Diegegenderte Schreibweise mit Doppelpunkt kam 2015 auf als Abwandlung des 2003 entwickeltenGender-Gap(Mitarbeiter_innen) und des 2009 vorgeschlagenenGendersternchens(Mitarbeiter*innen). Beim Vortragen können Genderzeichen zu einerBeidnennung aufgelöst(Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen) oder mit einer kurzen Sprechpause zum Ausdruck gebracht werden:Mitarbeiter-innen, was einemGlottisschlag entspricht und „Gender-Pause“ genannt wird.Screenreader lesen den Doppelpunkt normalerweise als kleine Pause vor, manchmal allerdings mit einer Verzögerung, als ob ein neuer Satz beginnen würde.Befürworter geben als Hauptargument eine guteLesbarkeit an. Der Gebrauch eines Doppelpunkts im Wortinneren ist allerdings nicht Bestandteil deramtlichen Rechtschreibung. 2020 führt derRechtschreibduden den Doppelpunkt als „vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckte“ Möglichkeit des „geschlechtergerechten Sprachgebrauchs“ auf. 2021 empfiehlt derRat für deutsche Rechtschreibung zwar nicht die Aufnahme des Gender-Doppelpunkts ins offizielle Regelwerk, beobachtet ihn und andere mehrgeschlechtliche Schreibweisen jedoch weiterhin. DieGesellschaft für deutsche Sprache erkennt den Doppelpunkt, andere Genderzeichen oder Gender-Pausen nicht als geeignetes Mittel an, umdiskriminierungsfreie Sprache umzusetzen. Einige Stadtverwaltungen, Hochschulverwaltungen, Medien (sieheListe von Einrichtungen, die Genderzeichen nutzen) oder einige Anbieter der IT-Branche nutzen Gender-Doppelpunkte.
Im Wortinneren oder zwischen zweiArtikeln(der:die) bewirkt der Doppelpunkt eine kleine Pause beim Vorlesen durchScreenreader (Mitarbeiter: innen); dies entspricht dem Effekt einesGlottisschlags (sieheAussprache von Genderzeichen und Kritiken). Weil er problemlos vorlesbar ist, erfüllt der Gender-Doppelpunkt dieBarrierefreiheit fürsehbehinderte oderblinde Menschen;Brailleschrift-Displays verarbeiten meist nur die Ausgabe eines Screenreaders.[2][3] InLübeck wurde die Entscheidung für den Doppelpunkt getroffen, weil er beim Vorlesenlassen der städtischen Website nicht gesprochen werde, im Unterschied zu anderen Genderzeichen.[4] Neben derHRM-Redaktion weist auch das Kommunikationsportalkom.de (ehemalspressesprecher.com) ausdrücklich auf die Barrierefreiheit für Sehbehinderte hin: „Heute ist der Doppelpunkt im Gegensatz zum Genderstern barrierefrei auch für Sehbehinderte und – verglichen mit anderen Möglichkeiteninkludierender Sprache – minimalinvasiv.“[5][6]
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband
DerDeutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) erklärt im März 2021 in seinen Richtlinien zumGendern, um die Vorlesbarkeit zu gewährleisten sollten paarige Bezeichnungen ausformuliert werden(Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter): „Gendern durchSonderzeichen undTypografie […] ist nicht zu empfehlen.“ Dies umfasst ausdrücklich auch den Gender-Doppelpunkt(Mitarbeiter:innen): „Abgesehen davon, dass dies von den Screenreadern unterschiedlich gehandhabt wird, hat der Doppelpunkt jedoch wichtige Funktionen, weshalb viele blinde und sehbehinderte Menschen ihn sich vorlesen lassen. Das Unterdrücken des Doppelpunktes führt zudem zu einer längeren Pause als das Unterdrücken anderer Zeichen. So kann der Eindruck entstehen, der Satz sei zu Ende.“ Von allen Genderzeichen gibt der Verband allerdings demGenderstern den Vorrang: „Falls jedoch mitKurzformen gegendert werden soll, empfiehlt der DBSV, das Sternchen zu verwenden, weil es laut Veröffentlichungen desDeutschen Rechtschreibrates die am häufigsten verwendete Kurzform ist und so dem Wunsch nach einem Konsenszeichen am nächsten kommt.“[7]
DerDoppelpunkt, früherKolon genannt, gehört neben demPunkt zu den ältestenSatzzeichen derdeutschen Sprache. Er wird seit über 1000 Jahren verwendet, zunächst nur, um eine Sprechpause zu markieren oder als Lesehilfe zur Worttrennung; ab dem 17. Jahrhundert steht er vor Aufzählungen, Zitaten und direkter Rede.[8] Gewöhnlich dient der Doppelpunkt als Übergangs- und Ankündigungszeichen.[9]
Ende 2015 kommt der Doppelpunkt zumGendern in der deutschen Schriftsprache in Umlauf, als die Organisatoren desFusion Festivals bei einer Ticketlotterie die Hunderte von „glücklichen Gewinner:innen“ benachrichtigten.[14] 2016 wurde dann auf den Festivalseiten von „Fusionist:innen“ gesprochen.[15] Diesen Ursprung der Verwendung des Gender-Doppelpunkts recherchierte 2016 ein Beitrag imfeministischen Blogkleinerdrei. Dazu befragt, kannteLann Hornscheidt (geschlechtsneutraler Titel:Profex Drex fürProf.Dr.[16]) die Schreibweise noch nicht und befürwortete sie als eine Möglichkeit. Zur Frage, wer sie erfunden habe, konnte nur in Erfahrung gebracht werden, dass die Gewinnbenachrichtigung seinerzeit „halt eine:r geschrieben hatte“.[14]
Seit Anfang 2016 benutzt der AutorenblogMetronaut.de den Doppelpunkt zum Gendern und erklärt dazu: „Der Gender-Doppelpunkt tauchte irgendwann vor ein paar Jahren im Umfeld der Hedonistischen Internationale und des Fusion Festivals auf. Wir fanden das ästhetisch sehr schön und für den Lesefluss ganz gut – und symbolisch soll das alleGender bezeichnen.“[13]
Ende 2018 erwähnt ein Beitrag imDeutschlandfunk zumGenderstern: „neuerdings sieht man auch manchmal einen Doppelpunkt an dieser Stelle.“[17] Im April 2019 meint das Onlinemagazinjetzt.de, der Gender-Doppelpunkt sei eine Variante desGender-Schrägstrichs („Schüler/in“).[18]
Mitte 2019 wird derSprachwissenschaftlerKarsten Rinas – Autor des BuchesTheorie der Punkte und Striche: Die Geschichte der deutschen Interpunktionslehre – gefragt, was er von der Verwendung als Genderzeichen halte: „Reintypografisch gesehen ist ein Doppelpunkt sicherlich besser ins Wort integriert als so ein Sternchen, einfach deshalb, weil er schmaler ist und nicht so brutal ins Auge springt wie so ein Sternchen. […] definitiv wäre der Doppelpunkt besser zu lesen als der Stern, aber die Frage, wie man dann in derSprachkultur damit umgeht, die ist sicherlich noch nicht definitiv beantwortet.“[19]
2021 verwendet dienichtbinäre PersonHengameh Yaghoobifarah im DebütromanMinisterium der Träume den Doppelpunkt als Genderzeichen.[20][21] Auch der herausgebendeAufbau Verlag nutzt in seiner Kommunikation den Gender-Doppelpunkt,[21] während viele Verlage dazu das Gendersternchen nutzen (Details).
Im November 2018 analysierte derRat für deutsche Rechtschreibung (RdR) die Vorkommen vonGenderstern,Gender-Gap undBinnen-I in verschiedenen Textsorten und dazu bestehende Leitlinien, berücksichtigte aber den Doppelpunkt noch nicht. Zur weiteren Entwicklung schrieb der Rat:
„Dabei wird es wie bisher auch in Zukunft in unterschiedlichen Gruppen und Gemeinschaften unterschiedliche Schreibweisen zur Darstellung derunterschiedlichen Geschlechter geben. Diese müssen zur Kenntnis genommen und geprüft werden, sie können aber nicht jeweils für sich Allgemeingültigkeit und Verbindlichkeit für diegeschriebene Sprache beanspruchen. […] Der Rat wird auch weiterhin hierzu Analysen zum Schreibgebrauch in verschiedenen Medien und Gruppen von Schreibenden vornehmen.“[23]
Im März 2021 wurde seitens des Rats „die Aufnahme von Asterisk (‚Gender-Stern‘), Unterstrich (‚Gender-Gap‘), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen.“[24]
„Aktuell, im Frühjahr 2020, sind diese Möglichkeiten, d. h. Binnen-I, Genderstern, Gendergap, Doppelpunkt undMediopunkt zwar noch nicht Bestandteil der amtlichen Rechtschreibung, doch sind die drei zuerst genannten als weitverbreitete und legitime Mittel des Strebens nachgeschlechtergerechtem schriftlichen Ausdruck durchaus anerkannt und werden auch in den Sitzungen des Rats für deutsche Rechtschreibung zumindest diskutiert […].“
Im August 2020 erschien die28. Auflage des Rechtschreibdudens mit einer dreiseitigen ÜbersichtGeschlechtergerechter Sprachgebrauch, in der keine Regeln oder Normen vorgegeben, sondern nur Möglichkeiten aufgezeigt werden, die aktuell im Deutschen zur geschlechtergerechten Formulierung zu finden sind. Zum Doppelpunkt wird erklärt: „Vom amtlichen Regelwerk nicht abgedeckt sind Schreibweisen wie die folgenden: […] mit Gender-Gap (Unterstrich; Doppelpunkt):Schüler_innen; Schüler:innen“.[26]
Im Frühjahr 2021 machte die Plattform fürSocial-Media-ManagementAgorapulse einePilotstudie zum Vergleich von unterschiedlich gegendertenWerbeanzeigen. Dieselbe Anzeige wurde in einer Version mitgenerischen Maskulinformen gestaltet („Marketer aufgepasst“) und in einer zweiten mit Gender-Doppelpunkt („Marketer:innen aufgepasst“); zusätzlich wurde zwischen textlicher und grafischer Anzeigeform unterschieden. Getestet wurden beideSocial-Media-Strategien in Bezug auf die Kosten je Klick (Cost per Click: CPC). Die grafische Anzeige mit Doppelpunkt erhielt mehr Klicks und verringerte die Klickkosten um 16 % gegenüber der Anzeige in generischer Maskulinform; bei Textanzeigen war dieser Vorteil nur gering (Details).[27][28][29][30]
Ab den 1980er-Jahren verpflichten zahlreiche Gesetze und amtliche Regelungen in den dreiD-A-CH-Ländern, dieGleichstellung der Geschlechter durch ihre sprachliche Gleichbehandlung zum Ausdruck zu bringen (Chronologie). Nach der rechtlichen Anerkennung der dritten Geschlechtsoption „divers“2018 in Deutschland und2019 in Österreich erscheinen zahlreiche angepasste Leitfäden und Richtlinien zurgendergerechten Sprache. Neben neutralen Formulierungen erlauben oder empfehlen einige Behörden, Verwaltungen, Medien und Organisationen offiziell den Doppelpunkt alstypografisches Mittel, um in ihrer internen und externen Kommunikation neben Frauen und Männern auchnichtbinäre Personen anzusprechen und einzubeziehen.
ImPersonalwesen entwickelt sich der Umgang mit Personen dritten Geschlechts zu einer der Grundlagen vonDiversity Management. In Bezug auf die zunehmende Verwendung von Genderzeichen vermerktAnnika Schach, Professorin für AngewandtePublic Relations an derHochschule Hannover: „Geschlechtergerechtigkeit in der Sprache mittels Gendersternchen, Doppelpunkt oder Gender-Gap ist nur ein Teilbereich im Spektrum derDiversity-Dimensionen. […] Das wichtige Thema der Gendergerechtigkeit über Sprache wird oftmals mit dem Begriff derInklusion gleichgesetzt. Aber es ist nur ein Teilbereich.“[31]
Zu den Vorteilen des Doppelpunkts als Mittel gendergerechter Schreibung wird neben derBarrierefreiheit in Bezug aufScreenreader (Vorleseprogramme) vor allem der günstigeLesefluss angeführt:
Im November 2019 begründet die Internetplattformabgeordnetenwatch.de ihre Entscheidung für den Gender-Doppelpunkt: „Er soll alle Geschlechter ansprechen und gilt als gut lesbare und gendergerechte Schreibweise.“[32]
Ende 2019 erklärt dieStadt Lübeck in ihremLeitfaden für gendersensible Sprache: „Der Doppelpunkt zieht das Wort nicht auseinander wie derUnterstrich oder dasSternchen und bezieht trotzdem alle Personen mit ein (anders als z. B. die bisherige Variante mit demBinnen-I).“[33] Mit ähnlichem Wortlaut hatte dies bereits diekleinerdrei-Recherche 2016 angemerkt.[14] Die städtischeGleichstellungsbeauftragte Elke Sasse erläutert, dass der Doppelpunkt „gut verständlich“ sei und den Lesefluss nicht störe.[34]
Im März 2020 erklärt das Kommunikationsportalkom.de (ehemalspressesprecher.com), der Doppelpunkt sei „– verglichen mit anderen Möglichkeiteninkludierender Sprache – minimalinvasiv.“[5]
Im August vermerkt dertaz-Redakteur Peter Weissenburger: „Mittlerweile ist auch der Doppelpunkt ‚:‘ häufiger zu sehen, meistens mit dem Argument, dass er von allen Schreibweisen am wenigsten das Schriftbild stört.“[35]
Im September 2020 spricht sich derChefredakteur derFrankfurter RundschauThomas Kaspar für den „Doppelpunkt im Wort“ aus: „Mein Diskussionsvorschlag für die Schreibung in der Frankfurter Rundschau ist der Doppelpunkt im Wort. Also ‚Leser:innen‘ und ‚Hörer:innen‘. Nicht nur, dassVorleseprogramme diese Form problemlos bewältigen, schon bald gewöhnt sich das Auge beim Lesen und Schreiben daran.“[36]
Im Juni 2021 fasst Domingos de Oliveira, blinder Trainer für Barrierefreiheit und gefragter Interviewpartner,[37] zusammen: „Aktuell halte ich den Doppelpunkt für die beste Variante für blinde Personen. Der Doppelpunkt wird in der Standard-Konfiguration ‚einige Zeichen lesen‘ der gängigen Screenreader ignoriert, also nicht vorgelesen. Auch Sehbehinderte sollte er nicht stören, da er weniger Abstand zwischen den Zeichen erfordert als der Gender-Stern oder der Unterstrich. Von einigen – vor allem Sehenden – wird eingewendet, der Doppelpunkt würde eine zu lange Pause erzeugen. ‚Lang‘ ist in diesem Zusammenhang relativ, die meisten Blinden empfinden den Doppelpunkt am angenehmsten.“[38]
Mitte 2020 kritisiert dieMissy-Redakteurin Marie Hecht am Gender-Doppelpunkt, dass er für die gewollteDekonstruktion einerzweigeschlechtlich gedachten Sprache nicht geeignet sei, „denn man kann ihn schnell überlesen [… er] kann deninklusiven Charakter desGendersternchens bisher nicht ersetzen.“[40]
Zur gleichen Zeit beklagt derMedienwissenschaftler Muriel Aichberger, dass für den Doppelpunkt „ein ideologischer Überbau“ fehle, im Unterschied zum Sternchen alsPlatzhalter oder zum Unterstrich als offenem Raum fürDiversgeschlechtlichkeit. Die inklusive Wirkung des Gender-Doppelpunkts sei nicht belegt. Auch widerspreche es der Funktion des Doppelpunktes, eine Aufzählung anzukündigen, wenn nur die weibliche Endung folge.[41]
Im März 2021 bekräftigt ein Artikel imMissy Magazine die Infragestellung des Doppelpunkts: „Bei Sternchen und Unterstrich geht es nicht um bloße Repräsentation, sondern um eine aktive Störung der Sprech-, Schreib- und Sehgewohnheiten. Der Doppelpunkt sieht für Sehende aus wie ein kleines i, sticht weniger hervor, kommt somit weniger radikal daher und stört sehendecis Menschen vermutlich viel weniger als Sternchen oder Unterstrich.“[42]
Ähnlich argumentiert Christiane Buhl, Projektleiterin für die Umsetzung der gendergerechten Kommunikation in derStadtverwaltung Kiel: „Wir ziehen das Gendersternchen vor, wir sind da im Gespräch mit derQueer-Community. Der Gender-Doppelpunkt gilt zwar als Vielfaltslösung der Verwaltung, weil er so eine praktische Lösung ist. Aber er ist auch nur eintypographisches Zeichen, das sagt: ‚Stopp! Hier fängt etwas Neues an‘. Er beinhaltet keineVielfalt, er hat keinesymbolische Bedeutung. Vielleicht kommt die noch, dann könnten wir uns darauf umstellen.“[43]
Ähnlich wird argumentiert am Blog be-hindernisse.org und zudem wird dort darauf hingewiesen, dass die häufig aufgestellte Behauptung, der Doppelpunkt würde von Screenreadern besonders gut ausgegeben, nicht zutreffend ist.[44]
Im Juni 2021 lehnt die schweizerischeBundeskanzlei Schreibweisen mit Doppelpunkt, Sternchen, Unterstrich oderMediopunkt für deutschsprachige Texte derBundesverwaltung ab (Details). Im selben Monat haben acht der größten deutschsprachigen Nachrichtenagenturen „ein gemeinsames Vorgehen vereinbart, umdiskriminierungssensibler zu schreiben und zu sprechen“; sie wollen die Verwendung desgenerischen Maskulinums „zurückdrängen“, aber keine Genderzeichen nutzen (Details). Im Juli erklärt die Redaktion derSüddeutschen Zeitung, keine Genderzeichen zu verwenden (Details). Im August und September erlassen die Kultusministerien in Sachsen und Schleswig-Holstein ein Verbot der Verwendung von Genderzeichen an Schulen (Details).
Gesellschaft für deutsche Sprache
DieGesellschaft für deutsche Sprache aktualisierte im August 2020 ihreLeitlinien der GfdS zu den Möglichkeiten des Genderings, in denen auch auf Probleme des Gender-Doppelpunkts eingegangen wird:[9]
„Der Doppelpunkt wird von der Gesellschaft für deutsche Sprache nicht empfohlen. Gewöhnlich dient er als Übergangs- und Ankündigungszeichen und verursacht nicht wenige grammatische Probleme: Dies ist der Fall beiUmlautungen – nicht:Ärzt:in, Bauer:in. […] bei flektierten Formen – nicht:Kolleg:in, Ärzt:innen, den Schüler:innen. […] besser nicht:die:der Schüler:in und ihre:seine Eltern, ein:e gute:r Schüler:in. […] besser nicht:die Schüler:in und ihre Eltern. […] Werden Personenbezeichnungen mit Doppelpunkt vorgelesen, erwecken sie den Anschein, nur dasweibliche Geschlecht sei gemeint.“
Im August 2020 gab die GfdS in einer Pressemitteilung bekannt, dass neben Gender-Doppelpunkt auch „Gendersternchen und Co. mit deutscher Rechtschreibung nicht konform“ und keine geeignete Mittel zur Umsetzung einerdiskriminierungsfreien Sprache seien (sieheGfdS-Kritik am Genderstern).[45] Im Mai 2021 fasst die GfdS ihre Haltung zum geschlechtergerechten Formulieren zusammen: „‚Ja zum Gendern‘ – wenn es verständlich, lesbar und regelkonform ist. […] Zwar stehen wir dem Gendersternchen kritisch gegenüber, nicht aber demGendern an sich.“[46]
Duden-Redaktion
Im September 2020 erklärteKathrin Kunkel-Razum, Leiterin derDuden-Redaktion, auf die Frage, wie sie den Gender-Doppelpunkt finde:[47]
„Wir finden den Doppelpunkt nicht günstig gewählt, weil der in der Sprache, im Satzbau beispielsweise, so klar mit bestimmten Funktionen belegt ist. Natürlich steht das Sternchen als Zeichen auch für andere Funktionen, aber die sind nicht so nah an Grammatik oder Satzgliederung wie der Doppelpunkt. Von daher raten wir eher von ihm ab.“
Gabriele Diewald,Anja Steinhauer:Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Herausgegeben von derDuden-Redaktion. Dudenverlag, Berlin: April 2020,ISBN 978-3-411-74517-3, S. 126–127:Unterstrich u. A.: „Schüler_innen, Schüler:innen …“.
Taner Aydın:Genderinklusive Sprache & Barrierefreiheit. In:Taner-Aydin.dev. Eigene Website, aktualisiert: 18. Juni 2021 (mit kurzen Audios zur Aussprache von Genderzeichen in mehreren Screenreadern und Sprachassistenten).
Thomas Kaspar (Chefredakteur):Editorial: Wie gendern? In:Frankfurter Rundschau. 4. September 2020 („Mein Diskussionsvorschlag für die Schreibung in der Frankfurter Rundschau ist der Doppelpunkt im Wort. Also ‚Leser:innen‘ und ‚Hörer:innen‘“).
↑abRedaktion:Gendergerechte Sprache: Zwei Punkte für ein Halleluja. In:kom.de. 27. Januar 2020, abgerufen am 10. Juli 2021 (bis Juni 2021:pressesprecher.com); Zitat: „Ab sofort gendert pressesprecher online […] verwenden wir Kommunikator:innen, manchmal vielleicht auch Kommunizierende, wenn wir alle meinen, die professionell kommunizieren. Wenn es Sinn ergibt, schreiben wir zukünftig Sprecher:in statt nur Sprecher, Journalist:in statt nur Journalist. Wir berichten über Manager:innen und Politiker:innen, freuen uns über jede:n Gastautor:in statt nur über jeden Gastautor.“
↑Marie Beschorner:Geschichte der deutschen Sprache: Die Entwicklung der Interpunktion. In:Uni-Bielefeld.de. 9. Mai 2009, abgerufen am 18. März 2020 (Ausarbeitung an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft); Zitat: „Bis ins 9. Jahrhundert hinein sindPunkt (er ist das älteste Satzeichen) undDoppelpunkt gebräuchliche Zeichen […] DerDoppelpunkt, der zunächst meist eine ähnliche Funktion wie der Punkt […] erfüllte (also Sprechpausen markierte), […] steht vor Aufzählungen und vor direkter Rede […]“.
↑Hedonistische Internationale, SektionGreifswald:Rave on Ice. (Memento vom 26. April 2011 imInternet Archive) In:hihgw.org. 26. April 2011, abgerufen am 2. August 2021 (Ankündigung); Zitat: „Das kleine Rabauke lädt alle Eiskunstläufer:innen, Hockeyspieler:innen und sonstige Rutschbegeisterte ein, beim ersten Open-Air-Event des Jahres 2011 dabei zu sein.“ Ebenda:Das Gaga-Himmelfahrtskommando in Greifswald. (Memento vom 26. Dezember 2011 imInternet Archive) 31. Mai 2011; Zitat: „Keine Angst eure Greifswalder Hedonist:innen bleiben demMachowahn fern und machen natürlich keine Herrentagsparty.“ Ebenda:Lieber kreuz ’n quer statt law ’n order. (Memento vom 6. Mai 2012 imInternet Archive) 29. Februar 2012; Zitat: „Ohne den Großteil der studentischen Radfahrer:innen würde Greifswald sich der vorpommerschen Einöde anpassen – Das sollten auch die alten Herr:innen in der Bürgerschaft nicht vergessen!“
↑Anna Rosenwasser (freie Autorin, Zürich):Gastkommentar: Oh boy, dieses Gendern! In:NZZ.ch. 7. Juli 2021, abgerufen am 1. August (bezahlpflichtig); Zitat: „Weil mir die Sprache am Herzen liegt, will ich die Realität abbilden (und finde linguistische Inklusion zudem recht ästhetisch; zum Beispiel in dem phantastischen RomanMinisterium der Träume vonHengameh Yaghoobifarah, dessen erste Auflage den Doppelpunkt verwendet; die kommende Auflage gendert mitGender_Gap).“
↑abSabine Cronau:Gendern in der Belletristik (2) - Constanze Neumann: „Natürlich kann gegenderte Literatur gute Literatur sein“. In:Börsenblatt.net. 17. Juni 2021, abgerufen am 1. August 2021; Zitat von Constanze Neumann, VerlagsleiterinAufbau Verlag: „In der Kommunikation des Verlages, also in der Vorschau und allen begleitenden Texten, verwenden wir den Doppelpunkt. […] Nehmen Sie den beeindruckenden Debütroman von Hengameh Yaghoobifarah […]: große Kunst, wie sich gegenderte Formen und verschiedene Slangs hier zu einer ganz eigenen, hochliterarischen Sprache verweben.“
↑Rat für deutsche Rechtschreibung – Pressemeldung:Empfehlungen zur „geschlechtergerechten Schreibung“ – Beschluss des Rats für deutsche Rechtschreibung vom 16. November 2018. Mannheim, 16. November 2018 (PDF: 422 kB, 2 Seiten auf rechtschreibrat.com).
↑Rat für deutsche Rechtschreibung (RdR):Geschlechtergerechte Schreibung: Empfehlungen vom 26.03.2021. In:Rechtschreibrat.com. 26. März 2021, abgerufen am 26. März 2021 (Kurzfassung). Langfassung der Pressemitteilung:PDF: 453 kB, 2 Seiten auf rechtschreibrat.com. Ebenda: Anlage 1:Die Entwicklung und Bewertung des Themas „Geschlechtergerechte Schreibung“ in der Beobachtung des Schreibgebrauchs 2018–2020 vom Rat für deutsche Rechtschreibung, gebilligt am 26.03.2021. (PDF: 916 kB, 5 Seiten); Zitat: „Das vorliegende Papier wurde in einer (digitalen) Sitzung der Arbeitsgruppe am 15.12.2020 erarbeitet“. Ebenda: Anlage 2:Geschlechtergerechte Schreibung: Orthografisch nicht normgerechte Wort- und Satzbildungen. Stand: 9. Dezember 2020 (PDF: 285 kB, 2 Seiten).
↑Gabriele Diewald,Anja Steinhauer:Handbuch geschlechtergerechte Sprache: Wie Sie angemessen und verständlich gendern. Herausgegeben von derDuden-Redaktion. Dudenverlag, Berlin April 2020,ISBN 978-3-411-74517-3, S. 127:Anmerkung zur Normierung.
↑Duden-Redaktion (Hrsg.):Duden: Die deutsche Rechtschreibung (= Der Duden. Band 1/12). 28., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage. Dudenverlag, Berlin August 2020,ISBN 978-3-411-04018-6, S. 112–114:Geschlechtergerechter Sprachgebrauch, hier S. 112 (online auf duden.de).
↑Beatrice Achterberg inNZZ-Internationale Ausgabe vom 29. November 2023, Seite 7:Schluss mit Genderstern, Nach Abo-Kündigungen knickt der Tagesspiegel ein