Movatterモバイル変換


[0]ホーム

URL:


Zum Inhalt springen
WikipediaDie freie Enzyklopädie
Suche

Ferdinand Adolf Kehrer

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Ferdinand Adolf Kehrer
Das Haus in Meckesheim, in dem Kehrer 1881 den ersten Kaiserschnitt durchgeführt hat
Die Grabstätte von Ferdinand Adolf Kehrer auf demHeidelberger Bergfriedhof

Ferdinand Adolf Kehrer (*16. Februar1837 inGuntersblum; †16. Juni1914 inHeidelberg) war ein deutscherGynäkologe und Geburtshelfer. Er begründete 1881 den modernenKaiserschnitt und führte 1882, zeitgleich mitMax Sänger, die doppelte Uterusnaht bei der Schnittentbindung ein.

Leben

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Kehrers Vater war Landarzt, seine Mutter die Tochter eines Apothekers. Nach dem Besuch derVolksschule in seiner Heimatgemeinde inRheinhessen besuchte er ab 1847 einGymnasium inWorms und studierte später inGießen,München undWien Medizin.

1860promovierte er in Gießen mit dem Thema „Die Geburten in Schädellage mit rückwärts gerichtetem Hinterhaupte“.[1] Nachdem er zunächst als praktischer Arzt in Gießen tätig war, habilitierte er sich 1864 für Geburtshilfe und wurde 1868 zum Extraordinarius ernannt.[2] Kehrer war von 1871 bis 1881 als Ordinarius (1872) der Geburtshilfe zugleich Direktor der Frauenklinik Gießen. 1881 erhielt er den Ruf auf einen Lehrstuhl für Frauenheilkunde an derUniversität Heidelberg und wurde dort später auchDekan der medizinischen Fakultät. Kehrer war darüber hinaus der erste Ordinarius fürGeburtshilfe in Heidelberg.[3]Dort setzte er den Neubau der Entbindungsanstalt im Bergheimer Klinikum durch, der 1883 errichtet wurde.[4]

Ferdinand Adolf Kehrer hat 1897 als erster Deutscher erfolgreich die Unfruchtbarmachung einer Frau durch Verschluss der Eileiter (Tuben) durchgeführt. Er gehört damit zu den Pionieren der Tubensterilisation, eines Operationsverfahrens, welches trotz seiner Nachteile – es bewirkt dauerhafte Unfruchtbarkeit – heute die weltweit am häufigsten verwendete Methode zurEmpfängnisverhütung bei verheirateten gebärfähigen Frauen und damit ein wesentliches Element der individuellenFamilienplanung ist.[5] Kehrer berichtete über den in der Heidelberger Universitätsklinik durchgeführten Eingriff imCentralblatt für Gynäkologie. Er hatte die Tubensterilisation an einer 27 Jahre alten Frau vorgenommen, die bereits sechs Kinder hatte, die „rachitisch, idiotisch und zum Theil mit Enuresis (Bettnässen) behaftet“ waren. Bei allen war der Geburtsverlauf kompliziert gewesen, eine weitere Schwangerschaft hatte Kehrer wegen stetigen Gewichtsverlustes der Mutter im 4. Monat abgebrochen. Die Sterilisation war auf Wunsch des Ehepaares und in Absprache mit dem Hausarzt vorgenommen worden, da „die Nachkommenschaft krank, ja theilweise blödsinnig war“[6] und „da man als Arzt die Pflicht habe, eine Frau dem Manne und den hilfsbedürftigen Kindern zu erhalten“.[7] 1898 führte Kehrer erfolgreich eine weitere Tubensterilisation „wegen schwerer in allen Schwangerschaften aufgetretener maniakalischer Zufälle mit Kindesmordversuchen“ durch.[8] Beide Tubensterilisationen waren insofern medizinisch begründet, dass es darum ging, die Gesundheit von zwei Frauen zu erhalten, weil sie für die Versorgung der Kinder gebraucht würden bzw. das Leben von Kindern durch ihre Krankheit gefährdet gewesen sei.

In der zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch seine Eingriffe entfachten Debatte über die Vorbedingungen zur Durchführung von Tubensterilisationen forderte Kehrer:

  • eine übereinstimmende, möglichst schriftliche Erklärung beider Ehegatten über ihre Zustimmung zur Herbeiführung dauerhafter Unfruchtbarkeit;
  • die schriftliche Zustimmung seitens des Hausarztes und eines erfahrenen Gynäkologen und Geburtshelfers;
  • dass zuvor alle anderen Mittel zur Empfängnisverhütung vergebens angewendet sein sollten;
  • dass die betroffene Frau in der Regel mehrere lebende Kinder haben sollte.[9]

Als medizinische Gründe für die Durchführung von Sterilisationen galten damals eine Erschöpfung, ausgelöst durch schlechte Ernährung oder Blutarmut, die Epilepsie, schwere Psychosen und Herzerkrankungen sowie die Tuberkulose.[10] Bei Nervenerkrankungen, die mit erheblichen körperlichen Beeinträchtigungen einhergingen und von denen man – teilweise zu Recht – annahm, dass sie vererbt würden, kamen eugenische Gründe hinzu,[10] wobei man noch davon ausging, dass diese wegen der Seltenheit schwerster Erbfehler keine praktische Bedeutung erlangen würden.[11] Während des Ersten Weltkrieges und in der Weimarer Republik traten dann eugenische und bevölkerungspolitische Gründe verbunden mit der Forderung nach Zwangssterilisationen zunehmend in den Vordergrund.[12]

Mit seiner Frau Emmy (1849–1924), der Tochter des TiermalersFriedrich Frisch, hatte Kehrer vier Kinder, darunter den späteren KunsthistorikerHugo Kehrer. Ein weiterer Sohn, Erwin Kehrer, war wie er Gynäkologe und leitete bis zu seiner Zwangsemeritierung 1939 die Marburger Universitäts-Frauenklinik.

Ferdinand Adolf Kehrer ruht in der Familiengrabstätte auf demBergfriedhofHeidelberg, (Abt. T). Der Grabstein ist ein Granitfindling mit einem tafelartigen Feld in der Mitte. Auf Liegesteinen sind die Namen der weiteren Familienmitglieder, die hier ruhen, festgehalten.

Leistungen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]

Kehrer ist bekannt für seine bahnbrechende Kaiserschnittmethode, bei der die Gebärmutter nicht wie bis dahin üblich von oben nach unten, sondern quer (mittels Bogenschnitt) aufgeschnitten und nach der Entbindung durch 3-Schicht-Naht[13] von Muskulatur und Bauchfellüberzug wieder verschlossen wird. Diesekonservativ klassischer Kaiserschnitt genannte Operationsmethode wandte Kehrer erstmals am 25. September 1881 inMeckesheim bei der 28-jährigen Emilie Schlusser an, die zuvor schon drei Kinder auf natürlichem Wege zur Welt gebracht hatte, die allerdings alle im ersten Lebensjahr verstorben waren. Assistiert von zwei Chirurgen, einem praktischen Arzt (Dr. med. Schütz ausNeckargemünd) und derWalldürner HebammeMaria Zeeb,[14] führte er die etwa einstündige Operation durch. Mutter und Kind waren nach der Operation wohlauf. Während die Mutter bereits im Alter von 34 Jahren starb, wurde das Kind 69 Jahre alt.[15] Noch heute erinnert in der nach ihm benannten Prof.-Kehrer-Straße in Meckesheim (zuvor Mandelgasse) am Haus dieser Geburtsoperation eine Inschrift an die großartige Pionierleistung.

Im Jahr 1882 publizierte Kehrer das von ihm, wie auch zeitgleich von Max Sänger, entwickelte Verfahren der doppelten Gebärmutternaht nach dem Kaiserschnitt, das die Schnittentbindung sicherer machte.[16][17]

Diese Kaiserschnittmethode senkte dieMüttersterblichkeit von ehemals 60–70 % bei der alten Kaiserschnittmethode[18] auf unter 1 % und wird in der Modifikation nachHermann Johannes Pfannenstiel, bei der auch die Bauchdecke durch einen Horizontalschnitt eröffnet wird,[19][20] heute weltweit angewendet.

Auszeichnungen und Ehrungen

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Straßenschild derProf.-F.A.-Kehrer-Straße in Guntersblum
  • 1887 Ritter desZähringer Löwenordens
  • 1889Hofrat
  • 1894 Geheimer Hofrat
  • 1899 Kommandeur des Zähringer Löwenordens
  • 1902Geheimer Rat II. Klasse
  • In seinem Heimatort Guntersblum und in Meckesheim wurde jeweils eine Straße nach ihm benannt: in Guntersblum dieProf.-F.-A.-Kehrer-Straße, in Meckesheim dieProf.-Kehrer-Straße.

Literatur

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  • Herman Haupt, Georg Lehnert:Chronik der Universität Gießen, 1607–1907. Alfred Tölpelmann, Gießen 1907, S. [71]–[72] (Digitalisat).
  • Dagmar Drüll:Heidelberger Gelehrtenlexikon 1803–1932. Springer, Berlin u. a. 1986,ISBN 3-540-15856-1.
  • Bernd Ellwanger, Edith Wolber (Schwesternschule der Universität Heidelberg):Berufliche und private Vita Professor Kehrers. In:Meckesheim und sein epochaler Kaiserschnitt von 1881. Dokumentation aller wissenschaftlichen Fakten über eine operative Glanzleistung, die vor 130 Jahren eine Sternstunde der Medizin für die Menschheit begründete (=Schriftenreihe zur Meckesheimer Ortsgeschichte. 3). Gemeinde Meckesheim, Meckesheim 2011, S. 30–40.
  • KlinikTicker, das Online-Mitarbeitermagazin des Universitätsklinikums Heidelberg:„Ein Zimmer, 21 1/2 Schuh lang und 18 Schuh breit.“ Ein Streifzug durch die 250-jährige Geschichte der Hebammenschule in Heidelberg, 16. Dezember 2016,Streifzug 250 Jahre Hebammenschule, abgerufen am 29. Dezember 2016.

Weblinks

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
Commons: Ferdinand Adolf Kehrer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

[Bearbeiten |Quelltext bearbeiten]
  1. Ferdinand Adolph Kehrer:Die Geburten in Schädel-Lagen mit rückwärts gerichtetem Hinterhaupte. Medizinische Dissertation. Gießen 1859, (Digitalisat).
  2. Peter Schneck:Kehrer, Ferdinand Adolph. In:Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage,Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.):Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin u. a. 2005,ISBN 3-11-015714-4, S. 731.
  3. Ferdinand Adolf Kehrer:Lehrbuch der operativen Geburtshülfe. Enke, Stuttgart 1891, (Digitalisat).
  4. Leena Ruuskanen:Der Heidelberger Bergfriedhof im Wandel der Zeit (=Schriftenreihe des Stadtarchivs Heidelberg. Sonderveröffentlichung. 18). Verlag Regionalkultur, Ubstadt-Weiher u. a. 2008,ISBN 978-3-89735-518-7, S. 49.
  5. Trends in Contraceptive Use Worldwide 2015. United Nations Department of Economic and Social Affairs – Population Division, New York NY 2015,ISBN 978-92-1-057775-5, S. 25, (Digitalisat).
  6. Wolfgang U. Eckart:Politische „Machtergreifung“ und medizinische Wissenschaft: Das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses vom 14. Juli 1933. In:Christoph Gradmann, Oliver von Mengersen (Hrsg.):Das Ende der Weimarer Republik und die Nationalsozialistische Machtergreifung. Vorträge Heidelberger Historiker in der Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte. Manutius, Heidelberg 1994,ISBN 3-925678-48-4, S. 153–182, hier S. 155–156.
  7. Ferdinand Adolf Kehrer:Sterilisation mittels Tubendurchschneidung nach vorderem Scheidenschnitt. In:Centralblatt für Gynäkologie. Bd. 21, Nr. 31, 1897,ZDB-ID 200948-1, S. 261–265.
  8. Ferdinand Adolf Kehrer:Jahresbericht aus der Heidelberger Frauenklinik 1899. In:Aerztliche Mitteilungen aus und für Baden. Bd. 54, Nr. 15, 1900,ZDB-ID 502533-3, S. 3.
  9. Operative Sterilisierung des Weibes. In: Krönig-Döderlein:Operative Gynäkologie. 4. Auflage. Georg Thieme, Leipzig 1921,S. 376–381.
  10. abOperative Sterilisierung des Weibes. In: Krönig-Döderlein:Operative Gynäkologie. 4. Auflage. Georg Thieme, Leipzig 1921,S. 377–381.
  11. Winter, in:Operative Sterilisierung des Weibes. In: Krönig-Döderlein:Operative Gynäkologie. 4. Auflage. Georg Thieme, Leipzig 1921,S. 378.
  12. Vgl. Susanne Doetz:Alltag und Praxis der Zwangssterilisation. Die Berliner Universitätsfrauenklinik unter Walter Stoeckel 1942–1944. Dissertation. Medizinische Fakultät Charité Universitätsmedizin Berlin. Berlin 2010, S. 25–26.
  13. Gustav Döderlein:Der heutige Stand der abdominalen Schnittentbindung. In:Münchener Medizinische Wochenschrift. Band 95, Nr. 1, 2. Januar 1953, S. 56–61., hier: S. 56.
  14. Karin Wittneben:Maria Zeeb. In: Horst-Peter Wolff (Hrsg.):Biographisches Lexikon zur Pflegegeschichte. Who was who in nursing history. Band 3. Elsevier, München 2004,ISBN 3-437-26671-3, S. 304.
  15. Bernd Ellwanger, Günter Lochmeyer, Edith Wolber:Meckesheim und sein epochaler Kaiserschnitt von 1881. Hrsg.: Gemeinde Meckesheim.S. 18. 
  16. Ferdinand Adolph Kehrer:Ueber ein modificiertes Verfahren beim Kaiserschnitt. In:Archiv für Gynäkologie. Band 19, 1882, S. 177–205.
  17. Peter Schneck:Kehrer, Ferdinand Adolph. 2005, S. 731.
  18. Martina Lenzen-Schulte:Wie der Kaiserschnitt zum Klassiker wurde. In:Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. April 2014, S. N2.
  19. Johannes Pfannenstiel:Ueber die Vortheile des suprasymphysaren Fascienquerschnitts für die gynäkologischen Koliotomien, zugleich ein Beitrag zu der Indikationsstellung der Operationswege. In:Sammlung klinischer Vorträge. Neue Folge 268 =Sammlung klinischer Vorträge, Gynäkologie. Neue Folge 97,ZDB-ID 500207-2, 1900, S. 1735–1756,PMID 4589293.
  20. Arne Jensen:Hermann Johannes Pfannenstiel (1862–1909). Zum 80. Todestag. Biographie eines großen deutschen Gynäkologen. In:Geburtshilfe und Frauenheilkunde. Bd. 50, Nr. 4, 1990, S. 326–334,doi:10.1055/s-2007-1026488.
Personendaten
NAMEKehrer, Ferdinand Adolf
ALTERNATIVNAMENKehrer, Ferdinand Adolph
KURZBESCHREIBUNGdeutscher Gynäkologe und Erfinder des modernen Kaiserschnitts
GEBURTSDATUM16. Februar 1837
GEBURTSORTGuntersblum
STERBEDATUM16. Juni 1914
STERBEORTHeidelberg
Abgerufen von „https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Ferdinand_Adolf_Kehrer&oldid=249568721
Kategorien:

[8]ページ先頭

©2009-2025 Movatter.jp