug gezwungen.[38] Der militärische Konflikt zwischen Kaiser und der ungarischen Krone wurde am 19. Juli 1463 durch denFrieden von Ödenburg beendet.[39] König Matthias Corvinus verband das Gebiet wieder mit Ungarn.[40]
Die bedeutendsten Adelsgeschlechter für das Burgenland vom 11. bis ins 15. Jahrhundert waren die FamilieHéder, dieHerren von Güns, die AdelsfamilienMattersdorf-Forchtenstein,Osl undKanizsay. Mit den Mattersdorf-Forchtenstein und den Herren von Güns setzte auch die Bildung vonHerrschaften im burgenländischen Raum ein. Die Herrschaften wurden im Normalfall nach dem Vorort und Sitz des Grundherrn benannt, wo dieser zumeist eine Burg oder ein Schloss unterhielt.[41] Im 11. und 12. Jahrhundert wurde die Zentralmacht der ungarischenÁrpádenkönige schwächer, und einzelne Adelsgeschlechter gewannen an Einfluss. Die Könige versuchten die Gunst dieser Adeligen durch Verleihung von Grundbesitz zu bewahren, wodurch sich die Macht des reichen Adels allerdings noch weiter steigerte und dasLehnswesen immer größere Bedeutung gewann.[42]
Zu Beginn des 13. Jahrhunderts ist eineArrondierung des Grundbesitzes sowie eine rasch steigende Zahl von unfreien Bauern erkennbar. Bis Mitte des 14. Jahrhunderts hatte sich eine relativ einheitliche Gesellschaftsstruktur mit abhängigen Bauern entwickelt.[42] Die größte Herrschaft im Norden des Landes war die HerrschaftUngarisch-Altenburg unter den Grafen Poth. Herren aufLockenhaus im mittleren Burgenland waren die Günser, danach die Kanizsay und später die ungarischen HochadeligenNádasdy. Die größte Herrschaft im Süden war die HerrschaftGüssing unter den Herren von Güns und später unter den ungarischen MagnatenBatthyány. Die Herrschaft Bernstein wurde von den Kanizsay,Königsberg und Batthyány beherrscht. DenErdődy unterstanden die HerrschaftenEberau undRotenturm. Gebiete mit geistlichen Grundherren waren die HerrschaftenPernau,Heiligenkreuz,Klostermarienberg sowieSt. Gotthard. Neben diesen gab es im Lauf der Jahrhunderte verschiedene Kleinherrschaften.[41]
Im Jahre 1526 erbten die Habsburger die Krone Ungarns; beherrschen konnten sie Ungarn aber nur, soweit es nicht von denTürken besetzt war. Mit dem Beginn der Habsburgerherrschaft in Ungarn war der Grenzkonflikt in Westungarn zu Ende. Neben Ödenburg war schon damalsRust amNeusiedler See bekannt und wurde im 17. Jahrhundert königliche Freistadt. GrafNikolaus Esterházy, der Begründer der westungarischenForchtensteiner Linie der MagnatenfamilieEsterházy, formte diese von einer kleinen ungarischen Adelsfamilie zu einem der größten Aristokratengeschlechter Ungarns. Als einer der ersten Adeligen Ungarns trat er im Zuge derGegenreformation zumKatholizismus über. Im Jahre 1625 machte ihn das Kaiserhaus zumPalatin und damit zum höchsten weltlichen Würdenträger imköniglichen Ungarn.
Nach 1626 gelangten große Teile des heutigen Burgenlandes unter die Grundherrschaft der ungarischen Familien Esterházy undBatthyány. Im Jahre 1647 gerieten auf Weisung KaiserFerdinands II. in seiner Eigenschaft als König von Ungarn dann auch alle noch unter österreichischer Verwaltung gestandenen westungarischenHerrschaften unter ungarische Verwaltung. Im Herrschaftsgebiet der Magnatenfamilien Esterházy und Batthyány entwickelten sich ab 1670 blühende jüdische Gemeinden, wie dieSiebengemeinden im heutigen Nord- und Südburgenland, welche gegen Bezahlung von Schutzgeldern vom Grundherrn das Recht zugesprochen bekamen, ihren Alltag nach den Regeln ihres Glaubens zu gestalten.[43]
Im Jahre 1683 wurden während derZweiten Wiener Türkenbelagerung viele Gemeinden des heutigen Nordburgenlandes verwüstet. Während desKuruzen-Aufstandes von Franz II. Rákóczi 1703 bis 1711 wurden auch die Besitzungen des kaisertreuenPaul I. Fürst Esterházy schwer getroffen. Von 1765 bis 1766 kam es zum Ausbruch von Bauernunruhen im heutigen Südburgenland.
Während derNapoléonischen Kriege war das Gebiet zeitweise französisch besetzt. 1848 bis 1849, während derRevolution in Ungarn, kam es in Westungarn nicht zu Kampfhandlungen. Der im späteren Burgenland begüterteLudwig Batthyány fungierte als Ministerpräsident der Revolutionsregierung und wurde auf massives Betreiben desBarons Haynau am 6. Oktober 1849 inPest erschossen.
Im Jahre 1854 beschloss derUngarische Reichstag die Aufhebung der Leibeigenschaft.[44] Mit derGrundentlastung gingen die von den Bauern bewirtschafteten Grundstücke gegen eine Ablöse an die ehemaligen Grundherren vollständig in das Eigentum der Bauern über. Nicht eingelöster Grund blieb den ehemaligen Grundherren. Die früheren Untertanen wurden zuStaatsbürgern, die Ortschaften der Herrschaft freie Gemeinden.[45]
Nach demÖsterreichisch-Ungarischen Ausgleich begann die Regierung inBudapest im gesamten Altungarn mit konsequenterMagyarisierungspolitik. Man wollte aus den 50 % nichtmagyarischer Bevölkerung des Königreichs innerhalb von etwa vierzig Jahren Magyaren machen. Ab 1898 durften die Gemeinden im gesamten Königreich Ungarn nur noch ungarische Ortsnamen führen. Seit 1907 wurde unter Unterrichtsminister GrafAlbert Apponyi der beinahe ausschließliche Gebrauch derungarischen Sprache im Schulunterricht durchgesetzt. Dies führte zu erheblichen Spannungen im deutsch besiedelten Gebiet des heutigen Burgenlandes.
Im Jahre 1918 kam es nach Ende desErsten Weltkriegs und der damit verbundenen AuflösungÖsterreich-Ungarns zu intensiven Bemühungen, die deutschsprachigen Gebiete Westungarns an Österreich anzuschließen. Der auf einem TeilCisleithaniens entstandene neue StaatDeutschösterreich erhob, dem vonWoodrow Wilson verkündetenSelbstbestimmungsrecht der Völker der Donaumonarchie folgend, Anspruch auf Deutsch-Westungarn. In der Staatserklärung Deutschösterreichs vom 22. November 1918 wurde folgendes festgehalten:
„Die geschlossenen deutschen Siedlungsgebiete der Komitate Pressburg, Wieselburg, Ödenburg und Eisenburg gehören geographisch, wirtschaftlich und national zu Deutschösterreich, stehen seit Jahrhunderten in innigster wirtschaftlicher und geistiger Gemeinschaft mit Deutschösterreich und sind insbesondere der Stadt Wien zur Lebensmittelversorgung unentbehrlich. Darum muss bei den Friedensverhandlungen darauf bestanden werden, dass diesen deutschen Siedlungen das gleiche Selbstbestimmungsrecht zuerkannt werde, das nach wiederholten Erklärungen der ungarischen Regierung allen anderen Völkern Ungarns eingeräumt ist.“[46]
In Ungarn bestand nach Kriegsende für einige Monate dieRäterepublik des KommunistenBéla Kun. Priester und Lehrer wurden verhaftet und hingerichtet, es kam zu Tumulten und Prügeleien mit Rotarmisten. Nach 133 Tagen wurde die Regierung nach militärischem Einschreiten der Entente dann von einer rechtsgerichteten Regierung abgelöst, der sogenannteweiße Terror (der Verfolgung Linksradikaler und Juden) folgte.[47]
Die Sieger des Ersten Weltkriegs entschieden 1919 imVertrag von St. Germain, dass „Deutsch-Westungarn“ anÖsterreich anzuschließen sei, nachdem erste Vertragsentwürfe die Schaffung der Republik noch ohne dieses Gebiet vorgesehen hatten. Ungarn wurde 1920 imVertrag von Trianon verpflichtet, diesen Gebietsteil Altungarns an Österreich abzutreten. Die Aufnahme in dieRepublik Österreich wurde imBundesverfassungsgesetz über die Stellung des Burgenlandes als selbständiges und gleichberechtigtes Land im Bund und über seine vorläufige Einrichtung vom 25. Jänner 1921 geregelt.[48] Das Burgenland wurde damit in dieföderalen Strukturen desBundesstaates eingegliedert.
Im BezirkMattersburg kam es zu Übergriffen der Bevölkerung gegen dieungarische Gendarmerie und die ungarischen Gemeindenotare. Im Gegenzug verhindertenFreischärler, von ungarischen Aristokraten finanziert, im Frühjahr 1921 dieLandnahme durch österreichische Gendarmerie, indem sie diese nach Partisanenart angriffen. KönigKarl IV. Habsburg nützte 1921Ödenburg, wo er Anhänger in derungarischen Armee hatte, zweimal als Sprungbrett dazu, in Ungarn wieder auf den Thron zu gelangen. Beide Versuche scheiterten.[49]
Einige Wochen nach Errichtung der kurzlebigen RepublikLajtabánság unter Führung des FreischärlerbefehlshabersPál Prónay wurde das Gebiet im November 1921 durch das österreichische Bundesheer besetzt und offiziell am 5. Dezember 1921 von Ungarn an Österreich übergeben.
Für die Gegend um Ödenburg(Sopron), das als Hauptstadt des neuen österreichischen Bundeslandes vorgesehen war, wurde nach heftigen Protesten Ungarns auf Vermittlung des ungarnfreundlichenItalien vom 14. bis 16. Dezember 1921 eineVolksabstimmung durchgeführt. Dabei sprachen sich die Bewohner der Stadt mehrheitlich für den Verbleib bei Ungarn aus, die Bewohner der umliegenden Landgemeinden mehrheitlich für den Anschluss an Österreich. Die korrekte Abwicklung der Abstimmung in der Stadt Ödenburg wurde von österreichischen Medien sehr stark in Zweifel gezogen. Die Entscheidung für Ungarn blieb aber endgültig und betraf auch die proösterreichischen Landgemeinden um die Stadt.
Nach Abschluss dieser neuen Grenzziehung wechselten noch einige wenige Gemeinden auf eigenen Wunsch von Österreich nach Ungarn und umgekehrt.
Der Name „Burgenland“ erinnert daran, dass das Land aus Teilen von drei altungarischenKomitaten zusammengesetzt ist:
Anfang 1919 wurden von Österreich auch Teile desKomitats Pressburg (slowakischBratislava, ungarischPozsony) für das Burgenland beansprucht. Man schlug daher im Juni 1919 den Namen „Vierburgenland“ vor. Mitte August 1919 wurde aber in den Friedensverhandlungen klar, dass Pressburg an die Tschechoslowakei ging. Karl Renner empfahl noch von St. Germain aus, den Namen auf „Dreiburgenland“ zu ändern.
Der Name Burgenland wurde angeblich vomFrauenkirchener Gregor Meidlinger erstmals vorgeschlagen, und zwar am 6. September 1919 nach der Vorsprache einer deutsch-westungarischen Delegation bei StaatskanzlerKarl Renner.[50] Dieser Landesname wurde spätestens mit demBundesverfassungsgesetz über die Stellung des Burgenlandes von 1921[48] offiziell und allgemein gebräuchlich.
Im April 1922 erhielt das neue Bundesland seine Verfassung (2. Bundesverfassungsgesetz über das Burgenland vom 7. April 1922).[51]Am 15. Juni 1922 trat der neu gewählteBurgenländische Landtag erstmals zusammen. Bis 1925 warBad Sauerbrunn provisorischer Sitz der Landesregierung und -verwaltung, am 19. Oktober 1925 wurde die bis dahin relativ unbedeutende KleinstadtEisenstadt Hauptstadt des Burgenlandes. Da man jedoch die Option mit Ödenburg als Hauptstadt nicht fallenlassen wollte, stand auch in der Landesverfassung von 1926 „Sitz der Landesregierung ist Eisenstadt, der Landtag tagt am Sitz der Landesregierung“, während eine Landeshauptstadt nicht erwähnt wurde.[52]
1927 ereignete sich inSchattendorf ein folgenschwerer Zwischenfall, als eine friedliche Demonstration der Sozialdemokraten beschossen wurde. Die angeklagten Schützen wurden zur Empörung der Arbeiterschaft imSchattendorfer Urteil freigesprochen. Bei der folgenden Großkundgebung in Wien – von der konservativen Bundesregierung als „Julirevolte“ bezeichnet – setzten radikale Elemente denJustizpalast in Brand, worauf die Polizei wild in die Menge schoss und Dutzende Demonstranten tötete. Die österreichische Geschichtsschreibung betrachtet heuteSchattendorf als ersten Schritt zuBürgerkrieg undAustrofaschismus.
Zur Zeit desStändestaates wurde die LandeshymneMein Heimatvolk, mein Heimatland 1936 als einigendes Element festgelegt.
Nach dem„Anschluss“ Österreichs an dasDeutsche Reich am 13. März 1938 wurde das Burgenland aufgelöst und per 15. Oktober 1938 auf dieReichsgaueNiederdonau undSteiermark aufgeteilt. Von Mai 1938 bis April 1945 amtierte der BurgenländerTobias Portschy als stellvertretenderGauleiter der Steiermark.
Ab 1943 wurde das Burgenland immer häufiger von alliierten Bomberverbänden überflogen, welche die Industriezentren rund um Wien und Wiener Neustadt bombardierten. Dabei kam es zuLuftkämpfen mit deutschenJagdflugzeugen, sodass zahlreiche[53] amerikanische und deutsche Maschinen auf burgenländisches Gebiet abstürzten, wie zum Beispiel inMarkt Allhau,[54]Riedlingsdorf[55] oderStinatz.[56]
Im Jahre 1945 ließ das NS-Regime auf burgenländischem Gebiet von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern (nutzlose) Befestigungsanlagen („Südostwall“) gegen die vorrückendeRote Armee errichten. Die Bauarbeiten kosteten Zehntausende Menschen das Leben. Der dazu völlig ungeeignete und kaum bewaffnete „Volkssturm“ sollte die russischen Truppen aufhalten. BeimMassaker von Rechnitz undMassaker von Deutsch Schützen wurden wenige Tage vor dem Kriegsende im Burgenland Hunderte Juden ermordet.
Im Frühjahr 1945 betraten Soldaten der Roten Armee beiKlostermarienberg im Burgenland, aus Ungarn kommend, zum ersten Mal österreichischen Boden.
Nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes stand die sofortige Wiedererrichtung des Burgenlandes ursprünglich nicht auf dem Arbeitsplan der seit 27. April 1945 amtierendenProvisorischen Staatsregierung unterKarl Renner. Auf Wunsch burgenländischer Politiker und auf Intervention der Roten Armee beschloss die Staatsregierung dann aber am 29. August 1945 dasBurgenlandgesetz genannte Bundesverfassungsgesetz, mit dem das Burgenland per 1. Oktober 1945 als selbstständigesBundesland konstituiert wurde.
Das Burgenland war bis 1955 Teil dersowjetischen Besatzungszone in Österreich. Im Herbst 1956 konnten nach der Niederschlagung desungarischen Volksaufstandes zehntausende Ungarn über die Grenze zum Burgenland in den Westen flüchten.DieBrücke von Andau wurde als Symbol dieser Flucht 1957 Thema eines auf den Fakten basierenden Romans des US-amerikanischen AutorsJames A. Michener, der 1956 an Ort und Stelle war, und im Jahr 2000 Thema des KinofilmsDer Bockerer III – Die Brücke von Andau.
Im Jahre 1957 errichtete die ungarische Regierung an der Grenze zum Burgenland eine massive Befestigung, die das Überschreiten dergrünen Grenze unmöglich machen sollte: DieserEiserne Vorhang fiel erst 1989. In einem symbolischen Akt durchschnitten am 27. Juni 1989 beiKlingenbach die Außenminister Österreichs und Ungarns,Alois Mock undGyula Horn, mit Drahtscheren den Stacheldrahtzaun. Die darauf folgende Flucht hunderterDDR-Bürger über Ungarn und Österreich nach Westdeutschland, die von den ungarischen Sicherheitskräften nicht verhindert wurde, wurde zum Vorzeichen des Endes der kommunistischen Regimes im damaligenOstblock.
Innenpolitisch wandten sich die burgenländischenSozialdemokraten in den 1960er und 1970er Jahren gegen die Tatsache, dass die FamilieEsterházy einen sehr beträchtlichen Teil der Fläche des Bundeslandes zu ihrem Privatbesitz zählt. Es wurden Überlegungen angestellt, ob oder wie die Familie teilweise enteignet bzw. zur Abgabe von Grundstücken verpflichtet werden könnte. Rechtlich einwandfreie Lösungen wurden nicht gefunden.Die Konfrontation wich später einer intensiven Kooperation zwischen der Landesverwaltung und der Esterházyschen Güterdirektion.
Frühe Geschichte:
19./20. Jahrhundert:
Spezielles: