Friedrich Karl Kaul (*21. Februar1906 inPosen; †16. April1981 inOst-Berlin) war ein deutscher Jurist und in derDDR Hochschullehrer und Schriftsteller.
Friedrich Karl Kaul wurde als Sohn des gutsituierten Textilunternehmers Albrecht Kaul und seiner Frau Emmi geboren, die aus einem wohlhabenden jüdischen Elternhaus stammte. Die Familie wohnte in Posen. Als Posen nach dem Ende desErsten Weltkrieges polnisch wurde, zog die Familie nach Berlin, wo Kaul bis zum Abitur dasGrunewald-Gymnasium besuchte. Nach Kauls eigenen Worten war seine Erziehung preußisch und kaisertreu, seine Schulbildung war eine humanistische. Ab 1925 studierte Kaul Rechtswissenschaften inHeidelberg, wo er Mitglied einer schlagendenStudentenverbindung wurde, und ab 1926 inBerlin.[1] 1929 legte er das erste juristische Staatsexamen in Berlin ab. „Staatsgläubig und unpolitisch“ nahm Kaul eine Assistentenstelle an, die ihm der Juraprofessor an derFriedrich-Wilhelms-Universität BerlinJames Goldschmidt anbot.[2] 1931 verteidigte Kaul seine Dissertation über das ThemaDie Entwicklung der Freiheitsstrafe zur Zentralstrafe im Strafensystem Preußens, die 1932 veröffentlicht wurde. Mittlerweile hatte er sein Referendariat angetreten und strebte das Zweite Staatsexamen an. In seiner Referendariatszeit machte Kaul Bekanntschaft mit linksliberalen und linken Auffassungen. So machte er 1929 bei einem politischen Prozess des OberreichsanwaltesPaul Jorns gegen den Herausgeber des linksliberalenTage-Buchs Josef Bornstein die Bekanntschaft mit dem auf politische Verfahren spezialisierten AnwaltPaul Levi. Dieser arbeitete auch für dieRote Hilfe. Levi wurde zum Vorbild für den jungen Berufsanfänger.
Nach derNS-Machtübernahme wurde Kaul im Februar 1933 aus „rassischen Gründen“ aus dem Referendariat entlassen, so dass er die für April 1933 angesetzte mündliche Prüfung des Zweiten Staatsexamens nicht ablegen konnte.[3] Damit war Kauls berufliche Karriere zerstört. Er konnte weder Anwalt werden, noch in den Justizdienst gehen. Kaul schloss sich oppositionellen Gruppen an. 1935 wurde er bei einer Versammlung der Roten Hilfe von derGestapo verhaftet und zuerst insKZ Lichtenburg und später insKZ Dachau gebracht. Kauls Frau Luise schaffte es, ehemalige Professoren Kauls zur Hilfe zu veranlassen. So gelang es seinem Doktorvater James Goldschmidt, der auf Grund seiner jüdischen Abstammung schon 1933 keine Vorlesungen mehr halten durfte und 1934 unter Zwang emeritiert worden war, ihm zu helfen und zu seiner Entlassung beizutragen.[4] Kaul musste sofort ausreisen und gelangte dann nachKolumbien, später nachMittelamerika.
1941/42 wurde Kaul inNicaragua alsfeindlicher Ausländerinterniert und an dieUSAausgeliefert. Dort kam er in einAnti-Nazi-Camp.[5]
Nach Ende desZweiten Weltkrieges kehrte er noch 1945 nach Deutschland zurück und zog nachOst-Berlin. Er trat in dieKPD ein, die 1946 in derSowjetischen Besatzungszone mit derSPD zurSEDzwangsvereinigt wurde, und war als Justitiar beimBerliner Rundfunk tätig. Da Kaul noch vor der Trennung der Justizsysteme Berlins amKammergericht zugelassen worden war, konnte er auch inWest-Berlin und an allen westdeutschen Gerichten als zugelassenerNebenklage-Vertreter auftreten.[6] Er war in der Folge an allenStaatsschutzverfahren in derBundesrepublik Deutschland beteiligt, die gegen Kommunisten undFDJ-Mitglieder geführt wurden und trat oft in Verfahren gegen Täter des NS-Unrechtes auf.[7] ImVerbotsprozess gegen die KPD vor demBundesverfassungsgericht war er Hauptprozessbevollmächtigter der KPD. 1960 wurde er zum Professor ernannt. 1961 reiste Kaul zumEichmann-Prozess nach Jerusalem. Am 29. Juni wurden ihm dort aus seinem Zimmer imKing David Hotel Unterlagen gestohlen, die Täter waren der Reserveoffizier und Adenauer-VertrauteRolf Vogel sowie der JournalistFrank Lynder. Mit dem Diebstahl sollte verhindert werden, dass Kaul während des Verfahrenswestdeutsche Politiker und Beamte aufgrund ihrer Tätigkeiten während der NS-Diktatur belastet.[8] Vom ersten FrankfurterAuschwitzprozess an trat er in 17 Strafverfahren gegennationalsozialistische Gewaltverbrecher als Vertreter derNebenkläger für die in der DDR lebenden Opfer auf.[9] So war er von 1963 bis 1965 Nebenkläger im Frankfurter Auschwitz-Prozess, von 1967 bis 1970 imEssener Dora-Prozess und agierte 1970 als Vertreter der Nebenkläger im DüsseldorferTreblinka-Prozess.
In den Jahren 1970 bis 1972 vertrat erEberhard Czichon und seinen VerlegerManfred Pahl-Rugenstein gegen die Klage vonHermann Josef Abs wegen der Darstellung von dessen Rolle im Vorstand derDeutschen Bank während derZeit des Nationalsozialismus. Als Abs mehrereeidesstattliche Versicherungen abgab, um Czichons Behauptungen zu entkräften, zeigte Kaul ihn wegenMeineids an. Vergebens, Kaul verlor die Prozesse, Czichon und Pahl-Rugenstein wurden zu einer Schadenersatzzahlung von DM 20.000 verurteilt. Die Summe drohte den Verlag zu ruinieren, doch Kaul handelte mit Abs’ Anwalt aus, dass die Vollstreckung nicht betrieben wurde. Dafür verzichteten der Verlag und die hinter ihm stehende SED darauf, weitere publizistische Angriffe auf Abs und die Deutsche Bank zu lancieren und dieOMGUS-Berichte zu veröffentlichen, die belastendes Material über Abs enthielten.[10]
Kaul war auch in der Bundesrepublik eine bekannte Persönlichkeit. In zwei Artikeln desSpiegel wurde er als „Staranwalt“ bezeichnet.[11][12] Zu seinem antifaschistischen Engagement gehörte auch der langjährige Kampf für die gerichtliche Bestrafung des Mordes anErnst Thälmann. Darüber schrieb er auch ein Buch.[13] Von 1971 bis 1974 verteidigte erBeate Klarsfeld im Strafprozess wegen der versuchten Entführung des KriegsverbrechersKurt Lischka nach Frankreich.[14] Das Auftreten Kauls als Nebenkläger in den Prozessen gegen nationalsozialistische Verbrecher wurde von Seiten der DDR auch propagandistisch genutzt. Die DDR stellte sich so als Vertreterin der Opfer derNS-Diktatur dar.[7]
1977 organisierte Kaul eine geheim gehaltene Kooperation derDDR-Staatssicherheit mit den Anwälten vonRAF-Terroristen in der Bundesrepublik Deutschland.[15]
In der DDR war der Jurist vor allem durch seine FernsehsendungFragen Sie Professor Kaul[16] bekannt, in der er Rechtsfragen aus dem Alltag erörterte und kommentierte (zuvor RadiosendungDr. Kaul antwortet; Fernsehsendung später fortgeführt vonFriedrich Wolff unter dem TitelAlles was Recht ist). Kaul schrieb auchKriminalgeschichten, Romane, Hör- und Fernsehspiele, teilweise auch unter demPseudonymFriedrich Karl Hartmann,[17] darunter die KriminalfilmreiheBonner Pitaval für dasDDR-Fernsehen. Auch beim PseudonymKarl Sonnabend wird vermutet, dass es sich um Kaul handelt. Vier Kriminalhörspiele dieses Autors sind im Rundfunk der DDR ausgestrahlt worden.[18]
In der ersten Folge,Die Affäre Heyde-Sawade, setzte Kaul den Skandal des in Westdeutschland untergetauchten NS-Euthanasie-VerantwortlichenWerner Heyde filmisch in Szene, dokumentierte den Fall und bewertete ihn juristisch. Kaul thematisierte damit erstmals für eine breitere Öffentlichkeit in der DDR dieKrankenmorde im Nationalsozialismus. Kaul starb im Jahr 1981 in Berlin. Er war bis zu seinem Tod als Rechtsanwalt aktiv. Seine Kanzlei wurde von den Kollegen Winfried Matthäus und Günter Ullmann fortgeführt, die schon zuvor eng mit Kaul im Kollegium der Rechtsanwälte zusammenarbeiteten. Beide setzten die enge Kooperation mit dem MfS der DDR fort.[19]
Seine Urne wurde in der Grabanlage Pergolenweg des BerlinerZentralfriedhofs Friedrichsfelde beigesetzt.
Personendaten | |
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NAME | Kaul, Friedrich Karl |
ALTERNATIVNAMEN | Hartmann, Friedrich Karl; Kaul, Fritz |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Jurist und Schriftsteller der DDR |
GEBURTSDATUM | 21. Februar 1906 |
GEBURTSORT | Posen |
STERBEDATUM | 16. April 1981 |
STERBEORT | Ost-Berlin |