Über 40 Jahre nach Ende seiner aktiven Karriere gilt Netzer als einer der besten Mittelfeldspieler in der Geschichte der Bundesliga. Anfang der 1970er Jahre war Netzer einer der größten Stars der Liga und der erste Spieler, der mit einem extravaganten Lebensstil[1][2] für Aufmerksamkeit sorgte.
Aktuell (Stand 2025) ist Günter Netzer Medienunternehmer. Bis nach derWM 2010 war er 13 Jahre lang neben dem SportmoderatorGerhard Delling als Experte für dieARD tätig. Seit 2015 verfügt er nach seiner Einbürgerung über dasSchweizer Bürgerrecht.
Im Alter von neun Jahren schloss sich Netzer dem1. FC Mönchengladbach an. In den folgenden Jahren spielte er im VerbandNiederrhein in mehreren Jugendauswahlteams. 1963 unterschrieb der 19-Jährige beim damaligenRegionalligisten Borussia Mönchengladbach einen Profivertrag.
In der Regionalligamannschaft erspielte sich Netzer bald einen Stammplatz und stieg mit ihr 1965 in dieBundesliga auf. Nachdem sich die Gladbacher in der höchsten deutschen Spielklasse etabliert hatten, dominierten sie unter TrainerHennes Weisweiler in den folgenden Jahren neben demFC Bayern München die Bundesliga. In dieser „Fohlenelf“ mitBerti Vogts,Herbert Laumen,Jupp Heynckes undWolfgang Kleff war Netzer als Mittelfeldstratege die zentrale Figur im Offensivspiel, der mit langen Pässen dem Spiel oft entscheidende Impulse gab. Zu weiteren Stärken des „klassischen Spielmachers“ zählten angeschnittene Freistöße und Eckbälle. Netzer, der nicht als „bedingungsloser Kämpfer“ und laufstarker Spieler galt, hatte in dem defensiven MittelfeldspielerHerbert Wimmer einen Mannschaftskameraden, der diese Aufgaben für ihn übernahm. Als Kopf und Kapitän der Mannschaft sowie verlängerter Arm von Weisweiler auf dem Platz führte Netzer die Borussia1970 zur ersten Meisterschaft.1971 gelang Borussia Mönchengladbach als erstem Verein in der Geschichte der Bundesliga die Titelverteidigung.
In der folgenden Saison verlor Borussia Mönchengladbach den Titel an Bayern München, Netzer spielte aber eine überragende Runde und wurde zu DeutschlandsFußballer des Jahres 1972 gewählt. Mit langen Haaren und einer Vorliebe für schnelle Autos und attraktive Frauen hob er sich schon früh von den anderen Spielern seiner Zeit ab. Auch mit seinen Aussagen zum Profifußball erregte er Aufsehen: „Am Samstag stehen elf Geschäftsleute auf dem Platz, von denen jeder seine eigenen Interessen vertritt. Sie suchen zusammen den Erfolg.“
Ende der Saison 1972/73 gab Netzer seinen Wechsel zumspanischen TopclubReal Madrid bekannt. Sein letztes Spiel für die Gladbacher war dasDFB-Pokalfinale 1973 gegen den Lokalrivalen1. FC Köln. Trainer Weisweiler verzichtete zunächst auf seinen Spielmacher.[3] Als es beim Stand von 1:1 in die Verlängerung ging, wechselte sich Netzer selbst ein[4] und erzielte nach Doppelpass mit Rainer Bonhof in seiner ersten Aktion mit einem wuchtigen Schuss in das linke Kreuzeck das 2:1-Siegtor. Netzer hatte durch dieses Tor in seinem letzten Spiel zu einem weiteren Titel des Vereins beigetragen. Er wurde zudem der erste Spieler, der in Folge zum zweiten Mal Fußballer des Jahres wurde.[5]
Günter Netzer (1975) während einer Autogrammstunde
Der Wechsel von Netzer zu Real Madrid war bis dahin einer der spektakulärsten Transfers eines Bundesligaspielers in das Ausland. Dieser wurde am 12. Juni 1973 von Borussias ManagerHelmut Grashoff und Madrids VizepräsidentenRaimundo Saporta ausgehandelt. Dabei wurde für Netzers Vertragsauflösung bei Borussia Mönchengladbach eine Summe von 720.000 DM vereinbart, die Real Madrid zu zahlen hatte, zuzüglich zur Ablöse eines Kredits von 80.000 DM, den Netzer bei Borussia aufgenommen hatte. In Madrid erhielt Netzer ein für die damalige Zeit sehr hohes Jahresgehalt von 295.000 DM.[6]
Bei Real Madrid war Netzer der erste deutsche Spieler der Vereinsgeschichte.[7]Er setzte sich nach Anlaufschwierigkeiten durch, gewann mit Real 1974 den nationalen Pokal und 1975 zusammen mit dem vom FC Bayern dazugestoßenenPaul Breitner das „Double“ aus Meisterschaft undPokal sowie 1976 erneut die spanische Meisterschaft. In 85 Ligaspielen erzielte er für den Verein, der auch kurz dieKöniglichen genannt wird, neun Treffer.
Zur Spielzeit 1976/77 wechselte er in dieSchweiz zumGrasshopper Club Zürich, bei dem er nach einer Saison seine aktive Karriere beendete.[8]
Nach einem halben Jahr Bundesliga wurde Netzer erstmals für die Nationalmannschaft nominiert. Er absolvierte sein erstes Länderspiel am 9. Oktober 1965 gegenÖsterreich; doch konnte er sich nicht für einen Stammplatz empfehlen und wurde für die Weltmeisterschaft1966 nicht berücksichtigt. Für dieEM-Endrunde 1968 konnte sich die DFB-Auswahl nicht qualifizieren, unter anderem durch das 0:0 gegen Albanien (Schmach von Tirana), bei dem Netzer in der Mannschaft stand. 1970 stand Netzer im Aufgebot für dieWM-Endrunde in Mexiko, verletzte sich jedoch kurz vor der Abreise;[9] für ihn rückteHennes Löhr in denKader. BundestrainerHelmut Schön setzte meist auf den KölnerWolfgang Overath als Spielgestalter – insbesondere nach dem als "Schmach von Tirana" in die deutsche Fußballgeschichte eingegangenen Versuch, mit beiden Regisseuren anzutreten. Die Rivalität zwischen Netzer und Overath bestimmte die frühen 1970er-Jahre.
Den Höhepunkt seiner Karriere im DFB-Dress erlebte Netzer bei derEuropameisterschaft 1972, als die deutsche Elf im Viertelfinale aufEngland traf. Es gelang der erste Sieg einer deutschen Nationalmannschaft imWembley-Stadion (3:1, wobei Netzer das zwischenzeitliche 2:1 per Strafstoß erzielte). Die Presse feierte die Geburtsstunde einer neuen Mannschaft (Wembley-Elf (1972)) mit Regisseur Netzer als Bindeglied zwischenGerd Müller im Angriff undLiberoFranz Beckenbauer in der Abwehr. Im Endspiel wurde dieSowjetunion mit 3:0 geschlagen, (West-)Deutschland wurde 1972 erstmals Europameister.
Bei derWM 1974 im eigenen Land gab Bundestrainer Schön wieder Overath den Vorzug. Netzer, der 1973 zuReal Madrid gewechselt war und außer Form zur WM kam, bestritt nur ein Spiel, das auch sein einziges bei einer Weltmeisterschaft blieb. Bei der 0:1-Niederlage gegen dieDDR wurde er nach 70 Minuten für seinen Kölner Konkurrenten Overath eingewechselt, konnte dem Spiel aber keine entscheidende Wendung mehr geben. Deutschland wurde am Ende Weltmeister, jedoch erklärte Netzer später, dass er sich nicht als Weltmeister fühle, da er nur zu einem Einsatz gekommen war.
Netzer war die Verkörperung des klassischen Spielmachers und gilt bis heute als einer der besten Mittelfeldspieler in der Geschichte der Bundesliga. Nominell vor der Abwehr positioniert, ließ sich Netzer häufig zwischen die Defensivreihe zurückfallen, um das Spiel zu ordnen.[12] Von dort sorgte er mit weiten Pässen und Vorstößen „aus der Tiefe des Raumes“ für Aufsehen.[13][14] In seiner letzten Saison beiBorussia Mönchengladbach wurde Netzer häufig alsLibero eingesetzt.[15] Neben einer überragenden Spieltechnik besaß er eine natürliche Autorität[16] und war die unangefochtene Führungsfigur der Mannschaft. In seiner aktiven Zeit bei Borussia Mönchengladbach wurden ihm von der Vereinsführung und von Trainer Weisweiler auch außerhalb des Spielfeldes große Freiheiten gewährt.
1977 beendete er seine aktive Laufbahn und bot demHamburger SV an, dessen Stadionzeitschrift zu verlegen, nachdem er 1965 bei Borussia Mönchengladbach schon als aktiver Spieler die heute noch existierende StadionzeitungFohlenecho herausgegeben hatte. PräsidentPaul Benthien stimmte unter der Bedingung zu, dass er auchManager werde. Netzer war von 1978 bis 1986 in dieser Funktion tätig. In dieser Zeit veränderte Netzer die Mannschaft des HSV auf vielen Positionen und holte als TrainerBranko Zebec undErnst Happel in die Hansestadt. Der HSV wurde in dieser Zeit dreimal Deutscher Meister (1979, 1982, 1983) und gewann 1983 inAthen nach einem 1:0 gegenJuventus Turin denEuropapokal der Landesmeister. Die Jahre mit Günter Netzer als Manager waren die bisher erfolgreichsten des Hamburger Sportvereins.
Vom 1. August 1991 bis zum 27. April 1992 war Netzer Manager desFC Schalke 04. Da er von seinem schweizerischen Wohnort Zürich aus arbeitete, wurde er scherzhaft „Telefonmanager“ genannt.
Zudem betätigte er sich als Berichterstatter und Fernsehkommentator. Für seine Arbeit als Fußballkommentator imErsten der ARD erhielt er im Jahr 2000 zusammen mitGerhard Delling denGrimme-Preis. Zudem wurden die beiden im Mai 2008 in Wiesbaden für ihr „hohes sprachliches Niveau“ mit demMedienpreis für Sprachkultur ausgezeichnet. Netzer und Delling sind befreundet, obwohl dies bei einigen gemeinsamen Moderationen nicht so wirkte und die beiden sich immersiezten.[18][19] Netzer war z. B. Trauzeuge bei Dellings zweiter Hochzeit.[20]
Das Duo Delling/Netzer, das die deutsche Nationalelf für ihre Leistung bei einem 0:0 inIsland stark kritisiert hatte, war der Auslöser für den daraufhin bekannt gewordenen Wutausbruch des damaligen DFB-TeamchefsRudi Völler direkt nach dem Länderspiel am 6. September 2003. Völler bezeichnete dabei vor laufender Kamera Netzer unter anderem als „Standfußballer“. Mit derFußball-Weltmeisterschaft 2010, die er noch mit Delling moderierte, endete Netzers Fernsehtätigkeit.[19]
Von 2000 bis 2016 war Netzer regelmäßiger Kolumnist derBild-Zeitung.[21]
Von März 2012 bis Mai 2013 war Netzer als Experte beim privaten Fußball-Radio90elf tätig und kommentierte gemeinsam mitWilfried Mohren ausgewählte Spiele.
Netzers Vater war Samenhändler, die Mutter hatte einen Lebensmittelladen.[22]
Zur Saisoneröffnung 1998/99 erhielt Borussia Mönchengladbach ein neues Maskottchen - Fohlen „Jünter“- welches nach Günter Netzer benannt wurde. Das Maskottchen trägt -wie einst Netzer- die Rückennummer 10.
Er betrieb von 1971 bis 1973 in Mönchengladbach die Diskothek „Lovers’ Lane“ sowie zeitweilig zusätzlich parallel das Speiselokal „La Lacque“.[23]
Als Mitglied der Weltmeistermannschaft 1974 wurde er mit demSilbernen Lorbeerblatt ausgezeichnet.
Seit Januar 1987 ist Netzer mit dem Fotomodell Elvira Lang verheiratet. Das Paar hat eine Tochter (* 1987).
2004 veröffentlichte er seine AutobiographieAus der Tiefe des Raumes. Eingleichnamiger Kinofilm verulkte ihn im selben Jahr in einer skurrilen Phantasiegeschichte als ehemalige Tipp-Kick-Figur.
Günter Netzer engagierte sich für das Team der AugsburgerBenefiz-FußballelfDatschiburger Kickers, die sich demFundraising für wohltätige Zwecke verschrieben hat.
Sein Markenzeichen war und ist bis heute seine Frisur. Im Dezember 2012 trat er für die ReiheStars oben ohne! in der Fernsehwerbung fürOtelo[25] als Glatzkopf auf; natürlich handelte es sich um eine künstliche Glatze.
↑José Luis Pierrend: (West) Germany – Footballer of the Year. Rec.Sport.Soccer Statistics Foundation, 6. September 2012, abgerufen am 24. September 2012 (englisch).
↑Tobias Escher:Vom Libero zur Doppelsechs: eine Taktikgeschichte des deutschen Fußballs (= Rororo). Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016,ISBN 978-3-499-63138-2,S.137.
↑Tobias Escher:Vom Libero zur Doppelsechs: eine Taktikgeschichte des deutschen Fußballs (= Rororo). Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2016,ISBN 978-3-499-63138-2,S.145.