Gebhard Truchseß von Waldburg-Trauchburg (*10. November1547 inHeiligenberg; †31. Mai1601 inStraßburg) war als Gebhard I.Kurfürst undErzbischof vonKöln und Herzog von Westfalen (1577–1583). Er trat zum Protestantismus über, heiratete und wollte das Erzstift säkularisieren. Dies löste den Widerstand der Mehrheit desKölner Domkapitels aus. Beide Seiten, unterstützt von auswärtigen Verbündeten, kämpften gegeneinander imKölnischen Krieg, den Gebhard schließlich verlor.
Gebhard stammte aus derJakobischen Linie derReichstruchsessenvon Waldburg. Sein Vater war Wilhelm der Jüngere von Waldburg zu Friedberg, Scheer und Trauchburg. Er war kaiserlicher Rat und Gesandter. Die Mutter war Johanna, Tochter des Grafen Friedrich vonFürstenberg.
Bereits früh war Gebhard für den geistlichen Stand vorgesehen. Sein OnkelOtto von Waldburg, Bischof von Augsburg und Kardinal, übernahm 1558 die Aufgabe, Gebhard zu Geistlichkeit und Studium zu erziehen. Er studierte an den UniversitätenDillingen,Ingolstadt,Löwen undPerugia. Gebhard erwarb nicht zuletzt durch seinen OnkelDompfründen inAugsburg,Köln undStraßburg. DieSubdiakonsweihe empfing er 1567. Nach seiner Rückkehr aus Italien lebte er hauptsächlich in Augsburg ein zunächst recht weltliches Leben, ehe er auch nach Ermahnungen dieses aufgab. Über die folgenden Jahre ist kaum etwas über ihn bekannt. In Augsburg stieg er 1574 zumDompropst und im selben Jahr in Straßburg zumDomdechanten auf. Obwohl auch Domherr in Köln, war er dort nur selten und versäumte auch seine jährliche Residenzpflicht. An dem Streit zwischen ErzbischofSalentin von Isenburg und dem Domkapitel hatte er daher zunächst keinen aktiven Anteil.
Als Erzbischof Salentin ankündigte zu resignieren, weil er heiraten wollte, war Gebhard zunächst kein aussichtsreicher Nachfolgekandidat. Aber er kümmerte sich nunmehr stärker um die Verhältnisse im Erzstift Köln. Er beteiligte sich daran, die Rechte des Domkapitels in der Nachfolgefrage zu wahren. Neben Gebhard gab es verschiedene andere mögliche Nachfolger. Besonders aussichtsreich schien der JesuitenzöglingErnst von Bayern zu sein. Hinter diesem stand nicht nur sein Vater HerzogAlbrecht V., sondern auch derpäpstliche Nuntius. Dagegen verfügte Gebhard über gute Beziehungen im Domkapitel und auch die Landstände hatten lieber ihn als einen Nachkommen aus einem mächtigen Fürstenhaus zum Nachfolger. Innerhalb des Domkapitels gab es eine dem Protestantismus nahestehende Partei, die den Einfluss des strikt katholischen Bayern fürchtete. Nach dem Rücktritt des Erzbischofs Salentin von Isenburg wurde Gebhard am 5. Dezember 1577 in Köln mit 12/10 Stimmen gegen Ernst von Bayern zum Erzbischof gewählt. Der unterlegene Kandidat wollte sich zunächst nicht fügen, behauptete, an der Wahl hätten Häretiker teilgenommen und appellierte letztlich vergebens an Rom. Allerdings verzögerte dieser Vorgang diepäpstliche Bestätigung der Wahl.
Die erste Zeit nach seiner Wahl finanzierte er auch durch ein Darlehen vonConrad Orth ab Hagen, einem KölnerDekan undRektor dermittelalterlichen Universität zu Köln sowie Domherr und Neffe desBernhard von Hagen, KurfürstlicherKanzler,Propst und Dekan in Köln.[1]
Gebhard bekannte sich durch sein Handeln dennoch zunächst zum Katholizismus. Am 19. März 1578 empfing er diePriesterweihe und leistete denTridentinischen Glaubenseid. Die Priesterweihe war keineswegs selbstverständlich, hatten doch seine vier Vorgänger darauf verzichtet. Für seine katholische Haltung sprach auch seine Förderung derJesuiten in Köln gegen den Willen der Bürger und seine Absicht, eine Visitation imHerzogtum Westfalen durchführen zu lassen. Im April 1578 erfolgte die Belehnung durch KaiserRudolf II. und die Aufnahme in dasKurfürstenkollegium. Die päpstliche Bestätigung seiner Wahl erhielt er am 29. März 1580.
Der Kaiser war mit der Wahl Gebhards insgeheim zufrieden, auch wenn er offiziell Ernst von Bayern unterstützt hatte. Tatsächlich wäre dem kaiserlichen Hof eine weitere Stärkung Bayerns nicht gelegen gekommen. Gebhard nahm 1578 am Wormser Deputationstag teil. Im Jahr 1579 nahm er als kaiserlicher Beauftragter am Kölner Pazifikationskongress zur Beilegung des Streits zwischenSpanien und den aufständischenniederländischen Provinzen teil. Er trat dabei eindeutig zu Gunsten Spaniens und gegen religiöse Ansprüche der protestantischen Niederlande auf. Aus diesem Grund verschlechterten sich die Beziehung zu den Niederlanden und dem HausOranien-Nassau. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger unterhielt Gebhard relativ gute Beziehungen zum benachbartenHerzogtum Jülich. Dagegen verschlechterte sich die Beziehung zu denGrafen der Wetterau, die ihn während der Bischofswahl noch unterstützt hatten.
Über den Lebenswandel Gebhards in der ersten Zeit seiner Amtszeit ist nichts bekannt. Etwa seit 1579 oder 1580 hatte er ein Liebesverhältnis mit der protestantischen GräfinAgnes von Mansfeld. Diese war Stiftsdame imStift Gerresheim. Beide kamen zunächst heimlich aufSchloss Moers zusammen, das Gebhards FreundAdolf von Neuenahr gehörte. Auch durch Einflussnahmen von heimlich zum Protestantismus übergetretenen Domherren und durch Druck desHauses Mansfeld, das Agnes nicht als bloße Mätresse sehen wollte, entstand der Plan, seine Geliebte zu heiraten. Gebhards Vorgänger hatte ebenfalls geheiratet, war aber zurückgetreten und eine katholische Ehe eingegangen. Dies wurde auch von Gebhard erwartet, doch bald wurde klar, dass er andere Pläne verfolgte, nämlich zum Protestantismus überzutreten, zu heiraten und den Erzstuhl und Kurstaat dennoch zu behalten. Dabei kam Gebhard gelegen, dass die Protestanten in Köln beim Rat der Stadt freie Religionsausübung verlangten.
Es gab zu dieser Zeit zahlreiche Vorbilder für Gebhards Absichten: 1561 hatte sich der Magdeburger ErzbischofSigismund von Brandenburg zur Reformation bekannt, ohne sein Amt zu verlieren, 1566 war der ProtestantHeinrich von Sachsen-Lauenburg zumErzbischof von Bremen gewählt worden, 1574 auch zumFürstbischof von Osnabrück und 1577 zumFürstbischof von Paderborn (dessen BruderFriedrich wurde als Kölner Chorbischof allerdings Gebhards katholischer Gegenspieler), die HochstifteLübeck,Naumburg undMeißen waren aufgelöst und in protestantische Territorien verwandelt worden, inHalberstadt 1566 ein evangelischer Fürstbischof gewählt worden. Dem letztenHochmeister desDeutschen Ordens in Preußen,Albrecht von Hohenzollern, der schon 1525 zur Reformation übergetreten war, war es sogar gelungen, denDeutschordensstaat in ein erbliches Herzogtum zu verwandeln, das Gleiche gelangGotthard Kettler 1561 imkurländischen Ordensgebiet.
Die Gerüchte über diese Pläne erreichten das Domkapitel. Dort verstärkte sich die Kritik an Gebhard, der schon zuvor mit dem Domkapitel über verschiedene Rechte im Streit gelegen hatte. Gerüchte über die Pläne erreichten bald auchGregor XIII., der Gebhard in einem Schreiben ermahnte, von seinem Vorhaben abzusehen, und gleichzeitig das Domkapitel zum Widerstand aufforderte.
Anführer von Gebhards Gegnern im Domkapitel war der ChorbischofFriedrich von Sachsen-Lauenburg (1554–1586), der als einer der Nachfolgekandidaten galt. Dieser nahm dem Kurfürsten den Zoll vonZons. Daraufhin stellte Gebhard Truppen auf und zog am 4. November 1582 vorBonn. Er setzte sich in den Besitz der Stadt und einiger benachbarter Ortschaften und Schlösser. Unterstützt wurde er jetzt von den protestantischen Wetterauer Grafen. Es kam in der Folge zu Verhandlungen mit dem Domkapitel. Ein Problem Gebhards war, dass sich keiner der gelehrten kurfürstlichen Räte auf seine Seite stellte. In dieser Zeit machte sich Gebhard auch stärker mit den protestantischen Lehren vertraut.
Am 19. Dezember 1582 sagte sich Gebhard öffentlich von der katholischen Kirche los und trat zurreformierten Religion über.[2] Er stellte seinen Untertanen die Konfessionswahl frei. Die Mehrheit des Kölner Domkapitels bekannte sich weiterhin zum Katholizismus. Gebhard erklärte außerdem, er werde weiter Erzbischof bleiben. Er heiratete am 2. Februar 1583 in Bonn seine Geliebte. Danach ließ er in der Münzstätte Deutz den sogenanntenProtestantischen Trutztaler prägen, der weder seinen Namen noch seinen Titel enthält. Der mit Gebhard verbündete GrafAdolf von Neuenahr besetzte mit seinen Truppen die stark befestigte Stadt Rheinberg.
Gebhards Vorgehen verstieß in vielfacher Hinsicht gegen geltendes Recht. Dazu gehörten Verstöße gegen dasReservatum ecclesiasticum von 1555, dieGoldene Bulle, dentridentinischen Eid und dieErblandesvereinigung von 1550. Noch bedeutender waren die politischen Folgen. EineSäkularisation Kurkölns hätte eine massive Schwächung des Katholizismus und möglicherweise dessen Zusammenbruch in ganz Nordwestdeutschland bedeutet. Es drohte eine Verschiebung des Kräftegewichts im Kurfürstenkollegium zu Gunsten der Protestanten. Die Wahl eines protestantischen Kaisers lag damit im Bereich des Möglichen.
Vor diesem Hintergrund formierten sich die Gegner Gebhards. Die Gegenbewegung begann unter den katholischen Mitgliedern des Domkapitels. Die Mehrheit der drei übrigen Landstände des Erzstifts und desVest Recklinghausen schlossen sich dem Protest an oder erklärten sich für neutral. Beim Kölner Landtag von 1583 waren die Stände desHerzogtums Westfalen nicht anwesend. Die Vertreter der beiden übrigen Teilgebiete forderten den Kaiser auf, Gebhard abzusetzen. Rudolf II. forderte Gebhard vergeblich zum Rücktritt auf.
Schon vor dem Kölner Landtag hatten Gebhards Gegner aus dem Domkapitel den militärischen Kampf eröffnet. Die Stände desHerzogtums Westfalen agierten zunächst unschlüssig, bis sie sich auf Druck des Kaisers in einem Appell gegen den Kurfürsten stellten. Dieser blieb unbeeindruckt und berief einen Landtag nachArnsberg ein. Außerdem proklamierte er die Gleichstellung der Konfessionen auch für das Herzogtum. Auf dem Landtag im März 1583 zeigte sich, dass es sowohl Gegner wie auch Unterstützer Gebhards gab. Vor allem der RatOtto von Wolmeringhausen und die Städte im Osten deskurkölnischen Territoriums standen ihm nahe, was wegen der Nähe zum protestantischenHessen,Waldeck undWittgenstein von strategischer Bedeutung war. Letztlich setzte sich Gebhard im Herzogtum Westfalen durch. Der katholisch gebliebene LanddrostEberhard zu Solms-Lich und mit ihm die meisten westfälischen Räte, das heißt die Spitze der Verwaltung des Herzogtums, gingen nachDortmund ins Exil.
Am 1. April 1583 wurde Gebhard von PapstGregor XIII. exkommuniziert. Das Domkapitel wählte am 23. Mai 1583 seinen früheren Gegenkandidaten Ernst von Bayern zum Gegen-Erzbischof von Köln und sicherte dadurch bayerisch-spanische Truppenunterstützung sowie die katholische Mehrheit im Kurfürstenkollegium.
Gebhard, der sich noch auf die westfälischen Teile seines Herrschaftsgebiets stützen konnte, mobilisierte seine Truppen. Er erhieltkurpfälzische Hilfe durch PfalzgrafJohann Kasimir. Weitere Unterstützung von protestantischen Fürsten blieb weitgehend aus. Im Herzogtum Westfalen begann er damit, eine protestantischeKirchenordnung einzuführen, und stieß damit aber zumindest teilweise auch auf Widerstand.
Insgesamt verlief derKölnische Krieg (1583–1588), der auchTruchsessischer Krieg genannt wird, für Gebhard ungünstig. Zwar gab es zunächst Erfolge, z. B. die Einnahme vonRheinberg in Allianz mit seinem Unterstützer, GrafAdolf von Moers und Neuenahr, desgleichen Ende 1583 der Sieg in derSchlacht bei Hüls.
Nach derZerstörung der Godesburg bei Bonn am 17. Dezember 1583 durch bayerisch-spanische Truppen (siehe dazu auchBonner Belagerungsmünzen von 1583) musste Gebhard jedoch nachWerl ins Herzogtum Westfalen fliehen und verschanzte sich im dortigenkurfürstlichen Schloss. Während der sogenannten Truchsessschen Wirren wurden anschließend weite Teile des Erzstiftes und des Herzogtums Westfalen verheert. So wurde die Einrichtung der Werler PfarrkircheSt. Walburga zerstört. Auch im Herzogtum Westfalen stieß Gebhard auf Widerstand. Dazu gehörte etwa der Drost zuBalve,Hermann von Hatzfeld. Gebhard ging 1584 auf Vermittlung vonWilhelm von Oranien in die Niederlande und setzte den Krieg von dort aus mit niederländischen Truppen fort. Diese eroberten am 23. Dezember 1587 Bonn und verwüsteten die Stadt.
Gebhard gab 1589 den Kampf auf, siedelte nach Straßburg über und wurde evangelischerDomdechant am Hof vonHerzog Friedrich von Württemberg. Er starb 1601 in Straßburg und wurde imStraßburger Münster beigesetzt. Im Jahr 1585 forderte er bei seinem Bruder Truchseß Christoph erfolglos die StadtNusplingen mit der HerrschaftKallenberg als sein Erbe ein.
Ein Testament vom 8. Mai 1583 wurde nach dem Tod seiner Brüder auf den württembergischen Herzog und dessen ältesten Sohn abgeändert. 1601 starb Gebhard. Herzog Friedrich und sein Nachfolger Herzog Johann Friedrich versuchten erfolglos, ihr Erbe auf friedlichem Weg anzutreten. Erst am 5. November 1632, zur Zeit der Regentschaft von HerzogJulius Friedrich von Württemberg-Weiltingen, rückte die aufgebotene 1. Wahl der wehrpflichtigen Bürger Württembergs inMeßstetten unter dem Kommando von OberstMichael Rau, flankiert von schwedischen Truppen, aus, um den letzten Willen Gebhards zu verwirklichen.
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Salentin von Isenburg | Kurfürst und Erzbischof von Köln 1577–1583 | Ernst von Bayern |
Personendaten | |
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NAME | Gebhard I. von Waldburg |
ALTERNATIVNAMEN | Gebhard, Truchsess von Waldburg; Erzbischof Gebhard von Köln |
KURZBESCHREIBUNG | Kurfürst und Erzbischof von Köln (1577–1583) |
GEBURTSDATUM | 10. November 1547 |
GEBURTSORT | Schloss Heiligenberg,Heiligenberg |
STERBEDATUM | 31. Mai 1601 |
STERBEORT | Straßburg |