DerGeburtskanal ist die Bezeichnung für die Organe des weiblichenGeschlechtssystems, bzw. die darin befindlichen Hohlräume, die ein Kind bzw. Jungtier zum Zeitpunkt seinerGeburt passieren muss.[1] Der Begriff findet hauptsächlich Anwendung beiSäugetieren einschließlich desMenschen, aber auch bei anderenlebendgebärenden Tieren. Im Fall der Säugetiere umfasst der Geburtskanal denGebärmutterhals sowie die anschließendeVagina. Häufig wird der Begriff auf das knöcherne weiblicheBecken (den Beckenkanal) erweitert. Dieses stellt beim Menschen die Haupthürde für das Kind bei der Geburt dar.
Eine wesentliche Rolle spielen dieMorphologie bzw. Anatomie und die Größenverhältnisse zwischen den engeren Bereichen des Geburtskanals und den Föten, die ihn passieren müssen.
BeiReptilien undVögeln sind die entsprechenden weiblichen Strukturen Teile desLegedarms. Die meisten Reptilienarten sindovipar. Auch hier wird manchmal der BegriffGeburtskanal verwendet, besonders bei Beschreibungen derLegenot und ihrer Behandlung. SpezialisierteTierärzte vergewissern sich bei den Untersuchungen, dass das Verhältnis von Eigröße und Beckendurchmesser eine Eiablage erlaubt. Bei weichschaligen Eiern ist während der Beckenpassage ein gewisse Komprimierung möglich.[2] Beim Menschen muss eine Diskrepanz zwischen dem Umfang des kindlichen Schädels und der Weite des mütterlichen Beckens durch eine sich an die Form des Geburtskanals in der Beckenenge anpassende Verformung des Kopfes überwunden werden, wobei sich die Ränder derSchädelknochen an den noch offenen breitenSuturen übereinanderschieben.[3]
Viele Säugetiere haben doppelte oder geteilte Uteri (Uterus bicornis),[4] die einen für die Tierart normalen Geburtsablauf erlauben. Beim Menschen gibt es diese nur als selteneFehlbildungen der Gebärmutter. Sie bedeutenRisikoschwangerschaften undRisikogeburten.[5]
Bei dem für dievierbeinige Fortbewegung ausgelegten Körperbau der Säugetiere, auch bei dem der anderenPrimaten, verlaufen die Geburten meistens leichter als beim Menschen. Beim Menschen hat sich im Zusammenhang mit dem aufrechten Gang und dem im Laufe derHominisation zunehmendem Kopfumfang derNeugeborenen einerelative Enge im Bereich des knöchernen Beckens entwickelt. Diese ist für die Geburtsverläufe von Nachteil, sie bietet aber bessere Unterstützung, um das Gewicht der Eingeweide und eines großen menschlichen Fötus während einer langen Schwangerschaft zu tragen. Studien deuten darauf hin, dass derzweibeinige Gang zu einer Verringerung der Flexibilität derSchambeinfuge geführt hat. Diese öffnet sich bei Säugetieren mit großen Föten weiter als beim Menschen.
Die Enge des Geburtskanals speziell beim anatomisch modernenMenschen (Homo sapiens) führte zu einem relativ hohen Risiko der Neugeborenen- undMüttersterblichkeit.[6][7][8] Dies ist einer der Gründe, warum es in allen Kulturen üblich wurde, den FrauenGeburtshilfe zu leisten.
Der menschliche Geburtskanal besteht aus dem knöchernen Becken mit den Beckenräumen des großen und kleinen Beckens sowie aus dem Weichteilrohr und dem Weichteilansatzrohr.
Die Grenzebene zwischen dem großen und kleinen Becken bezeichnet man alsLinea terminalis. Sie verläuft vom Bereich des Promontoriums zum oberen Rand derSymphyse. Geburtsmechanisch wichtig ist die Unterteilung des kleinen Beckens in den Beckeneingangsraum, die Beckenhöhle und den Beckenausgangsraum.
Nachdem infolge derEröffnungswehen der vorangehende Teil des Kindes um den Bogen um das Promontorium herumgeschoben wurde, hat nur das unterhalb der Linea terminalis liegende kleine Becken für den weiterenGeburtsmechanismus Bedeutung.
DasWeichteilrohr als innerer Bereich des Geburtskanals besteht aus dem unteren Segment derGebärmutter, demGebärmutterhals und demBeckenboden. Beim Austritt des kindlichen Kopfes aus dem knöchernen Becken entfalten sichVagina und Beckenboden nach außen und verlängern den Geburtskanal alsWeichteilansatzrohr um mehrere Zentimeter, besonders amDamm. Bei medizinischerIndikation kann die Verlängerung (evtl. unterLokalanästhesie) perDammschnitt geöffnet werden, um die Geburt des Kopfes zu erleichtern und einem Riss vorzubeugen.[9]
Geburten können die Weichteile strapazieren. Der Beckenboden wird starken Zugkräften ausgesetzt und erheblich gedehnt, weshalb infolge von Geburten Störungen der Beckenbodenfunktion undHarninkontinenz häufige chronische Gesundheitsprobleme bei Frauen darstellen.[10]
Bei 4 bis 6 Prozent der Schwangerschaften besteht vor der Geburt ein Missverhältnis zwischen dem Kopfumfang des Kindes und den Innendurchmessern des knöchernen Beckens (Beckenmaße), das eine vaginale Geburt unmöglich macht.ObstruierteWehen aufgrund eines ungünstigen Größenverhältnisses können ohneKaiserschnitt zu Verletzungen des ungeborenen Kindes und der Schwangeren und für beide zum Tod führen.
Seit beiGeburtsstillständen Kaiserschnitte durchgeführt werden, wurde derSelektionsdruck auf die Beckeninnenmaße der Frauen und die Größe der Ungeborenen aufgehoben. Damit nimmt die moderne Geburtshilfe Einfluss auf die menschlicheEvolution. Nach Berechnungen in einer Studie dürften die regelmäßigen Anwendungen lebensrettender Kaiserschnittentbindungen, die wegen eines Missverhältnisses vorgenommen wurden, evolutionär bereits zu einer Erhöhung der Rate an ungeborenen Kindern mit relativ großem Kopfumfang geführt haben.[11][12][13][14][15]
Nach der Dehnung der Weichteile des Geburtskanals durch den Geburtsvorgang erfolgt dieSchwangerschaftsrückbildung durch Uteruskontraktion, Abbau überschüssig gewordener Muskelsubstanz, Regeneration desEndometriums sowie Straffung der Beckenbodenmuskulatur, die wieder ihre Verschlussfunktion erfüllt. Während der Geburt ist die Vagina Teil des Geburtskanals. Nach einer Regenerationszeit, kann die Vagina wieder als Sexualorgan dienen und vaginalerIntimverkehr post partum wird möglich.[16][17]