Alsextremophil werdenOrganismen bezeichnet, die sich extremen Umweltbedingungen angepasst haben, die im Allgemeinen als lebensfeindlich betrachtet werden. Dabei handelt es sich meist um einzelligeMikroorganismen. Nicht-extremophile Organismen bezeichnet man alsMesophile.
Der BegriffExtremophile wurde 1974 von R.D. MacElroy geprägt.[1]Viele Extremophile sind Mitglieder der Domäne derArchaeen und tatsächlich werden gelegentlich die beiden Begriffesynonym verwendet, obwohl es viele mesophile Archaea gibt, zudem existieren auch zahlreiche extremophileBakterien und sogarEukaryoten. Obgleich der bei weitem größte Anteil an Extremophilen bei denEinzellern zu finden ist, gibt es auch Beispiele für Vielzeller (Metazoa) unter diesen Spezialisten. Beispiele für extremophile Vielzeller sind die psychrophilenGrylloblattodea (Insekten) und derantarktische Krill (Crustacea).
Eine wichtige Bedeutung in der Biotechnologie habenEnzyme, die aus extremophilen Organismen stammen undrekombinant erzeugt wurden. Beispielsweise stammt die in derPolymerase-Kettenreaktion (PCR) verwendetethermostabile DNA-Polymerase ursprünglich aus dem thermophilen BakteriumThermus aquaticus oder der ArchaeePyrococcus furiosus.
AuchViren konnten in extremen Habitaten entdeckt werden, z. B. dasSulfolobus-Turreted-Icosahedral-Virus.[2][3]
Es gibt viele verschiedene Kategorien von extremophilen Organismen. Die Klassifizierung entspricht der Art und Weise, wie die Umweltbedingungen des jeweiligen Organismus von dem abweichen, was aus menschlicher Sicht als „normal“ betrachtet wird. Diese Klassifizierung ist nicht exklusiv, das heißt, auf manche Extremophile treffen mehrere Kategorien zu. Organismen, die beispielsweise im Inneren von heißenGesteinen weit unter der Erdoberfläche leben, sind nicht nurEndolithe, sondern auchthermophil undbarophil.
Folgende Kategorien sind bekannt:
- Thermophile: Organismen, die optimal an hoheTemperaturen (80 °C und mehr) angepasst sind
- Psychrophile: Organismen, die optimal an niedrige Temperaturen (15 °C und niedriger) angepasst sind
- Kryophile: Organismen, die an besonders kalte Umgebungen unter −10 °C angepasst sind. Sie stellen die Steigerung der Psychrophilie dar.
- Halophile: Organismen, die optimal an hohe Salzkonzentrationen (mindestens 0,2 mol/l Salz) angepasst sind
- Methanophile: Organismen, die an eine hohe Methankonzentration angepasst sind, beispielsweise Bakterien imMethanhydrat undSirsoe methanicola (nicht zu verwechseln mit denMethanbildnern, die allerdings eine gewisse Konzentration ihres Stoffwechselproduktes ertragen).
- Alkaliphile: Organismen, die optimal an einen hohenpH-Wert (pH 9 und höher) angepasst sind
- Acidophile: Organismen, die optimal an einen niedrigen pH-Wert (pH 3 und niedriger) angepasst sind
- Barophile: Organismen, die optimal an hohenhydrostatischen Druck angepasst sind
- Radiophile: Organismen, die sehr hohe Dosen ionisierender Strahlung tolerieren (sieheDeinococcus radiodurans) oder sogar mithilfe des PigmentsMelanin in Energie umzuwandeln vermögen (Radiosynthese) und diese für ihr Wachstum nutzen können. Es handelt sich hierbei um bestimmte melaninreiche Pilzarten, die im zerstörten Atomreaktor vonTschernobyl als schwarzer Belag an den Reaktorwänden auffällig wurden.[4]
- Endolithe: Organismen, die im Inneren von Gesteinen leben
- Oligotrophe: Organismen, die optimal an eine nährstoffarme Umgebung angepasst sind
- Toxitolerante: Organismen, die großen Konzentrationen an zerstörerischen Agenzien wieGiftstoffen oderStrahlung widerstehen können. So können manche sogar inBenzol-gesättigtem Wasser überleben, andere gedeihen im Kühlwasserbehälter einesKernreaktors
- Xerotolerante: Organismen, die an eine wasserarme Umgebung angepasst sind. Beispiele sind extremhalophile oderendolithische Organismen.
Extremophile, die unter mehreren extremen Umweltbedingungen vorkommen, werden als Polyextremophile bezeichnet.[5][6] Beispiele für Polyextremophilie sindDeinococcus radiodurans undBärtierchen.
Da extremophile Organismen zum Teil auch unter Weltraumbedingungen existieren können, sind sie fürastrobiologische Forschungsprojekte von Interesse, beispielsweise zur Wahrscheinlichkeit vonPanspermie.[7][8][9][10]
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Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäßAnleitung und entferne dann diesen Hinweis. spaceref.com, abgerufen am 5. Oktober 2011. - ↑Peter Reuell: Harvard study suggests asteroids might play key role in spreading life. In: Harvard Gazette. 8. Juli 2019, abgerufen am 6. Oktober 2019 (amerikanisches Englisch).
- ↑Ker Than: Bacteria Grow Under 400,000 Times Earth's Gravity. 26. April 2011, abgerufen am 6. Oktober 2019 (englisch).