DieGehorsamsverweigerung, früher auch alsBefehlsverweigerung bezeichnet, ist die Weigerung einesSoldaten, denBefehl einesVorgesetzten auszuführen. Dieser wurde alsBefehlsverweigerer bezeichnet. Die Verweigerung desGehorsams gegenüber einem Befehl wird in allen Armeen der Welt mit schweren Strafen geahndet. Früher wurde sie nicht selten mitErschießung geahndet.
AlsMeuterei wird über die reine Gehorsamsverweigerung hinausgehend eineRevolte gegen Vorgesetzte bezeichnet. Sie ist sowohl im militärischen, als auch im zivilen Kontext anzutreffen. Vor allem dieMeuterei in der Schifffahrt ist ein u. a. auch in der Literatur und in Filmen vielfach aufgegriffenes Thema. Strafrechtlich bewehrt ist die Meuterei in Deutschland daneben noch allgemein im Militär sowie im Strafvollzug.
Gehorsamsverweigerung ist im deutschen Recht eineStraftat nach§ 20Wehrstrafgesetz (WStG).Gehorsamsverweigerung beinhaltet dabei nicht das einfacheNichtbefolgen eines erhaltenen Befehls, sondern
Demgegenüber ist das einfacheNichtbefolgen eines Befehls nur bei Eintritt einerschwerwiegenden Folge, wie etwa Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben eines Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert, die dem Täter nicht gehören, eine Straftat, nämlich „Ungehorsam“ nach§ 19 Wehrstrafgesetz (WStG). Ansonsten kann es nur nach derWehrdisziplinarordnung geahndet werden.
Auch das leichtfertige Nichtbefolgen eines Befehls, das eine schwere Folge nach sich zieht, reicht für die Strafbarkeit gemäß§ 21 WStG aus.
Im zivilen Umfeld spricht man umgangssprachlich von einer „Befehlsverweigerung“, meint aber die hier rechtlich beschriebene „Gehorsamsverweigerung“.Befehlsverweigerung ist korrekterweise die Bezeichnung für die Weigerung eines vorgesetzten Soldaten, Untergebenen einen Befehl zu erteilen. Es sind vergleichsweise nur wenige Fälle von Befehlsverweigerung in Gerichtsakten dokumentiert.[1]
Als Meuterei gilt nach§ 27 des deutschenWehrstrafgesetzes, wenn sichSoldaten zusammenrotten und eine gemeinschaftlich begangene Gehorsamsverweigerung (§ 20), eine Bedrohung (§ 23), Nötigung (§ 24) oder einen tätlichen Angriff (§ 25) gegen einenVorgesetzten durchführen. Die Zusammenrottung erfordert dabei ein räumliches Zusammentreten von mindestens zwei Personen.
Als Strafrahmen ist eine Freiheitsstrafe zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vorgegeben, bei schweren Fällen als Rädelsführer oder der Verursachung einer schwerwiegenden Folge (Gefahr für die Sicherheit, die Schlagkraft der Truppe, Leib oder Leben oder fremden Sachen von bedeutendem Wert) zwischen einem und zehn Jahren. Bereits der Versuch und die Verabredung zur Gehorsamsverweigerung (Verabredung zur Unbotmäßigkeit) ist gemäß§ 28 WStG strafbar, und für eine Beteiligung wird man selbst nach einemRücktritt (also dem Entschluss, sich doch nicht zu beteiligen) noch bestraft.
Im deutschen Wehrrecht gibt es heutzutage die Möglichkeit, straffrei den Gehorsam zu verweigern,
Nicht ausgeführt werden darf (§ 11 Abs. 2 SG) ein Befehl, dessen Befolgen selbst eine Straftat oder einen schweren Verstoß gegen den Kerngehalt desVölkerrechts zur Folge hätte, wie beispielsweise diestandrechtliche Erschießung von Gefangenen oder das grundlose Töten von Zivilisten.[2]
§ 146 Abs. 1 in Verbindung mit§ 145 Abs. 1 Nr. 16,§ 124 Abs. 1 Satz 2 desSeearbeitsgesetzes (SeeArbG) bestraft die vorsätzliche Nichterfüllung einer vollziehbaren Anordnung eines zuständigen Vorgesetzten, die dazu dient, eine drohende Gefahr für Menschen, für das Schiff oder dessen Ladung abzuwehren, schwere Störungen des Schiffsbetriebs zu verhindern oder Vorschriften über die Schiffssicherheit zu erfüllen, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe.[3][4]
Das rechtswidrige Übernehmen der Herrschaft über ein im zivilen Seeverkehr eingesetztes Schiff bzw. das Einwirken auf dessen Führung wird alsAngriff auf den Seeverkehr (§ 316cStGB) mit Freiheitsstrafe von fünf bis fünfzehn Jahren, in minder schweren Fällen von einem bis zu zehn Jahren, bestraft.
ImStrafvollzug wird die gewaltsame Zusammenrottung von Strafgefangenen, um gewaltsam auf Justizbeamte einzuwirken oder den Ausbruch einzelner oder mehrerer zu ermöglichen, auch alsGefangenenmeuterei bezeichnet. Die Gefangenenmeuterei ist im deutschenStrafrecht in§ 121StGB definiert. Das Delikt ist keinUnternehmensdelikt.
Die Vorschrift soll die Aufrechterhaltung der Ordnung in denJustizvollzugsanstalten und die Sicherheit der mit der Verwahrung befassten Amtsträger gewährleisten. Als Täter kommen allein Gefangene und Sicherungsverwahrte (§ 121 Abs. 4 StGB) in Betracht. Die Vorschrift ist unanwendbar auf Menschen, die wegen einer sonstigenMaßregel der Besserung und Sicherung untergebracht wurden. Nichtgefangene oder Nichtsicherungsverwahrte können jedoch Teilnehmer der Tat sein.
Das Zusammenrotten bedeutet, dass mindestens zwei Gefangene räumlich zusammentreten, um gemeinschaftlich einen gewaltsamen Zweck zu fördern. Nach innen hin muss der friedensstörende Wille in Erscheinung treten. Zusätzlich wird nach dem deutschen Strafrecht auch verlangt, dass die Täter mit vereinten Kräften handeln. Die Täter müssen ihre Tathandlung auf einen Gemeinschaftswillen gründen. DasTatbestandsmerkmal bedeutet aber keineswegs technischeMittäterschaft.
Die Tat muss nicht innerhalb der Justizvollzugsanstalt stattfinden, sondern ist u. a. auch beim Transport denkbar.
Die Vollendung tritt mit der gewaltsamen Einwirkung oder demAusbruch ein. DerVersuch ist strafbar.
Gegen Gefangene darf in diesem Fall von der Schusswaffe nach§ 100 Abs. 1 Nr. 2Strafvollzugsgesetz Gebrauch gemacht werden.
Im Frühjahr 1917 kam es nach gescheiterten Offensiven in der französischen Armee zuMeutereien, von denen zeitweilig bis zu 16 Korps erfasst wurden. Deshalb wurde der französische Oberbefehlshaber Nivelle durch GeneralPétain abgelöst, der die Verteidigung Verduns organisiert hatte. Durch den Übergang zu einer strikten Defensivhaltung konnte Pétain die Unruhe in der französischen Armee vorerst eindämmen. Gegen meuternde Soldaten wurde mit äußerster Härte vorgegangen.Kriegsgerichte fällten 629 Todesurteile, davon wurden 43 vollstreckt.[5][6]Pétain erkannte die Gefahr und sorgte für Verbesserungen bei der Verpflegung und bei den Ruhezeiten der Truppen. Die Soldaten wurden künftig durch sorgfältiger geplante und vorsichtigere Operationen sowie verstärkten Materialeinsatz etwas entlastet. In der Folge setzte in der französischen Armee ein langsamer Regenerationsprozess ein, die Moral festigte sich wieder.
1918 befahl die deutscheAdmiralität ungeachtet der deutschenWaffenstillstandsbemühungen imFlottenbefehl vom 24. Oktober 1918 für den 29. Oktober das Auslaufen derFlotte zu einer letzten verzweifelten Schlacht („ehrenvoller Untergang“) gegen die überlegeneRoyal Navy. Daraufhin kam es inWilhelmshaven zu Meutereien. Man verlegte die Flotte deshalb zum Teil nachKiel und wollte die Meuterer bestrafen. Es brach einMatrosenaufstand aus, der innerhalb weniger Tage zurNovemberrevolution anwuchs.
Ihren Ausgang hatte dieNovemberrevolution mit der kollektiven Gehorsamsverweigerung (Meuterei) derMatrosen in Kiel genommen.Soldatenräte sollten ihren Forderungen Ausdruck verleihen. Eine spontane Bewegung erfasste weitereHafenstädte und auch Mittel- undSüddeutschland. Beauftragte derArbeiterparteien undGewerkschaften übernahmen als Arbeiterräte oderArbeiter- und Soldatenräte vor Ort die politischen Funktionen.
Die Revolution erfasste am 9. November auchBerlin, wo Reichskanzler PrinzMax von Baden aus Sorge vor einem radikalen politischen Umsturz eigenmächtig dieAbdankung des Kaisers sowie den Thronverzicht des Kronprinzen bekanntgab und die Reichskanzlerschaft auf den Vorsitzenden derSPD,Friedrich Ebert, übertrug. Am Nachmittag desselben Tages riefPhilipp Scheidemann die deutsche Republik aus.
ImZweiten Weltkrieg wurden Befehlsverweigerer in Deutschland mitFreiheitsstrafe oder mit demTode bestraft. Unabhängig aus welchen Gründen sie ihre Tat begingen, wurden sieOpfer der NS-Militärjustiz.
Am 9. Juni 1942 erteilteHitler dem Oberbefehlshaber des deutschenAfrikakorps, GeneralfeldmarschallErwin Rommel (Wüstenfuchs), schriftlich denFührerbefehl,[7] dass deutsche politische Flüchtlinge, die auf französischer Seite imAfrikafeldzug kämpften, zuerschießen seien. Rommel verweigerte die Ausführung dieses Befehls.
Ein besonders bekanntes Beispiel von Befehlsverweigerung geschah im August 1944: Der deutsche Stadtkommandant von Paris, GeneralDietrich von Choltitz (1894–1966),kapitulierte und ignorierte damit einen Befehl Hitlers (Führerbefehl vom 23. August 1944, bekannt als „Trümmerfeldbefehl“), Paris zu verteidigen oder „nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen“ zu lassen.[8]
Gotthard Heinrici, ein mehrfach hochdekorierter General (Generaloberst seit 1. Januar 1943), hatte an derOstfront in den Jahren 1944 und 1945 einige Rückzüge befohlen, ohne zuvor Hitler um Erlaubnis zu fragen. Er wurde von Hitler am 29. April 1945 (also am Tag vor Hitlers Suizid) seines Postens enthoben und sollte vor einKriegsgericht gestellt werden.Karl Dönitz, den Hitler zu seinem Nachfolger ernannt hatte, ignorierte dies und unternahm nichts gegen Heinrici.
Am 22. April 1945 befahl Hitler dem SS-ObergruppenführerFelix Steiner denEntsatzangriff seiner Armeegruppe in derSchlacht um Berlin. Steiner verweigerte diesen Führerbefehl als undurchführbar. Hitler erlitt einen Nervenzusammenbruch, als er dies erfuhr. Er klagte, nun sei alles verloren, auch dieSS habe ihn verraten, und entließ Teile seines Stabes. Er beschloss, in Berlin imFührerbunker zu bleiben, und beauftragte seinen Chefadjutanten, SS-ObergruppenführerJulius Schaub, alle Papiere und Dokumente aus seinen Privattresoren in Berlin, in München und auf demBerghof zu verbrennen.[9] Am 30. April 1945 beging Adolf HitlerSuizid.
Im Zuge des Rückzugs im Rahmen desWestfeldzugs derWehrmacht ausBordeaux sollte im August 1944 der Hafen der Stadt gesprengt werden. Der damit beauftragte SprengstoffspezialistHeinz Stahlschmidt weigerte sich und verhinderte somit die vollständige Zerstörung.
Auf dem deutschenMinensuchbootM 612 meuterte am 5. Mai 1945 die Besatzung, als das Minensuchboot entgegen den Bestimmungen derTeilkapitulation Order erhielt, vonDänemark nachKurland zu laufen. Die Meuterei wurde zufällig von einem deutschen Schnellboot bemerkt und daraufhin niedergeschlagen. Elf Besatzungsmitglieder wurden noch am gleichen Tag nach einem Standgerichtsverfahren erschossen.
Nachdem in vielen Dörfern des Herrschaftsgebiets immer wieder ganze Häuserreihen abbrannten, wurden unterPfalzgraf Karl IV. im Jahr 1772 strenge Anordnungen zur Verhütung eines Feuerbrandes erlassen. Hierin wurde auch festgelegt, dass Gehorsamsverweigerung dem Löschkommando gegenüber, unerlaubtes Entfernen von der Brandstätte oder absichtliches Beschädigen der Löschgeräte mit empfindlicher Leibesstrafe zu ahnden ist.[10]
Eines der bedeutendsten literarischen Werke, das Gehorsam und Gehorsamsverweigerung zum zentralen Thema hat, istHeinrich von Kleists DramaDer Prinz von Homburg.